Jean Paul: Satiren & Humor mit Biss - Jean Paul - E-Book

Jean Paul: Satiren & Humor mit Biss E-Book

Jean Paul

0,0

Beschreibung

Jean Paul spielte ständig mit einer Vielzahl witziger und skurriler Einfälle; seine Werke sind geprägt von wilder Metaphorik sowie abschweifenden, teilweise labyrinthischen Handlungen. In ihnen mischte Jean Paul Reflexionen mit poetologischen Kommentaren; neben geistreicher Ironie stehen unvermittelt bittere Satire und milder Humor, neben nüchternem Realismus finden sich verklärende, oft ironisch gebrochene Idyllen, auch Gesellschaftskritik und politische Stellungnahmen sind enthalten. Inhalt: Grönländische Prozesse Auswahl aus des Teufels Papieren Palingenesien Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen Mein Aufenthalt in der Nepomukskirche während der Belagerung der Reichsfestung Ziebingen Biographische Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 1728

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jean Paul

Jean Paul: Satiren & Humor mit Biss

Grönländische Prozesse, Auswahl aus des Teufels Papieren, Palingenesien, Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen, Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch
e-artnow, 2017 Kontakt: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Grönländische Prozesse
Auswahl aus des Teufels Papieren
Palingenesien
Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen
Mein Aufenthalt in der Nepomukskirche während der Belagerung der Reichsfestung Ziebingen
Biographische Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin
Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Grönländische Prozesse

Inhaltsverzeichnis

J'ai bien peur, que notre petit globe terraquéene soit les petites maisons de l'univers.

Memnon ou la sagesse humaine.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Bändchen
Über die Schriftstellerei
Über die Theologen
Über den groben Ahnenstolz
Über Weiber und Stuzer
Fragment aus einem zweiten Lobe der Narheit
Über die Verbote der Bücher
Beschlus
Zweites Bändchen
Vorrede
Unpartheiische Entscheidung
Beweis
Epigrammatischaphoristische Klagen
Bitschrift
Bittschrift aller deutschen Satiriker
Epigrammen

Erstes Bändchen

Inhaltsverzeichnis

Über die Schriftstellerei

Inhaltsverzeichnis

Ein Opusculum posthumum1

Eine Priesterin der Venus, die ihre lezten Reize auf den weichen Altären ihrer Göttin geopfert, und deren Schönheit kein Käufer der Wollust eines verstohlnen Wunsches mehr würdigt, ist darum noch nicht auf dem Wege, gegen die alte Schande den Ruhm der Besserung einzutauschen, und auf den sichtbaren Wink der neuen Häslichkeit den Dienst des Vergnügens zu verlassen. Vielmehr wiederholt ihr Geist die Rolle des Körpers: denn sie wird aus einer Schülerin der Liebe die Lehrerin derselben, aus einer Hure eine Kuplerin; sie nährt sich von den Lastern, die sie nur lehren und nicht thun kan, sie beschaut ihr voriges Glük in der gelehrigen Wollust ihrer Eleven, und erleichtert sich dadurch das schmerzliche Andenken ihres iezigen Unwerths. – Eben so ich. Das Misvergnügen, nicht mehr schreiben zu können, lindere ich mir durch das Vergnügen, es andere zu lehren. Nämlich: ich widmete vor vielen Jahren meine rechte Hand mit allen ihren Muskeln dem weltberühmten Apollo; und gewis ich konte ihm kein wichtigeres Glied meines Körpers widmen. Denn schon der lere Raum in meinem Kopfe und Magen versprach der gelehrten Welt eine Feder, so unerschöpflich an Dinte, als das Krüglein iener Witwe an Öhl; und in einer lang anhaltenden Theurung war ich auf dem Wege, ein Polyhistor, wenigstens ein Polygraph zu werden. Allein o die verwünschte Gicht! die alle Muskeln des Genies lähmt, und die Schöpfer der Unsterblichkeit, diese Werkzeuge der Begattung mit den Musen, diese fruchtbaren Staubfäden, ich meine die fünf Finger, in einen schmerzlichen Krampf zusammenzieht! Denn kurz: an dieser Gicht starb meine Unsterblichkeit, weil keine neue Lorbern meinen erkämpften Ruhm behaupteten, und ich wurde eher vergessen als geheilt. Allein ob mir nun gleich iezt das Alter die hergestellte Gesundheit verleidet; obgleich die Überreste des vorigen Übels noch immer der gelehrten Republik die Flechsen meines Arms entziehen; so will ich doch durch eine neue Anstrengung meine verloschenen Gedanken zu einem Buche anfachen, und mit meiner Hand, ehe sie verweset, mir Lorbern pflanzen. Der Invalide lehrt exerziren, und ich lehre in diesem Werkgen, wie gesagt, schreiben. Das heist, ich entwikle die Ursachen der Autorschaft, als da sind Hunger, (aber nicht Sättigung,) Trunkenheit, (aber nicht Durst,) Jugend, Liebe u.s.w. Das heist, ich abstrahire aus den vortreflichsten neuen Schriftstellern die Erfordernisse eines guten Buchs z. B. die Schwulst u. so ferner. Ich habe meistens die schönen Wissenschaften im Auge, die Gemeinweide alles litterarischen Viehes, den Spielplaz der schriftstellerischen Jugend. –

Dem leiblichen Hunger der Schriftsteller verdankt das Publikum seine geistliche Sättigung. Einige Ärzte leiten aus dem Magen alle Krankheiten her; ich wollte aus demselben noch leichter den Ursprung der meisten Schriften erklären, und zeigen, daß weniger der Nervensaft des Gehirns als die unbefriedigte Galle des Magens an der Erzeugung eines Buchs arbeiten. Ein überfülter Magen schikt dem Kopfe alle Folgen der Überladung, nämlich Faulheit und Dumheit zu; warum solte ein lerer nicht das Dachstübgen der Sele besser erleuchten, warum sie nicht mit der Heiterkeit und dem Verstande begeistern können, durch deren Hülfe seinen Bedürfnissen abgeholfen wird? – Der Magen sezt einen Gelehrten, der seinen Körper nicht so wie seine Sele mit Luft und Wind nähren kan, in ein gelehrtes Feuer, und die von unten aufgestiegnen Dünste erhellen durch ihre Entzündung das ganze Ideengebiete des Autors so sehr, daß er lauter neue Wahrheiten sieht und dem Drange endlich weicht, sie durch die Presse mitzutheilen. Daher begünstigt eine Theurung die Erfindungskraft der gelehrten Republik ganz ungemein und ein Miswachs des Getraides verspricht eine reichliche Ernte von Büchern. Daher gleichen diese Stüzen des menschlichen Wissens den Thieren, bei denen nur der Hunger die Geschiklichkeit ihrer Kehle in Athem sezt; und die gepriesne Stimme der Wahrheit ist oft nichts als das verstärkte Knurren des unbefriedigten Unterleibs. Gleich der Höle des Äolus beunruhigt der Magen die Welt mit vier bekanten Hauptwinden. Das gelehrte Handwerk scheint auch folgender Sitte zu ähnlichen. In Scandino (im Gebiete des Herzogs von Modena) macht sich das Volk diese Lustbarkeit. Man behängt mit allerlei Eswaren den Gipfel eines Pappelbaums, den man von seiner Rinde und seinen Ästen entblöst. Nach den Lokspeisen seines Gipfels klettern die Bauernkerle, die erst nach vielen vergeblichen Versuchen ihr Ziel ersteigen und sich ihrer Belohnung bemächtigen. Eben so hängt an dem Lorberbaum nicht mehr der Reiz des Ruhms, sondern der Köder der Nahrung, nach welcher die schreiblustige Hand des Autors oft vergeblich hascht, und die sich endlich dem Besieger des schlüpfrigen Stams und dem Ersteiger des Gipfels überliefert. Jedem, auch noch so philosophischen Magen ist der längst verspottete horror vacui eingepflanzt – obwohl nicht allen Köpfen –; was Wunder, wenn die verlegne Sele stat Almosen zu samlen, Varianten, Lieder, Bemerkungen samlet, wenn sie von den Büchern, aber nicht von den Menschen bettelt, wenn sie, gleich verarmten Vätern, sich von dem Erwerbe ihrer geistlichen Kinder nährt, und wenn der Magen die Finger anreizet, nach der Unsterblichkeit zur Verlängerung des Lebens zu greifen? – Was Wunder frag ich: kein Wunder nämlich ists. Und wie sollte es auch, da der Eigennuz alle Wesen beselet? Er kämpfet in dem Heerführer um die blutige Beute, mit welcher das menschenfreundliche Kriegsrecht den Überwinder belohnet, und um den Ruhm, der erst durch ermordete Krieger athmet; er rüstet den ungekrönten Räuber mit Verachtung gegen die Drohung des Gesezes aus, und thut in ihm für den Strik, was er in andern für den Lorber thut. Er verlängert in der Feder des Advokaten Buchstaben, Perioden und Prozesse, und spielet durch die Künste des mit Aktenstaub bedekten Gewissens die rechtliche Uneinigkeit der Klienten auf ihre Enkel. Er angelt im Verliebten mit poetischen Schwüren nach Wollust und Geld, und krächzet aus dem feisten Abte die Lobrede der himlischen Nahrung. Kurz, er fesselt den ganzen vielfarbigen Haufen von Absichten an Eine Kette. Und nur dem Schriftsteller wolte man eine grössere Uneigennüzigkeit ansinnen, als die, sich mit ihrer Larve zu verschönern; nur er sollte sich an die prahlhaften Versprechungen der Vorreden zu binden haben? O so würde die Welt arm an Büchern und reich an Betlern sein; anstat der geistlichen Kinder würden ihre Väter sterben und die Weitschweifigkeit nur christliche Predigten vergrössern, und dicke Quartanten und dicke Bäuche seltner werden. Die vortreflichen heiligen Reden, die nun auf den Kanzeln, in den geheimen Gemächern und in den Kramläden ihre Bestimmung erfüllen, wären gleich anderm Ungeziefer, unbekant unter der Perüke ihres Verfassers gestorben, dem leren Raume der kritischen Zeitungen hätten Muster zu seiner Ausfüllung gefehlet; und die geistreichen Romane wären ungeboren geblieben, die nun den Geist der feinern Liebe durch modische Zoten bis zu der Köchin und dem Kutscher verbreiten, die die Langeweile von dem Golde verscheuchen, und die ermattete Wollust mit gedrukter Lokspeise anködern, die den deutschen Magen mit Eicheln und Konfituren blähen, ohne ihn zu nähren und die Dumheit aller lesenden Stände mit blumichtem Futter mästen. Diesem Hunger verdanken wir die Anstrengung, mit welcher der Dichter seine poetische Pfeife auf Unkosten seiner Lunge bläst, gleich gewissen Derwischen in Ägypten, die mit einem Stos in ihr Horn ihr Almosen fordern, oder den stummen Betlern, die durch ein tönendes Glökgen die Freigebigkeit um eine Gabe ansprechen. Diesem Hunger verdanken wir die Geschiklichkeit, mit welcher der Philosoph auf metaphysischen Seilen tanzt, auf den Beutel der mildthätigen Bewunderung hoffend, und mit welcher seine Ideen, gleich dem Rauche, in die Höhe wirbeln, wo, so viel er weis, neben dem Korbe sokratischer Abstrakzionen auch der sinlichere Brodkorb hängt. Ja diesem Hunger verdanken wir die Wahrheits- und Menschenliebe des Schriftstellers: denn nichts ist natürlicher, als daß die stechenden Säfte des Magens, die Uneigennüzigkeit aus ihrem Schlafe aufspornen, und daß ein Herz vol süsser Menschenliebe zu einem Magen vol bitterer Galle sich schlage. Ich habe selbst einen vortreflichen Schriftsteller gekant, dessen uneigennüzige Fruchtbarkeit an rührenden Bruchstükken das Publikum einem Stokke nagender Würmer in seinem Unterleibe zu verdanken hatte, welche unaufhörlich Ideen an den Magen abluden, der sie darauf durch die Nerven an das Gehirn und endlich an die Sele verschikte. Auf diese Weise waren die Feinde der Musen seine Musen; auf diese Weise vertraten verachtete Thiere bei diesen Meisterstüken des menschlichen Herzens die Stelle der Hebamme, eben so lokken in Arabien die Stiche eines gewissen Insekts aus der Esche das süsse Manna heraus, und eben so verbessern auf der Insel Malta gewisse Maden den Feigenbaum und zeitigen seine Früchte. – Wie sehr überbietet das Werk seinen Schöpfer; wie klein ist das Loch, woraus man oft Quartanten spinnt! – Allein eben dieses versöhnet mich mit dem scheinbar ungerechten Schiksale der Schriftsteller, die durch gedrukte Lügen dem verdienstvollen Beutel eines dummen Gönners ein erzwungenes Almosen abschmeicheln müssen. Denn der weise Apollo wuste zu gut, daß nur hungrige Jagdhunde am besten iagen, nüchterne Läufer am geschwindesten laufen, daß ein zaundürrer Pegasus länger als ein schweres Reitpferd bei Athem bleibe, daß man aus dem Kieselstein das Feuer herausschlagen, und aus dem gepolsterten Stuhle den Staub herausklopfen müsse – Darum stattete er seine Lieblinge mit Armuth aus, verbesserte ihre Sele auf Kosten ihres Körpers und gab ihnen wenig zu leben, damit sie ewig lebten.

Der Gedanke der Unsterblichkeit verzukkert also dem Schriftsteller sein ieziges bitteres Leben. Dies bringt mich auf die Betrachtung, daß Autoren nicht nur für ihren Magen, sondern auch für ihre Ohren schreiben, und Lorbern brechen, nicht nur um damit den Geschmak einer Rindfleischsuppe zu verbessern, sondern auch um sie um die Schläfe zu winden. Und dieser Endzwek ist auch erreichbarer als der vorige. Denn das Publikum bezahlt weniger karg als der Verleger, weil dieser die Belohnung in Geld und ienes sie in Wind auszahlt. Übrigens steht der kritische Ablas iedem für Geld, künftige Gegendienste u. s. w. feil, wie ich weiter unten von den Rezensenten zeigen werde, ieder wunderliche Heilige wird zum Gegenstande der Anbetung kanonisirt, und es giebt iezt der Unsterblichen eine solche Menge, daß man nur die neuesten kent und die übrigen schon vergessen hat. Die heutigen Journale, die Archive des schriftstellerischen Ruhms, sind daher nichts als eine Zusammenhäufung von Abbildungen der besten, deutschen Köpfe und ihrer Gaben, die endlich vom Ruhme der Kritiker selbst gekrönt wird – eben so ist ein Thurm in Ispahan, der aus lauter Ziegenköpfen, deren Hörner auswärts stehen, gebauet ist, und dessen Spize der Kopf des Baumeisters macht. – Hat dich der Zirkel deiner Bekannten einmal mit Bewunderung umräuchert, ein Klubb bartloser Rezensenten zum Erben des Nachruhms erkohren, oder gar ein Trup Nachahmer zum Führer einer gehörnten Herde ausgeblökt, und, was am meisten ist, ein Schok Weiber für den Kizel ihrer Thränendrüsen mit der Verewigung beschenkt: so glaube fest, dein Name sei der Zeit gewachsen, so troze dem Tadel unbekanter Klugen, so verachte die sichtbaren Zeichen deiner nahen Sterblichkeit, so füttere durch deine Fruchtbarkeit die gefrässige Vergessenheit sat, damit sie wenigstens etliche deiner Geburten verschone, und widerkäue in Gedanken deinen Ruhm, das Urtheil einer klügern Nachwelt hoffend, um deinen Muth in Verbreitung des Unsinns zu stärken, gleich der pythischen Priesterin, die sich durch gekäute Lorbern zur Raserei in heiligen Versen, erhob. Zwar hindert der unächte Kritiker die Beruhigung deines Ehrgeizes, durch unnüze Drohungen; allein im Grunde hindert er sie nur so lange, als das vorübergehende Gefühl deiner Schwäche ihm beifält, als dein Stolz ihn nicht widerlegt. Doch wil ich einige Perioden hin durch seine Sprache reden, um ihn hernach in der deinigen besser zu widerlegen. »Stolze Insekten, spricht dieser Herold der deutschen Schande, die ihr euch im warmen Stral der Abendsonne ein ewiges Leben träumt, oder auf dem Kothe, eure Wiege und eure Nahrung, den spielenden Glanz eurer Fliegeldekken bewundert, wie leicht kan euch der nächste Frost zerstöhren! Die heutigen Gözen des Tags riechen nach dem Weihrauch ihrer Verehrer; aber wie die Hunde bei verändertem Wetter stinken, so wird die kleinste Verbesserung des Geschmaks sie in den Abscheu der deutschen Nase verwandeln, und gleich einem Lichte wird ihr Ruhm kleiner werden, ie länger er glänzet. An diesem Ruhme werden sich die Zähne künftiger Mäuse wezen, und die Würmer – der Nachtrab des Todes – werden die gepriesnen unsterblichen Produkte noch früher als ihren sterblichen Schöpfer verdauen. Die Behältnisse des iezigen poetischen Feuers werden die Tobakspfeifen der Nachwelt anzünden, und den Pfeffer des Enkels umkleiden. Vorausgesezt, daß noch ein so später Tod sie verewigt, vorausgesezt, daß die Nachwelt sie durch die Spezereien der Rezensenten als Mumien, oder durch den scharfen Spiritus der Satire als seltne Misgeburten überkomt. Die Zeit wird dan die Flekken dieser Bücher, wie des Seehunds seine, vergrössern, und iedes Jahr ihnen in einer neuen Runzel das Zeichen seines vorigen Daseins zurük lassen. Die iezt streichenden Almanachs und übrigen Poetereien werden, gleich den streichenden Heringen, durch das Fortschwimmen im Flusse der Zeit immer magrer werden, die hinrauschenden Jahre den Kleister modischer Verschönerung abspülen, und die Sense der Zeit die iezigen Blümgen wegmähen.«2 So sagt der Kritiker; natürlich, daß ihm kein Autor glaubt, weil ieder blos sich glaubt. Wie leicht läst sich das Zischen der Misbilligung, über die Stimme des eignen Beifals und über die Hofnung eines bessern Urtheils verschmerzen! Und diese Hofnung ist nicht ungegründet. Denn die billigere Nachwelt wird unfehlbar dem Verdienste der heutigen Autoren die iezige Verachtung mit doppelter Bewunderung vergüten, und diese vortreflichen Schriftsteller werden erst unsterblich werden, wenn sie gestorben sind. So schwellen in Persien die todten Körper auf; so stinkt der Same des Korianders auf der Pflanze, und gewint nach der Trennung von derselben Wohlgeruch. Erst im Grabe werden sie dem Feuer ihres Genies freien Wirkungslauf lassen können, wie die Bomben erst in die Erde fallen, ehe sie die feurigen Werkzeuge des Todes um sich schleudern; erst aus ihren modernden Köpfen wird der Lorber, gleich den Haren, hervorspriessen, eben so grünet das Mos auf den faulenden Köpfen der hölzernen Esel vor den Stadthoren. Wie der weisse Schleim, womit der Wurm in der Perlenmuschel die Öfnungen seiner Schale stopfet, nach und nach zur Perle reift, ebenso wird der Nervensaft der oftgedachten Schriftsteller, der für schlechte Zwekke und oft blos für die Verbesserung zerrissener Kleider verschwendet wird, mit der Zeit in den glänzenden Gegenstand der künftigen Bewunderung sich verwandeln und zu den aufgereihten Perlen der übrigen Genies sich fügen. Denn vielleicht, daß das Geschlecht der Kenner nicht ausstirbt, die nur Bücher, welche die Würmer angefressen, schmakhaft finden – und so fehlt den Produkten der heutigen Autoren zur Unsterblichkeit nichts als eine lange Vergeßenheit und die Zähne der Würmer; wie die Produkte des Rindviehes, die Käse, sich durch Alter und Milben dem Gaumen empfehlen. Auch die Wilden finden faulende Fische am wohlschmekkendsten. Ja noch mehr, künftige Kritiker werden die Geburten der iezigen Köpfe zu Lehrern ihren Zeitverwandten distilliren, wie der Chemiker aus verfaultem Urin leuchtenden Phosphor schaft; und ihre Dinte wird die vermoderten Reliquien der Genieinsekten zum neuen Leben erwekken, wie aus einer mit Rindsblut besprizten Krebsasche neue Krebse auferstehen.3 Von der Kunst solcher Kritiker hat also die heutige scheinbare Dumheit nach ihrem Tode die Verwandlung in Weisheit zu gewarten – eben so schuf sich Virgil aus einem toden Ochsen einen ganzen Schwarm von Bienen, eben so macht man aus dem wässerichten Gehirn des Potfisches Lichter – Gesezt aber auch, euer Ruhm hinkte eurer Schande auf zu langsamen Stunden nach; gesezt alle Eingänge zum Tempel der Ehre wären verschlossen, so steht doch jedem noch diese Hinterthüre offen. Denn nämlich, obgleich der Parnas durch die Umgrabung und Umwühlung von tausend schriftstellerischen Händen, unendlich an Fruchtbarkeit gewinnen mus; so ist doch ausgemacht, daß ihm durch die Verwesung aller dieser Glieder eine noch grössere zuwachsen müsse, wie man an einigen Orten die Weinberge nicht ohne Nuzen mit Ochsenklauen düngt. Wenn nun der Tod des Schriftstellers der Literatur frommet, so komt er auch dem Ruhme desselben zu statten – und so nährt die Verwesung seinen Lorber, so wurzelt auf seinem Grabe seine Unsterblichkeit. – Auf diese Weise ist jeder Schriftsteller seiner Verewigung versichert, und die Menge seiner Tadler beweist nur seine Untadelhaftigkeit, und ihr Sieg über das Leben seines Ruhms seine Vorzüge: denn je mehr Träger, desto vornehmer die Leiche. – Ja jede Schande sezt Ehre voraus; wer hängt, ist über die Erde erhaben. Und oft macht diese Schande berühmt und gros; eben so lassen die Rezensenten das Tadelhafte einer Schrift mit grössern Buchstaben drukken, eben so wird eine Mutter durch eine Misgeburt und ein Verbrecher durch den Pranger bekant. – Zu den obigen Gründen für die Verewigung der heutigen Schriftsteller fält mir eben ein Beyspiel aus den neuern Zeiten ein. Nämlich: wer hätte sich ie die Möglichkeit träumen lassen, daß Dichter des dreizehnten Jahrhunderts dem geschmakvollen Gaumen des achtzehnten behagen können, wer je den Minnesängern ihre iezige Auferstehung weissagen mögen? Und doch hat der Geschmak unter Friedrich und Joseph, die bestäubten Musen unter den schwäbischen Kaisern geplündert. Dieser lobenswürdige Fleis nun, der in den Bibliotheken, den litterarischen Gottesäkkern, nach altem Unrath scharret, wird auch auf unsere Nachkommen erben. Dann werden die künftigen Freunde des grauen Unsins, die jezigen Freunde desselben belohnen und zweite A-Z werden die poetischen Reliquien unserer Zeit für den Geschmak ihres Publikums verbessern, und sie von den verstorbenen Schönheiten säubern, – eben so kämte D. Kunastrokius Eselsschwänze klar, und rupfte die tauben Hare mit den Zähnen aus.4

Allein nicht alle schreiben, um Ehre zu erhalten; einige auch, um sie andern zu nehmen. Von diesen nun, die der Neid zu ungerechtem Tadel begeistert, deren Ehrgeize fremde Schande schmeichelt, und die man kurz unter den Namen der Rezensenten befasset, von diesen weiter unten!

Das dichterische Feuer steht dem Schriftsteller nicht immer zu Gebote, und das Genie fällt eben so oft in Ohnmacht, als ein Frauenzimmer. – Dieser Ermattung nun helfen verschiedene künstliche Reizungen ab. Der Schöpferkraft des Weins verdanken wir manchen gereimten Unsin, und dem Schaume desselben manche Venus. Die Poeten und die Hunde nämlich verliehren ihren Verstand auf entgegengesezte Arten. Der Mangel an Getränken macht die Hunde närrisch, wütend oder dichterisch; allein nur der Überflus daran spricht den Dichter von seinem Verstande los, und spornet ihn über die träge Vernunft hinweg. Diese Hize des Weins stört den Unsin der Phantasie aus seinem Winterschlafe, und wekt die buntschekkigte Brut der Träume aus ihrem Schlummer; – aus allen Winkeln des Gehirns kriechen verborgene Einfälle hervor, jede Ähnlichkeit, jede die Stammutter einer Familie von Metaphern, samlet ihre unähnlichen Kinder um sich, und gleich einer wandernden Mäusefamilie, hängt sich ein Bild an den Schwanz des andern; – alle Saiten des hohlen Kopfes tönen zu einem gleichzeitigen Misklang, das Gedächtnis wirft seine gestohlnen Schäze aus, und wie Heu durch die Nässe, erhizt sich der zusammengeraubte Haufen von verwelkten Blumen durch das Getränke. Nur auf diese Weise kan der Parnas mit einem Bedlam weteifern, nur durch das Einsaugen einer solchen Lauge kan der Unsin zu einer pindarischen Höhe aufschiessen. Darum waren auch alle geflekte Thiere dem Bacchus heilig; – wenn man nämlich das buntaustapezierte Gehirn eines Musensohns mit einem vielfarbigen Thierfelle vergleichen darf. Daher ist begreiflich, warum Bacchus seinen Hörnerschmuk bald an- bald ablegte; vorausgesezt, daß durch das vorige die Ebbe und Fluth des dichterischen Unsins begreiflich geworden. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen, deren Verdienste der Magen dem Schriftsteller in die Feder sagt, niemand mehr als die Spinnen. Denn eben diese beschüzen mit ihren Geweben die Trauben vor den gefräßigen Mükken, und bewachen den Wein, den die Gönner an die Poeten verschenken. Auf diese Weise hängt an der Fruchtbarkeit des Hintern der Spinnen die Fruchtbarkeit genieartiger Köpfe; auf diese Weise nuzen dem Parnas unter allen Spinnen die natürlichen am meisten. – Daher verehre ich neben den huldreichen Mäzenen auch die Esel. Denn die Näscherei eines Esels veranlaste die Beschneidung der Weinstökke. Dafür errichteten ihm die Nauplier in Argien ein steinernes Ebenbild; und das hölzerne Ebenbild desselben von den Stadtthoren möcht' ich fast der Dankbarkeit der Dichter anempfehlen, da noch über dieses seine langen Beine ihr Ätherleben füglich abbilden. – Allein der Wein ist ein zu kostbares Mittel der Begeisterung, er ist öfter der Endzwek als der Vater der Verse, und manches Weinlied hat der Durst gemacht. Auch verraucht für die vorgesezte Anstrengung des Vielschreibers sein Einflus zu bald, den oft überdies die darauf folgende Lerheit im Kopfe, auf dem Papiere und in der Börse verbittert. Mit Vorbeigehung des edlen Gerstensaftes, und der übrigen Getränke, deren Einflus auf den langsamen Nervensaft schon durch gedrukte Zeugnisse verewiget worden, komm' ich daher auf die äussere Hize, die das Blut reichlicher nach dem Kopfe treibt, und der geistigen Fischerin einen reichen Fischzug von Ideen verspricht. Die Sonnenhize wekt nicht blos schlafende Fliegen, sondern auch schlafende Ideen aus ihrer Erstattung, und vereiniget in dem Kopfe wie in der Atmosphäre Dünste zu Blizen. Ihre Wärme zeitigt Früchte und Bücher, und leitet den Nervengeist nach dem Kopfe, wie den Saft der Erde nach den Gipfel des Baums. Zu Rom sollen in den Monaten der grösten Hize die meisten Mordthaten geschehen. Wenigstens aus den Lenden des Maies mag bei uns manches Almanachsgedicht entspringen. Dazu ist im Mai die Hochzeit der Natur; und die Jungferschaft der Musen wird doch nicht allein den Begierden des Dichters trozen und seine Verse überleben wollen? Der Hundsstern ists, unter dessen Wuth der Hund in gefährlichen Geifer und der Dichter in nüzliche Verse ausbricht, und der beide an die Menschen hezt. Im Winter ist ein warmer Ofen der Vice-Apollo. Er schmelzet unähnliche Begriffe in einem Vers zusammen, und nährt unbefiederte und dem Ei der dunkeln Idee kaum entschlüpfte Hirngeburten mit dem beschleunigten Zuflus gestohlner Ideen – so nistet die Schubuteule an den heissesten Orten, wo die Sonnenhize das Aas für ihre Jungen in Brei auflöset. – – Aber o ihr Stüzen des deutschen Wizes, wendet nie an die Begeisterung zu viele Kosten, und schwizt und trinkt nie zu oft, oder zu sehr, damit ihr beides lange könnet; sonst würdet ihr euer theures Loben der Verewigung aufopfern, sonst würde der Pegasus gleich dem gezähmten Krokodil, seinen Reiter verschlingen. –

Wer solte wohl glauben, daß Krankheit zum Bücherschreiben eine Ursache, wenigstens eine Veranlassung werden könne? Oder vielmehr, wer solte es nicht glauben, da Apollo sowohl der Gott der Ärzte als der Musen, und also auch der Krankheiten wie der Bücher ist? – Einem kranken Körper ist die Sele die gröste Unthätigkeit schuldig, und sie mus ihn aller der Anstrengung überheben, die der rükkehrenden Gesundheit den Weg vertreten könte. Daher ist der Ruhe des Pazienten ausser dem Schlafe nichts bessers vorzuschlagen als das Bücherschreiben. Diese Arbeit entzieht den Geist allen Gedanken, ia sogar der Ermüdung lebhafter Träume und schränkt seine ganze Anstrengung auf die Handhabung einer leichten Feder ein. Diesem Nichtdenken sind wir daher manche Kunst zu denken schuldig: denn ohne Logik läst sich nichts leichter schreiben als eine – Logik. Und das Krankenbet mag die Wiege von manchen vortreflichen Betrachtungen gewesen sein, die Kranke für andere Kranke in den Druk gegeben, und die darum auch nicht für den gesunden Verstand geschrieben sind. Ja die Krankheit arbeitet oft selbst an dem Buche. Der Druk etlicher geprester Winde im Unterleib vermag das ganze Gebäude des Optimismus umzustürzen; ein verschleimter Magen trägt blühende Deklamazioneu gegen den Luxus, und gesalznes Blut würzt die Satire mit beissendem Wiz. Wie Gewächse zwischen Steinen besser gedeihen, so wuchs mancher Lorber durch die Steine in der Harnblase, um einige Zolle höher, und eine übelabgelaufene Aderlas versah einmal alle Almanachs des deutschen Reichs mit rührenden Elegien: so fliesset das Gummi aus den Bäumen, nach gemachten Einschnitten. Ich rechne zu meiner Glükseligkeit die Nachbarschaft eines Musensohns, der auf der Spize eines Parnasses von fünf Stokwerken weilet, und den Bachus und Venus mit der Schwindsucht beschenket haben. Wie die Zugvögel, kehret seine Krankheit im Frühlinge mit sichtbaren Äusserungen und mit ihr sein trauriger Gesang zurük. Sobald das Blut seinen Speichel färbt, so wimmert seine genieartige Lunge in youngischer Melodie. So verkündigen die blutigen Fleken im weissen Kothe der Stubennachtigal, die Ankunft ihres Gesangs. – Bücher sind oft nichts als Symptomen eines kranken Geistes. Predigten schreiben, heiss' ich, den Durchfall haben; dichten, das Fieber haben; epigrammatisiren, die Kräze haben, und rezensiren, die Gelbsucht haben. Nur das einzige Chiragra ist die Feindin der Musen und bindet der Schöpferin geistiger Meisterstükke die Finger. Des vortreflichen furor poeticus, oder der Tolheit, der heutigen Melpomene, wird weiter unten gedacht werden. –

Die ewige Jugend der Musen adelt die Jugend ihrer Söhne, junge Schriftsteller sind daher die besten. Dasselbe Vermögen, welches den Jüngling bald zum Vater vaterloser Kinder macht, berechtigt ihn zur Erzeugung anonymischer Bücher, und die Akademie erlaubt ihm die erste Schändung der Musen und der Mädgen. Seine Bedürfnisse, seine Fähigkeiten lokken ihn zum Gebrauch der Feder. Seine Bedürfnisse – denn an dem Orte, wo die Gelehrsamkeit zu Hause und im Schlafrok ist, wo die Weisheit mit Stok und Degen, in jeder Gasse ein Logis für sich und ihre bezahlenden Freunde gemiethet und wo der Katheder blos das Echo klingender Goldstükke ist, an diesem Orte kauft sich der Jüngling den Verstand seiner Lehrer um einen Preis, den der Wert der Sache nicht immer unterschreibt, an diesem Orte mus man daher das Publikum zu lehren anfangen, damit man selbst lerne und Bücher schreiben, um welche kaufen zu können, wie einige Wilden gegen ihre Kinder Weiber einhandeln. Mit dem Lohn gedrukter Epigrammen befriedigt man den Harkräusler und die Arbeit der innern Seite des Kopfs bezahlt die Zierde seiner äussern; zusammengeflikte Verse flikken den Rok, schmuziger Spas wäscht die Hemden und mit einem verdorbnen Allerlei erschreibt man sich ein Schaltjahr von Braten. Man singt da die Liebe, um sie bezahlen zu können. Übrigens hascht der Jüngling auch nach Luft, dem Elemente des Ruhms: daher lispelt er durch die Feder – das Sprachrohr der Fama – dem Ohre der Welt d. h. etlicher Bekannten seine Grösse zu. Sein Ehrgeiz weidet sich an der Verwunderung seiner Freunde, und wuchert gierig die gefälligen Mienen ein, die sie an seine Grösse verschwenden. Man stelle sich vor, wenn er, dieser Weltschöpfer in nuce, nun sechs Monate im Schweisse seines Angesichts Bilder, die ihm gleich sind, geschaffen und vom siebenten selige Ruhe erwartet; wenn alle Figuren seiner Gallerie in bunten Kleksen schimmern, für die er auf Kosten der Zukunft alle Muschelschalen seines Farbekästgens ausgeleret; wenn er seinem Kinde einen Pathen und sich das Pathengeld erbettelt hat – man stelle sich vor, sag' ich, mit welcher Wollust er dann das schön gebundne Buch – die vergoldete Nus ohne Kern – seinem Vater überschikken mag, der aus Vergnügen, den ersten geistigen Enkel, die erste Kraft der Muskeln seines Sohnes, zwischen den Fingern zu halten, das fruchtbare Feld mit Goldkoth, dem Exkremente des Glükkes, düngt. Freilich mus er in der Vorrede seinen Eigennuz mit einer menschenfreundlichen Larve zieren, und seine Absichten mit etlichen Lügen beschönigen. Denn die Liebe zu den Menschen, nicht zu den Huren; der Erwerb etlicher von Edlen geweinten Thränen, nicht des Weins; das volle Herz, nicht der lere Magen; die Befriedigung seiner bittenden Freunde, nicht der ungeduldigen Gläubiger – gaben ihm seinen Kiel in die Hand. Auch die Wahrheitsliebe ist die Mutter seiner Bücher. Diese nöthigt ihn zur mühsamen Unternehmung, der ganzen Welt den Star zu stechen, und bestraft sogar seine Zurükhaltung mit empfindlichen Gewissensbissen; so büsset oft eine Frau die Zurükhaltung ihrer überflüßigen Milch mit gefährlichen Krankheiten. Und da die Wahrheit sich mehr zu schwachen als starken Köpfen hält, wie ihr Thier, die Eule, nur in eingefalnen Gebäuden nistet, da sie gerne von der Menge zu einem Einzigen flüchtet, da sie troz dem emsigen Schweisse, den Müßigen in den Kopf und in die Feder fliegt, warum solte der glükliche Jüngling von seiner Vertraulichkeit mit derselben, nicht den besten Gebrauch machen? nicht den Denker durch die Resultate seines Nichtdenkens aufhelfen, nicht den Haufen irrender Köpfe vermittelst seiner Dinte mit Einsicht taufen und nicht mit den Geschenken des Zufals oder eines Augenbliks, der Armuth des vergeblichen Fleisses steuern? – Dies wohl erwogen, wird man daher den Zorn jedes Schriftstellers rechtfertigen, dessen Behauptungen man blos mit Einwürfen empfängt, dessen Wahrheitsliebe man blos mit Wahrheitsliebe vergilt; wird seine Hartnäkkigkeit gut heissen, gegen die blosse Gründe wenig verfangen, und seine Antipathie gegen Belehrung seinem Eifer, zu belehren, anrechnen! – Aber auch die Fähigkeiten des Jünglings schaffen ihn zum Schriftsteller. Er ist zu unwissend, um jemand anders als das ganze Publikum unterrichten zu können, und stolz genug dem Tadel Unverbesserlichkeit entgegen zu sezen, und für den Ruhm der Originalität jede Thorheit zu wagen. Zu dem Romane besizt er alle Anlagen und allen erforderlichen Mangel an Menschenkentnis, und sein hiziges Blut verspricht vortrefliche Tiraden im Trauerspiele. Unbekant mit der Kritik feilt er nie von seinen Werken den Stempel der schlechten Natur hinweg, aber verbessert dafür in Rezensionen fremde Produkte. Zu allen diesem komt noch das wichtigste, seine Liebe. Seine Hure ist seine Muse und wie die Propheten des alten Testaments zum Besten der israelitischen Kirche hurten, so hurt er zum Besten der gelehrten Republik. Die Liebe veranlagt und begeistert ihn zum Gesange; der Vogel singt vor der Begattung, die Musik geht vor dem Schauspiele vorher und die bessern Theile des Holzes rauchen, ehe die schlechtem brennen. Nur der ideenlere Kopf des Jünglings freilich fängt, gleich ungeschmierten Rädern, am leichtesten Feuer: denn hohe Zimmer sind nicht gut zu heizen. Und eben dieser Vorzug bestimt ihn zum Autor. Ja da Reden und Thun sich wie Kopf und Fus verhalten, da das Pedal gröber klingt als das Manual, da die Haut der Fussolen dikker als die der Hände ist, und man nicht den Fusboden, nur die Dekke des Zimmers mit Gemählden verschönert, so kan er in der Schule der büffon'schen Liebe die platonische lernen, kan vermittelst seiner Verse, des gedämpftern Wiederhalles der gröbern Wollust, die Thränendrüsen des Publikums mit dem weinerlichen Durchfal anstekken, und, gleich den Türken, die nach Russel's Bericht, vor dem Gebet ihre Nothdurft verrichten, die Hurerei mit der Empfindsamkeit krönen. Auf diese Weise erscheint er, gleich einer gewissen Schwalbe, im Fluge grösser als in der Ruhe, und die vielfarbige Blume seines Wizes verdankt einer Wurzel, die sich vom Miste nährt, ihren Ursprung und ihren Unterhalt. Bei jedem Anfluge von Studenten, die den Schos ihrer Väter verlassen haben, wünsch' ich daher der Litteratur zu ihrer künftigen Fruchtbarkeit Glük – so weissaget der Bauer aus dem Absprunge der Zweige von den Tannen, die Fruchtbarkeit des künftigen Jahres.

Zur Jugend geselt sich ein würdiger Kollege, das Alter. Nur der Name und die Gestalt veranlagt die Unähnlichkeit beider. Denn dieses hat nur vergessen, was jene noch nicht gelernt, dieses steht an der Vorderthüre, jene an der Hinterthüre der Kindheit; die Hare dieses haben die Farbe der Zeit, und die Hare jener sind gepudert, die Feder ist bei diesem Krüke, bei jener Stekkenpferd. Ein alter Schriftsteller ist daher ein guter, er hat die zwo nöthigsten Eigenschaften, Schwäche und Stolz. Von der Bescheidenheit sprechen ihn seine Jahre los, und er hat das Recht, jeden für einen Esel zu halten, der kein grauer ist. Darum darf auch das Alter zensiren, so wie die Jugend rezensirt. Da auf seiner Nase die Augen seiner Augen sizen, so kan die Wahrheit diesen seinen vier Schlusarten – dem logischen Postzug – wohl nicht entgehen, und mit der Krükke des Gesichts, wenn ich die Brille so nennen darf, kan er doch einen Protheus einholen. Wenn daher aus seinem Kopfe, in welchen schon tausend Bücher eingegangen, und aus welchem keines ohne das Zol an das Gedächtnis, wieder herausgegangen, wenn aus diesem Kopfe ein eignes komt, so wird es natürlich ein gutes sein, wird sich durch die gestohlnen Lappen andrer Bücher empfehlen und mit dem Reichthum des Gedächtnisses die Schwäche des Verstandes bemänteln – eben so schäzt man in Norwegen die sogenanten Käsekästen, in welchen man die Käse aufbewahret, nach ihrem Alter: denn je älter sie sind, desto zahlreicher sind die alten Brokken, die immer von den vorigen Käsen zurükgeblieben, und die jeden neuen schmakhafter machen – Sezt man zu diesem allen, daß sich im Alter alle Thätigkeit vom ganzen Körper in die Zunge zurükzieht, daß die Erweiterung des Mundes mit der Anrükkung des Ende des Lebens wächst, wie die Gedärme imer weiter werden, je mehr sie sich dem Hintern nähern, daß die Geschwäzigkeit mit der Dumheit weteifere, wie man das Maul weit aufreist, eh' sich die nikkenden Augen zum Schlafe zuschliessen, sezt man dieses zu dem vorigen hinzu, so ist aus den scheinbaren Gebrechen des Alters sein Recht an die Führung der Feder, erwiesen. Denn durch eben diese schäzbare Geschwäzigkeit stopft man ganze Alphabete vol Buchstaben und Worte. Da die Jahre, so viel ich bemerkt, die Liebe grosser Genies zu den Musen nur noch mehr entflammen, wie das Alter die Brunst der Hengstesel vermehren sol, da Bücher aus alten Köpfen wie Schwämme aus faulen Bäumen, entspringen, und es schwer ist aufhören zu schreiben, wenn man lange geschrieben, so ist es auch billig, daß Dinte so lange aus der Feder des Schriftstellers fliesse, als der Sand in dem Stundenglase des Todes, und daß er noch mit dem Ende seines Lebens seine Mitbrüder geissele, wie man aus dem stachlichten Schweife der Roche eine Peitsche macht. – Das jugendliche Gesicht der Muse kan sich so gut mit seinen Runzeln vermählen, als die Venus mit dem hinkenden Vulkan. –

So nach mus man wohl viel schreiben? Allerdings, da man von Aufgange bis zum Untergange des Lebens schreiben kan. Lieber Freund, wie die Katholiken schon Jahrhunderte lang mit der Milch der Maria schachern, so kanst du es mit deiner Dinte wenigstens etliche Jahrzehnte, oder kanst mit deinem Unsin, wie der Dalai Lama mit seinen Exkrementen, wol gar dein Lebelang handeln. Jedes Jahr müssen wo möglich alle neun Musen, der Schöpfungskraft deiner herkulischen Lenden fröhnen, und keines müsse ungetrübt von deiner Dinte das Meer der Ewigkeit erreichen! Wirft doch auch der Hirsch jährlich die hölzernen Geburten seines Kopfes ab, entledigt sich doch die Schlange jährlich ihrer alten Haut! Doch in der Vielschreiberei nimt es unser Deutschland mit jedem Volke auf! Es besizt Köpfe, die an ihren errungenen Lorberkränzen ihre Jahre herrechnen, wie man das Alter der Ochsen aus der Anzahl der Ringe ihrer Hörner bestimt. – Köpfe, die sich wie die Masern jährlich, ja oft sechsmonatlich, beim Publikum einfinden – es besizt schriftstellerische Finger, die an Buchstaben so fruchtbar wie an Nägeln sind, und Autoren, die Feinde des leren Raumes, mit ihrer eignen Lerheit das Papier beflekken, und gleich den Sinesen schwarz für die Freudenfarbe und weis für die Trauerfarbe halten; Autoren, deren Werkstat angemessene, zugeschnittene und gemachte Bücher zugleich füllen. So vertragen sich an demselben Zitronenbaum Blüte, halbreife und ganz reife Früchte, so wirft nach dem Opptian die Häsin einen zeitigen Jungen, trägt zu gleicher Zeit im Uterus einen ohne Hare, und einen ungebildeten. – Aber zu was Ende diese Vielschreiberei? welche Frage! als wenn man sich nicht mit aufgethürmten Büchern den Thron des Ruhms erbauen müste! als wenn die Fruchtbarkeit auf dem Parnas nicht eben so viel Ehre wie im alten Testamente brächte! als wenn nicht die Autoren, gleich den isländischen Weibern, am längsten lebten, die die meisten Kinder gebohren! Übrigens kam die obige Frage gewis nicht aus dem Magen! – Der Vielschreiberei redet auch folgendes Verfahren das Wort. Die Begierde des Buchhändlers, die Welt mit Wahrheit aufzuhellen, plündert die Studierstuben verstorbener grosser Schriftsteller, und durchstankert ihre Pulte, um mit ihren zurükgelassenen Exkrementen, die der Name ihres Verfassers in Konfekt veredelt, das hungrige Publikum abzuspeisen – so durchsucht man im Königreiche Monsul oder Murfili, nach Marko Polo's Bericht,5 die Nester ausgeflogener Adler, um in dem Kothe derselben Diamanten zu finden; so glaubte man sonst, der Harn des scharfsichtigen Luchses verwandle sich in Edelgestein. Warum solte nun nicht ein lebender Schriftsteller mit seinem eignen Unrathe diese Begierde nach Unrath sättigen? warum solte er seinen Überflus der allgemeinen Hungersnoth entziehen? warum solte er nicht mit seiner Fruchtbarkeit dem Magen des Publikums die Exkremente der Todten ersezen?

Ein anders ist die Frage: wie schreibt man viel? Durch die Beantwortung derselben werd ich der genauern Bestimmung der schriftstellerischen Eigenschaften immer näher kommen, wozu ich durch das Vorige fast blos ausgeholet habe. Wer seiner Faust die nöthige Fruchtbarkeit erleichtern wil, mache es so! Alle Gedanken, die seine ersten Produkte verschönerten, lasse er in den lezten unter einer neuen Verkleidung eine neue Rolle spielen, und streiche ihnen, wie alten Hüten, den Schein der Neuheit an. Alle Ideen, die ihm der Zufal ins Gehirn wirft, die dem ersten Augenblikke des Erwachens aufstossen, die den Vortrup der nächtlichen Träume machen, die in der Hize der Unterredung aufschiessen, die er der gesellschaftlichen Vertraulichkeit, oder der zufälligen Lesung eines halben Wisches abstiehlt, die der nothwendige Müßiggang auf dem geheimen Gemach, erzeugt, oder die endlich kaum aus der Dunkelheit entsprungen, das ergreifende Gedächtnis täuschen, wie die dem Ei entschlüpften Rebhüner sogleich ihre Geburtsstelle verlassen – alle diese Ideen beschenk' er mit einem papiernen Körper, und belebe sie mit Dinte, scharre sie auf einem Haufen zusammen, und schiebe sie auf irgend einem Karren zu Markte. Wird man so das leise Auftreten jedes Gedanken belauschen, so jeden in ein Buch zu meinen übrigen Geselschaftern sperren, so vom Gehirn jeden Ansaz eines Einfals abkrazen, so durch Worte jeden Frosch zu einem Ochsen aufblasen: so wird aus jeder troknen Materie ein Oktavband, aus jedem Steine werden Kinder, hervorspringen; so wird jeder Kopf der Stamvater einer verschwisterten Bibliothek werden, und mit seiner Fruchtbarkeit einen eignen Schrank ausfüllen, so wird der Zahn des Autors keine Feder mer verwüsten, und seine Hand die kleine Stirne nimmer reiben, wie die Fische ihren Bauch an dem Sande reiben, um ihre Eier leichter zu gebähren! –

Stehlen ist der Puls der Vielschreiberei. Die gelehrte Republik schäzt, wie Sparta, die Vorzüge der Diebe, die ihre langen Finger unter irgend einem Handschuh zu verstekken wissen, und die Journale winden um die Schläfe derselben schöne Kränze, stat daß die peinliche Halsgerichtsordnung Karl's des fünften ihren Hals mit einem Strik zuschnürt. – Einige Thiere haben in ihren Winterhäusern zwo Kammern, deren eine die eingesamlete Speise, und die andere ihren Auswurf aufbehält. In der Studierstube eines ächten Gelehrten sind daher fremde und eigne Werke, Exzerpten oder Speisekammern, und eigne Papiere, die Behältnisse der verdauten Exzerpten oder geheime Gemächer. Der uneigennüzige Trieb dieser schöpferischen Abschreiber, zum Besten der Menschheit, das unter ihrem Namen drukken zu lassen, was anfangs nur unter dem Namen des Verfassers gedrukt wurde, die Billigkeit dieser Menschenfreunde, ihren Unterhalt nicht aus fremden Kästen, sondern nur aus fremden Büchern zu mausen, schleicht nun auf verschiednen Wegen zu ihrem Zwekke, vermumt in verschiedne Gestalten ihr glänzendes Verdienst. Der eine löthet die disiecta membra poetarum mit eignen Reimen in ein horazisches humano capiti cervicem pictor equinam etc. zusammen, schnizt sich aus Eichen ein hölzernes Musen- und Stekkenpferdgen, wie man aus zertrümmerten im Herkulan gefundenen Pferden von vergoldetem Erzt einen neuen Gaul zusammengos, und opfert weiblichen Nasen die wohlriechenden Extrakte, die er, gleich dem Parazelsus6 aus poetischen Auswürfen distilliret, und zum Beweis der Wirklichkeit des deutschen Zibeths, der Welt mittheilt. Ein andrer, durch irgend einen grausamen Spiegel mit seiner Kleinheit bekant, flieht ein so mühseliges Handwerk, begnügt sich mit der Beraubung eines einzigen, reitet durch seine Pymäenlenden bewogen, wie Gulliver auf den Brustwarzen eines jungen Mädgen von Broebdignak, so auf denen einer einzigen Muse, oder schneidet höchstens einem fremden Pegasus den Schwanz ab, stekt ihn zwischen seine kindischen Beine, und rudert damit auf die Ewigkeit zu. »Der Eiche Splitter sind der Sträuche Donnerkeile.« Eben so reicht der Raub von etlichen ihrer Blätter zur Bekränzung seines zwergartigen Kopfes hin. – Der eine maskirt sich gleich den bei ihren Diebstälen vermumten Dieben in England, in Namenlosigkeit, und raubt fremden Honig, gegen die Stacheln seiner Besizer mit Bienenkappe und Handschuh versehen; ein anderer verhült seinen Eigennuz in Uneigennüzigkeit, stiehlt dem Schweisse seine Frucht, um sie dem Publikum mitzutheilen, und bereichert sich aus süsser Menschenliebe durch anderer Verarmung, so bestreichen nach Pokokke's Bericht, die ägyptischen Diebe ihren nakten Leib mit Öhle, um bei ihren nächtlichen Thaten nicht ergriffen zu werden. Einige mausen dem Autor nichts als das Buch, welches sie dafür mit einer eignen Vorrede, und auch einem eignen Register ausstatten, d. h. mit einem bessern Kopfe und einem bessern Schwanze verschönern, eben so schaffet Scheuchzer das sogenante Einhorn, indem er dem Bilde des Pferdes einen Eselsschwanz und ein Horn auf der Stirne, anmahlet. Andere fischen im Zirkel freundschaftlicher Vertraulichkeit, nach entfalnen Gedanken grosser Männer, schwazen mit der List des Fuchses in der Fabel, andern einen Käse ab, und verwahren im Gedächtniß die aufgelesene Frucht eines fremden Mundes, für ihre neueste Schrift, so verschlukt der Dieb Edelgesteine in der Hofnung, sie in seinen Exkrementen wieder von sich zu geben. Ja oft bestiehlt der Schüler den Lehrer, lügt der Welt seine erborgte Grösse vor, bis diese vor der grössern ihres eigentlichen Besitzers, wie vor der Sonne, der mit ihren Strahlen prangende Mond, erblast, oder verwahrt seinen Raub bis zum Tode des Eigenthümers, um ihn hernach durch eigne Zusäze unkentlich zu machen: so säugte einmal eine Wölfin den Son eines Gottes, den Romulus. Einige unsterbliche Autoren verschlechtert ihren Diebstahl zu ihrem Eigenthum, und prägen auf Silber ihr langöhrichtes Ebenbild; andere wollen den Zeugen ihrer Armut mit unnüzem Reichthum verdächtig machen, und verbrämen den gestohlnen Kastorhut mit eignen abgeführten Tressen. – Darum ist oft der Verfasser schlechter als sein Buch, und das Kind dem Vater so unähnlich, darum verstummen oft in Gesellschaft die Unterhalter einer ganzen Lesewelt – eben so geniest man nicht das Krokodil, sondern nur seine Eier. Daher schreibt sich das Buntfärbige mancher Schriften: denn eigentlich genommen, sind die Kazen, die Originale der gelehrten Diebe, nach dem Urtheile der neuesten Naturforscher, höchstens zweifärbig. –

Viel zu schreiben, mus man wenig verbessern. Jeder ächte Skribent wird mir beifallen und die Schädlichkeit der Kritik gestehen. Dieses Ungeheuer nährt sich von den Schoskindern der Schriftsteller und fordert jede geistige Erstgeburt zum Opfer – doch ist, nebenher anzumerken, hiervon die Erstgeburt des Esels, wie im alten Testamente, zum Troste der heutigen Autoren ausgenommen. – Die Kritik polirt, aber auf Kosten der Grösse. Sie ist der Stimhammer der poetischen Instrumente; aber wer weis nicht, daß das Stimmen die meisten Saiten kostet? Der Kam kämmet die Hare in Ordnung; aber er reisset ihrer auch genug aus. Und dazu wird sich wohl kein heutiger Autor verstehen; denn erstlich weis er ja, daß sein Produkt für die Verbesserung zu gut gelungen, und daß sein Kind für eine nachfolgende Erziehung zu vollkommen geboren ist. Spottend einer schädlichen Ängstlichkeit, die sich in Kritik verstellt, schüzet so ein Meister die Werke des ersten Augenbliks gegen die Verbesserung des Fleisses, und entzieht so gar sichtbare Unebenheiten der kritischen Feile. Je grösser er ist, das heist, je grösser er sich zu sein dünkt, destomehr verschmäht er die Vollendung, desto weniger verhunzt er die Fehler der ersten Hand durch die Arbeit der lezten. Denn in der Unvolkommenheit seines Werks selbst verräth sich die Volkommenheit desselben; je sichtbarer die Flekken auf der Perlenmuschel; desto grösser die Perlen darinnen. Die Regeln fesseln nur Geistesarme, wie der Churfürst von der Pfalz Betler zu Leibeigenen machen kan; und durch die Befolgung derselben verliehrt sich der Anschein von Originalität in kahle Regelmäßigkeit. Politur zeugt von Schwäche, so widerspricht nach dem Talmud die glatte Haut eines Mannes dem Versprechen seines Geschlechts, und Rauheit ist Schönheit, wie die Mahler alle Engel mänlichen Geschlechts mahlen. Da übrigens die heutigen Skribenten so sehr nach dem Natürlichen und Ungekünstelten haschen, wie ich weiter unten bei Erwähnung ihres vortreflichsten Talentes, der Schwülstigkeit, zeigen werde, da sie die Sichtbarkeit der ängstlichen Kritik so viele Werke verstellen und meistens den Schorstein über das Haus hervorragen sehen, so ist ihnen der Has gegen jede Verbesserung nicht zur verübeln. Zwar behaupten einige, eben der Kunst verdanke man die Natur, und jene sei da am grösten, wo sie am verborgensten ist – nur klaren Saiten sähe man die Schwingung nicht an, und wer sich gewaschen, müsse sich freilich hernach abtroknen – und endlich die Kritik sei nie die Muse selbst, sondern nur ihre Hebamme, gehe nur als ein leuchtender aber kalter Mond nach dem Untergange der blendenden und heisen Sonne auf, und wie die Gothen sich zweimal, trunken und nüchtern, berathschlugen, so gälte sie nur in Geselschaft des Enthusiasmus. Allein alles dieses trift die heutigen Autoren gar nicht. Denn der Gebrauch der Kritik würde ihre Werke nicht verbessern, sondern vernichten, welche, gleich dem Blei, nur in der Hize glänzen, und erkaltet sich mit einer widrigen Farbe überziehen, ja da diese vortreflichen Köpfe sich nie zu Lesung einer aristotelischen Poetik herablassen, so mus ihre eigne ungebildete Kritik ihre Arbeit nur noch mehr verschlechtern: so beschmuzt der Grönländer sein Gesicht, indem er es mit seinem Speichel wäscht – Auch weis jeder, daß grosse Schriftsteller sich durch die kurze Bearbeitung ihrer Werke von den kleinen auszeichnen, die einem einzigen Buche ein halbes Leben widmen, wie umgekehrt grosse Thiere länger als kleine brüten und tragen. – Zweitens – ich sagte oben erstlich – liebt jeder Vater das Misgeschöpf seiner Lenden, und stat eine Misgeburt gleich den Wilden zu töden, komt er schwachen Kindern durch väterliche Zärtlichkeit zu Hülfe wie die grönländischen Mütter die ihrigen durch lekken zu stärken vermeinen. Gegen einen solchen Kindermord sträubt sich der erste Naturtrieb aller Wesen, ich meine der – Hunger im väterlichen Magen, der Gedanke an die verminderte Bogenzahl. Sezt zu diesem noch die Kränklichkeit der meisten schriftstellerischen Produkte und ihren baldigen Tod, wird man da noch den Dolch der Kritik zur Verstümlung oder gar zur Ermordung derselben auffordern wollen? Sol der Vulkan den Würmern die Nahrung vor den Zähnen wegnehmen? Sol der Vater den Henker seiner Kinder spielen? sol er dem Zahne der Zeit mit seinen eignen Zähnen vorkäuen? Ach last doch dem Schriftsteller die Liebe gegen eine Schande, die so bald stirbt, und zwingt ihn nicht zur Ermordung eines so hinfälligen Ruhms! Nie wafne er die zärtliche Hand gegen das Kind, das sie gezeugt; nie vergehe sein Kunstwerk unter dem Meisel, der es gebildet; und nie fliesse aus der Spize seiner Feder, wie aus dem Schwanze gewisser Schlangen, die giftige Dinte, die die neugebohrne Zeile hinrichtet! –

Aber nicht nur eignem, sondern auch fremdem Tadel, opfert der echte Skribent keine Zeile auf. Er billigt das Lob einer Rezension, aber er kehrt sich an keine Misbilligung. Und wie solt er auch? Fält er das Urtheil über seinen eignen Werth doch allein mit der Unparteilichkeit, deren der Neid den Kunstrichter unfähig macht; hat er doch allein die Augen, seine geschafne Schönheiten zu sehen; ist er doch allein der beste Leser, wie der beste Schriftsteller, allein der Pygmalion, der sich in sein steinernes Geschöpf verliebt! Darum schmeichelt er seinen entdekten Mängeln, wie die Hunde ihre Gebrechen lekken; darum sumset er um die Ohren seines Tadlers die Strafe einer langweiligen Widerlegung, und sticht ihn mit Epigrammen in den Strumpf, eben so schossen die Thrazier Pfeile gegen den Donner; darum nähret Zurechtweisung seinen Zorn und sein beunruhigter Stolz erscheint in verstärkten Glanze, wie umgerührte Dinte schwärzer wird. Sehr billig ist er, wenn er den Tadel verzeiht, ohne ihn zu benuzen; wenn er den Fehler betastet und ihn sizen läst, wie manche den Hut berühren, ohne ihn abzunehmen. Auf gleiche Weise trozt seine Unverbesserlichkeit der Satire. Da er weis, daß das Kleid der Satire oft gerade dem Endzwekke entgegenwirkt, den nur der Körper derselben erreicht, daß ihre Form Thorheiten veranlagt und nur ihr Inneres Thorheiten verhindert, wie die Körner der gelben Distel (Argemona Mexicana) laxiren und die Blätter derselben verstopfen; so freuet er sich ihres beissenden Wizes und seiner Fehlerlosigkeit zugleich, dichtet dem andern die verlachten Fehler an, und das Kind geisselt mit der Ruthe des Vaters seine Spielkameraden. –

So mus ein rechter Schriftsteller wohl stolz sein? Ja! das mus er. Auch ragt blos durch den Stolz der deutsche Parnas über den eiteln französischen hervor, und ihm verdanken wir die gehofte Bewunderung der Nachwelt. »Gesegnet sei der Man, der den Stolz erfand. Der Stolz ist der Mantel, der alle Grillen bedekt, eine Speise für den Hungrigen, ein Trank für den Durstigen, eine Wagschale, die den Schäfer dem Könige, und den Dumkopf dem Klugen gleich macht, kurz eine algemeine Münze, für die man alle Dinge kaufen kan.« So könt' ein zweiter Sancho Pansa den Stolz loben, wie der erste so den Schlaf lobte. Und gewis mit Recht. Stolz ist die Mitgabe des Dichters; Wärme dehnet die Luft aus. Gewöhnlich fürchtet sich jeder Esel vor dem Schatten seiner Ohren7 allein die Musensöhne spiegeln mit inniger Wollust ihre Gehörwerkzeuge – die Früchte eines unfruchtbaren Kopfes, die Pilzen auf dem Miste – in dem blinkenden Thaue und dem murmelnden Bache ab. Solche grosse Köpfe machen ihre Zunge zu ihrer eignen Schmeichlerin, wie das Rindvieh sich gerne lekt; aber nur das Rindvieh, nicht der Poet schadet dadurch seiner Mastung. Freilich, da das Rindvieh jenes Lekken unterläst, sobald man es mit seinem Kothe beschmiert, so solte man denken, daß kritische Peitschenhiebe jene Unsterbliche aus dem Traum von eigner Grösse wekken, daß eignes Lob an fremden Tadel scheitern und und Stolz an der Satire wie der Pfau an Brennesseln sterben müsse. Allein weit gefehlt! Vielmehr befruchtet den Stolz satirische Galle; er gleicht gewissen Früchten, die von jeder unsanften Berührung aufschwellen. Zum Ersaz des verweigerten Weihrauchs, schmeichelt er seiner Nase mit dem Opferdufte seines Unterleibs, und freuet sich der wohlriechenden Blähung. Unicuique stercus suum bene olet. Einem jezigen Tadel sezt der Schriftsteller das Andenken eines vorigen Lobes entgegen. Ich glaube daher, daß die litterarischen Gözen des vorigen Jahrzehends die Abgötterei des jezigen über die Erinnerung ihrer vergangenen Ehre leicht verschmerzen, daß sie jede Wunde von Geiselhieben mit wohlriechendem Balsam aus den Büchsen des vergangenen Jahrzehends leicht salben und so wie man Tabak gegen den Gestank nimt, sich den bittern Theil des Lebens mit seinem süssern leicht verzukkern können. Eben so riecht der Fuchs an den nelkenartigriechenden Flekken seines Schwanzes, seine Krankheit hinweg. Aus diesem allen erhellet, daß der Stolz früher als der Lorber keime, oder ihn mit seiner Fülle erstikke, daß der Stolz den Schriftsteller zum Schriftsteller mache, ja daß er mit dem Verdienste in umgekehrtem Verhältnisse stehen müsse. Denn wer geschwinde fährt, glaubt, daß ihm alles entgegenkomme und er nur stillestehe; dahingegen der Schwindelnde sich zu bewegen vermeinet, ungeachtet er auf einer Stelle bleibt. Daraus folgere ich, daß die Bescheidenheit wenige heutige Autoren, und der Stolz die meisten kleide; daraus folgere ich, daß wir den Gipfel der schriftstellerischen Volkommenheit erstiegen haben: denn nur auf hohen Bergen schwellen lere Blasen auf.

Diesen Stolz rechtfertigt die Unwissenheit der iezigen Skribenten, die der Nachwelt noch laute Bewunderung abnöthigen wird. Daß ich hier von den Dichtern rede, wird man von selbst wissen. Durch Einzwängung des Bauches stumpfen einige den Stachel des Hungers – umgekehrt wissen grosse Köpfe ihren Trieb nach Ideen durch Aufgeblasenheit zufrieden zu stellen, und befestigen sich durch die Einbildung, alles zu wissen, in dem Vorsaze, nichts zu lernen. Daher erweitern sie ihre Kentnisse durch die Lesung ihrer eignen Schriften, so tränkt sich die Kamelziege mit ihrem eignen Speichel, so frist der Straus seine Exkremente. – Diese Unwissenheit vervolkomnen sie durch verschiedene Studien. Der eine bereichert seine Menschenkentnis durch Umgang mit den Büchern, und bestiehlt, gleich den Richtern, die Diebe und die Armen. Ein andrer sammelt Nachlese in Journalen, wie einige aus den Akten die Jurisprudenz erlernen. Um die Alten in der Grundsprache zitiren zu können, liest er sie in Übersezungen, oder stiehlt, noch besser, seine Zitazion aus einer fremden Zitazion. Ein andrer füttert seine Unwissenheit mit Dikzionären, den Registern der Gelehrsamkeit; eben so fieng iene Klapperschlange eine Wasserraze bei dem Schwanze zu fressen an.8 Einige speisen den Kopf mit dem Herzen ab, und befruchten die Dumheit mit Thränen, die, wie der Wiesenfuchsschwanz, in sumpfigen Örtern am besten gedeiht. Andern erlaubt die Schöpfung eigner Werke die Durchlesung fremder nicht, und ihre Bestimmung das Publikum zu unterrichten, raubt ihnen die Zeit sich selbst zu unterrichten. Und wozu eine solche Unwissenheit? Dazu; daß man nicht natürliche Fähigkeiten in eine unnüze Spreu von vernünftigen Gedanken vergräbt. An der kalten Gelehrsamkeit stirbt das Genie; es wächst am besten durch Mangel an Nahrung, so wurden die Kinder der Sparter grösser, ie weniger ihre Eltern ihnen zu essen gaben. Darum verachten genielose Köpfe alle Gelehrsamkeit, auf die Ankunft ihres Genies laurend; eben so zündet man an einigen Orten die nächtlichen Laternen nicht an, weil man auf das Aufgehen des Mondes harret, und darauf oft bis zum Aufgehen der Sonne harret. – Dazu; daß man nicht durch immerwährendes Forschen die Quelle der Wahrheiten erschöpfe. Unsere vortreflichen Köpfe mit eben so vortreflichen Herzen versehen, vernachläßigen ihre Gabe, alles zu durchdringen, zum Besten der Nachwelt, die ihnen iede übriggelassene Endekkung Dank wissen wird. Darum zieh ich dem nichtmodischen Tiefsinne den neumodischen Seichtsin vor, und schäze an dem leztern die größern Verdienste um den Parnas. So verbessert ein Ochs die Weide, indem sie ein Pferd verschlechtert. Denn dieses mähet sein Futter bis an die Wurzel hinweg, da iener, vermöge seines Mauls, nur die obersten Spizen des Grases frisset. – Dazu; daß man dem Pöbel nicht gleich wird. Dieser drängt sich zur Gelehrsamkeit, darum verläst sie der Adepte; die unsterblichen Söhne der von Pope besungenen Gotheit erlösen die Welt von der Gelehrsamkeit und predigen durch ihre Wunder die Unwissenheit. So verkleiden in Mexiko bei der Mitternachtsmesse zu Weihnachten, die Mönche sich in Teufel und die Laien in Engel. Dafür haben sie, wie die Schnekken, ihr geistiges Auge in ihren geistigen Fühlhörnern, und ihr verfeinertes Gefühl erleichtert ihnen die Aufspürung der Wahrheit in dunkeln Örtern; eben so sind die Schnäbel der Kraniche mit Fühlspizen begabt, damit sie ihre Nahrung im Schlamme leichter finden. Denken ist nicht mehr Mode, aber wohl fühlen; und wie der körperliche Stuzer mit halbgeschlossenem Auge den Gegenstand seiner Affektazion anblinzelt, so drükt der geistige die Augen zu, um besser zu sehen, und erzweifelt sich Gewisheit. Wie sehr unterscheidet er sich von dem dummen Haufen, der Zweifel mit Gelehrsamkeit und Tiefsin mit Gefühl verbindet. Und endlich nuzet die Unwissenheit am meisten der Versemacherei. In Japan sol ein Orden von Blinden sein, die sich auf die Musik vorzüglich legen, da sich die unsrigen auf harmonische Verse legen. Den Nuzen der Dumheit predigen unzählige Almanache, worinnen unzählige Beispiele den Unsin durch Wohlklang schminken, wo Dissonanzen der Begriffe in Konsonanzen der Worte zerfliessen, wo der kleinste Gedanke wie sonst die kleinsten Insekten, auf den meisten poetischen Füssen fortzappelt, wo den Sin kurzes Silbenmas verstümlet oder langes ausdehnet, wie Prokrustes die Beine seiner Gäste für kurze Betten verkürzte, und für lange verlängerte. Diese Volkommenheit einer gedankenlosen Harmonie, war nur den neuesten Dichtern aufgehoben: denn nur Eselsknochen gaben sonst die tönendsten Flöten; da hingegen in Hallers und Withofs Versen der gedankenreiche Flus sich mit Mühe durch sein Bette windet, da in alten Dichtern die Knochen der übeln Versifikazion das Mark der Gedanken umschliessen. – Nur ein leres Fas klingt sonor. Freilich oft daß diese Nebenbuhler ihres vielstimmigen, vierfüssigen Ebenbildes nur für ihre eignen Ohren yanen. Ferner fliegt der grosse Dichter gleich den Fledermäusen, am liebsten in der Finsternis. Je kleiner sein Kopf, desto grösser seine Flügel, und ohne Kopf kan er noch mit den Musen Beilager halten, wie einige Insekten sich ohne Kopf begatten. In den dunkelsten Hainen lauschet die gröste Begeisterung, und eine entzündete Einbildung giebt dem schweren Unsin dythrambischen Flug, wie das entzündete Pulver schwere Kanonen forttreibt. Dunkle Körper werden am leichtesten warm, und ein Dichter gleicht dem Hofmeister Alexanders, der in der Sonne fror und im Schatten schwizte. Darum weissag' ich meiner geliebten Nazion ein künftiges Volk von Pindaren, wenn den Verstand Landes zu verweisen noch ieder so fortfährt, sein Scherbgen zu geben. – – Der Äther ist das Vaterland des Dichters; darum verschmäht er die Kentnis einer schmuzigen Erde. Sein Flug geht über alle menschliche Köpfe hinweg, und er schwebt zu hoch, Menschen zu sehen, oder von ihnen gesehen zu werden. Wie die Geier hoch nisten, um nach einer alten Sage leichter von der Luft geschwängert zu werden, so ist Luft der Parnas und die Muse der Dichter. – Auch schaft Unwissenheit Originalität, wie natürlich. Es gehen mehrere Wege zum Häslichen als zum Schönen; darum kan man, durch keinen Wegweiser des Schönen verdorben, zu ienem leichter unbetretene Wege entdekken als zu diesem. Ein Kopf, in welchem Fieberhize die Dunkelheit bebrütet, in welchem der schwerfällige Verstand am Fette der Einbildung erstikt, ein solcher verspricht eine unerhörte Originalität. Eben so sollen von dem Nelkensamen, den man in Son- und Mondfinsternissen säet, dunkle und wunderliche Farben fallen. Ich wundere mich daher alzeit, warum Deutschland noch so wenig Originale hat. – Da es das Amt eines Dichters mit sich bringt, seine Lesewelt grillenmäsig in den Schlaf zu singen, so ist ihm auch darum Lerheit des Kopfes unentbehrlich; der Mohnkopf, dessen Körner den Schlummer anködern, ist der lerste aller Köpfe, seine Nebenbuhler ausgenommen – Darum könte auch ein langsamers Thier die Stelle des Musenpferdes einnehmen, und dan hätten die Amerikaner Recht, die einmal den Reiter und sein Thier für ein Ding hielten.

Ha! nun komm' ich zu dir, langohrichte Muse des heutigen Affengeschlechts, buntfärbige Nachahmung! die du ieden leren Kopf in das Echo des Genies und Deutschland in den Resonanzboden Europens verwandelst; die du die quakkenden Sänger des Schlams zu Nebenbuhlern grösserer Kehlen erhebst, und, wie die Ägypter, in Pferdemist Hünereier, tagtäglich in den warmen Geschenken vergötterter Mägen dichterische Brut zum hungrigen Leben ausbrütest, um mit iugendlichen Zungen die Trommelfelle der deutschen Ohren zu rühren. Bald bläsest du einen flekkigten Frosch zu einem Young auf – nun klappert der arme Poet in seinen Versen mit Todengebeinen, und vergräbt wie ein Hund ieden Knochen in sein Lied, den ihm der Tod von seinem Tische zuwirft, nun schwärzt er sein Papier mit der Farbe einer aus Galäpfel und Vitriol gemachten Traurigkeit, nun trägt er seine Wünsche gen Himmel, allein um sie auf der Erde zu befriedigen, wie der Adler die Auster, die Bewohnerin des Schlams hoch in die Lüfte hebt, um ihre Wiege in ihr Grab zu verwandeln, und nun wiederholt sein lerer Magen von der brittischen Schmähschrift auf die leibliche Nahrung. Bald foltern andre, durch dich erhizt, die Ohren mit Hexametern, und machen Golgatha zum Parnas; wie Mükken um den Kronenleuchter, so summen sie um den Kronenleuchter der Schöpfung, um das Sternenheer herum, schikken in die flammenden Nägel am Himmel, Kolonien von Gevattern und Freunden, und privilegiren die Venus zum Aufenthalte künftiger Huren und zum himlischen Bordel, und spielen durch den Silberklang ihrer Instrumente den Edeln Mitleiden für ihre verstumten Beutel ins Herz – auf ihren Köpfen wachsen, wie auf den Häuptern gemahlter Heiligen, Lichtstralen stat der Hare, in ihren wässerichten Versen schwimmen lichthelle Engel so häufig, wie schimmernde Heringe in der Nordsee, und verschönern das unfärbige Element, wie Heere von Insekten das nächtliche Meer, mit zitterndem Glanze. Oft müde des Flugs, krähen sie auf ihrem Miste blos ihren Nazionalnamen den horchenden Kapaunen ins Ohr; nicht selten lobpreiset ihre schwindsüchtige Lunge die beharte Brust eines Barden, und die verwelkten, nicht ganz fleischernen Waden des Enkels trozen auf die unerschöpflichen Lenden der Vorältern. Doch schaffen warme Abende aus schlechten Ausdünstungen der Erde nicht blos Sternschnuppen, die in einer scheinbaren Ähnlichkeit mit den Sternen, schimmern, und deren Glanz an seiner Vergrösserung stirbt, sondern auch Irlichter, die auf poetischen Füssen nur im kotigen Sumpfe tanzen, mit ihrer Gegenwart nur ihren Geburtsort – das Grab von tausend Äsern – beglänzen. Diese Gözen des Pöbels buhlen mit ihrer Sakpfeife nur um den stampfenden Beifal bäurischer Füsse, stekken gleich der bekanten symbolischen Schlange, den Schwanz der Geselschaft in das Maul derselben, stehlen der Beredsamkeit des uneinigen Markts die Schönheiten ihres originellen Verses, und schmücken, gleich dem Indianer, der seine Zimmer mit Kuhmist tünchet, das schöne Papier modischer Bücher mit den Exkrementen eines pöbelhaften Wizes. Zu solchen Zungen schlagen sich weinerliche Augen. Daher grunzen Zoten in liebevollen Versen, daher fliest die Hefen der Natur in empfindsamen Sylbenmaßen, und ein par Reime vermählen die platonische Liebe mit der thierischen. Dieser Nachahmer ist ein aufgedunsenes Geschöpf, aus Unsin zusammengeknätet, mit Thränen eingemacht und in Geniehize gebakken; ein Sänger des Monds, der wie Hunde gegen eben dieses Himmelslicht heulet, der in den Lorberkranz den geraubten iungfräulichen flicht, der die Hurerei zum Christenthum, und zum Altar das Wollustbet einweihet, der sein Gehirn in seinem feurigen Herzen pulverisirt, wie iener Tyran den Bauch eines glühenden Ochsen