Jack Franklin, der Weltdetektiv - Jack Franklin - E-Book

Jack Franklin, der Weltdetektiv E-Book

Jack Franklin

0,0

Beschreibung

Jack Franklin ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Detektivkunst. Durch sein kriminalistisches Genie hat er gemeinsam mit seinem Gehilfen Pat Murry auf allen Kontinenten erfolgreich gegen das Verbrechen gekämpft.In Nebraska stoßen sie auf ein mordendes Ungetüm und in der Grenzregion zu Kanada muss das Rätsel um einen mysteriösen Doppelmord gelöst werden.In diesem Band stecken fünf aufregende Fälle für den Weltdetektiv Jack Franklin.Die Printausgabe umfasst 240 Buchseiten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 224

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



JACK FRANKLIN,DER WELTDETEKTIV

In dieser Reihe bisher erschienen:

1001 Edgar Rice Burroughs Caprona - das vergessene Land

1002 Ernst Konstantin Sten Nord - der Abenteurer im Weltraum

1003 Jack Franklin, der Weltdetektiv

1004 Robert E. Howard Die Geier von Wahpeton

JACK FRANKLINDER WELTDETEKTIV

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Reihen-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2018 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-772-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Eine unheimliche Geschichte

In stürmischer Sommernacht raste der Pacific-­Express am Ufer des Platte River dahin. Er fuhr donnernd über die mächtige Hängebrücke und gelangte in ein Terrain von ausgedehnten Wäldern und Seen. Die Landschaft lag in dunkler Verschlossenheit um den Schienenstrang, aber die strahlenden Lichter der kolossalen Verbund-Lokomotive wiesen mit riesig großen Argus­augen den richtigen Weg.

In einem Abteil des vordersten Wagens befanden sich zwei Herren in animiertem Gespräch. Beide mochten Farmbesitzer sein, ihre gebräunten Gesichter und ihr sonstiges solides Aussehen verrieten es.

„Haben wir nicht bald das Gebirge Long Peak erreicht?“, fragte er eine.

Gähnend erwiderte der Befragte: „Weit kann es nicht mehr sein. Wenn wir erst Nebraska hinter uns haben, sind wir bald angelangt. Wir haben nur noch eine Station, dann sind wir da.“

„Aha, ich weiß, wo wir zunächst anhalten!“, sagte der Erste wieder. „Es ist die Station Omanda, nicht wahr?“

„Jawohl, so ist es, aber der Express hält dort kaum drei Minuten. Ein wahrer Segen, diese Pacific-Bahn. Nirgends hält sie sich lange auf. Bei uns Amerikanern heißt es immer: mit größter Schnelligkeit vorwärts.“

„Hm, das soll schon sein!“, pflichtete der andere bei. „Wissen Sie nichts Näheres über den Besitzer von Omanda? Ich habe da neulich eine ganz tolle Geschichte gehört. Es soll in der Nähe der Besitzung nicht recht geheuer sein. Man erzählte sich, dass der Sohn des Besitzers vor längerer Zeit durch irgendein gespenstisches Ungetüm, das sich in den Wäldern herumtreibt, sein Leben eingebüßt hat. Die Sache kam mir fast wie ein Märchen vor.“

Der erste Farmer machte ein ernstes Gesicht.

„Man hat Ihnen die Wahrheit gesagt!“, erwiderte er. „Ich habe neulich mit einer vertrauenswürdigen Persönlichkeit gesprochen, welche die Verhältnisse von Omanda genau kennt.“

Der andere rückte sich zurecht und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Gespannt hingen seine Augen am Munde seines Mitreisenden.

„Sir Omanda ist der reichste Landbesitzer in ­Nebras­ka!“, erzählte dieser weiter. „Er besitzt Ländereien und Wälder von riesenhafter Ausdehnung. Wie bekannt und geachtet er ist, geht schon daraus hervor, dass die Bahnstation seinen Namen erhalten hat.

Heute ist der alte Omanda ein Sonderling und Menschenfeind geworden. Aber es war einmal anders. Da gab es Feste über Feste, und es ging immer froh und lustig in dem alten Herrenhause zu.

Der alte Omanda hatte einen Sohn, das war ein sympathischer, stattlicher junger Mann. Er kam vor zwei Jahren von einer Weltreise zurück, schäumend vor Übermut und Jugendlust. Er war ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.

Bill Omanda traf seinen Vater niedergeschlagen und melancholisch an. Die Ursache dieses veränderten Benehmens kam ihm geradezu lächerlich vor. Es handelte sich um ein gespensterhaftes Ungetüm, welches in jenem Teile Nebraskas sein Unwesen treiben sollte.

Die Sage über dieses Ungetüm führte bis zur Indianerzeit zurück. Die alten Indianerfrauen erzählten ihren Enkelkindern, dass der Geisterhund den Weißen, dem er erscheine, jedes Mal um ein Jahr dem Tode näher bringe.

Dem alten Omanda war dieses rätselhafte Ungetüm nun in letzter Zeit sehr oft begegnet. Das war der Grund zu seiner Verstimmung. Bill lachte seinen Vater aus und erbot sich, dem geheimnisvollen Spuk auf die Spur zu kommen. Er glaubte diese Altweibergeschichten nicht.

Endlich kam ihm das Untier das erste Mal zu Gesicht. Es war in finsterer Nacht, als er am Fenster stand und auf die Landschaft hinausblickte.

In der Nähe der Besitzung Omanda befindet sich auf erhöhtem Platze eine ehemalige Mühle, welche jetzt einsam und verlassen dasteht. Sie wird weit und breit die Burgmühle genannt.

Bill Omanda sah das Ungetüm vom Walde herüber­kommen und in der Nähe der Burgmühle verschwinden. Von nun an stand er Nacht für Nacht auf dem Posten. Mit der Flinte im Anschlag lauerte er auf das Untier. Er kam auch mehrere Male zum Schuss, aber das Ungetüm schien unverwundbar. Es hatte sich bei Bill Omanda der Gedanke festgesetzt, dass die Burgmühle mit dem gespenstischen Ungetüm in irgendeiner Verbindung stehen müsste. Eines Tages fasste er daher den Entschluss, in der Burgmühle zu übernachten. Sein Diener, ein junger Mensch, der ihn auf seinen Reisen begleitet hatte, wurde von ihm eingeweiht.

Bill Omanda verließ am späten Abend die väterliche Besitzung und schlich sich nach der Burgmühle hinüber. Am andern Morgen kam er nicht zum Vorschein. Auch bis zur Mittagsstunde erschien er nicht. Sein Vater befand sich in größter Aufregung, als der junge Diener, jetzt selbst in Sorge, gestand, was sein junger Herr in der Nacht unternommen hatte.

Sir Omanda begab sich nach der Burgmühle, durchsuchte alle Zimmer und hatte in der oberen Etage des Hauses einen schrecklichen Anblick. Er fand seinen Sohn als Leiche wieder. Bill Omanda war vollständig zerfleischt worden, und wenn die Kleidung nicht verraten hätte, dass er es sei, so würde sein Vater ihn kaum erkannt haben.

Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass er in bestialischer Weise von irgendeinem Tier zerrissen worden war. Der alte Omanda war der Verzweiflung nahe. Er ließ ein ganzes Heer von Detektiven kommen, welche sich mit dem geheimnisvollen Tode seines Sohnes beschäftigten. Sie blieben fast ein Vierteljahr in der Umgegend, aber der Mörder des jungen Mannes wurde nicht gefunden, das geheimnisvolle Verbrechen blieb bisher ungesühnt.“

Der zweite Farmbesitzer hatte mit großem Interesse der Erzählung gelauscht. Er schüttelte den Kopf und fragte jetzt: „Und was ist aus dem gespensterhaften Ungetüm geworden?“

„Zuerst blieb es eine Zeitlang unsichtbar, aber jetzt treibt es nach wie vor sein Unwesen!“, fuhr der Erzähler fort. „In dunklen Nächten erscheint es in der Nähe der Burgmühle, und seine glühenden Augen jagen jedermann Angst und Schrecken ein. Der alte Omanda bildet sich fest ein, dass bei jedesmaligem Erscheinen des geheimnisvollen Ungetüms sein Leben um ein Jahr verkürzt wird, dass er um so viel Jahre früher stirbt, als der Hund sich ihm zeigt.“

„Eine tolle Geschichte. Es ist kaum zu glauben!“, sprach der Zuhörer kopfschüttelnd. „Was halten Sie davon?“

Der Gefragte zuckte die Achseln.

„Ich glaube selbstverständlich nicht an übernatürliche Dinge, aber immerhin muss ich zugeben, dass die Existenz des Ungetüms auf mich einen unheimlichen Eindruck gemacht hat.“

Es trat hierauf Schweigen zwischen den beiden Männern ein.

Im Nebenabteil des Wagens saßen zwei andere Herren, welche aufmerksam der Unterhaltung gelauscht hatten. Einer war ein hochgewachsener Mann mit einem bartlosen, kühnen Gesicht. Er hatte blaue Augen und eine hohe Stirn. Sein blondes Haar war in der Mitte gescheitelt. Der Glanz seiner Augen verriet, welches Interesse er für die Erzählung im Nachbarabteil hegte. Zweierlei war es, was seine Aufmerksamkeit in so hohem Maße erregte: Erstens kannte er den jungen Omanda, über dessen tieftrauriges Schicksal er da so unerwartet Kunde erhielt, sehr gut, und zweitens erweckte der Bericht des Farmers auch sein berufliches Interesse.

Jack Franklin, so hieß der stattliche Mann, war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Detektivkunst und zurzeit wohl der bedeutendste und gesuchteste Kriminalist.

Von Geburt Deutscher, hatte er sich nach dem Abschluss umfassender Studien mit größter Hingabe dem Detektivberuf gewidmet und durch sein eminentes Wissen und Können, gepaart mit einem seltenen kriminalistischen Genie, bereits Erfolge erzielt, die seinen Namen rasch in aller Welt bekannt und berühmt gemacht hatten. Es gab keinen Erdteil, den sein Fuß nicht schon auf der Verfolgung raffiniertester Verbrecher betreten hätte. Soeben befand er sich nach glücklicher Erledigung einer beruflichen Angelegenheit auf der Reise nach San Franzisko, wo er einige Tage der Erholung zu verleben gedachte.

Der zweite Insasse des Abteils, ein sympathischer, bartloser, junger Mann von kraftvollem Körperbau, war Franklins Gehilfe Pat Murry, der als ehemaliger Angestellter des weltberühmten amerikanischen Nick Carter-Bureaus ebenfalls bereits hohe kriminalistische Fähigkeiten besaß.

„Pat, wir steigen in Omanda aus!“, unterbrach Jack Franklin das Schweigen.

Pat machte ein verwundertes Gesicht.

„Wollen Sie sich für die Sache interessieren, Herr?“, fragte er mit gedämpfter Stimme.

Jack Franklin erwiderte in tieftraurigem Tone: „Ja, Pat, ich interessiere mich für den rätselhaften Tod Bill Omandas. Ich will dir verraten, dass ich mit dem jungen Manne sehr gut bekannt gewesen bin. Ich traf ihn einst auf einem Ausflug nach den Pyramiden der alten Pharaonen, und er wurde mir während eines mehrtägigen gemeinschaftlichen Aufenthalts in Alexandrien als ein allzeit heiterer Gesellschafter und offener biederer Charakter lieb und wert. Zu meinem tiefen Schmerze habe ich jetzt durch Zufall erfahren, welch schrecklichen Tod er gefunden hat. Ich wähnte ihn noch am Leben, denn er war, wie schon von dem Herrn im Nebenabteil gesagt wurde, ein lebensfroher, junger Mann, der nach menschlichem Ermessen noch sehr lange hätte leben müssen.

Selbstverständlich glaube ich nicht an die Existenz dieses gespenstischen Ungetüms, ich bin vielmehr der Ansicht, dass das Untier natürlichen Ursprungs ist. Ich betrachte es als meine Pflicht, den Tod des jungen Mannes aufzuklären und seinen Mörder zur Verantwortung zu ziehen.“

„Wenn es so ist, Herr“, erwiderte Pat Murry, „dann freut es mich doppelt, dass Sie die Sache in die Hand nehmen und sicherlich auch aufklären!“

„Wir haben eine gute Ausrede, Pat!“, sprach Jack Franklin weiter. „Ich tue so, als ob ich von dem Tode Bill Omandas nichts wüsste und ihn als ehemaligen Freund besuchen wollte. Er hat mich sowieso seinerzeit oft eingeladen, aber bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, der Einladung zu folgen.“

Die beiden Männer horchten noch auf das, was im Nebenabteil gesprochen wurde, bis der Zug plötzlich mit einem Ruck anhielt. Die Station Omanda war erreicht.

Jack Franklin stieg aus und fand mit seinem Gehilfen nur mit Not und Mähe ein Nachtquartier, denn die Ortschaft Omanda war sehr klein und nicht für den Fremdenverkehr eingerichtet. Sie bestand nur aus einigen Häusern.

Am anderen Tage wanderten beide nach der Besitzung Omanda, welche eine Stunde von dem Ort entfernt lag, hinaus.

Jack Franklin hatte sich bereits über die Verhältnisse im Herrenhause orientiert.

Ein älterer, finsterer Mann öffnete dem Weltdetektiv, als er die Klingel in Bewegung setzte. Misstrauisch und feindselig blickte er die beiden Herren an und erwiderte unwirsch, als Jack Franklin seinen Wunsch äußerte: „Ich bedaure sehr, Sir, Bill Omanda ist nicht zu sprechen.“

Jack Franklin richtete sich zu voller Höhe auf.

„Für mich ist er immer zu sprechen!“, sprach er scharf. „Sagen Sie nur, dass ihn ein alter Freund besuchen will.“

Der Diener veränderte im Handumdrehen seine Haltung.

„Sir Omanda ist verreist!“, sagte er zuvorkommend.

„Dann ist doch sicher Sir Omanda senior zu sprechen?“

„Sir Omanda ist niemals zu sprechen. Er hat seit mehr als Jahresfrist keinen fremden Menschen mehr empfangen.“

Franklin stampfte mit dem Fuße auf.

„Ich muss ihn sprechen. Ich bin kein fremder Mensch.“

Der Diener trat, durch den drohenden Blick Franklins eingeschüchtert, erschrocken einen Schritt zurück. Es schien dem Weltdetektiv, als wollte er die Tür schließen. Daher trat er schnell vor und hinderte ihn an seinem Vorhaben.

„Wollen Sie mich jetzt Sir Omanda melden oder nicht?“, fragte er so bestimmt, als ob es keinen Widerspruch für seine Worte gebe.

Der Diener nickte demütig.

„Wen darf ich melden?“, fragte er, und ein lauernder, furchtsamer Blick schoss unter halbgeschlossenen Augenlidern zu dem Weltdetektiv empor.

Schon wollte Jack Franklin seinen Namen nennen. Er besann sich jedoch im letzten Augenblick noch. Es war nicht nötig, dass der Diener erfuhr, wer er war.

Daher holte er eine Karte aus der Tasche, schrieb ein paar Zeilen darauf, steckte die Karte in einen Briefumschlag und verschloss diesen.

„Geben Sie diesen Brief Sir Omanda ab, dann wird er mich empfangen!“, sprach der Weltdetektiv mir vornehmer Gelassenheit.

Der Diener wies mit stummer Handbewegung auf eine Polsterbank, welche im Vestibül stand, und entfernte sich hierauf.

„Ein unsympathischer Kerl, Herr!“, sprach Pat Murry, als sie wieder allein waren. „Wenn Sir Omanda lauter solche Diener um sich hat, dann ist er zu bedauern.“

Es dauerte eine ganze Weile, ehe der Mann sich wieder einstellte.

„Ich bedauere sehr“, sprach er mit hocherhobenen Schultern, „aber Sir Omanda will Sie nicht empfangen.“

Jack Franklin las in dem finsteren Gesicht des Mannes. Wie der Blitz durchschoss ihn ein Gedanke.

„Sie haben den Brief gar nicht abgegeben!“, donnerte er den Diener an.

Der Mann wurde kreidebleich.

„Aber gewiss – Sir – ganz gewiss – habe ich ihn – abgegeben.“

„Lügen Sie nicht!“, sprach Jack Franklin in demselben Tonfall weiter. „Jetzt suche ich Ihren Herrn selbst auf. Machen Sie Platz!“

Mit einer kraftvollen Handbewegung schob er den Diener beiseite und ging voran.

Pat schritt hinterdrein und murmelte mit Genugtuung: „So ist‘s richtig. Das hat schon viel zu lange gedauert mit dem Burschen.“

In starrem Schrecken blickte der Diener hinterdrein.

„Ich bitte Sie, Sir, machen Sie mir keine Unannehmlichkeiten!“, bat er flehend, indem er Jack Franklin folgte. „Ich habe wirklich strenge Order von meinem Herrn, keinen Menschen zu ihm zu lassen. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sie nicht gemeldet habe.“

„Wo haben Sie den Brief?“, fragte der Weltdetektiv drohend und blieb wieder stehen.

„Hier, Sir.“

Der Diener griff in die Tasche und zeigte das Kuvert.

„Geben Sie her.“

Doch der Diener zögerte.

Jack Franklin blickte ihn durchbohrend an. Er griff zu und riss ihm das Kuvert aus der Hand.

„Sie sind ein ganz elender Spion, denn Sie haben den Brief geöffnet!“, sprach er mit vernichtender Schärfe.

Der Diener senkte schuldbewusst den Blick.

„Jetzt gehen Sie!“, herrschte Jack Franklin ihn weiter an. „Ich sage Ihnen, wenn Sie in fünf Minuten nicht zurück sind und mir melden, dass Sir Omanda mich empfangen will, dann geht es Ihnen schlecht. Sie dürften dann Ihre Sachen packen und das Haus verlassen müssen.“

Der Diener zog den Kopf ein und verschwand schleunigst. Kaum drei Minuten später erschien er wieder und meldete, dass Sir Omanda bereit sei, die Herren zu empfangen.

Es ging eine breite Treppe hinauf, über einige Korridore, bis sie in einem großen Zimmer landeten.

Ein hochgewachsener Mann im Alter von ungefähr sechzig Jahren trat den beiden Besuchern entgegen. Er hatte graues Haar, und ein Paar finstere Augen blickten unter buschigen Brauen hervor.

Seine schwarze Kleidung passte zu der düsteren Einrichtung des Zimmers.

Sir Omanda streckte dem Weltdetektiv die Hand entgegen und sagte mit müder Stimme: „Sie sind ein Freund meines Sohnes, Herr Franklin? Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen, denn Bill hat mir viel von Ihnen erzählt.“ Der alte Herr seufzte tief auf und setzte hinzu: „Der Gram hat mich früh alt gemacht. Entschuldigen Sie deshalb, dass ich Sie nicht so empfan­gen kann, wie Sie es vielleicht erwartet haben.“

Er klingelte und befahl dem lautlos eintretenden Diener, eine Flasche Wein und eine Erfrischung zu bringen.

Als Sir Omanda den Blick fragend auf Pat richtete, sagte Jack Franklin vorstellend: „Mein Gehilfe Pat Murry, der mich überallhin begleitet. Ich befand mich gerade auf der Fahrt nach Frisko, Sir Omanda!“, plauderte der Weltdetektiv, als er Platz genommen hatte. „Unterwegs kam mir der Gedanke, Ihren Sohn einmal zu besuchen, da ich ihn seit drei Jahren nicht gesehen habe. Wie geht es meinem Freunde Bill?“

Ein schmerzliches Stöhnen entrang sich der Brust des alten Herrn.

„Leider ist Ihr Besuch vergeblich, Mister Franklin!“, erwiderte Sir Omanda tonlos. „Bill ist nicht mehr am Leben.“

Jack Franklin gab sich den Anschein tiefen Erschreckens.

„Aber wie ist das möglich?“, rief er aus. „Bill war doch immer kerngesund.“

Sir Omanda nickte mit dumpfem Stöhnen.

„Das war er auch bis zuletzt!“, erwiderte er. Dann kam es leidenschaftlich aus seiner Brust hervor: „Herr Franklin, Sie sind vielleicht der einzige Mensch, der das finstere Geheimnis, welches über dem Tode meines Sohnes lagert, lüften kann.“

„Was ist das für ein Geheimnis, Sir Omanda?“, frage Jack Franklin.

„Lassen Sie sich erzählen, es ist eine traurige, unheimliche Geschichte, welche mich in Kürze unter die Erde bringen wird.“

Nun erzählte der alte Mann dasselbe, was die beiden Besucher bereits in dem Eisenbahnwagen aus fremdem Munde gehört hatten.

Jack Franklin und sein Gehilfe hörten schweigend zu. Als der alte Herr zu Ende war und stöhnend den Kopf in den Händen barg, sprach der Weltdetektiv erschüttert: „Ich spreche Ihnen von ganzem Herzen mein Beileid aus, Sir Omanda. Andererseits bin ich jedoch fest überzeugt, dass alles das, was Sie mir erzählt haben, nichts weiter als ein ruchloses Spiel ist. Meine Ansicht ist, dass ganz gefährliche Verbrecher die Tat begangen haben. Da ich nun einmal hier bin, so erachte ich es als meine Pflicht, das Dunkel, welches über dem Tode Ihres Sohnes lagert, zu lüften. So wahr ich Jack Franklin heiße, ich verlasse nicht eher Ihr Haus, bis ich weiß, wer am Tode meines Freundes Bill schuld ist.“

Die beiden Männer reichten sich die Hände und blickten einander tief in die Augen.

Das gespenstische Ungetüm

Drei Tage befand sich der Weltdetektiv bereits auf der Besitzung. Sir Omanda lebte förmlich seit der Anwesenheit des Weltdetektivs auf. Er suchte seine Gesellschaft, machte mit ihm – was er seit zwei Jahren noch nicht wieder getan hatte – ausgedehnte Spaziergänge und erholte sich sichtlich.

Jack Franklin holte alles aus dem alten Herrn ­heraus, was er zu wissen wünschte. Pat Murry verbrachte indessen die Zeit scheinbar im süßen Nichts­tun. Er schäkerte mit dem weiblichen Dienstpersonal herum, spendierte den männlichen Dienern Zigaretten und Zigarren und machte sich überall beliebt …

Nur der alte James, jener Diener, der ihn und seinen Herrn empfangen hatte, sah ihn lieber gehen als kommen. Pat Murry lachte, wenn er den Alten sah und dieser ihm geflissentlich mit scheuen Blicken aus dem Wege ging.

Bei dem heutigen Spaziergange mit Sir Omanda richtete Jack Franklin es so ein, dass die Burgmühle bald in ihrer Nähe auftauchte. Dieses Bauwerk war ein mittelgroßes Haus, welches keinen sympathischen Eindruck machte. Es hatte einen dunklen Anstrich, und selbst der Weinstock, welcher an der vorderen Seite sich emporrankte, konnte den düsteren Eindruck nicht verwischen.

Sir Omanda erschrak, als er die Burgmühle plötzlich vor sich sah.

„Kommen Sie, Herr Franklin!“, sprach er hastig. „Sie werden begreifen, dass ich mich nicht gern in der Nähe dieses Hauses, welches so schmerzliche Erinnerungen in mir wachruft, aufhalte.“

Jack Franklin wollte widerstreben, aber er besann sich und folgte dem alten Herrn, welcher einen Seitenweg einschlug.

Der Anblick der Burgmühle hatte für heute Sir Omandas Laune verdorben. Er gab nur einsilbige Antworten und zog sich, zu Hause angekommen, bald zurück.

Der Weltdetektiv verließ nach dem Abendessen in Gesellschaft seines Gehilfen bei Eintritt der Dunkelheit das Haus. Nachdem sie überzeugt waren, dass man sie vom Herrenhause aus nicht mehr sehen konnte, lenkten sie ihre Schritte nach der Burgmühle.

Es war fast dunkel, als die beiden Männer in der Nähe des Hauses anlangten.

Plötzlich entdeckten Jack Franklins scharfe Augen eine männliche Gestalt, die jedoch gerade so schnell wieder verschwunden war.

Der Weltdetektiv sagte nichts von seiner Wahrnehmung, sondern schritt mit Pat Murry, von gleichgültigen Sachen plaudernd, an dem Hause vorüber. Erst als sie ein Stück weiter gegangen waren, sprach Jack Franklin: „Du gehst hier ins Gebüsch, schleichst dich zurück und beobachtest, wo der Mann geblieben ist, der in dem Gestrüpp neben der Burgmühle verschwunden ist. Du verfolgst ihn und stellst fest, wer er ist. In Omanda treffen wir uns dann wieder.“

Jack Franklin ging hierauf weiter, während Pat Murry sich von ihm trennte. In einer Viertelstunde erreichte der Weltdetektiv die Chaussee und kehrte wieder um. Die Burgmühle suchte er nicht wieder auf, sondern er begab sich direkt nach dem Herrenhaus.

Par Murry kam ihm schon entgegen, als er über den Hof schritt.

„Nun, Pat“, fragte Jack Franklin, „hast du den Mann gesehen?“

„Ja, Herr, ich habe beobachtet, wie er um das Haus herumschlich. Es war der Diener James, der uns bei unserer Ankunft so famos empfangen hat.“

Jack Franklin nickte zufrieden.

„Ich dachte es mir schon!“, erwiderte er. „Der Bursche hat wenig für uns übrig. Ich gehe kaum fehl, wenn ich annehme, dass er uns dauernd beobachtet.“

Sie gingen ins Haus. Vom Fenster seines Zimmers aus erblickte Jack Franklin sodann den Diener James, welcher sich, von einem Seitenweg kommend, dem Herrenhause näherte. Der Weltdetektiv bemerkte, wie der Mann einen scheuen Blick nach dem Fenster hinauf­warf, hinter welchem er stand.

Jack Franklin verließ heute Abend noch einmal die Besitzung. Pat Murry blieb auf seinen Befehl zu Hause.

Kurz vor Mitternacht erreichte er die Burgmühle. Nachdem er einmal prüfend um das Haus, welches ein verwilderter Garten umgab, herumgegangen war, blieb er vor der Haustür stehen und drückte auf die Klinke.

Die Tür war verschlossen, aber Jack Franklin hatte stets einen mit viel Geschick konstruierten Dietrich bei sich, mit dessen Hilfe es ihm möglich war, jedes Schloss in kurzer Zeit zu öffnen.

Eine Minute später stand er in dem dunklen Flur und ließ den Strahl seiner elektrischen Taschenlampe aufleuchten. Er sah vier Türen, die nur angelehnt waren. Er öffnete eine nach der andern und leuchtete hinein. Leere Zimmer mit herabgerissenen Tapeten und Spinnweben zeigten sich ihm.

Dann stieg er die Treppe hinauf. Oben befanden sich drei möblierte Zimmer, welche nebeneinander lagen. Jack Franklin leuchtete in jedes hinein, konnte aber nichts Besonderes finden.

Die übrigen Räume der oberen Etage waren ebenso wie die Parterrezimmer unmöbliert.

Jack Franklin ging wieder hinab, verließ das Haus, verschloss es mit Hilfe seines Dietrichs und blickte aufmerksam an der Front empor.

Der Weinstock hatte einen kräftigen, gesunden Stamm. Er führte bis zur ersten Etage empor. Jack Franklin prüfte ihn und glaubte, dass es nicht schwierig sei, an ihm emporzuklettern.

Vor den unteren Fenstern waren schwere Läden angebracht.

Sinnend wanderte Jack Franklin wieder zurück. Er wollte bei Tag die Burgmühle noch einmal aufsuchen.

Am anderen Morgen, als er in Gesellschaft seines Gehilfen mit dem Hausherrn beim Frühstückstische saß, ratterte ein Automobil auf den Hof.

Gleich darauf erschien der Diener und meldete:

„Sir Percy Pengood.“

Der Diener trat zur Seite, und auf der Schwelle stand ein eleganter, hochgewachsener Herr, der erstaunt herüber­blickte. Der Besucher hatte ein hageres, rötliches Gesicht und einen martialischen Schnurrbart.

Während er sich die knöchernen Finger rieb, kam er freundlich lächelnd näher.

„Ah, du hast Besuch, lieber Schwager?“, sprach er mit einer Verbeugung gegen den Weltdetektiv und seinen Gehilfen.

„Wie du siehst, Percy!“, erwiderte der Hausherr und stellte die Herren gegenseitig vor.

Percy Pengood machte ein sinnendes Gesicht.

„Sind Sie am Ende der berühmte Jack Franklin, welcher als Weltdetektiv die ganze Erde bereist?“, fragte er mit großem Interesse.

Jack Franklin bestätigte mit lächelnder Verbeugung.

Percy Pengood sagte hierauf herzlich: „Dann freue ich mich um so mehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Franklin.“

Der Besucher streckte, nachdem er Platz genommen hatte, etwas umständlich seine langen Beine unter den Tisch.

Der Hausherr sprach: „Herr Franklin hatte keine Ahnung, dass Bill eines so schrecklichen Todes gestorben ist. Er wollte ihn besuchen.“

„Ja, die Geschichte ist sehr traurig!“, pflichtete Percy Pengood bei.

Jack Franklin wandte sich an den Besucher.

„Was halten Sie von dem Mord, Sir Pengood?“, fragte er, wobei er den hageren Herrn aufmerksam betrachtete.

Der Gefragte zog langsam die Schultern hoch.

Franklin lächelte etwas spöttisch.

„Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass das gespenstische Ungetüm keines natürlichen Ursprungs ist?“

Percy Pengood machte ein ernstes Gesicht.

„Es gibt viele Dinge auf der Welt, von denen unsere Schulweisheit sich nichts träumen lässt!“, sprach er bedeutungsvoll. „Wenn Sie dauernd hier leben würden, Herr Franklin, dann würden Sie vielleicht auch anderer Meinung werden. Bedenken Sie, dass sich die Polizei ein Vierteljahr hier aufgehalten hat, ohne den Mörder zu finden.“

„Die Sache reizt mich!“, sprach Jack Franklin. „Ich habe mich entschlossen, auf jeden Fall den geheimnisvollen Tod meines Freundes Bill aufzuklären. Eher werde ich Omanda nicht verlassen.“

Percy Pengood blickte den Weltdetektiv mitleidig an.

„Sie sind kühn, Herr Franklin, und ich wünsche Ihnen auch recht viel Glück bei Ihrer Mission. Hoffentlich erreichen Sie das, was Sie sich vorgenommen haben.“

Die Unterhaltung dehnte sich bis in die Mittagsstunde aus. Am Nachmittag machte sich Franklin wieder auf den Weg nach der Burgmühle. Seltsamerweise lief ihm in der Nähe des Hauses wieder der Diener James über den Weg.

Franklin warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und ging an ihm vorüber. Zu seiner Überraschung fand er diesmal die Haustür zur Mühle unverschlossen.

„Was soll das heißen?“, murmelte er. „Ich habe doch in der vergangenen Nacht die Tür verschlossen. Seltsam, da muss jemand hier gewesen sein.“

Er stieg die Treppe hinauf und durchsuchte die drei Zimmer, in denen sich Möbel befanden.

Der erste Raum war ein einfaches Schlafgemach. Ein Bett stand an der Wand. Daran schloss sich ein Wohnzimmer mit verblassten Plüschmöbeln an. Dann befand sich noch hinter einer Portiere ein Kabinett mit einem Schreibtisch; sonst war weiter nichts in dem Zimmer.

Überall lag dicker Staub, nur der Schreibtisch sah seltsamerweise so aus, als wäre er bis in die letzte Zeit hinein benutzt worden.

Jack Franklin zog sämtliche Kästen des Schreibtisches heraus, er fand jedoch nichts vor, was sein Interesse erregte. Eine halbe Stunde später verließ er das Haus wieder, machte noch eine Wanderung in der nächsten Umgebung und kam gerade recht zum Abendessen.

Percy Pengood war noch immer anwesend. Der Hausherr bat den Weltdetektiv und seinen Gehilfen, ihm und seinem Schwager noch eine Stunde nach dem Essen Gesellschaft zu leisten.

Man plauderte über dies und jenes, bis der Detektiv sich erhob und ans Fenster trat.

Jack Franklin brannte sich seine Tabakspfeife an und blickte sinnend nach dem nachtschwarzen Himmel empor.

„Es dürfte heute eine dunkle Nacht geben!“, sagte er, sich zu den anderen Herren umwendend.

Sir Omanda nickte.

„Ja!“, erwiderte er mit nervöser Unruhe. „In solchen Nächten lässt sich das Ungetüm mit Vorliebe blicken.“

„Ah!“, rief Jack Franklin aus. „Das würde für mich von allergrößtem Interesse sein.“

Sein Blick streifte das Gesicht Percy Pengoods. Der hagere lange Herr blinzelte ihm zu und rieb sich seine knöchernen Finger.

Jack Franklin trat wieder vom Fenster zurück und blickte nach der Uhr. Es fehlten noch zwei Stunden an Mitternacht.

„Wir wollen gehen, Pat!“, wandte er sich an seinen Gehilfen.

Zwar bat sowohl Omanda als auch sein Schwager Pengood Jack Franklin, noch eine Stunde zu verweilen, aber der Weltdetektiv lehnte es ab. Er schützte Müdigkeit vor und zog sich mit Pat Murry auf seine Zimmer zurück.

Pat Murry wollte Licht machen, aber Jack Franklin hinderte ihn daran.

„Lass es gut sein, Pat!“, sagte er. „Vielleicht sehen wir in dieser Nacht das erste Mal das unheimliche Gespenst. Vom dunklen Fenster aus lässt sich so etwas besser beobachten.“

Die Uhr schlug zwölf. Pat Murry hatte an einem andern Fenster Aufstellung genommen.

Weit hinten, da, wo der Wald begann, tauchten plötzlich zwei feurige Punkte auf. Sie kamen mit rasender Geschwindigkeit näher und näher, und plötzlich wussten die beiden Beobachter, dass sie es mit der unheimlichen Erscheinung zu tun hatten, welche in der Umgebung Angst und Schrecken verbreitete.

Jack Franklin beobachtete starren Blickes die rätselhafte Erscheinung. Oftmals war sie verschwunden, um dann wieder an anderer Stelle aufzutauchen.

Das Untier lief so schnell, dass ein Mensch schwerlich imstande war, es einzuholen. Plötzlich war es in allernächster Nähe der Burgmühle verschwunden.