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Immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her …
Weihnachten soll die glücklichste Zeit des Jahres sein, und trotzdem läuft für Daisy alles schief. Sie hat nicht nur eine Trennung hinter sich und ist wieder bei ihren Eltern eingezogen, sondern muss sich im Job mit unzähligen Problemen herumschlagen. Schließlich landet sie auch noch in der Notaufnahme. Und das nur, weil sie sich an der Münze im Weihnachtspudding verschluckt hat. Einziger Vorteil: Daisy wird vom gut aussehenden Arzt Noah Hartley gerettet. Plötzlich scheint sich endlich alles zum Guten zu wenden. Doch ist Noah wirklich Daisys ganz persönliches Weihnachtswunder oder nur eine weitere Enttäuschung?
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Immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her …
Weihnachten soll die glücklichste Zeit des Jahres sein, und trotzdem läuft für Daisy alles schief. Sie hat nicht nur eine Trennung hinter sich und ist wieder bei ihren Eltern eingezogen, sondern muss sich im Job mit unzähligen Problemen herumschlagen. Schließlich landet sie auch noch in der Notaufnahme. Und das nur, weil sie sich an der Münze im Weihnachtspudding verschluckt hat. Einziger Vorteil: Daisy wird vom gut aussehenden Arzt Noah Hartley gerettet. Plötzlich scheint sich endlich alles zum Guten zu wenden. Doch ist Noah wirklich Daisys ganz persönliches Weihnachtswunder oder nur eine weitere Enttäuschung?
Lilac Mills lebt mit ihrem sehr geduldigen Ehemann und ihrem unglaublich süßen Hund auf einem walisischen Berg, wo sie Gemüse anbaut (wenn die Schnecken es nicht erwischen), backt (schlecht) und es liebt, Dinge aus Glitzer und Kleber zu basteln (meistens eine Sauerei). Sie ist eine begeisterte Leserin, seit sie mit fünf Jahren ein Exemplar von »Noddy Goes to Toytown« in die Hände bekam. Einmal hat sie versucht, alles in ihrer örtlichen Bibliothek zu lesen, angefangen bei A, und sich durchs Alphabet gearbeitet. Sie liebt lange, heiße Sommer- und kalte Wintertage, an denen sie sich vor den Kamin kuschelt. Aber egal, wie das Wetter ist, sie schreibt oder denkt über das Schreiben nach, wobei sie immer von herzerwärmender Romantik und Happy Ends träumt.
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Jingle Bells Kiss
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Kapitel 1
Kapitel 2
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Kapitel 4
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Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
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Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Epilog
Impressum
Lust auf more?
Für meine wunderschöne Tochter
Daisy wusste, dass Freddie etwas im Schilde führte. Er verhielt sich verdächtig. Oder wie sollte man es sonst nennen, dass sich immer dann ein verstohlenes Lächeln auf seinen Lippen breitmachte, wenn er sich unbeobachtet wähnte, er ihrem Blick auswich und ständig wirkte, als wäre er kurz davor, »Tada!« oder »Überraschung!« zu rufen. Und das ging schon so, seit er gestern vorgeschlagen hatte, sie sollten essen gehen.
»Zieh dir was Schickes an«, hatte er gesagt und sie damit leicht verunsichert. Fand er sie sonst etwa nicht schick genug? Oder meinte er damit lediglich besonders schick?
Daisy entschied sich für Letzteres, denn er hatte erwähnt, dass sie ins Botelli’s gehen würden – ein vornehmes und ziemlich teures italienisches Restaurant, nach dessen Eröffnung vor einigen Wochen sie immer mal wieder dezent darauf hingewiesen hatte, wie gern sie es ausprobieren würde. Sie fragte sich, was der Anlass sein mochte, denn Freddie ging eigentlich nicht gern auswärts essen. Ihm reichte es, ständig seine Kunden einladen zu müssen. Deswegen aßen sie meist zu Hause, wobei er das Kochen übernahm, da Daisy ihm zufolge selbst Wasser anbrennen ließ. Meistens setzte er sich dann mit einem Tablett auf den Knien vor den Fernseher.
Sie hatte großes Verständnis dafür, dass er abends seine Ruhe haben wollte, da er bei der Arbeit den ganzen Tag unter Leuten war, immer freundlich und unterhaltsam sein musste. War doch klar, dass er zu Hause etwas Abstand brauchte, um seine Batterien wieder aufzuladen. Und so verbrachten sie die meisten Abende aufs Sofa gekuschelt. Freddie übernahm die Fernbedienung, bis Daisy irgendwann eindöste und vorschlug, sie könne sich langsam mal auf den Heimweg machen, damit er im Gegenzug anbot, sie solle doch über Nacht bleiben. Was er öfter nicht tat.
Sie genoss die gemeinsamen kuscheligen Couchabende, würde aber zur Abwechslung auch gerne mal ausgehen. Und heute sah es so aus, als gäbe es einen ganz besonderen Anlass!
Ein Kleid nach dem anderen türmte sich auf dem immer größer werdenden Haufen auf ihrem Bett, während sie den gesamten Kleiderschrank nach etwas Passendem durchforstete. Ihre Mutter würde ausflippen, wenn sie dieses Durcheinander sah … Egal. Daisy hatte Schmetterlinge im Bauch, und die Vorfreude auf heute Abend wuchs mit jeder Minute. Sollte ihre Mutter ruhig schimpfen. Nichts konnte heute Daisys gute Stimmung trüben, denn sie ahnte schon, warum Freddie sie ins Botelli’s ausführen wollte. Jedenfalls hoffte sie, dass sie mit ihrer Ahnung richtiglag.
Sie waren schon ein gutes Jahr zusammen, und Daisy verbrachte mittlerweile mehr Zeit in Freddies Reihenhaushälfte (die erst letztes Jahr gebaut worden war, wie er immer wieder gern betonte) als bei sich zu Hause, besser gesagt, bei ihrer Mutter. Denn mit fast siebenundzwanzig lebte sie immer noch in ihrem Elternhaus. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder David, der jedoch fleißig sparte, um sich bald ein eigenes Haus kaufen zu können.
Daisy hatte das auch vor und legte jeden Monat etwas zurück, fand aber, für eine junge Frau war es ungleich schwerer zu sparen, wo es doch all diese wundervollen Kleider, Schuhe und Handtaschen gab, ohne die sie nicht leben konnte. Sie alle riefen ihr »Kauf mich« zu, und Daisy konnte nur selten widerstehen, weswegen sie deutlich weniger angespart hatte als ihr Bruder.
Es half auch nicht gerade, dass sie genau in der Innenstadt arbeitete, wo sich die vielen Einkaufsstraßen befanden. Was sollte eine junge Frau in der Mittagspause Besseres zu tun haben, als ein bisschen shoppen zu gehen? Sie musste ja sowieso raus, um sich etwas zu essen zu besorgen. War doch logisch, dass sie sich dabei ein wenig umsah. Jedes Mal, wenn Daisy das Büro verließ, schwor sie sich, diesmal nur einen Schaufensterbummel zu machen, aber dann gönnte sie sich doch fast jeden Tag eine Kleinigkeit: einen neuen Lidschatten, der den perfekten Nudeton hatte, ein Parfüm mit wunderschönem Flakon, ein Paar Schuhe, das sie einfach haben musste, weil sie so wunderbar zu dem Kleid von letzter Woche passten.
Daher auch der riesige Kleiderhaufen auf ihrem Bett. Einige der Sachen hatte sie kaum getragen, manche noch gar nicht. Aber obwohl ihr Schrank aus allen Nähten platzte, war einfach nichts Passendes dabei. Nichts, das »Ja, ich will dich heiraten« sagte. Denn würde es bei diesem ganz besonderen Dinner nicht darauf hinauslaufen? Es musste einfach so sein! Daisy fiel einfach kein anderer Grund ein, warum Freddie so tief in die Tasche greifen und sie in ein derart exklusives Restaurant ausführen sollte.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie sich vorstellte, die Ehefrau von Freddie Lakeland zu werden. Daisy Lakeland. Am liebsten hätte sie wie ein verknallter Teenager immer wieder ihren »neuen« Nachnamen auf ein Stück Papier gekritzelt. Wenn sie richtiglag – und wie sollte es anders sein –, würde sie schon bald mit diesem Namen unterschreiben.
Oh, das hier könnte was sein! Nicht zu auffällig, nicht zu unaufdringlich. Sie hielt sich das pfirsichfarbene Kleid vor und betrachtete sich im Spiegel. Sie hätte wirklich etwas Neues kaufen sollen, hatte aber nichts gefunden, das ihr wirklich gefiel oder dem Anlass entsprach. In den Läden war gerade Sommerschlussverkauf; überall hingen nur dünne T-Shirts und Shorts, dazwischen ein einsames Regal mit Herbstware, also Pullover, kurze Kordröcke, alles ganz nett für einen Spaziergang im Park an einem kühlen Sonntagnachmittag, aber völlig ungeeignet als Verlobungsoutfit.
Dieses Kleid hier hatte sie zwar schon getragen, aber das war lange her, und Freddie hatte sie noch nie darin gesehen. Sie hatte es damals für die Hochzeit einer Freundin besorgt (Hochzeit! Ah!). Ob sich wohl jemand daran erinnern würde, sobald sie die Fotos von sich mit ihrem Verlobungsring auf Facebook und Instagram postete? Möglich, aber sie konnte den Winkel ja so wählen, dass das Foto nicht allzu viel vom Kleid zeigte. Dann würde es niemand genau erkennen können. Außerdem würden eh alle nur auf den Diamanten am Ringfinger der linken Hand achten. Daisy hoffte inständig, er möge den Ring bereits besorgt haben, aber wie sie Freddie kannte, stellte er ihr erst die Frage der Fragen und überließ es dann ihr, sich selbst einen Ring auszusuchen, weil er »auf Nummer sicher gehen« und keinesfalls riskieren wollte, ein Schmuckstück zu kaufen, das ihr nicht gefiel.
Sie probierte das Kleid an und stellte erleichtert fest, dass es passte. Aber beim Essen würde sie sich zurückhalten müssen. Der Stoff spannte ein wenig, und jeder noch so kleine Bauch würde sich abzeichnen. Zu schade, denn wenn sie schon in ein tolles Restaurant wie das Botelli’s ging, würde sie natürlich am liebsten richtig zuschlagen.
Vielleicht war sie nachher aber ohnehin zu aufgeregt zum Essen. Schon jetzt wurde ihr ein wenig flau, wenn sie an den Abend dachte.
Wann würde er sie fragen? Nach dem Hauptgang? Dem Nachtisch? Hatte er ausgemacht, dass der Ring in einem Tiramisu versteckt wurde? Nein, wohl nicht, denn er konnte ja nicht wissen, welches Dessert sie bestellen würde, und er war keines dieser Alphamännchen, die einfach für ihre Partnerin mitbestellten. Dafür war er viel zu rücksichtsvoll!
Also beim Kaffee nach dem Essen. Vielleicht würde er da um ihre Hand anhalten. Oder er bestellte Champagner für sie beide, und sie fand den Ring am Boden ihres Sektglases? Ach, hoffentlich entschied er sich dafür – es wäre so romantisch!
Mit großer Sorgfalt glättete sie sich das Haar (es neigte dazu, sich auf halber Länge zu kräuseln) und schminkte sich nur dezent (es sollte nicht aussehen, als sei sie auf dem Weg in den Club). Sie wollte elegant aussehen, geschmackvoll gekleidet, mit einem natürlichen Strahlen, wie eine Braut es an sich hatte.
Als sie fast fertig war, drehte sie sich noch einmal vor ihrem großen Spiegel hin und her. War ihr Hintern zu groß? Ach was! Große Hintern waren gerade total angesagt, oder nicht? Und so groß war er nun auch wieder nicht, jedenfalls nicht wirklich. Mit etwas üppigeren Brüsten wäre alles wohlproportioniert. Also versuchte Daisy, sie ein wenig hochzudrücken, was bei dem Kleid jedoch nicht gut aussah. Vielleicht ein anderer Büstenhalter? Aber sie trug ein Set mit passendem Höschen, beides nur eine Nuance heller als das Kleid. Hoffentlich bekam Freddie die Wäsche noch zu Gesicht, bevor er das Licht ausschaltete. Er hatte nicht gern Sex im Hellen, obwohl er ab und an ein, zwei Kerzen brennen ließ, wenn es besonders romantisch sein sollte. Das war so lieb von ihm!
Ganz unten aus ihrem Kleiderschrank zog Daisy noch ein paar Schuhe, die gut zum Kleid passen würden. Irgendwo hatte sie doch auch noch die kleine Tasche, die sie zusammen mit dem Kleid gekauft hatte … Fehlte nur noch Schmuck. Sie wählte Glitzersteinchen für die Ohren und einen silbernen Herzanhänger. Vorher nahm sie noch den schmalen Goldring ab, den ihr ihre Oma geschenkt hatte. Der einzige Ring, den sie heute Abend an der Hand tragen wollte, war der, den Freddie ihr anstecken würde. Nichts sollte von dem Verlobungsring ablenken, den sie morgen hundertfach posten würde.
Wie würde wohl ihre Mutter auf die Neuigkeit reagieren? Die Frauen in ihrer Familie hatten bisher kein großes Glück in der Liebe gehabt. Wenn das Thema auf Männer kam, reagierte besonders ihre Großmutter geradezu allergisch – sie lief knallrot an und konnte gar nicht mehr aufhören, über sie zu schimpfen. Einzig Gigi schien sich mit der Vorstellung einer festen Beziehung oder gar Ehe anfreunden zu können. Aber Daisys Urgroßmutter hatte auch ganz traditionell gelebt (so wie es sich damals eben gehört hatte), indem sie erst geheiratet und dann Kinder bekommen hatte, während ihre Großmutter den Weg zur Mutterschaft ganz ohne den (fraglichen) Vorteil eines Ehemannes gegangen war.
Für Daisys Mutter waren Männer reine Zeitverschwendung, was wohl an der Tatsache liegen dürfte, dass Daisys und Davids Vater sich davongemacht hatte, als sie noch klein gewesen waren. Keiner von ihnen hatte ihn seitdem zu Gesicht bekommen, wenngleich ihre Mutter regelmäßig Unterhaltszahlungen erhielt, bis David die Schule abgeschlossen hatte.
Es lag also an Daisy allein, für die männliche Hälfte der Bevölkerung die Nicht-alle-Männer-sind-Schweine-Fahne hochzuhalten. Nur David war davon ausgenommen. Der konnte in den Augen ihrer Mutter, Großmutter und Gigi nie etwas falsch machen. Sie beteten ihn geradezu an.
Hoffentlich würden sie sich alle mit ihr freuen, besonders ihre Mutter.
Beschwingt eilte Daisy die Stufen hinunter ins Erdgeschoss und rief ein »Bis morgen« in Richtung Wohnzimmer. Freddie würde ganz sicher wollen, dass sie die Nacht bei ihm verbrachte, um ihre Verlobung zu »vollziehen«.
Ihre Mutter gab nur ein kurzes Brummen von sich, ohne die Augen vom Bildschirm zu lösen, auf dem gerade Coronation Street lief. Wenn sie eine ihrer Serien schaute, ließ man sie besser in Ruhe.
Freddie parkte gerade vor dem Haus, wie immer auf die Minute pünktlich. Sein überraschter Gesichtsausdruck, als Daisy mit der Handtasche in der einen und dem Mantel in der anderen Hand aus der Haustür stürzte, war Gold wert. Sonst wartete er meist gut und gern zehn Minuten auf sie. Ihre Mutter erwähnte an dieser Stelle dann stets, dass Daisy noch zu ihrer eigenen Beerdigung zu spät kommen würde, worüber Freddie brav lachte, obwohl Daisy ihm ansah, wie sehr ihn ihr Zuspätkommen störte, wenn er da so unbehaglich auf einem der Wohnzimmersessel hockte. Heute war Daisy jedoch viel zu aufgeregt gewesen, um herumzutrödeln, denn je eher sie ins Restaurant kamen, desto eher würde Freddie fragen, ob sie seine Frau werden wollte.
Du lieber Himmel, Daisy Jones würde heiraten! Sie würde bald eine Ehefrau sein. Sie wollte laut aufkreischen, hielt sich aber zurück, denn sie wollte ja die Überraschung nicht verderben. Aber eine Frau wusste bei solchen Dingen eben Bescheid. Weibliche Intuition.
Freddie hielt ihr beim Aussteigen sogar die Tür auf, und sie erklärte sich diese besonders romantische Geste damit, dass es ein ganz besonderer Abend war und nicht daran lag, dass er sie wegen ihres engen Kleides mehr oder weniger aus dem Sitz schälen musste. Sie sollte besser lernen, wie sie elegant aus dem niedrigen Sportwagen ein- und ausstieg. Denn waren sie erst mal verheiratet, würden sie bestimmt seinen schönen, glänzenden Wagen nutzen und nicht ihre alte Klapperkiste. Sie nahm sich vor, ein paar Videos auf YouTube anzuschauen, in denen Kim Kardashian das vormachte – oder, nein, vielleicht besser nicht, schließlich war sie unter anderem für ihre vielen Höschenblitzer bekannt! Daisy war überzeugt, dass Freddie das auf keinen Fall gutheißen würde. Für ein derartig geschmackloses Verhalten war er viel zu vornehm und viel zu zurückhaltend.
Im Restaurant war alles genau so, wie Daisy es sich vorgestellt hatte (was auch daran lag, dass sie Fotos gegoogelt hatte). Aber sich Bilder auf dem Handy anzusehen, war einfach nicht dasselbe, wie tatsächlich hier zu stehen und die unaufdringlich elegante Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Die Wände, Tischdecken, Stühle und Bilderrahmen, alles war ganz in Weiß gehalten. Der glänzend polierte Holzfußboden bildete einen dunklen Kontrast dazu. Gläser und Besteck glitzerten im Licht der großen Kronleuchter, die dezente Hintergrundmusik sorgte für gerade genug Privatsphäre. Auf jedem Tisch standen frische Blumen, die Kellner und Kellnerinnen warteten diskret im Raum verteilt.
Einer der in schwarze Hose und weißes Hemd gekleideten Männer nahm ihr den Mantel ab, und Freddie nickte ihm zu.
War das ein Zeichen? Die Verlobung war doch sicherlich nicht jetzt geplant, noch ehe die Vorspeise kam?
Sie schluckte nervös und folgte einem Kellner zu ihrem Tisch. Sobald sie sich hingesetzt und Getränke bestellt hatten (für sie nur eine Weißweinschorle, denn sie wollte einen klaren Kopf behalten, um sich später an jede Einzelheit zu erinnern), warfen sie einen Blick in die Speisekarte.
Sie war komplett auf Italienisch.
Daisy erkannte zwar einige Gerichte wieder, aber das meiste war für sie reinstes Kauderwelsch.
»Was nimmst du?«, fragte sie Freddie.
Er sah heute Abend ganz besonders gut aus, auf eine unaufdringliche Art. Daisy würde ihn nicht als absoluten Traumtypen bezeichnen, aber es sprach einiges für ihn. Er ging regelmäßig ins Fitnessstudio, alle paar Wochen zum Barbershop (Sie vermutete, dass er dort auch eine Gesichtsbehandlung und Maniküre machen ließ, was sie ihm nicht vorhielt. Es war schließlich schön, wenn ein Mann gepflegt war. Außerdem war das mittlerweile ein richtiger Trend geworden, oder nicht?) und war immer gut angezogen. Selbst wenn er bequeme Sachen trug, waren sie stets sauber, sahen aus wie neu und lagen eng am Körper an, nicht so wie Daisys ausgeleierte, löchrige Kuschelklamotten, die sie so gerne zu Hause trug. Freddie war ein wenig größer als sie, schlank, breitschultrig und verdächtig unbehaart auf der Brust. Wahrscheinlich ging er heimlich zum Waxing. Die definierten Gesichtszüge verliehen ihm etwas Offenes und Ehrliches.
Das hatte sie als Erstes angezogen, sein Gesicht. Sie hatte ihn zunächst übersehen, doch auf den zweiten Blick, und als sie sich mit ihm unterhalten hatte, war er ihr dann in Erinnerung geblieben. Er war wirklich sehr attraktiv, auf diese britische Gentleman-Art. Aber das Schönste an ihm war seine Stimme, melodiös und leicht rauchig. Davon bekam Daisy richtig weiche Knie. Und auch der Rest von ihm war nicht zu verachten. Im Gegenteil, er war sogar ziemlich großartig!
»Mir wäre als Vorspeise nach salmone affumicato und anschließend vielleicht das vitello al Romana«, antwortete Freddie nach einer längeren Pause.
»Klingt gut. Dann werde ich das auch nehmen«, sagte Daisy ohne den blassesten Schimmer, was sie da bestellte – obwohl, salmone klang ein wenig nach Lachs? Und wenn sie beide das Gleiche aßen, müsste später zumindest keiner von ihnen beim Küssen den Atem anhalten, weil der andere nach Knoblauch stank.
»Wie war dein Tag?«, fragte er und legte seine Hand auf ihre.
»Ach, eigentlich wie immer.« Daisy wollte jetzt nicht über die Arbeit reden. Alles, woran sie denken konnte, war ihre gemeinsame Zukunft mit Freddie. Sie hätte so gerne mit ihm darüber gesprochen! Aber da er sie ahnungslos wähnte, ging das nun mal erst, nachdem er ihr den Antrag gemacht hatte, rief sie sich selbst zur Ordnung und unterdrückte ihre Nervosität.
Würde er wohl vor ihr auf die Knie gehen?
Oh, hoffentlich! Ob sie unauffällig auf die Toilette verschwinden und dabei einen der Kellner bitten sollte, im entsprechenden Moment ein Foto zu schießen?
»Ich habe heute einen neuen Kunden an Land gezogen«, sagte Freddie und streichelte ihr aufreizend über die Hand.
Derartige Zuneigungsbekundungen war sie von ihm gar nicht gewohnt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit, was eben an seiner vornehmen Zurückhaltung lag. Also genoss Daisy diese romantische Geste, und tatsächlich ließ er ihre Hand auch erst los, als die Vorspeise serviert wurde. Gott sei Dank war es tatsächlich Lachs, geräuchert zwar, wovon sie kein Riesenfan war, aber immerhin genießbar und besser als Tintenfisch, Hühnerfüße oder etwas ähnlich Scheußliches.
Sie unterhielten sich noch ein wenig über Freddies Arbeit, dann erzählte Daisy, dass Gigi, ihre Urgroßmutter, nun doch in ein Altersheim ziehen würde, weil ihre Oma mit der Pflege zu Hause überfordert war. »Sie wird trotzdem immer noch jeden Sonntag mit uns essen«, sagte Daisy, als die Teller abgeräumt wurden. »Vielleicht können wir sie ja irgendwann auch mal zu uns einladen.«
Ach du Schreck! Jetzt hätte sie sich beinahe verplappert. Ein »zu uns« gab es doch noch gar nicht! Aber waren sie erst verheiratet, dann schon, und sie konnte es kaum erwarten. Sie wollte seinem Zuhause unbedingt ihren eigenen Anstrich verpassen. Dieses Bild über dem Kamin würde als Erstes dran glauben müssen. Mit abstrakter Kunst konnte Daisy überhaupt nichts anfangen, und jedes Mal, wenn sie das Bild betrachtete, erinnerte es sie an einen Legostein.
»Hm?« Freddie hatte ihr gar nicht zugehört. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, einen der Kellner anzustarren, wie ihr jetzt auffiel, der wiederum Freddies Blick mit einem kaum merklichen Zwinkern erwiderte. Daisy tat so, als habe sie nichts bemerkt, platzte aber fast vor Aufregung. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Sie rechnete jeden Moment damit, dass Freddie vor ihr auf die Knie ging.
Stattdessen wurde der Hauptgang serviert.
Vor dem Dessert entschied Daisy sich dann doch dazu, die Damentoilette aufzusuchen. Als sie an dem zwinkernden Kellner vorbeikam, zögerte sie kurz, nahm dann all ihren Mut zusammen und flüsterte: »Wenn es so weit ist, könnten Sie dann bitte ein Foto machen? Ich würde Ihnen ja mein Handy geben, aber das würde ihm vielleicht auffallen.«
»Ich bitte um Entschuldigung?«
»Ein Foto?« Sie ahmte die Bewegung des Knipsens nach.
Der Kellner sah sie leicht entsetzt an.
»Ach so, ja, na klar, ich soll ja nichts wissen, richtig?«, sprudelte es aus ihr heraus. »Nicht so wichtig, später ist ja noch genug Zeit für Fotos, nehme ich an.« Sie blickte rasch zu ihrem Tisch und stellte erleichtert fest, dass Freddie ganz in sein Handy vertieft war. Möglicherweise wollte er ja jemanden bitten, ein Foto zu machen. Obwohl … er war einfach nicht der Typ dafür, wollte nie gemeinsame Selfies machen und schon gar nicht, dass sie irgendwelche Aufnahmen von ihm auf Facebook veröffentlichte.
Sie eilte zur Toilette, richtete sich das Haar, trug noch etwas mehr Lippenstift auf und ging wieder zum Tisch zurück.
»Mir ist nicht nach Nachtisch«, sagte er, als sie sich wieder auf den Stuhl gleiten ließ, »aber lass dich nicht abhalten, wenn du gerne etwas bestellen möchtest.«
Nachtisch war nun wirklich das Letzte, wonach ihr der Sinn stand. Wenn es ums Essen ging, wäre sie nur an einem weiteren Gang interessiert, wenn der einen Diamantring beinhaltete. Und wenn Freddie jetzt kein großes Interesse am Nachtisch zeigte, war wohl kaum einer darin versteckt.
»Mir auch nicht«, sagte sie also, »aber ein Kaffee wäre schön.«
Freddie winkte den Kellner heran. Der Mann trat eher zögerlich und mit leichtem Stirnrunzeln zu ihnen an den Tisch, seine Stirn glättete sich jedoch sofort wieder, als Freddie den Kaffee bestellte.
»Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte«, sagte Freddie, sobald der Kellner wieder verschwunden war.
Es war so weit. Daisy wurde ganz schlecht vor Aufregung. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und das breite Grinsen, das hervorbrechen wollte, durch einen fragenden Gesichtsausdruck zu ersetzen. Mach schon, dachte sie, lange halte ich das nicht mehr durch.
»Wir sind jetzt ja ungefähr ein Jahr lang zusammen«, begann er.
»Ja, ja, das sind wir.« Sie nickte begeistert.
»Und ich finde, es ist an der Zeit für den nächsten Schritt«, fuhr er fort und griff dabei wieder nach ihrer Hand. Zum zweiten Mal an einem Abend! Sie Glückliche!
Ja, das war es. So was von, dachte Daisy.
»… also dachte ich mir, ich habe mich gefragt …« Freddie räusperte sich, dann sah er über ihre Schulter zu jemand anderem hin und nickte.
Das war es. Ihr großer Moment. Gleich würde er sie fragen!
»Könnten wir bitte die Rechnung bekommen?«, wandte sich Freddie an den Kellner, der zu ihnen gekommen war.
War das ein Codewort? Sie wünschte, er würde sich beeilen.
»Ich habe mich gefragt, ob du …«, wieder zögerte er, »… bei mir einziehen würdest?«, beendete er seinen Satz dann hastig.
»Wie bitte?«
»Bei mir einziehen, eine Lebensgemeinschaft gründen, also zusammenleben. Nur wenn du das auch möchtest und dafür bereit bist. Falls nicht, ist das auch überhaupt kein Problem.«
»Bei dir einziehen« sagte Daisy tonlos.
»Ja. Es ist mehr als genug Platz für zwei da, und ich würde auch nicht erwarten, dass du bei allem die Hälfte übernimmst. Was sagst du dazu?«
Daisy zwang sich zu einem Lächeln und bemühte sich, begeistert zu klingen, obwohl sie am Boden zerstört war.
»Großartig«, antwortete sie und klatschte in die Hände.
Drei Jahre später
Schmückt den Saal mit grünen Zweigen!
Fa-la-la-la-la, la-la-la-la!
Tanzt den Tesco-Einkaufsreigen!
Fa-la-la-la-la, la-la-la-la!
Ja, das würde funktionieren, dachte Daisy und sang sich die Strophe noch einmal laut vor, wobei sie Tesco erst durch Sainsbury ersetzte, dann durch Waitrose und schließlich durch Asda. Klang bei allen großen Supermarktketten gut. Nur nicht bei Morrisons – zu viele Silben.
Wenn es nur endlich vorwärtsginge! Sie trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad herum und bewunderte die frisch weihnachtlich lackierten Nägel: rot mit weißen Schneeflocken. Wieso staute es sich hier überhaupt? Wenn sie nicht bald zu Hause ankam, würde Freddie vor ihr da sein und sie hätte keine Gelegenheit mehr, ihre Einkäufe ins Haus zu schmuggeln, geschweige denn, sie zu verstecken.
Sie fing wieder an, vor sich hinzusingen, denn dabei flogen ihr die Ideen meist wie von selbst zu:
Füllt den Wagen voll mit Goodies!
Fa-la-la-la-la, la-la-la-la!
Braten, Deko, Nachtisch-Puddies!
Fa-la-la-la-la, la-la-la-laaa!
Nachtisch-Puddies war zwar kein richtiges Wort, aber das war nicht schlimm. Der Jingle war ein richtiger Ohrwurm, und wenn sie an der entsprechenden Stelle das Bild von einem Weihnachtspudding einfügten, dann …
Ach, wem wollte sie etwas vormachen? Die großen Supermarktketten hatten ihre eigenen Marketingabteilungen mit Angestellten, die weit mehr verdienten als ihre Wenigkeit Daisy Jones. Und selbst wenn nicht, konnten sie es sich leisten, Topfirmen wie Saatchi & Saatchi zu verpflichten (wenn sie nur daran dachte, in einer derartig angesehenen Firma zu arbeiten, schlug ihr Herz schneller), und würden ihren armseligen Vorschlag keines zweiten Blickes würdigen. Ihr Jingle würde nie bei den Supermärkten landen. Er war nur für ihre eigenen Ohren bestimmt.
Daisy sang ihn sich noch einmal vor, sie war zufrieden damit. Die wissen gar nicht, was sie verpassen, dachte sie, und Ich verschwende nur mein Talent bei Caring Cards, doch dann schlug ihr Herz erneut ein wenig schneller, dieses Mal allerdings vor Beklommenheit. Die Gerüchte, dass ihrer Firma der Konkurrenzdruck mehr als sonst zu schaffen machte, waren auch ihr zu Ohren gekommen – wem nicht? –, und seit dem Aufkommen der elektronischen Grußkarten (seine Grußkarten online selbst zu gestalten, war offenbar ein »Wachstumssegment«) hatten sie mächtig zu kämpfen.
Der Verkehr kam wieder in Gang, und als Daisy etwas ungeschickt den Schalthebel betätigte, hüpfte der Wagen ein paar Meter stotternd über die Straße. Freddie hasste ihren Fahrstil und sagte ihr das auch immer wieder. Sie war froh, dass er gerade nicht neben ihr auf dem Beifahrersitz saß.
Ihre Gedanken wanderten wieder zur Arbeit. Sollte sie sich langsam nach etwas Neuem umsehen? Aber in welchem Bereich? Vielleicht hätte sie heute nicht so früh gehen sollen? Unsinn, alberne kleine Reime konnte sie sich ebenso gut zu Hause ausdenken wie im Büro. Das hatte sie ja gerade eben bewiesen, obwohl sie ziemlich sicher war, dass Caring Cards ihren Weihnachtsjingle nicht so bald abdrucken würde.
Während sie über den kurzen Abschnitt der Schnellstraße fuhr, die aus dem Zentrum hinausführte, verdrängte sie jeden Gedanken an Weihnachtslieder (was wirklich nicht einfach war, da sämtliche Geschäfte und Radiosender sie seit zwei Monaten rauf und runter spielten) und konzentrierte sich auf ihre neue Aufgabe.
Bei Caring Cards wollten sie das Sortiment um musikalische Grußkarten erweitern und hatten Daisy mit der Aufgabe betraut, dies umzusetzen. Deswegen hatte sie eben auch das alte Weihnachtslied umgedichtet. Sie selbst war völlig unmusikalisch und hatte keinen blassen Schimmer, wie sie vorgehen sollte. Erwartete man etwa von ihr, dass sie sich eigene Melodien ausdachte? Oder sollte sie lediglich den Text liefern, der dann zu bereitgestellter Musik passte?
Sie fuhr von der Schnellstraße ab und tauchte in die verwinkelten kleinen Gassen ihres Viertels ein. Es war das reinste Labyrinth. Die sich um Zufahrten, Vorhöfe und Grünflächen windenden schmalen Wege waren ausnahmslos nach Tieren benannt. Als Daisy in ihre Einbahnstraße mit dem besonders hübschen Namen Red Deer Close einbog, schwirrten ihr immer noch Lieder und Textideen durch den Kopf. Sollte sie, durfte sie überhaupt Melodien verwenden, die es bereits gab, oder waren die urheberrechtlich geschützt? Lief das Copyright irgendwann aus? Müsste Caring Cards auch dann Lizenzgebühren zahlen, wenn Daisy den Text abänderte? Da gab es noch jede Menge Klärungsbedarf. Darum hätte sich die Firma auch schon kümmern können, bevor Daisy sich an die Jingles machte. Aber nein, kaum gab es eine neue Idee in der Firma, sollte diese jedes Mal wie von Zauberhand Wirklichkeit werden. Wer sollte diese dämlichen Grüße überhaupt einsingen? Wohl kaum Daisy – hatte sie denn nie jemand aus der Firma singen gehört? Ach doch, tatsächlich erst letzten Freitag auf der Weihnachtsfeier, fiel ihr ein – kein besonders stolzer Moment.
Sie war bei ihrem kleinen Häuschen angelangt und seufzte erleichtert auf. Freddies Wagen war nicht zu sehen. Dafür hatte ein blauer Ford direkt neben der Einfahrt geparkt und versperrte ihr fast den Weg. Freddie würde ausflippen, wenn er nicht in die Einfahrt kam. Es regte ihn ohnehin auf, dass die nächste U-Bahnstation so weit entfernt war, und wenn dann auch noch jemand die Einfahrt zuparkte, war seine Übellaunigkeit kaum auszuhalten. Die Bauplaner hätten aber auch wirklich bedenken können, dass es in jedem Haushalt mindestens zwei Autos gab. Verdammt, sie klang schon wie ihre eigene Mutter, die sich die ganze Zeit über solche Nichtigkeiten aufregte!
Daisy stieg aus und klappte den Fahrersitz nach vorn, um an die Päckchen zu kommen, die sie auf dem Rücksitz verstaut hatte. Das waren ganz schön viele. Hatte sie wirklich so viel eingekauft? Zumindest war nicht alles nur für sie gedacht. Es waren Freddies Geschenke dabei, und für die meisten in ihrer Familie hatte sie auch etwas besorgt. Nur für Zoe nicht. Was sollte sie einer Frau schenken, die bereits alles besaß? Und selber immer nur Dinge kaufte, die wahnsinnig exklusiv, kostspielig und unbeschreiblich schön waren?
Daisy stolperte mit ihrer Handtasche über der Schulter, beide Arme mit Tüten behängt und den Wohnungsschlüssel zwischen die Zähne geklemmt, die fünf Schritte zur Haustür hinauf und schaffte es selbst auf der kurzen Strecke, etwas fallen zu lassen.
Leise fluchend angelte sie mit einer Hand nach dem Schlüssel, rammte ihn in die Tür und stürzte mehr oder weniger nach drinnen, wobei sämtliche Tüten und Taschen in hohem Bogen durch die Luft flogen.
»Verdammt!«
Sich die Knie reibend rappelte sie sich wieder auf, griff nach der erstbesten Tüte – und horchte kurz auf.
»Hallo?«, rief sie, denn sie war sicher, von oben ein Geräusch gehört zu haben.
Stille.
Dann hatte sie sich das wohl nur eingebildet. Das war das Problem mit nagelneuen Häusern. Die Wände waren dünn wie Papier, deswegen bedeutete Doppelhaushälfte in ihrem Fall auch, dass sie und Freddie dem Pärchen von nebenan oft beim Streiten zuhören durften. Und der anschließenden Versöhnung. Beides lautstark. Freddie stellte dann für gewöhnlich den Fernseher auf volle Lautstärke und behauptete, ein kaputtes Trommelfell sei besser als ein angewidertes.
Daisy sammelte den Inhalt aller Tüten wieder ein und stellte sie in der Küche ab. Sie sah auf die Uhr. Fast vier. Freddie würde frühestens in einer Stunde nach Hause kommen, vielleicht sogar erst in zwei, falls Blätter auf den Gleisen lagen, es regnete oder was auch immer die Bahn sich jetzt wieder einfallen ließ, um Verspätungen zu rechtfertigen. Sie konnte sich also noch ein Gläschen gönnen, bevor sie ihre Shoppingausbeute versteckte und die Geschenke verpackte. Eine heiße Schokolade mit einem Schuss Baileys brachte sie bestimmt wieder in Weihnachtsstimmung. Die war ihr nämlich durch die gezwungene Fröhlichkeit der überdekorierten Läden und die gestressten Gesichter der anderen Kauflustigen gründlich verleidet worden.
Sie stellte den Wasserkocher an, schlenderte ins Wohnzimmer und betrachtete prüfend den Weihnachtsbaum. Dieses Jahr hatte sie einen echten besorgt, was Freddie überhaupt nicht gefiel (er konnte es nicht leiden, wenn die Bäume nadelten), deshalb war der ganze Raum mit Tannenduft erfüllt, in den sich die Beeren- und Gewürznote des Duftspenders mischte.
Sie atmete tief ein. Herrlich.
Allein der Duft weckte weihnachtliche Gefühle in ihr. Und der Baum mit den glitzernden Ornamenten und funkelnden Lichtern, die auf Daisys Wunsch hin immer angeschaltet blieben, verlieh dem Raum wirklich etwas Festliches. Es war nicht überladen, zeigte aber jedem Besucher, dass der Geist der Weihnacht eindeutig in 10 Red Deer Close Einzug gehalten hatte.
Ehe sie wieder in die Küche zurückging, musste sie einfach noch einmal kurz zum Baum. Sie kniete sich davor. Freddie, der immer super organisiert war, hatte bereits einige mustergültig verpackte Geschenke unter die tief hängenden Zweige gelegt (sie musste unbedingt daran denken, den armen Baum zu wässern), die sie am liebsten hochgehoben, geschüttelt und beschnuppert hätte. Er hatte sogar an farblich passendes Geschenkband und Zierschleifen gedacht.
Was war das? Daisy hielt inne und neigte den Kopf zur Seite. Sie hatte ein Knarren gehört, es kam von oben. Freddie war definitiv noch nicht hier, also musste es Mandy von nebenan gewesen sein. Wenn ihre Nachbarn mit den Türen knallten, hörte es sich manchmal an, als ob ihre eigene Haustür zuschlug.
Der Schalter des Wasserkochers klickte, also ging sie wieder in die Küche zurück und überlegte, was sie lieber wollte: die heiße Schokolade mit Schuss oder doch lieber die halb volle Flasche Prosecco im Kühlschrank, an die sie sich gerade erinnert hatte.
Daisy entschied sich für den Prosecco. Sie würde sich ein Gläschen gönnen und in gemütliche Kleider schlüpfen, bevor sie ihre Einkäufe vor Freddie versteckte und sich ans Geschenkeverpacken machte. Freddies natürlich zuerst, nicht, dass er früher zurückkam und die wunderschöne Uhr oder die hellbraune Lammfelljacke sah, die sie für ihn besorgt hatte.
In der Flasche war weniger drin, als sie in Erinnerung gehabt hatte. Achselzuckend goss sie sich den Rest in ein großes Glas und nahm einen ordentlichen Schluck. Die kühlen Bläschen prickelten in der Kehle. Sie seufzte zufrieden auf und schlüpfte aus den zu engen Schuhen.
Könnte doch jeder Tag so sein, dachte sie nach einem weiteren Schluck. Morgens arbeiten und nachmittags shoppen. Sie hatte sich heute sogar ein Mittagessen außer Haus gegönnt: Kaffee und ein Sandwich. Sie könnte sich wirklich daran gewöhnen, halbtags zu arbeiten, besonders, wenn Freddie länger in der Firma war und so nicht mitbekam, was sie sich alles kaufte.
»Dieser alte Fummel? Den habe ich schon ewig«, zog bei ihm nämlich nicht. Er wusste fast besser als sie selbst, was sich in ihrem Kleiderschrank befand. Deswegen redete sie sich für gewöhnlich heraus, dass sie dieses Kleid/diesen Mantel/diese Handtasche/diese Schuhe in einem der vielen Secondhandläden ergattert und nur einen Bruchteil dessen bezahlt hatte, was sie ursprünglich gekostet hätten.
Eigentlich sparten sie beide nämlich auf ein eigenes Haus (eines, das ihnen anders als dieses gemeinsam gehören würde), kein Reihenhaus, sondern etwas Größeres. Also behielt Freddie stets die Ausgaben im Blick – wobei er sich selbst immer mal wieder ohne mit der Wimper zu zucken einen Ralph-Lauren-Pullover gönnte, ohne dass Daisy irgendetwas dazu sagte. Da er mehr als doppelt so viel wie sie verdiente, hatte sie das Gefühl, es stünde ihr nicht zu.
Daisy schnappte sich ihr Glas, die Taschen mit den nur für sie bestimmten Einkäufen und zuckelte die Treppe hinauf. Sie würde ihre sündige Shoppingausbeute in dem ungenutzten Gästezimmer bunkern und von dort aus ein Teil nach dem anderen in ihren Kleiderschrank schmuggeln.
Aber zuerst wollte sie in etwas Elastischeres schlüpfen. Der Bund ihrer Anzughose schnitt unbequem ein – wohl das Ergebnis zu vieler Vorweihnachtsfeiern (und der Mince Pies, die Joyce täglich anschleppte und darauf bestand, dass jeder ordentlich zulangte).
Sie ließ die Päckchen am Treppenabsatz vor dem Gästezimmer fallen, dessen Tür stets geschlossen war, denn für Gäste wäre bei all dem alten Krempel, der sich darin stapelte, ohnehin kein Platz. Vielleicht sollten sie das Zimmer in »Rumpelkammer« umbenennen, dachte sie noch, ehe sie das Schlafzimmer betrat. Als sie das zerwühlte Bett sah, war sie kurz verärgert. Sie war heute früher als sonst losgegangen, weil sie im Büro so viel wie möglich schaffen wollte, ehe sie sich heimlich davonmachte. Freddie hatte noch tief und fest geschlafen. Anscheinend hatte er nach dem Aufstehen nicht einmal die Bettdecke ausgeschüttelt. Außerdem hatte er zwei Gläser auf dem Nachttisch stehen lassen, und …
Moment mal …
Daisy nahm eines der Gläser in die Hand, kickte ein verstreutes Kissen beiseite und schnüffelte am Inhalt.
Prosecco?
Vor dem Frühstück?
War ihr Freund etwa ein heimlicher Trinker?
Und was war das für ein Duft? Ein fremdes Aftershave (wenn es denn eines war und nicht das Aroma eines neuen Putzmittels oder einer dieser Raumdüfte, von denen Freddie immer jeden neu in der Werbung angepriesenen kaufte – daher auch der Beerenduftspender im Wohnzimmer), vermischt mit einer Art Moschusgeruch. Es erinnerte sie ein wenig an den Geruch, der im Zimmer hing, wenn es zwischen ihr und Freddie mal richtig heiß hergegangen war. Nicht, dass es in letzter Zeit dazu gekommen wäre. Nicht einmal annähernd. Wenn sie ehrlich war, lief ihr Liebesleben seit längerer Zeit auf Sparflamme. Eine kurze Nummer hier und da, die oft viel zu schnell vorbei war, mehr war seit Monaten nicht gelaufen.
Daisy öffnete das Fenster, um zu lüften, schüttelte die Bettdecke aus und breitete sie wieder ordentlich auf dem Bett aus.
Dann erstarrte sie mitten in der Bewegung.
Das da waren nicht Freddies Schuhe. Diese hier waren viel, viel zu groß.
Daisy hob eines der verstreuten Kissen auf und warf es zurück aufs Bett. Dann gefror ihr das Blut in den Adern.
Das Hemd, das sich unter dem Kissen versteckt hatte, war auch nicht von Freddie. Ebenso wenig wie die abgerissene Jeans.
Wieder ein Geräusch. Eine Diele knarrte, dann raschelte etwas.
Das kam aus dem Gästezimmer.
Wenn Freddie doch zu Hause war, was tat er dann hinter verschlossener Tür im Gästezimmer? Vielleicht heimlich ein weiteres Geschenk für sie verpacken, aber …
Sie hatte ein flaues Gefühl in der Magengrube. Also schloss sich ihre Hand um die Klinke, obwohl sie wusste, er würde verärgert sein, wenn sie ihn beim Einpacken erwischte, und …
»Verdammte Scheiße!«
Das Gästezimmer verbarg so einiges, das Daisy lieber nicht ans Tageslicht gezerrt hätte, und dazu gehörten die zwei nackten Männer vor ihr.
Einer davon war Freddie.
Der fremde Kerl legte schützend beide Hände vor sein bestes Stück, aber das half auch nicht viel. Freddie war ebenfalls splitterfasernackt, hatte sich jedoch in dem Moment, als die Tür aufging, eines von Daisys Sommerkleidchen gegriffen, das er jetzt vor sich hielt.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte ihr Partner. Er sah schuldbewusst aus, so als würde er vor Scham am liebsten im Boden versinken.
»Was sollte ich denn wohl denken?«, fragte sie.
Angesichts der Lage blieb sie erstaunlich ruhig. Da war ein kleiner Teil in ihr, der immer noch hoffte, sie könne sich täuschen. Dass es vielleicht nur ein Arbeitskollege war, der … was genau hier tat? Welche Erklärung konnte es dafür geben, dass sie nackt waren …?
»Tja, äh …«, sagte Freddie. »Das weiß ich nicht.«
»Dann klär mich auf.«
Freddie ließ den Kopf hängen.
Wenn er wenigstens seine eigenen Sachen genommen und nicht eines ihrer entzückenden Laura-Ashley-Blumenkleidchen um den Unterleib geschlungen hätte! Sie mochte das Kleid wirklich, würde es aber garantiert nie wieder tragen.
»Ein Fick, Schätzchen«, sagte der fremde Mann affektiert. »Freddie und ich haben es miteinander getrieben. In eurem Bett.«
»Carl. Es ist wirklich nicht nötig, so …« Freddie schluckte. Er erinnerte sie an einen kleinen Jungen, der von der Lehrerin beim Spicken erwischt worden war und gleich zum Schulleiter geschickt werden sollte.
»Ehrlich zu sein?«, beendete Carl den Satz für Freddie.
Daisy starrte ihn mit offenem Mund an. In ihrem Bett? Sie hatten es in dem Bett getrieben, das sie mit Freddie teilte? In das sie sich jeden Abend einkuschelte, sich geborgen und geliebt fühlte. In diesem Bett?!
Igitt.
»Stimmt das, Freddie?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Freddie blieb stumm.
Daisy fragte sich, schon leicht am Rande der Hysterie, ob Caring Cards wohl auch für diese Gelegenheit eine Karte im Angebot hatte. Vielleicht sollte sie sich an einem Tut-mir-leid-dass-du-nach-Hause-kommst-und-deinen-Mann-mit-einem-anderen-erwischt-hast-Merkspruch versuchen. Wie gut sich der wohl verkaufen würde?
Carl nahm Freddies Hand in seine und entblößte dabei seine beachtliche Männlichkeit. Er war wirklich überdurchschnittlich groß, registrierte Daisy geistesabwesend, und das nicht nur, was Hände und Füße betraf. Ihr kam das alte Sprichwort über die Nase eines Mannes in den Sinn. In diesem Fall stimmte es.
Freddie mied ihren Blick. »Ja«, sagte er schließlich nach langer Stille.
»Du und er?«, hakte Daisy nach.
Mit einer Frau als Nebenbuhlerin wäre sie vielleicht irgendwie klargekommen, aber dieser Typ? Wie zum Teufel sollte sie dagegen ankommen, fragte sie sich, während Carl sich weiterhin in voller Pracht präsentierte. Zieh dir bitte etwas an, flehte sie innerlich. Gab es hier nicht irgendwo noch ein Kleid? Sie wäre mehr als bereit, jedes Teil ihrer Garderobe zu opfern, um das nicht länger sehen zu müssen.
Tatsächlich musste sie das aber ja gar nicht, fiel ihr in diesem Moment auf. Sie konnte einfach nach unten gehen und warten, bis der Typ weg war.
»Wie lange läuft das schon?«, wollte sie von Freddie wissen. »Nein, sag’s mir nicht, ich will es überhaupt nicht wissen. Was bin ich eigentlich für dich, Freddie? Eine Art Maske, die du trägst, damit niemand merkt, dass du schwul bist?«
Seine Stimme war so leise, dass Daisy sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. »Vielleicht.«
»Hast du mich jemals geliebt?« Tränen drohten hervorzubrechen, Daisy hätte jedoch nicht sagen können, ob aus Wut oder aus Trauer. Es war noch zu früh, um abzuschätzen, wie schwer ihr Herz getroffen war. Jetzt gerade war sie einfach nur fassungslos. Freddie – homosexuell? Das musste ein Irrtum sein. Er war es jedenfalls sicher nicht gewesen, wenn sie Sex gehabt hatten, oder? Er liebte ihre Kurven, ihre Weiblichkeit. Jedenfalls hatte er körperlich immer stark auf sie reagiert. Ganz am Anfang, in der Phase der ersten Verliebtheit, war er immer scharf auf sie gewesen. Hatte gar nicht genug bekommen können.
Was war bloß passiert?
Hatte sie ihn umgedreht? War es ihre Schuld?
»Es hat nichts mit dir zu tun, es liegt nur an mir«, sagte Freddie gedrückt. »Ich fühle mich einfach zu Männern hingezogen.«
»Liebst du ihn?«, wollte Daisy wissen.
Dann konnte sie plötzlich die Tränen nicht länger zurückhalten. Da sie den Männern nicht die Genugtuung geben wollte, sie weinen zu sehen, floh sie nach unten in die Küche.
All ihre Träume, ihre Zukunftspläne waren mit einem Mal zerstört. Ein größeres Haus, eine Hochzeit, eine Familie – nichts davon würde sich jemals erfüllen, und sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Sie konnte unmöglich weiter hier in seinem Haus leben. Oder mit ihm zusammenbleiben. Was blieb dann noch übrig?
Sie wischte sich die Tränen mit Papier der Küchenrolle ab, als sie gedämpfte Stimmen aus dem Flur hörte. Die Haustür fiel ins Schloss, ein Motor startete. War Freddie gemeinsam mit Carl gegangen? Sie hoffte es fast, denn wie sollte sie ihm nach dem, was eben geschehen war, gegenübertreten?
Freddie schlich sich mit ängstlichem Gesicht in die Küche. Er machte einen derartig zerknirschten, Mitleid erregenden Eindruck, dass sie ihn am liebsten in die Arme genommen und ihm gesagt hätte, dass alles wieder gut werden würde.
Doch das würde es nicht. Nichts würde wieder gut werden.
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, schniefte sie und riss sich noch in Stück Küchenrolle ab, um sich zu schnäuzen.
»Welche Frage?«
Sie wusste, dass er Zeit schinden wollte – er war für sie wie ein offenes Buch. Bis auf die Sache mit der Vorliebe für Männer, dieses Kapitel hatte sie offensichtlich überblättert. Sie kannte ihn wohl doch nicht so gut, wie sie immer gedacht hatte.
»Liebst du ihn?«, fragte sie erneut.
»Es tut mir leid.«
»Ist das ein Ja?«
»Ja.«
»Wie lange geht das schon so?«
Freddie wandte seufzend den Blick ab. »Bringt es dir irgendwas, das zu wissen?«
»Selbstverständlich, verdammt nochmal! Ich will es wissen!«
»Das ändert doch nichts.«
Wäre Carl eine Frau, hätte Daisy bestimmt auch gefragt, »Ist sie jünger als ich?«, »Findest du sie hübscher als mich?« oder »Ist sie besser im Bett?«. Aber keine dieser Fragen war in diesem Fall von Bedeutung, denn hier griff jeder Vergleich zu kurz. Nur der eine war von Bedeutung – ihr fehlte das entscheidende Chromosom. Da konnte man genauso gut Hunde und Katzen vergleichen. Daisy kam sich einfach nur dumm vor.
»Sag es mir«, forderte sie ihn mit verschränkten Armen auf. Ihr Kinn bebte; sie versuchte, nicht wieder in Tränen auszubrechen.
»Fragst du mich, wie lange ich mich schon zu Männern hingezogen fühle, oder seit wann ich mich mit Carl treffe?«
»Beides.«
»Mein ganzes Leben lang und ein paar Monate.«
»Und ich bin tatsächlich auf dich reingefallen. Und wie ich das bin. Um Himmels willen, wir hatten immerhin Sex! Hat dir das denn gar nichts bedeutet?«
»Hör mal, Daisy, ich liebe dich, das weißt du …«
»Ich weiß gar nichts mehr«, unterbrach sie ihn.
»Aber ich liebe dich eben nicht so, wie es sein sollte. Eher so wie bei Seelenverwandten.«
»Ich dachte, du seist mein Seelenverwandter«, schluchzte Daisy. »Wir wohnen seit Jahren zusammen, teilen denselben Humor, wir mögen dieselben Sachen. Zumindest einige.« Und eine anscheinend ganz besonders, dachte sie verbittert, nämlich MÄNNER!
Freddie ließ sich auf einen der Stühle fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte er zögerlich.
»Das hast du aber«, erwiderte sie. Sie fächerte die Tränen weg, zwinkerte und stieß heftig die Luft aus, um nicht gleich wieder loszuschluchzen.
»Es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht, dass du es so herausfindest.« Freddie klang aufrichtig. Nicht, dass das irgendetwas besser gemacht hätte.
»Und wann sollte ich es bitte schön herausfinden? Beim Gang zum Altar, während ich mit unserem ersten Kind schwanger bin? Wann?«
»Ich weiß, dass es verrückt klingt. Aber ich liebe ihn einfach, ich kann nichts dagegen tun.« Er sah Daisy flehentlich an.
Sie verstand das, irgendwie, was es aber nicht einfacher machte.
»Und was jetzt?«, fragte sie.
»Ein klarer Schnitt?« Er klang zuversichtlich. »Wir teilen einfach alles, was wir besitzen, gerecht unter uns beiden auf?«
»Nein.«
»Nein?« Als Freddie mit den Schultern zuckte, fiel Daisy mit einem Mal auf, wie schmal er geworden war, und wie ausgezehrt sein Gesicht wirkte. Dieses Geheimnis musste schon eine Weile an ihm genagt haben. Sie spürte etwas sehr Unwillkommenes in sich aufwallen: Mitleid. Lieber würde sie ihn hassen, ihn wuterfüllt anschreien und bis aufs Blut beleidigen, eine Schere nehmen und seine bescheuerten Pullover zerschneiden, das teure Aftershave in den Abfluss schütten.
Aber sie fühlte nur Bedauern.
Sie seufzte. »Ich will nichts aufteilen. Ich will überhaupt nichts haben, bis auf meine Kleider, mein Make-up und meinen Laptop. Den Rest kannst du behalten.«
»Und die Wohnzimmerlampe? Die liebst du doch so.«
»Nicht mehr. Sie erinnert mich nur an uns, an dich.«
»Wenn du nichts behalten willst, dann …«
»… kannst du Carl hier einziehen lassen, oder zu ihm ziehen, das ist mir völlig gleichgültig.«
»Und was wirst du tun?«
»Wieder bei meiner Mutter leben.«
Daisy sah sich ein letztes Mal in dem Haus um, das drei Jahre lang ihr Zuhause gewesen war. Dann zog sie leise die Tür hinter sich zu. Die Schlüssel behielt sie vorerst; sie hatte noch nicht alles zusammengepackt und wollte ihre restlichen Habseligkeiten irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt abholen, wenn sie ganz sicher sein konnte, dass Freddie nicht zu Hause war.
Sie wollte ihn nie wiedersehen.
Niedergeschlagen lenkte sie den vollgepackten Wagen aus der kleinen Einbahnstraße heraus und fuhr zum Haus ihrer Mutter. Dort hatte sie eigentlich nur noch ein einziges Mal in ihrem Leben die Nacht verbringen wollen, und zwar am Vorabend ihrer Hochzeit. Stattdessen kam sie jetzt mit dreißig Jahren und gesenktem Haupt wieder in ihrem Elternhaus angekrochen.
Ihre Mutter war bestimmt nicht sonderlich erfreut über diese Tatsache, würde aber hoffentlich keine allzu große Sache daraus machen, bis auf die unvermeidliche Alle-Männer-sind-Schweine-Ansprache, und ihre Oma Elsie würde ins gleiche Horn stoßen. Wobei Daisy den Verdacht hegte, dass Elsie sich damals insgeheim über Daisys Auszug gefreut hatte. Denn dadurch hatte sie bei Daisys Mutter Sandra einziehen können, was sie auch ohne zu zögern in Windeseile getan hatte.