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Die unnachahmliche Instagram-Fee Anele Gilhu verrät, wie das Glück uns findet, selbst wenn wir es gar nicht gesucht hatten. Anele Gilhu ist Glücks- und Sexualtherapeutin aus Leidenschaft. Und sie ist auf einer Mission: Sie möchte ihrer ständig wachsenden Instagram-Community nahebringen, das Glück in den kleinen Augenblicken zu erkennen. Indem sie die Schräubchen so dreht, dass am Ende alles sitzt. Wöchentlich begeistert sie ihre Fans mit dem "Glücksmomento". Nun teilt sie ihren erstaunlichen Erfahrungsschatz mit allen, die nicht genug bekommen können von der Insta-Fee mit den besonderen Glücksbotschaften: - Finden Sie sich selbst – beim Schnuppern an einem Bund Petersilie - Befreien Sie sich von inneren Blockaden – mit einer Teelöffel-Gesichtsmassage - Stellen Sie sich mutig Ihren Ängsten – beim beherzten Schließen eines AnschnallgurtsDer ultimative Glücksratgeber für alle Fans der skurrilen und charmanten Instagram-Fee, die Probleme für uns löst, von denen wir noch nicht wussten, dass wir sie haben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 200
Anele Gilhu
mit Nicolle Hofmann
... denn manchmal sind sie locker
Knaur eBooks
»Ja, grüß Sie, ich bin’s wieder« – die Glückstherapeutin Anele Gilhu begeistert wöchentlich ihre Instagram-Fans mit ihrem »Glücksmomento«. Ihr Motto: Drehen Sie am Schräubchen, bis alles wieder an seinem Platz ist. Ihre Glücksbotschaften umfassen bahnbrechende neue Ansätze wie das bewusste Schnuppern an einem Bund Petersilie oder eine Gesichtsmassage mit einem Teelöffel (für Fortgeschrittene: einem Esslöffel). Nun hat die Glücksfee mit dem charakteristischen Äußeren ihre besten Tipps und Weisheiten in einem Buch versammelt – für noch mehr verblüffende und erheiternde Glücksmomente.
Widmung
Vorneweg
1 Das Glück ist wie ein Omnibus
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Der Kuchen
2 Ich bin froh und heiter
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Die Löffelchenmethode
3 Gib dem Menschen einen Hund
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Die Petersilie
4 Das Glück ist eine leichte Dirne
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Tanzbein
5 Glück ist morgens aufzustehen
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Kompliment
6 Glücklich machen kleine Sachen
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Babybäuchleinöl
7 Fortuna lächelt
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Der Hammer
8 Glücklich ist, wer vergisst
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Der Piccolo
9 Das Auge klar, die Rede wahr, die Seele rein
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Der Duft
10 Jeder ist seines Glückes Schmied
Buch weggelegt,losgelegt – die Glücksaktion
Das Rennen
11 Glück ist Liebe, nichts anderes
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Der Lippenstift
12 Das Glück ist wie ein Brillengestell
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Instrument
13 Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist …
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Lachen
14 Mut steht am Anfang des Handelns
Buch weggelegt, losgelegt – die Glücksaktion
Das Atmen
Anele dankt
Für Walther
Vorneweg
Ja, grüß Sie, mein Name ist Gilhu, Anele Gilhu.
Sie kennen mich vielleicht schon aus dem Internet? Zunächst mal trat ich ja auf bei der Frau Uhlig, mittlerweile führe ich meinen eigenen Kanal. Wie es zu der Zusammenarbeit kam mit der Frau Uhlig, das ist auch eine lustige Geschichte, jetzt geht es aber erst mal um mich.
Nein, besser gesagt, es geht um uns! Um Sie, verehrte Leserinnen und Leser, und um mich!
Wir haben jetzt nämlich etwas vor: Zusammen wollen wir am Schräubchen drehen! Sollten Sie mir bereits gefolgt sein (im Internet), wissen Sie, wovon ich spreche.
Von den Schräubchen. Die sitzen ja gelegentlich ein wenig locker, aber genau darin liegt eine enorme Chance. Die Schräubchen sind beweglich! Wir können an ihnen drehen! Natürlich drehen wir nicht immer in die richtige Richtung, aber wissen Sie was? Hauptsache, es wird überhaupt gedreht! Wer am Schräubchen dreht, bleibt lebendig, und wer lebendig bleibt, der bleibt am Leben.
Klingt einfach, nicht wahr, aber denken Sie mal nicht, liebe Lesende, ich hätte das schon immer gewusst. Ich war ja nicht immer, was ich heute bin, eine Glückstherapeutin. Lange Jahre bin ich mit meinen Patienten hinabgestiegen in die dunklen Keller ihrer Kindheiten und Jugendjahre und am Ende blieben nicht nur die Patienten trübsinnig, sondern ich war es auch.
Wie das Glück mich nun fand, gegen Ende meiner 40er, also erst vor wenigen Jahren, davon könnte ich nun sehr ausschweifend berichten, aber um mich soll es ja gar nicht gehen in diesem Buch.
Besinnen wir uns lieber auf das Wesentliche! Schauen wir nach, wo das Glück auf uns lauert und wie wir es erhaschen! Nehmen Sie also Ihren Kescher in die Hand und legen Sie los. Die Beute liegt aus für Sie auf den folgenden 180 Seiten. Lange habe ich gesammelt, die Fundstücke gewissenhaft geprüft, sorgsam abgewogen und schließlich alles gründlich für Sie (mit meiner ganz eigenen Expertise!) aufgearbeitet.
Garniert wird das Ganze mit meinen gesammelten Glücksweisheiten. Verknüpft mit einer selbst erlebten oder bei anderen Menschen beobachteten Begebenheit, überprüfen wir die Weisheiten auf ihren Gehalt!
Freuen Sie sich auch ganz besonders auf unsere Glücksaktion für jeden Tag.
Unter dem Motto Buch weggelegt und losgelegt finden Sie 13 Aktionen, mit denen Sie das Glück in Ihren Alltag holen. Dafür müssen Sie sich kein Bein ausreißen – weder den Kilimandscharo besteigen noch sich mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug stürzen –, nein, wir stürzen uns lieber ins pralle Leben! Gehen gemeinsam in die Konditorei, machen der Wurstverkäuferin ein Kompliment oder nehmen auch mal den Hammer in die Hand (um mal schön etwas kaputt zu schlagen).
Sollten Sie noch Fragen haben oder nicht verstehen, warum ich dieses Büchlein verfasst habe, schreiben Sie mir gerne ganz persönlich. Am besten erreichen Sie mich auf meinem Instagram-Kanal (anele_gilhu).
Ich freue mich auf Ihre Zuschriften und wünsche Ihnen nun viel Vergnügen mit meinen gesammelten Glücksmomentos. Oder heißt es etwa Glücksmomenti?
Wie auch immer: Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr im Kopf drin ist.
In diesem Sinne: Machen Sie es gut, machen Sie es wirklich gut!
Ihre Anele Gilhu
München, anno April 2022
Das Glück ist wie ein Omnibus, auf den man lange warten muss, und kommt er endlich angewetzt, dann ruft der Schaffner: »Schon besetzt!«
Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch? Aber nun stellen Sie sich das einmal ganz konkret vor: Sie stehen im Regen oder in einem Schneesturm am Straßenrand herum und dann taucht er endlich auf, der rettende Bus, und hält nun aber gar nicht an, sondern fährt an Ihnen vorbei! Sie werden noch nass gespritzt, während die Leute im Bus über Sie lachen. Eine desaströse Situation, nicht wahr? Und genauso erging es auch Frau Pinnefeld. Die tauchte eines Tages in meiner Praxis auf und glich einem begossenen Pudel. Das lag zum einen an ihrer Frisur – gewelltes Haar, das sich durch Nässe zusammenzog und Frau Pinnefelds Kopf nun umstand wie eben bei so einem toupierten Pudel – zum anderen an Frau Pinnefelds Gesichtsausdruck. Der war nämlich vollkommen verzagt.
»Nun kommen Sie erst mal rein«, sagte ich, obwohl Frau Pinnefeld ohne jede Voranmeldung meine Praxis konsultierte und ich normalerweise ja nur nach Termin arbeite. »Brauchen Sie ein Handtuch?« Frau Pinnefeld nickte und schon übergab ich ihr eines meiner Badetücher.
Darin eingewickelt, setzte sie sich dann auf meinen Behandlungsstuhl. »Sie verstehen doch was vom Glück, nicht wahr?«, wisperte sie.
»Gewiss.«
»Dann können Sie mir doch sicher auch sagen, wie ich es wiederfinde.«
»Ist es Ihnen denn abhandengekommen?«
»Ja!« Frau Pinnefeld fing an zu schluchzen. Woraufhin ich ihr die Schnäuztücher reichte.
»Und ich glaube, ich werde es nie wiederfinden.«
Das, verehrte Lesende, kenne ich. Nahezu jede Person, die mich aufsucht, ist davon überzeugt, das Glück für immer verloren zu haben. Und dann ist es an mir, diese Gewissheit auszuhebeln. Zunächst mal aber brauchte ich weitere Informationen. »Wann genau haben Sie es denn verloren, Frau Pinnefeld?«
»Gerade eben.«
»Tatsächlich?«
»Ja! Der Mann, den ich liebe, ist einfach an mir vorbeigefahren. Und hat mich auch noch mit Schlamm bespritzt!«
»Das ist ja entsetzlich!«
Ich ahnte natürlich, dass es sich hier um keine herkömmliche Liebesgeschichte handelte, gab mich aber weiterhin ahnungslos. Und so erzählte mir Frau Pinnefeld haarklein von ihrem Dilemma. Für Sie, verehrte Lesende, werde ich das nun ein wenig kompakter zusammenfassen.
Frau Pinnefeld (die natürlich nicht im wahren Leben so heißt) zählte zu den Menschen, die erst spät im Leben das Verliebtsein entdeckten. Ja, sie war, wie sie da vor mir saß und die dreißig schon längst überschritten hatte, noch immer Jungfrau. Aber das soll unser Thema nicht sein, dazu kommen wir in einem späteren Kapitel. Es war nun so, dass Frau Pinnefeld lange Zeit zufrieden gewesen war mit ihrem Leben. Mit der Arbeit bei den Münchener Wasserwerken genauso wie mit der Tatsache, dass sie noch immer im Haus ihrer Eltern wohnte. »Ich habe nichts vermisst, Frau Gilhu. Verstehen Sie?«
Natürlich verstand ich das. Ich lebe ja ebenfalls allein. Habe aber im Gegensatz zu Frau Pinnefeld bereits ausgiebig gekostet an den Nektartöpfen des Lebens!
Nun, Frau Pinnefeld war vor einigen Monaten etwas widerfahren, was die bisherige Ordnung ihres Alltags vollkommen auf den Kopf gestellt hatte. Der Mann nämlich, dem sie am Nachmittag immer ihre Monatskarte für die Münchener Verkehrsbetriebe vor die Nase gehalten hatte, hatte sie plötzlich angelächelt. »Und zwar so, Frau Gilhu, dass mir auf einmal ganz heiß und kalt wurde!« Als sie mir das erzählte, bekam Frau Pinnefeld auch jetzt noch einen roten Kopf.
»Aber er war ja sicher nicht der erste Mann, der Sie angelächelt hat, Frau Pinnefeld?«, hakte ich nach.
»Wahrscheinlich nicht«, gab Frau Pinnefeld nun zu. »Aber niemand hat mir dabei so tief in die Augen geschaut!« Sekundenlang starrte Frau Pinnefeld nun auch in meine Augen. Ihre waren übrigens kornblumenblau und passten in ihrer Lebendigkeit im Grunde gar nicht zu der ansonsten sehr biederen Erscheinung von Frau Pinnefeld. Aber vermutlich lag hier der Hase im Pfeffer!
»Es war auf einmal alles anders, Frau Gilhu«, setzte sie nun an und wollte auf einmal gar nicht mehr aufhören zu reden. »Das Essen, das meine Mutter abends auf den Tisch stellte, schmeckte mir nicht mehr und die Serie, die ich gerade guckte, langweilte mich plötzlich.«
»Was war es denn für eine Serie?« (Ich bin ein neugieriger Mensch und immer auf der Suche nach Anregungen, verehrte Lesende.)
»Downton Abbey.«
»Ach! Aber das ist doch so schön!«
»Das fand ich ja auch. Aber auf einmal war mir egal, was die da machten. Ich dachte ja nur noch an meinen Busfahrer!«
Auch die Nachtruhe war nun nicht mehr selbstverständlich für Frau Pinnefeld. Und als sie am nächsten Tag an der Arbeit saß, drehte sich alles in ihrem Kopf um die Frage, ob sie es schaffen würde, wieder pünktlich zum Bus zu kommen. Das gelang glücklicherweise. »Und dann hat er mich wieder angelächelt!« Tränen der Rührung überströmten das Gesicht von Frau Pinnefeld.
So ging es einige Wochen. Frau Pinnefeld bestieg pünktlich den Bus, zeigte ihren Fahrausweis, der Busfahrer lächelte und sie lächelte zurück. Während sie dann auf ihrem Platz saß und dem Elternhaus entgegenfuhr, lächelte ihr der Busfahrer durch den Rückspiegel noch mehrere weitere Male entgegen und wenn sie den Bus verließ, schaute sie immer noch einmal zurück und erhob irgendwann auch die Hand zu einem kleinen Verabschiedungsgruß.
Eine zauberhafte Geschichte, nicht wahr? Sie erinnerte mich ein wenig an diese eine Episode aus Tatsächlich Liebe. Sie kennen den Film doch sicherlich? Da gibt es doch diese junge Frau, die sich in den Kollegen verliebt hat und den über Monate hinweg anhimmelt. Schließlich ist es der Chef, der sie dazu ermuntert, nun endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen. Eine solche Rolle musste im Falle der Frau Pinnefeld nun ich übernehmen. Aber zunächst mal müssen wir natürlich noch erfahren, weshalb Frau Pinnefeld auf meinem Behandlungsstuhl saß. Denn es war etwas vorgefallen, was sie zutiefst erschüttert hatte.
»Er ist einfach an mir vorbeigefahren!«
»Aber das darf er doch gar nicht! Er ist doch Busfahrer!«
»Wie meinen Sie das, Frau Gilhu?«
»Nun, Frau Pinnefeld, es gibt bei öffentlichen Verkehrsmitteln so etwas wie eine Beförderungspflicht. Und die verletzt ein Busfahrer, wenn er an einem Fahrgast einfach vorbeifährt.« Ich bin zwar keine Juristin, aber ein wenig kannte ich mich doch aus mit unserem Rechtssystem! »Sie könnten ihn anzeigen, Frau Pinnefeld!«
»Das würde ich doch niemals tun!« Erschrocken, fast schon empört betrachtete mich Frau Pinnefeld.
»Sind Sie denn sicher, dass er Sie überhaupt gesehen hat?«
»Aber natürlich! Ich stand ja da, wo ich immer stehe!«
»Vielleicht hat er vor lauter Begeisterung, Sie zu sehen, das Gaspedal mit der Bremse verwechselt?« Ich kenne mich mit motorisierten Fahrzeugen zwar nicht besonders gut aus, weiß aber schon etwas über die Grundgesetze der Mobilität.
»Meinen Sie?« Ein hoffnungsvolles Flackern durchzog die Augen von Frau Pinnefeld. »Aber dann hätte er doch trotzdem noch bremsen können. Oder vielleicht sogar umkehren?«
»Womöglich befand er sich in großer Eile?« Was ich da sagte, glaubte ich natürlich selbst nicht so ganz. Aber es galt nun, Frau Pinnefeld wieder ein wenig aufzubauen. Sie brauchte Kraft, für das, was ihr nun bevorstand. Es ging jetzt nämlich um Konfrontation!
»Wissen Sie was, Frau Pinnefeld«, sagte ich also. »Sie werden niemals herausfinden, warum Ihr Busfahrer an Ihnen vorbeigefahren ist, wenn Sie ihn nicht selbst danach fragen.«
»Ich soll ihn ansprechen?« Frau Pinnefelds Gesicht lief wieder rot an.
»Unbedingt!«
Ich erhob mich von meinem Stuhl. Das mache ich nicht selten, wenn das Gespräch mit den Klienten an eine solche Klippe gelangt. Denn es war ja klar: Frau Pinnefeld musste springen! Über ihren Schatten! In den Bus! Ins Leben!
»Sie werden morgen wieder an der Haltestelle stehen und wenn er dann anhält, gehen Sie hinein und stellen ihm die entscheidende Frage.«
»Wenn er aber wieder an mir vorbeifährt?«
»Das wird nicht passieren, Frau Pinnefeld!«
»Woher wissen Sie das, Frau Gilhu?«
»Weil ich dafür sorgen werde, dass er anhält!« Es ist ja so, verehrte Lesende: Wenn es darum geht, jemanden mit etwas zu konfrontieren, wovor er Angst hat, muss man ihn begleiten. Oder haben Sie schon einmal davon gehört, dass ein Verhaltenstherapeut einem Arachnophobiker empfiehlt, sich auf eigene Faust eine Spinne anzuschaffen? Nein, ein guter Therapeut kauft selbst ein solches Tier, besitzt vielleicht sogar ein Terrarium und konfrontiert den Patienten dann im geschützten Rahmen seiner Praxis mit diesem furchterregenden Geschöpf. Und genauso war es nun meine Aufgabe – ich möchte sagen, meine Pflicht! –, Frau Pinnefeld auf ihrer Mission zu begleiten.
»Wollen Sie denn dann mit mir gemeinsam in den Bus steigen, Frau Gilhu?« Frau Pinnefeld sprach wieder in diesem verängstigten Ton.
»Aber nein! Ich steige bereits eine Station früher ein und werde dann an der Station, wo Sie stehen, auf den Stop-Knopf drücken.«
»Sie wollen dann schon wieder aussteigen?«
»Aber nein! Ich bleibe sitzen und diene Ihnen sozusagen als moralischer Beistand.«
»Aber wenn Sie den Stop-Knopf drücken, müssen Sie doch auch aussteigen.«
»Wer sagt denn das?«
»Die Fahrgastverordnung.«
Sie sehen an dieser Stelle, verehrte Lesende: Frau Pinnefeld war eine überaus gewissenhafte Staatsbürgerin.
Auch das galt es zu durchbrechen! Ich wollte sie natürlich nicht zu Staatszersetzung anstiften, aber sie schon auch dazu bewegen, einmal etwas zu tun, was nicht ihrem Pflichtgefühl entsprach, sondern ihrer ganz persönlichen Willenskraft. Dass dieser Wille bei Frau Pinnefeld verschüttet war, wissen wir natürlich längst, aber ihn galt es freizuschaufeln und da befanden wir uns, da werden Sie mir sicher zustimmen, auf einem guten Weg.
Am nächsten Tag war es dann so weit. Ich fand mich zur besprochenen Zeit an der entsprechenden Haltestelle ein. Zugegebenermaßen war ich nun selbst ein wenig aufgeregt. Womöglich säße besagter Fahrer gar nicht am Steuer – war vielleicht krank oder hatte seinen Dienst getauscht? Davon ging ich aber nicht aus. Außerdem musste ich ihn ja gar nicht erkennen. Das Entscheidende war, dass der Bus an der Haltestelle hielt, an der Frau Pinnefeld nun sicher mit einem ungleich stärkeren Herzrasen auf ihn wartete.
Aber was, wenn der Bus nun auch an mir vorbeifuhr? Nun, das war natürlich möglich, aber ebenfalls nicht besonders wahrscheinlich. Denn es standen ja, wie ich nun bemerkte, noch zwei weitere Menschen an der Haltestelle.
Kurzum: Der Bus kam, hielt an und ich stieg ein.
Weil ich keine Abonnementsinhaberin bin, musste ich ein Ticket kaufen. Ich richtete also das Wort an den Busfahrer. Einen jungen Mann, der ein wenig so aussah wie Boris Becker. Also durchaus sympathisch.
Und was ich auch gleich bemerkte, als ich meinen Wunsch nach einem Fahrkärtchen vortrug: Der junge Mann war nervös! Mit fahrigen Handbewegungen drückte er die Knöpfe, die das Wechselgeld in diese kleine Schale rieseln ließen, und schaute mich währenddessen auch gar nicht an. Das gab mir zu denken! Ich nahm also das Wechselgeld aus dem Schälchen und begab mich auf einen freien Sitzplatz in nicht allzu großer Entfernung vom Fahrersitz.
Um meinen Einsatz auf keinen Fall zu verpassen, hielt ich meinen Finger auf den Stop-Knopf und drückte ihn dann, als wir uns etwa 200 Meter vor der nächsten Haltestelle befanden. Von dort sah ich auch schon den dunklen Schopf von Frau Pinnefeld. Ihr orangener Schal, den sie auch gestern getragen hatte, flatterte im Wind. Tja, und dann meinte ich wahrzunehmen, wie der Fahrer wieder das tun wollte, was er bereits gestern getan hatte, nämlich aufs Gaspedal treten, und deshalb rief ich nun sehr laut und vernehmlich: »Können Sie bitte anhalten? Ich möchte hier aussteigen!«
Frau Pinnefeld betrat den Bus, streckte ihr Abonnementkärtchen dem Fahrer entgegen und machte dann das, was ich ihr nicht empfohlen hatte. Sie sagte keinen einzigen Ton. Stattdessen eilte sie mit schnellen Schritten in meine Richtung und fiel förmlich auf den Sitz neben mir.
»Wollten Sie nicht aussteigen?«, kam es da vom Fahrersitz.
»Ach nein«, rief ich fröhlich. »Ich habe es mir anders überlegt!«
Und an Frau Pinnefeld gewandt sagte ich: »Sehen Sie, niemand muss aussteigen, wenn er nicht will!«
Frau Pinnefeld nickte stumm. Dabei starrte sie auf ihre Füße. An denen befanden sich wieder diese braunen Treter, die sie auch gestern getragen hatte. Wenn mich nicht alles täuschte, besaß meine Schwester auch ein solches Paar. »Ich habe es verpatzt, Frau Gilhu.«
»Ach was, Frau Pinnefeld. Noch ist hier gar nichts verpatzt!«
»Aber ich habe ihn doch nicht angesprochen.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden!«
»Aber ich kann ihn doch nicht einfach während der Fahrt ansprechen. Das gehört sich doch nicht.«
»Das muss ein Busfahrer aushalten. Stellen Sie sich einmal vor, ich hätte einen Herzinfarkt, dann müssten wir den Busfahrer ja auch darüber in Kenntnis setzen und würden nicht so lange warten, bis er die nächste Haltestelle erreicht hat. Aber wissen Sie was, Frau Pinnefeld? Mir gefällt Ihr rücksichtsvoller Ansatz! Und deshalb fahren wir jetzt einfach mit diesem Bus bis zur Endstation!«
»Und dann?«
»Dann macht der Herr Pause und dann können Sie ihn in aller Ruhe ansprechen.«
»Um Gottes willen, Frau Gilhu!« Frau Pinnefelds Knie fingen an zu zittern.
Zur Beruhigung griff ich nach ihrer Hand. »Schauen Sie, Frau Pinnefeld«, sagte ich. »Wir befinden uns jetzt vor einem Nadelöhr! Wenn wir uns da durchgezwängt haben, haben wir es geschafft!«
Ich drückte noch einmal die Hand von Frau Pinnefeld und ließ sie dann wieder los.
»Was soll ich ihm denn überhaupt sagen, Frau Gilhu?«
»Sie wollten den jungen Mann doch fragen, warum er gestern an Ihnen vorbeigefahren ist.«
»Aber heute hat er doch wieder angehalten.«
»Weil ich auf den Stop-Knopf gedrückt habe.«
»Meinen Sie, er wäre ansonsten weitergefahren?«
»Ich halte es für möglich, Frau Pinnefeld.«
»Aber dann macht das doch alles gar keinen Sinn, Frau Gilhu.«
»Was jetzt?«
»Dass ich diesen Annäherungsversuch unternehme. Der mag mich doch überhaupt nicht.«
»Aber das können Sie doch gar nicht wissen, Frau Pinnefeld.« Dass vermutlich das Gegenteil der Fall war und der Fahrer nur deshalb aufs Gaspedal getreten war, weil ihn die Gefühle für Frau Pinnefeld übermannt und quasi zu einer paradoxen Reaktion veranlasst hatten, sagte ich nicht. Ich wollte ja keine falschen Hoffnungen wecken. »Das Entscheidende ist, dass Sie den Kontakt zu dem jungen Mann aufnehmen. Das ist doch das, was Sie wollen! Oder möchten Sie in zehn Jahren noch immer an der Bushaltestelle stehen? Dann sind Sie Mitte vierzig und der Zug beziehungsweise der Bus ist womöglich abgefahren!« Ja, das gehört auch zu einer Konfrontation. Dass man dem Patienten unangenehme Wahrheiten nicht erspart.
Ihn damit aber nicht allein lässt: »Schauen Sie, Frau Pinnefeld. Was wäre denn das Schlimmste, was Ihnen passieren könnte?«
»Dass er mich auslacht.«
»Das wird er mit Sicherheit nicht tun. Haben Sie denn so etwas schon einmal erlebt?«
»Jeden Tag.«
»Aber wer lacht Sie denn dann bitte aus?«
»Mein Bruder.«
»Und warum?«
»Weil er mich lächerlich findet.«
»Ach Gott!«, entfuhr es mir. Das war ja auch wirklich entsetzlich, was Frau Pinnefeld da erzählte. Nun wunderte mich gar nichts mehr. »Aber sehen Sie, Frau Pinnefeld«, setzte ich nun noch kämpferischer an und griff wieder nach ihrer Hand. »Gerade deshalb werden Sie jetzt gleich Ihren ganzen Mut zusammennehmen und etwas tun, was sich Ihr Bruder vermutlich niemals getraut hat. Oder denken Sie, er hätte jemals etwas getan, was einem Herzenswunsch entsprach?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sehen Sie! Ihr Bruder scheint mir ein sehr unzufriedener Mensch zu sein. Und in Ihnen hat er so etwas gefunden wie einen Fußabtreter. Aber damit ist jetzt Schluss, Frau Pinnefeld!«
Nun ging es natürlich ein wenig mit mir durch. Aber das ist ein generelles Problem von uns Therapeuten. Wir haben auch Gefühle! Und wenn einer meiner Klienten schlecht behandelt wird, regt sich mein Gerechtigkeitsempfinden. Aber natürlich war ich nur der Knappe von Frau Pinnefeld. Ihren Kampf musste sie selbst ausfechten! Und dazu kam es nun auch, denn wir näherten uns der Endhaltestelle. Außer uns saß nur noch ein einzelner älterer Herr im Bus. Der blieb auch noch sitzen, als der Bus anhielt.
»Endstation! Alle Mann aussteigen!« Unser Fahrer machte auch diese Ansage persönlich. Und warf einen weiteren irritierten Blick auf mich und Frau Pinnefeld. Dass er verwundert war, wunderte mich nicht.
Auf jeden Fall stieg der ältere Herr nun auch aus und übrig blieben Frau Pinnefeld und ich.
»Wollen Sie nicht auch aussteigen?«
»Ich würde gerne wieder mit Ihnen zurückfahren!«
»Ja, aber eigentlich müssen an der Endhaltestelle erst mal alle Fahrgäste den Bus verlassen.«
»Gut, dann mache ich das jetzt auch.« Ich erhob mich von meinem Sitz und gab Frau Pinnefeld einen kleinen Schubs. »Machen Sie es jetzt«, flüsterte ich. Gehen Sie zu ihm! Das ist jetzt Ihre Chance! Ich warte draußen auf Sie!«
Und so geschah es. Ich verließ den Bus, Frau Pinnefeld erhob sich aus ihrem Sitz und ging, als würde sie gesteuert von einer überirdischen Macht, nach vorn zum Fahrersitz und ich sah von außen, wie sich ihr Mund bewegte. Das hieß also, sie sprach! Mit dem Mann, für den sie nun schon seit Monaten schwärmte und der womöglich derjenige sein würde, mit dem sie ihr erstes Liebesglück erfahren sollte. Um es kurz zu machen: Ich hatte ein gutes Gefühl!
Und wissen Sie, was ich dann machte? Ich lief einfach nach Hause. Denn wie es aussah, brauchte mich Frau Pinnefeld jetzt nicht mehr. Sie drehte sich ja auch nicht nach mir um. Stattdessen plauderten die beiden, wie es aussah, sehr angeregt miteinander. Ich verdrückte mich also, wie man so schön sagt, und überließ Frau Pinnefeld ihrem Schicksal.
Als ich nach zwei Stunden Fußmarsch wieder in meiner Praxis eintraf, hatte ich ihre Stimme auch schon auf meinem Anrufbeantworter. »Wissen Sie was, Frau Gilhu«, überschlug sich Frau Pinnefeld da förmlich. »Wir wollen uns nächste Woche treffen. Im Englischen Garten!«
Lassen Sie uns also festhalten: Manchmal ist das Glück ein Omnibus. Nicht selten dauert es recht lang, bis er bei uns vorfährt. Und mitunter sind dann auch noch alle Sitzplätze besetzt. Oder der Fahrer hält gar nicht erst an, weil er uns einfach übersieht. Aber was haben wir in diesem Kapitel gelernt? Es gibt immer Wege, einen fahrenden Bus zu stoppen.
Und: Sind wir erst mal drin im Bus, können wir den Fahrer zur Rede stellen. Und gemeinsam mit ihm brausen wir dann vielleicht in ein ganz neues Leben.
Bei Frau Pinnefeld war es nämlich so: Ihr Busfahrer war nicht an ihr vorbeigefahren, weil er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte – nein, im Gegenteil: Als er sie an besagtem Tag dort stehen sah (an der Haltestelle, von wo aus sie immer zu ihm in den Bus gestiegen war), stand neben ihr ein Mann. Der erkundigte sich nach der genauen Fahrtroute der Buslinie und rückte Frau Pinnefeld im Zuge dessen auf den Pelz. Unser Busfahrer sah nun von Weitem seinen Schwarm (Frau Pinnefeld), daneben jemanden, der den Anschein erweckte, als stünde er in einem vertrauten Verhältnis zu seinem Schwarm. Daraufhin wurde der Busfahrer durchzuckt von einem wilden Schmerz. Und tat etwas, das wir bereits wissen: Er trat aufs Gaspedal. Rauschte also in seinem Wahn, die Frau, die ihm seit einigen Wochen süße Träume bescherte, sei bereits vergeben (wie all die anderen Frauen auch, für die er in seinem 42