Jeder Tag ist Muttertag - Hilary Mantel - E-Book
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Hilary Mantel

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Beschreibung

Von der Booker-Preisträgerin und Autorin der preisgekrönten Tudor Trilogie Längst haben es die Nachbarn aufgegeben, mit Evelyn und Muriel Axon Kontakt zu pflegen. Das ist Evelyn, die früher gelegentlich als Medium arbeitete und sich von Geistern verfolgt fühlt, nur recht. Zusammen mit ihrer Tochter verbarrikadiert sie sich in ihrem Haus, das mehr und mehr verfällt. Mit den Sozialarbeitern, die ihre geistig behinderte Tochter fördern wollen, wird sie schnell fertig. Aber wie soll sie mit Muriels Schwangerschaft und dem Kind, wenn es denn mal da ist, umgehen? Isabel Field ist als neue Sozialarbeiterin davon überzeugt, den Widerstand der Axon-Damen zu brechen. Sie ist ähnlich verbissen und starrköpfig wie Evelyn. Und hat ebenso viele Probleme: einen sexuell sehr aktiven Vater, der seine Eroberungen in den Waschsalons der Kleinstadt macht, und einen schwärmerischen, aber angstgetriebenen Liebhaber, Colin Sidney, der Abendklassen besucht, um seiner dominanten Frau zu entkommen. Wäre da noch Muriel. Sie scheint ganz offensichtlich ein eigenes Leben zu haben, von dem weder ihre Mutter noch die Sozialarbeiter etwas ahnen. Und man fragt sich, ob Muriel wirklich so behindert ist, wie alle glauben. »Herrlich bitterböse und eine Ode auf das Anderssein.« Anne Haeming, BRIGITTE WIR »Ein rasanter Cocktail aus Grauen und wilder Schadenfreude« THE NEW YORK TIMES

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Seitenzahl: 350

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Längst haben es die Nachbarn aufgegeben, mit Evelyn und Muriel Axon Kontakt zu pflegen. Das ist Evelyn, die früher gelegentlich als Medium arbeitete und sich von Geistern verfolgt fühlt, nur recht. Zusammen mit ihrer Tochter verbarrikadiert sie sich in ihrem Haus, das mehr und mehr verfällt. Mit den Sozialarbeitern, die ihre geistig behinderte Tochter fördern wollen, wird sie schnell fertig. Aber wie soll sie mit Muriels Schwangerschaft und dem Kind, wenn es denn mal da ist, umgehen? Isabel Field ist die neueste Sozialarbeiterin, die den Widerstand der Axon-Damen brechen will. Sie ist ähnlich verbissen und starrköpfig wie Evelyn. Und hat ebenso viele Probleme: einen sexuell sehr aktiven Vater, der seine Eroberungen in den Waschsalons der Kleinstadt macht, und einen schwärmerischen, aber angstgetriebenen Liebhaber, Colin Sydney, der Abendklassen besucht, um seiner dominanten Frau zu entkommen. Wäre da noch Muriel. Sie scheint ganz offensichtlich ein eigenes Leben zu haben, von dem weder ihre Mutter noch die Sozialarbeiter etwas ahnen. Und man fragt sich, ob Muriel wirklich so behindert ist, wie alle glauben.    Hilary Mantel wurde 1952 in Glossop, England, geboren. Nach dem Jura-Studium in London war sie als Sozialarbeiterin tätig. Sie lebte in Botswana und in Saudi-Arabien. Für den Roman ›Wölfe‹ (DuMont 2010) wurde sie 2009 mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit ›Falken‹, dem zweiten Band der Tudor-Trilogie, gewann Hilary Mantel 2012 den Booker erneut. Bei DuMont erschienen zuletzt der Roman ›Brüder‹ (2012), der Erzählungsband ›Die Ermordung Margaret Thatchers‹ (2014) und ihre Autobiografie ›Von Geist und Geistern‹ (2015).  Werner Löcher-Lawrence, geboren 1956, ist als literarischer Agent und Übersetzer tätig. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.

Hilary Mantel

JEDER TAG IST MUTTERTAG

Roman

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence

Für die Bevington-Levitts

Zwei Irrtümer: erstens, alles wörtlich zu nehmen; zweitens, alles geistig zu nehmen.

Pascal

Ehebrechen sollst du nicht;

KAPITEL 1

Als MrsAxon vom Zustand ihrer Tochter erfuhr, war sie eher überrascht, als dass Muriel ihr leidgetan hätte, was nicht hieß, dass es sie nicht sehr betrübte. Muriel ihrerseits schien zufrieden. Sie saß mit gespreizten Beinen da, die Arme um sich geschlungen, als versenkte sie sich ganz in den Moment. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck närrischer Seligkeit.

Es war immer schwer zu sagen, was Muriel gefallen würde. Als der alte Mann im Winter auf der Straße gestürzt war und sich die Hüfte gebrochen hatte, da hatte sie sich vor Lachen kaum zu halten gewusst. In gewisser Weise war sie wirklich eine außerordentliche Person. Es kam nicht oft vor, dass sie lauthals lachte.

Klack, klack, klack, sagten die falschen Krokodile, MrsSidneys Schuhe. Ohne einen Fehltritt ging sie die Straße entlang und über die boshaft angehobene Kante der Gehwegplatte, die MrTillotson im Winter hatte stolpern und sich die Hüfte brechen lassen, woraufhin sie eine Petition ans Rathaus geschickt hatten. MrsSidneys gesunde Beine, die Beine einer Fünfundzwanzigjährigen, bewegten sich wie eine Schere den Gehweg hinunter, doch sie sah blass und müde aus, und ihre scharlachroten Lippen zeugten von geheuchelter Heiterkeit. Sie hatte das Rot über die Umrisse ihrer schmalen Lippen hinaus zu einem kurvenreichen Bogen aufgetragen. In einer Zeitschrift hatte sie gelesen, dass man das tun konnte. Von dem, was zwischen den gesunden Beinen und dem eingefallenen Gesicht lag, sprechen wir besser nicht. MrsSidney kümmerte sich nicht weiter um ihren Rumpf, sie hatte ihn aufgegeben. Jetzt blieb sie bei dem Haus mit dem Namen »Die Goldregen« stehen, bei der wuchernden, mit weißem Vogeldreck besprenkelten und durch ein amateurhaftes In-Form-Schneiden verwüsteten Ligusterhecke. Tränen vernebelten ihren Blick. Sie trug ihren schwarzen Mantel mit Nerzbesatz.

Arthur war bei ihr gewesen, als sie den Mantel gekauft hatte. Das gute Stück war ins Budget aufgenommen worden, nachdem sie seine Notwendigkeit sorgfältig überdacht hatten. Es war Arthur peinlich gewesen, zwischen all den Kleiderständern zu stehen. Wie Prinz Philip legte er die Hände auf dem Rücken zusammen, den Blick abgewandt, und bemühte sich, den Eindruck eines tief in Gedanken versunkenen Mannes zu erwecken. Sie zerrte ihn nicht lange durch alle möglichen Läden, sie wusste, was sie wollte. »Ein guter Mantel«, sagte sie, »ein guter Mantel ist jeden Penny wert, den man für ihn ausgibt.«

Zwei probierte sie an, dann den schwarzen. Die Verkäuferin war sechzehn und nicht an ihrem Job interessiert. Einen Arm schlaff über den Kleiderständer gelegt, reckte sie die Hüfte vor und sah zu, wie MrsSidney die beladenen Bügel vor- und zurückschob. Das Mädchen hatte keine Ahnung vom Schnitt eines guten Stoffmantels. MrsSidney zog die Handschuhe aus und strich genüsslich über den kleinen Nerzkragen. Sie versuchte Arthurs Aufmerksamkeit zu erlangen, aber der sah nicht zu ihr hin, und einen Moment lang wogte Groll in ihr auf. Achtlos warf sie ihren alten Kamelhaarmantel über einen der Ständer. Bis heute Morgen war er noch ihr bestes Stück gewesen, doch jetzt kam er ihr schäbig und unangemessen vor. Vorsichtig öffnete sie die Knöpfe und schob die Arme in das seidige Futter. Als sie sich drehte, um auch den Rücken im Spiegel zu betrachten, lächelte sie die Verkäuferin zaghaft an. »Denken Sie, die Länge…?«

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