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Neue Kinderbuchserie von Bestsellerautorin Frauke Scheunemann: gelungene Mischung aus Alltagsabenteuer und Manga-Action für Kinder ab 10 Jahren Jo ist ein ganz normaler Schüler der Klasse 6 d und absoluter Manga-Fan. Seine Lieblingsreihe heißt Jomoto und der gleichnamige Ninja ist Jos großes Idol: Jomoto beherrscht die Elemente wie kein Zweiter und ist ein mega Kampfsportler – eben ein Held aus einer anderen Welt. Umso größer die Überraschung, als Jomoto plötzlich in Jos Kleiderschrank sitzt! Wie es aussieht, hat er sein Manga verlassen, um gemeinsam mit Jo auf dessen Hamburger Schule zu gehen. Als cooler »Austauschschüler aus Japan« steht Jomoto seinem neuen Freund dort mit Karate-Kicks und magischem Nebel zur Seite. Seltsam nur, dass er nicht in seine Heimat zurück möchte. Als Jo das Geheimnis seines Freundes entdeckt, ist es höchste Zeit: Die beiden müssen in die Welt der Mangas reisen, um Jomotos Dorf Kinko vor dem Untergang zu retten. Der erste Band einer neuen mitreißenden Serie über eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Schulchaos und Manga-Power. Mit 10 Schwarz-Weiß-Panels im Manga-Stil und vielen weiteren Illustrationen. Band 2 der Serie kommt im Herbst 2025 Serie auf Antolin gelistet
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 231
Veröffentlichungsjahr: 2025
Frauke Scheunemann
Das Portal nach Kinko
Was tun, wenn dein Manga-Held plötzlich klitschnass in deinem Kleiderschrank sitzt?
Jo ist ein ganz normaler Schüler der Klasse 6 d und absoluter Manga-Fan. Seine Lieblingsreihe heißt Jomoto und der gleichnamige Ninja ist Jos großes Idol: Jomoto beherrscht die Elemente wie kein Zweiter und ist ein mega Kampfsportler – eben ein Held aus einer anderen Welt. Umso größer die Überraschung, als Jomoto plötzlich in Jos Kleiderschrank sitzt! Wie es aussieht, hat er sein Manga verlassen, um gemeinsam mit Jo auf dessen Hamburger Schule zu gehen. Als cooler »Austauschschüler aus Japan« steht Jomoto seinem neuen Freund dort mit Karate-Kicks und magischem Nebel zur Seite. Seltsam nur, dass er nicht in seine Heimat zurück möchte. Als Jo das Geheimnis seines Freundes entdeckt, ist es höchste Zeit: Die beiden müssen in die Welt der Mangas reisen, um Jomotos Dorf Kinko vor dem Untergang zu retten.
Der erste Band einer neuen mitreißenden Serie über eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Schulchaos und Manga-Power.
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de
Frauke Scheunemann ist promovierte Juristin. Sie arbeitete als Journalistin und Pressesprecherin. Seit 2005 sind ihre Romane regelmäßig auf den Bestsellerlisten zu finden, ihre Kinderkrimis mit Kater Winston als Ermittler sind auch international ein großer Erfolg. Frauke Scheunemann lebt mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und den Hunden Urmel und Elmo in Hamburg.
Helge Vogt wollte als Kind Paläontologe werden. Irgendwann wurde ihm aber klar, dass er die Dinosaurier und Monster lieber zeichnet, als sie auszugraben. Er arbeitet als Illustrator und Comiczeichner für zahlreiche Verlage, unter anderem Disney, Le Lombard und Fischer Sauerländer. Seine preisgekrönte Comic-Serie Alisik ist in zahlreichen Ländern erschienen.
[Widmung]
Prolog auf der anderen Seite
1 An Tagen wie diesen
2 Willkommen in Hamburg
3 Leere Seiten. Oder etwa nicht?
4 Erster Schultag. Oder: Telekinese für Fortgeschrittene
5 Nichts ist, wie es scheint
6 Träumst du noch oder schläfst du schon?
7 Nebel des Grauens. Und ganz neue Reisepläne
8 Ich verstehe nur Bahnhof und Tabea ist ein Einhorn
9 Besuch von alten Freunden und fliegenden Teppichen
10 Kleine Schwestern - Große Überraschungen
11 Finn reicht’s!
12 Kaffee und Cola. Und ein Geständnis
13 Rückreise mit Hindernissen
14 Usagi hat eine Idee
15 Alles nicht so einfach!
16 Let’s party!
17 Getränk des Tages
18 Eine unglaubliche Geschichte
19 Ziemlich unverhofft
20 Zwei Freunde - ein Plan
Dank an …
Leseprobe Band 2
Plötzlich streng! Oder: Meine Eltern erlauben doch nicht einfach alles!
Für Stefanie. Die wahre Frau Konradi.
Fünfschwanz sieht einfach grauenhaft furchterregend aus! War ich mir eben noch ganz sicher, dass es für Jomoto und seine Freunde, den Drachen Raku und das Kampfkaninchen Usagi, ein Klacks sein würde, die böse Hexe Akujo zu überwältigen, bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher. Immerhin ist Fünfschwanz so groß wie ein Haus. Mindestens! Jomoto scheint die Lage ähnlich einzuschätzen, denn nun wendet er sich an Usagi und Raku. »In den Wald!«, schreit er ihnen zu. »Wir müssen in den Wald! Fünfschwanz ist stark, aber fast blind. Zwischen den Bäumen wird er uns verlieren!« »Genau – die Bäume!«, gibt Raku ihm recht. »Die Bäume sind unsere Rettung!« »Was meinst du, Johannes?« Johannes? Das bin doch ich! Wer spricht da? »Johannes, hörst du mir zu?« Von wem kommt diese Stimme? Ist es die Hexe Akujo selbst, die nun direkt zu mir spricht? Verwirrt schaue ich mich um. »Äh, die Bäume?«
Frau Mindermann steht direkt vor mir und schaut mich sehr böse an.
»Also, Jo, willst du uns bitte erklären, wie es weitergeht?«
Ich muss trocken schlucken.
»Äh«, krächze ich und bringe kein vollständiges Wort hervor. Meine Mathelehrerin zieht die Augenbrauen so sehr nach oben, dass sie fast ihren Haaransatz berühren.
»Was meinst du, Jo?«
»Äh, also die Bäume …«
»Die Bäume? Du meinst, das Baumdiagramm?«
Ist das eine Fangfrage? Ich weiß überhaupt nicht, worauf sie hinauswill, sage aber vorsichtshalber Ja, weil ich mir eine fünfzig-fünfzig Chance ausrechne, damit richtigzuliegen. Außerdem nehmen wir bei ihr im Unterricht gerade Wahrscheinlichkeitsrechnung durch und ich habe so eine dunkle Ahnung, dass das irgendwie zusammenhängt. War da nicht mal irgendwas mit Bäumen und Diagrammen? Frau Mindermann guckt zwar immer noch streng, aber es macht den Anschein, als ob ich hier gerade noch einmal davongekommen sein könnte. Sie nickt zögerlich und deutet Richtung Smartboard.
»Dann mal los, Jo. Nimm dir den Smartpen und zeichne uns das Baumdiagramm auf, das du für diesen Fall vorschlägst.«
Auweia! Ich soll etwas aufmalen? Das kann nur in die Hose gehen, denn ich habe immer noch keine Ahnung, worüber Frau Mindermann gerade gesprochen hat. Ich kann die Blicke der gesamten 6d regelrecht in meinem Nacken spüren und es sind keine bewundernden Blicke der Anerkennung. Im Gegenteil: Der fiese Bosse, der schleimige Orhan und die blöde Nele lachen sich garantiert schon innerlich schlapp, weil sie ahnen, dass ich gleich total ablosen werde. Mit schlotternden Knien stehe ich also auf – und habe bei dem ganzen Stress völlig vergessen, dass unter meinem Tisch und auf meinem Schoß noch das Manga liegt, in dem ich gelesen habe, bis Frau Mindermann vor mir aufgetaucht ist. Beziehungsweise, dass das Manga auf meinem Schoß lag. Denn jetzt fällt es natürlich auf den Boden und dabei direkt vor die Füße meiner Mathelehrerin. Die bückt sich und hebt das Buch auf.
»Was ist das?«, will sie von mir wissen, wartet meine Antwort aber gar nicht ab. Stattdessen dreht sie das Buch hin und her und blättert dann mit spitzen Fingern darin. »Liest du in meinem Unterricht etwa Comics, Johannes Meyer?«
Wenn Frau Mindermann einen mit dem vollen Namen anspricht, ist die Kacke richtig am Dampfen.
»Ähm, ja, ähm«, sage ich also wenig intelligent, um ein bisschen Zeit zu schinden. Vielleicht fällt mir ja doch noch ein, worum es im Unterricht gerade ging? Frau Mindermann kommt einen Schritt auf mich zu und hält mir das Manga vor die Nase.
»Ich wiederhole meine Frage: Liest du in meinem Unterricht etwa Comics, anstatt mir zuzuhören? Und hältst du das angesichts deiner katastrophalen Noten für eine gute Idee?«
»Das ist kein Comic«, stammle ich schließlich. »Das ist ein Manga.« Eine völlig korrekte Antwort, aber keine, die in dieser Situation hilfreich ist. Denn nun wird Frau Mindermann langsam rot im Gesicht. Sehr rot. Als sie kurz vor Tomate ist, schreit sie mich an.
»Was fällt dir eigentlich ein? Du stehst bei mir mündlich zwischen Fünf und Sechs, deine erste Mathearbeit war eine Fünf plus – und anstatt jetzt mal aufzupassen, liest du Comics im Unterricht und wirst dann auch noch frech? Mein Freundchen, ich sage dir: Wenn du am Ende des Schuljahres eine Fünf in Mathe im Zeugnis hast, dann fliegst du von dieser Schule!« Sie holt kurz Luft, um mich weiter anbrüllen zu können. »Und damit du in Ruhe darüber nachdenken kannst, ob du hier wirklich auf der richtigen Schule bist, verlässt du jetzt meinen Unterricht. Raus hier! Melde dich im Sekretariat bei Frau Konradi und bleib für den Rest der Stunde da!«
»Aber ich …«, setze ich zaghaft an, denn natürlich wollte ich Frau Mindermann nicht verärgern, aber ein Manga ist halt einfach kein Comic.
»Raus!«, brüllt Frau Mindermann und unter dem hämischen Gelächter von Bosse, Orhan, Nele und mindestens zwanzig anderen verlasse ich den Klassenraum. Leider ohne das Manga, denn das hält Frau Mindermann fest in ihrer Hand und macht auch keine Anstalten, es herauszurücken. »Das Buch müssen deine Eltern nach Schulschluss im Sekretariat abholen, damit sie mal sehen, was du hier im Unterricht treibst!«, schreit sie mir noch hinterher, dann fällt die Tür zum Klassenraum ins Schloss.
Das Manga bin ich also erst mal los und das ist aus zwei Gründen sehr schade. Erstens wird meine Mutter wirklich durchdrehen, wenn sie mitbekommt, dass ich schon wieder Ärger mit meiner Mathelehrerin habe und in ihrem Unterricht nicht aufpasse. Mama hat nämlich noch mehr Sorge, dass ich von der Schule fliege, als ich. Und zweitens ist Jomoto mein absolutes Lieblingsmanga, und ich hätte gerade jetzt gern gewusst, wie sich der Held Jomoto aus dem Kampf im Wald mit der bösen Hexe Akujo und Fünfschwanz befreit hat. Dass er sich befreit hat, ist sonnenklar. Jomoto ist nicht nur furchtlos und unerschrocken – er hat auch in jeder noch so ausweglosen Situation einen genialen Einfall und rettet damit jedes Mal sich und seine Kameraden vor dem sicheren Aus. Er verfügt über nahezu magische Kräfte und beherrscht die Elemente wie kein zweiter. Wasser, Feuer und Luft sind ihm zu Diensten, er ist ein mega Kampfsportler und hat mächtige Freunde. Kurz: Er ist ein absoluter Superstar. Und als solcher hat er es einfach drauf und lässt sich nichts gefallen. Ganz im Gegensatz zu mir, der ich nun allein und geknickt in Richtung Schulbüro schleiche.
Was für ein Scheißtag. Aber leider eigentlich ein Tag wie jeder andere in meinem Leben als Schüler des Marie-Curie-Gymnasiums in Hamburg. Marie Curie war übrigens die erste Frau, die einen Nobelpreis für Physik gewann. Bravo, Madame Curie! Bestimmt war sie auch super in Mathe. Mit meinen Fähigkeiten sieht es leider nicht ganz so berauschend aus. Im Gegenteil. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dann bekomme ich dieses Jahr nicht nur in Mathe, sondern auch in Englisch eine Fünf im Zeugnis und dann bin ich, wie Frau Mindermann eben ganz zutreffend feststellte, in ernsten Schwierigkeiten. Eine Fünf in einem Hauptfach am Ende der sechsten Klasse bedeutet Ende Gelände. Jedenfalls, wenn das Gymnasium in Hamburg ist. Das muss ich dann verlassen. Was an sich kein Weltuntergang ist. Für meine Eltern aber anscheinend schon.
Die raufen sich dauernd die Haare und können gar nicht verstehen, wieso ich in Mathe überhaupt keinen Plan habe. Mama ist nämlich Versicherungsmathematikerin und findet nichts schöner als Zahlen. Papa hat ein Geschäft für Angelbedarf und kann selbst den längsten Einkaufszettel im Kopf zusammenrechnen. Und dann sind da noch meine beiden großen Schwestern. Helena und Tabea. Totale Streberinnen. Das merke ich vor allem daran, dass sich die Lehrer, die bisher nur meine Schwestern kennen, erst freuen, meinen Namen auf der Klassenliste zu sehen, dann irgendwann überrascht schauen und schließlich ratlos den Kopf schütteln. Vermutlich fragen sie sich, ob ich adoptiert wurde. Ich sag mal, wie es ist: Ich bräuchte in der Schule ein Wunder. Oder magische Fähigkeiten. Oder einen Superhelden, der für mich ein bisschen zaubert. Und zwar dringend, sonst ist es für mich zu spät!
Statt eines Wunders bekomme ich jetzt erst mal Fegedienst oder so was in der Art von Frau Konradi aufgebrummt. Unsere Schulsekretärin ist wirklich total nett, aber sie hat stets eine Liste mit Aufgaben parat, zu denen sie Schülerinnen und Schülern verdonnern kann, die aus dem Unterricht geflogen sind. Wenn man die erledigt hat, schreibt sie eine entsprechende Mail an den Lehrer oder die Lehrerin, die dich rausgeworfen hat, und der Fall ist erledigt. Schreibt Frau Konradi keine Mail, gibt es Ärger 2.0. So weit habe ich es aber bisher nicht kommen lassen, für mich ist Ärger 1.0 völlig ausreichend.
»Hallo, Jo!«, begrüßt sie mich freundlich, als ich im Sekretariat auftauche. Sie schiebt sich ihre Brille, die sie eben noch in ihre kurzen, grau-braunen Locken gesteckt hatte, auf die Nase, was ihr den Gesichtsausdruck einer Eule verleiht, und mustert mich. »Na, was hat du wieder ausgefressen?«
Normalerweise würde ich jetzt mit einem schlichten Keine Ahnung oder Nichts! antworten, aber es gibt eine Sache, die Frau Konradi wirklich auszeichnet und warum ich in diesem Fall bei der Wahrheit bleibe: Frau Konradi ist ein fast genauso großer Manga-Fan wie ich. Und da sie natürlich viel mehr Geld hat als ich, hat sie eine fantastisch große Manga-Sammlung, aus der sie mir gerne mal etwas ausleiht. Im Gegenzug helfe ich ihr, wenn sie sich in der Geschichte von Jomoto verheddert hat oder sich an einzelne Figuren nicht mehr erinnern kann. Dann erkläre ich ihr geduldig jeden Seitenstrang der mittlerweile ziemlich komplizierten Geschichte um den jungen Ninja-Krieger. Ich habe alle bisherigen 31 Bände der Reihe und es ist keine Angeberei, wenn ich sage, dass ich vermutlich Deutschlands führender Experte auf dem Gebiet der Jomoto-Mangas bin.
»Ich habe im Unterricht von Frau Mindermann gelesen«, antworte ich also wahrheitsgemäß.
»Lass mich raten: nicht in deinem Mathebuch.«
»Nee, natürlich nicht. Der neuste Jomoto-Band ist endlich rausgekommen und ich musste unbedingt wissen, wie Jomoto die Flucht aus dem Danjon, dem Kerker, gelingt.«
»Spannend!«, bestätigt Frau Konradi.
»Tja, dabei bin ich dann aufgeflogen. Mitten in der entscheidenden Kampfszene wollte die Mindermann irgendwas über Wahrscheinlichkeitsrechnung von mir wissen. Erst habe ich mich da einigermaßen rausgewunden, aber dann ist mir das Buch runter- und ihr vor die Füße gefallen. Da ist sie echt ausgerastet und hat mich rausgeschmissen! Das Manga hat sie einkassiert, das müssen meine Eltern hier nachher abholen. Da werde ich noch mal richtig Ärger bekommen.«
Frau Konradi schüttelt bedauernd den Kopf.
»Ja, da versteht sie keinen Spaß. Na, lass mal sehen, welche Aufgabe ich dir jetzt geben könnte.« Sie dreht sich vom Empfangstresen zu dem Regal an der Wand hinter ihr und nimmt ein Blatt von dem hohen Papierstapel, der auf dem untersten Regalboden liegt. »Also, es müssten dringend Bücher in die Bibliothek zurückgebracht werden. Ich habe zwei Kartons hier stehen. Trage sie doch bitte zu Herrn Müller und hilf ihm, sie einzusortieren. Und wenn du damit fertig bist«, sie senkt ihre Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern, »dann habe ich eine Überraschung für dich.«
Weil ich weiß, dass sie mir sowieso nicht verraten wird, was sie damit meint, klemme ich mir kommentarlos die beiden Kartons unter den Arm, die sie mir nun am Tresen vorbei zuschiebt. Dann mache ich mich auf den Weg zur Schulbibliothek und bin schon wieder halbwegs gut gelaunt. Für den Rest der Schulstunde in Ruhe Bücher einzusortieren ist wirklich nicht das Schlimmste, was mir passieren kann.
Und mit dieser Einschätzung liege ich völlig richtig. Denn es kommt noch schlimmer. Nachdem ich anhand der Liste, die mir der Bibliothekar Herr Müller gegeben hat, alle Bücher wieder einsortiert habe, bittet er mich noch darum, ein paar Aufgabenblätter für ihn zu kopieren. Ich lege die Blätter in den Einzugsschacht und drücke auf Start. Nichts tut sich. Stattdessen kommt eine Fehlermeldung: Original auf Vorlagenglas. Ich klappe den Deckel des Kopierers hoch und tatsächlich liegt dort noch ein Blatt.
Als ich es herausnehme und umdrehe, sehe ich, dass es die Klassenliste der 6d zu sein scheint. Jedenfalls stehen ziemlich viele Namen und Adressen von meinen Mitschülerinnen und Mitschülern darauf. Daneben hat jemand handschriftliche Notizen gemacht. Geburtstagsparty am 6.4. im Clubhaus THGC, 19 Uhr. Interessant. Ich gucke mir die Liste genauer an und fange an zu zählen. 26 Namen. Nur zwei Namen fehlen. Meiner. Und der von Bosse Neumann. Der Fall ist klarer als klar: Das ist keine Klassenliste, sondern eine Gästeliste. Bosse Neumann veranstaltet diesen Sonntag eine Party und hat alle eingeladen. Bis auf mich. Selbst mein Freund Finn steht auf der Liste – obwohl der Bosse auch nicht leiden kann.
Natürlich weiß ich, dass Bosse ein Vollidiot ist. Ich kann ihn nicht ausstehen. Und trotzdem gibt mir die Erkenntnis, dass tatsächlich meine gesamte Klasse zu seiner Party eingeladen wird und nur ich nicht kommen darf, einen richtigen Stich. Auch dass Finn mir gar nichts von der Party erzählt hat, macht mich traurig. Er muss schon länger davon wissen, schließlich steigt das Event dieses Wochenende!
Ich lasse das Blatt sinken und kämpfe gegen ein kribbelndes Gefühl in meinen Augenwinkeln an. Jetzt bloß nicht heulen, Jo!, schimpfe ich mit mir selbst. Schlimmer als ein einsamer Loser ist nur ein einsamer, heulender Loser! Ich richte mich gerade auf und drücke mein Kreuz ganz durch, dann schmeiße ich die Gästeliste in den Papierkorb neben dem Kopierer und beginne, die Aufgabenblätter für Herrn Müller zu kopieren.
Gerade als der Pausengong das Ende der Stunde ankündigt, bin ich damit fertig, gebe ihm den Stapel Kopien, und er händigt mir daraufhin ein grünes Kärtchen aus. Aufgabe erledigt bedeutet das und ich gehe zurück ins Sekretariat zu Frau Konradi, um ihr die Karte zu geben.
»Na, Auftrag ausgeführt?«, fragt sie. Ich nicke wortlos und reiche die Karte über den Tresen. »Alles okay bei dir?«, will sie wissen. Ich zucke mit den Schultern, sage aber nichts. Was auch? Vielleicht, dass ich gerade herausgefunden habe, dass ich wirklich der mit Abstand unbeliebteste Schüler in meiner Klasse bin? Oder dass ich so wenige Freunde habe, dass ich mich sogar über eine Einladung von Ekelpaket Bosse Neumann freuen würde? Nee, das kann ich niemandem erzählen, also schweige ich weiter. Frau Konradi seufzt.
»Ach komm, Jo! Nimm es nicht so schwer. Morgen ist ein neuer Tag! Und ein bisschen kann ich dich vielleicht heute noch aufmuntern.« Sie zwinkert mir verschwörerisch zu. »Ich habe dir doch vorhin eine Überraschung versprochen, weiß du noch?«
»Stimmt«, antworte ich.
»Dann komm mal näher. Ich habe da was für dich.«
Ich beuge mich zu Frau Konradi über den Empfangstresen. Wie in einem schlechten Agentenfilm schiebt sie mir nun eine gefaltete Ausgabe des Hamburger Abendblatts zu. Ich zögere kurz, dann nehme ich die Zeitung und will sie aufschlagen.«
Frau Konradi schüttelt den Kopf.
»Nicht doch! Die nimmst du jetzt, packst sie in deinen Schulranzen und holst sie erst zu Hause wieder raus.«
Überrascht starre ich sie an. Handelt unsere Schulsekretärin jetzt etwa mit Drogen? Und falls ja – bin ich mit meinen zwölf Jahren nicht noch zu jung dafür? Man sieht mir mein Erstaunen offenbar überdeutlich an, denn jetzt grinst Frau Konradi.
»Johannes, es ist etwas völlig Harmloses. Nämlich etwas, was ich mir zufälligerweise auch gerade gekauft habe, weil ich nicht mehr abwarten wollte. Du kannst es haben, ich nehme dann deines, wenn ich es gleich ins Sekretariat gebracht bekomme. Und jetzt huschhusch, schnell wieder ab in den Unterricht.« Sie macht eine wedelnde Handbewegung, als ob sie mich verscheuchen wollte. Ich verstehe immer noch kein Wort, aber ich folge ihrer Anweisung und trotte brav zum Klassenraum der 6d zurück.
Frau Mindermann kommt mir entgegen und starrt mich feindselig an, mein Manga fest unter den Arm geklemmt. Ich ignoriere sie und gehe zu meinem Tisch. Dort lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen, stopfe die Zeitung in meinen Rucksack und schaue dann vorsichtig nach, was Frau Konradi darin versteckt hat.
Es ist Band 32 von Jomoto. Frau Konradi hat mir einfach ihr Exemplar gegeben! Uff, ich bin gerettet! Vorläufig jedenfalls.
Zu Hause riecht es ziemlich angebrannt. Kein Wunder. Heute ist Tabea für das Mittagessen zuständig und sie ist wirklich eine miserable Köchin. Montags haben wir beide gleichzeitig Schulschluss und da Mama an diesem Tag immer bis halb sechs im Büro ist und Papa nie vor sieben zu Hause, übernimmt Tabea die Verpflegung. Als Helena noch bei uns gewohnt hat, hat sie häufiger mal gekocht, aber jetzt studiert sie BWL in Bayreuth und hat ihr Küchenamt an Tabea vererbt. Leider. Eigentlich wäre es viel sinnvoller, ich würde mich um das Essen kümmern, aber das trauen mir Mama und Papa nicht zu. Sie finden, ich sei zu verträumt, und befürchten, ich würde beim Kochen die ganze Bude abfackeln. Ich wünschte, sie wären jetzt hier. Dann würden sie merken, dass die wahre Gefahr eigentlich von Tabea ausgeht, die mir in dieser Minute einen Pfannkuchen andrehen will, der auf der einen Seite weiß, auf der anderen Seite aber völlig schwarz verkohlt ist.
»Also echt, Sis, das kann ich nicht essen«, motze ich und verziehe angewidert das Gesicht.
»Stell dich nicht an. Mit genug Zucker drauf schmeckt der genau wie von Papa gemacht.«
»Haha! Das glaubst du ja wohl selbst nicht!«
»Komm schon!« Sie hält mir den Teller mit dem Pfannkuchen direkt unter die Nase. Ich gebe laute Würgegeräusche von mir, Tabea versetzt mir daraufhin einen Stoß in die Rippen.
»Aua! Was soll das?«, beschwere ich mich.
»Nur eine kleine Erinnerung daran, wer sich hier die Mühe gemacht hat, für dich zu kochen.«
»Pah, da esse ich ja lieber nichts! Oder bestelle mir eine Pizza.«
»Mach doch, was du willst, du Lauch.« Tabea kippt den angebrannten Pfannkuchen mit Schwung in den Mülleimer, pfeffert die Pfanne in die Spüle und stampft aus der Küche. Auch gut. Ich öffne den Kühlschrank, angle mir einen Erdbeerjoghurt aus dem obersten Fach und verziehe mich damit auf mein Zimmer. Richtig doll Hunger habe ich sowieso nicht, dafür bin ich viel zu gespannt, wie die Szene mit dem Angriff von Akujo und Fünfschwanz auf Jomoto und seine Freunde weitergeht. Vorher will ich aber noch herausfinden, warum Finn mir nichts davon erzählt hat, dass er bei Ekel Bosse eingeladen ist und ob er etwa wirklich auf die Party gehen will. Ich hoffe ja mal nicht!
»Hey Finn, hast du schon von Bosses Party gehört?«, nehme ich mit meinem Handy eine Sprachnachricht für ihn auf. »Bist du eingeladen? Gehst du hin? Sag mal, was Sache ist.« Ich schicke die Nachricht los und warte. Zwei graue Haken. Zwei blaue Haken. Bekommen und abgehört. Jetzt bin ich auf seine Reaktion gespannt. Die lässt allerdings auf sich warten. Ich verschwinde kurz ins Badezimmer, als ich zurückkomme und auf mein Handy schaue, sehe ich: immer noch nichts. Warum antwortet Finn mir denn nicht? Ist es ihm unangenehm, dass ich das mit der Party mitbekommen habe? Wollte er mir das lieber verheimlichen? Oh, Mann, was für ein Kacktag! Da gibt es wirklich nur noch eine Lösung: abtauchen in die Welt von Jomoto!
Ich fische das Manga aus meinem Schulranzen und lege mich damit aufs Bett. Nach dem ganzen Ärger heute bin ich zwar ziemlich platt, aber Jomoto wird bestimmt gleich für Entspannung sorgen. Herrlich. Endlich beginnt der mit Abstand schönste Teil des Tages. Schnell blättere ich zu der Szene, aus der mich heute Vormittag Frau Mindermann rausgerissen hat. Da ist sie schon – Jomoto, Raku und Usagi flüchten in den Wald und verstecken sich zwischen den besagten Bäumen, die mir heute so viel Ärger eingebracht haben. Tatsächlich scheint Fünfschwanz Jomoto nun nicht mehr sehen zu können – brüllend taumelt er zwischen den Bäumen hin und her und wird immer unsicherer, was wiederum Akujo fuchsteufelswild macht. Sie flucht laut und macht Fünfschwanz so richtig zur Schnecke, fast kann er einem leidtun. Aber nur fast, denn natürlich ist Fünfschwanz ein echter Endgegner, wenn er in Form ist, und er wird sich durch diesen fehlgeschlagenen Angriff mit Sicherheit nicht dauerhaft entmutigen lassen. Schließlich jagen er und die böse Hexe Akujo Jomoto schon seit 31 Bänden, da werden sie in Band 32 nicht damit aufhören.
Das wäre auch verdammt schade, denn die Geschichten von Jomoto sind vor allem deshalb so spannend, weil sie eigentlich eine einzige Verfolgungsjagd sind. Und dafür gibt es nur einen Grund: Jomoto ist der nächste Atama von Kinko. Kinko wiederum ist ein Dorf im Kaiserreich Sokoku, einer Mischung aus Japan und Fantasien. Jomoto besucht dort eine berühmte Ninja-Akademie. Sein Vater ist der »Atama«, das Oberhaupt und der Beschützer von Kinko. Und Kinko ist etwas ganz Besonderes. Kinko bedeutet »Goldgrube« und tatsächlich ist das Dorf der Eingang zu einem Goldbergwerk, dem wichtigsten und wertvollsten Schatz des Kaisers von Sokoku. Den muss der Atama beschützen – und zwar mit all seinen Kräften. Als einziger Sohn der Familie wird Yomoto später selbst Kaiserreich, Dorf und Familie vor den dunklen Mächten, insbesondere vor dem bösen Schattenkaiser Kagenoteio, schützen. Weil Jomoto in der Ninja-Akademie schon früh durch seine außergewöhnlichen Kräfte aufgefallen ist, wollen die dunklen Mächte natürlich unbedingt verhindern, dass er seine Ausbildung abschließen kann und noch mächtiger wird. Einmal hatte der Kagenoteio Jomoto schon in seiner Gewalt, Band 32 handelt von Jomotos Flucht zurück nach Kinko.
Auf dem Weg muss er zahlreiche Kämpfe bestehen und Hinterhalte überleben, aber zum Glück kämpft Jomoto dabei nicht allein. Begleitet wird er von Raku, einem tapferen Drachen, der sich in unterschiedliche Gestalten verwandeln kann. Und Usagi, einem Kaninchen, das auf den ersten Blick sehr süß aussieht, aber in Wirklichkeit ein krasser Kampfsportler ist und seine Gegner mit seiner Niedlichkeit nur täuscht.
Jetzt gerade sind das krasse Kampfkaninchen, der Gestaltwandlerdrache und Jomoto tatsächlich wieder erfolgreich vor Fünfschwanz und der Hexe geflüchtet und kommen am Rande des Waldes an einen See. Sie beschließen, hier ihr Nachtlager aufzuschlagen und noch ein paar Stunden Schlaf für sich rauszuholen. Als Schlummertrunk lässt Raku eine Flasche Habutonniku zwischen den Freunden kreisen – ein Kräutertrunk nach einer geheimen Rezeptur zur Entspannung. Es nähert sich ein sehr hübsches Mädchen, das ein Pferd mit sich führt. Sie hat offenbar Angst vor der Nacht und fragt die Freunde, ob sie sich zu ihnen setzen dürfe. In Wirklichkeit ist das Mädchen die Hexe Akujo, die Fünfschwanz in ein Pferd verwandelt hat, um sich an Jomoto anzuschleichen. Die hilfsbereiten Freunde willigen ein. Als echter Jomoto-Experte weiß ich natürlich, dass trotz der vermeintlichen Idylle am Waldsee gleich ein Kampf auf Leben und Tod folgen wird. Aber Jomoto und seine Kameraden sind offenbar zu erschöpft und müde, um genauso misstrauisch zu sein wie ich. Deswegen stellen sie auch keine Wache auf. Ein großer Fehler!
Denn kaum haben sich die Freunde hingelegt, nehmen Akujo und Fünfschwanz wieder ihre ursprüngliche Gestalt an. Sofort stürzen sie sich auf Jomoto – der wacht auf und versucht, sich zu verteidigen. Im Laufe des Kampfes drängt ihn Fünfschwanz immer mehr Richtung See.
Bald steht Jomoto im Wasser, nach ein paar Hieben der mächtigen Tentakeln von Fünfschwanz ist er so weit zurückgewichen, dass das Wasser ihm schon bis zu den Knien reicht. Von den Freunden ist keine Hilfe zu erwarten, die sind in einen tiefen Schlaf gefallen, den die Hexe Akujo mit ihrem Zauber noch ein bisschen verstärkt hat.
Aber was ist das? Hinter Jomoto schimmert unter der Wasseroberfläche etwas Dunkles. Vielleicht Algen? Oder ein Wrack? Als ich genauer hinsehe, erkenne ich, dass es der Eingang zu einer unter dem See verborgenen Grotte ist. Vielleicht der rettende Ausweg? »Jomoto!«, schreie ich laut. »In die Grotte! Die Grotte im See! Schnell!« Hektisch blättere ich weiter und erkenne erleichtert, dass Jomoto endlich den Zugang zur Grotte gesehen zu haben scheint. Auf dem nächsten Bild taucht er jedenfall mit einem Kopfsprung in den See. Aber was nun? Wird Fünfschwanz ihm folgen? Ist Jomoto verloren? Vor lauter Spannung bekomme ich gleichzeitig Ohrensausen und Herzrasen und meine Finger sind so feucht, dass die Seiten des Manga daran kleben bleiben und ich gar nicht so schnell umblättern kann, wie ich lesen möchte.
In diesem Moment rumpelt es laut in meinem Zimmer. Was ist denn das? Ich schrecke von meinem Bett hoch. Offenbar bin ich beim Lesen eingeschlafen und habe alles nur geträumt, denn das Manga-Buch liegt auf dem Boden neben meinem Bett, und als ich es aufhebe und weiterlesen will, finde ich die Kopfsprungszene gar nicht. Nur Bilder von Jomotos Kampf mit Fünfschwanz an dem See. Die Seiten danach sind seltsamerweise leer, Frau Konradi scheint einen Fehldruck erwischt zu haben. Wieder ein lautes Rumpeln. Ich drehe mich um und schaue in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Es rumpelt erneut, diesmal etwas leiser. Das Rumpeln, es kommt aus meinem Kleiderschrank. Gruselig! Was ist da los?