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Kira und ihre Familie machen einen Ausflug in einen großen Vergnügungspark – natürlich wird Kater Winston im Rucksack mit hinein geschmuggelt! Alle haben einen Heidenspaß, bis Winston verloren geht. Doch für einen Kater von Welt ist das natürlich kein großes Problem und schon hat sich Winston als Stuntkater den tierischen Akteuren einer Piratenshow angeschlossen! Ein bisschen Sorge hat er ja schon um seinen wertvollen Pelz, als er durch einen brennenden Reifen springen soll, aber Kneifen kommt absolut nicht in Frage. Und als seine Schauspielkollegen unschuldig des Diebstahls verdächtigt werden, ist Winston wieder voll in seinem Element und ermittelt auf eigene Faust. Die Kinderbücher rund um die Freundschaft zwischen Kater Winston und Kira wurden mit dem deutschen Katzen-Krimi-Preis 2013 ausgezeichnet. Die Winston-Reihe stammt aus der Feder von Bestsellerautorin Frauke Scheunemann, bekannt durch die Dackelblick-Bücher.
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Seitenzahl: 212
Von magischen Wörtern, genervten Erwachsenen und tollen Ideen.
Ferien. Ferien. FERIEN! Kira spricht dieses Wort so aus, als sei es geradezu magisch. Als könne sie es wie einen Zauberspruch benutzen. Ich beobachte sie ganz genau. Verwandelt sie sich irgendwie? Wächst ihr ein Fell? Oder ändert sich ihre Farbe? Nein. Nichts von alledem. Sie sieht immer noch genau wie das 13-jährige Mädchen aus, das meine beste Freundin ist.
»Ferien!«, sagt sie jetzt noch einmal, nein, sie ruft es laut und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Dann bückt sie sich zu mir herunter, nimmt mich auf den Arm und krault mich hinter meinen Katerohren.
»Ferien, Winston! Heute beginnen die Pfingstferien. Ist das nicht toll?«
Na ja. Nö. Oder: Wie man’s nimmt. Für mich ist es eigentlich egal. Ich kann schließlich jeden Tag ausschlafen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich die kurze Zeit, in der ich nach einem Blitzschlag in Kiras Körper steckte und selbst zur Schule gehen musste, in sehr unguter Erinnerung habe. Schließlich wurde ich armer Kater da als Erstes von der Superzicke Leonie und ihren ätzenden Freundinnen in die Mangel genommen und bin wegen einer doofen Mutprobe sogar auf dem Polizeirevier gelandet. Und die Lehrer waren auch nicht alle nett. Insofern hat Kira völlig recht: Schule, nein danke! Ferien, hurra!
»Ferien! Wie schrecklich!« Kiras Mutter Anna kommt ins Zimmer und setzt sich zu uns auf Kiras Bett. »Ständig diese Ferien! Sommerferien, Herbstferien, Weihnachtsferien, Märzferien und jetzt auch noch Pfingstferien! Die Schule hat mehr zu als auf. Wie wollt ihr Kinder da etwas lernen? Und wie soll ich dich wieder beschäftigen, Kira? Ich muss schließlich arbeiten. Jedes Mal das gleiche Problem!«, schimpft sie vor sich hin.
Maunz – ich stelle fest: Ob Ferien eine gute Sache sind, hängt sehr davon ab, wen man fragt. Und Anna befragt man dazu besser nicht.
Kira kichert.
»Mama, ich bin doch kein Baby mehr. Du brauchst mich nicht zu beschäftigen. Ich beschäftige mich selbst.«
»Ach ja? Womit denn? Vermutlich nur mit Unsinn. Nein, kommt gar nicht infrage. Ich habe mir schon etwas überlegt und dich für einen Englisch-Intensivkurs angemeldet. Der ist zwar teuer, aber da lernst du wenigstens etwas«, verkündet Anna mit energischer Stimme.
»Wie bitte?!« Kira schnappt nach Luft. »Ein Englisch-Intensivkurs? Aber wieso denn? Ich will endlich mal chillen und nicht schon wieder lernen!«
Jetzt ist es Anna, die kichert.
»Glaube ich dir gern. Aber leider schreibst du in der Woche nach den Ferien eine Englisch-Arbeit, und wenn ich mich nicht täusche, war deine letzte Arbeit nicht gerade ein Glanzstück.«
»Stimmt gar nicht! Da hatte ich eine 3! Das ist gar nicht so schlecht!«
»Aber auch nicht so gut. Es bleibt dabei – du gehst zu dem Kurs. Der geht von 9 bis 14Uhr, danach kannst du immer noch chillen.«
Beim letzten Wort steht Anna wieder vom Bett auf und geht aus dem Zimmer. Kira bleibt mit offenem Mund neben mir liegen. Schließlich schüttelt sie den Kopf und schimpft los wie ein Rohrspatz.
»Hast du das gehört, Winston? Das ist ja monsterschlimm! Jeden Tag fünf Stunden Englisch lernen? Höchststrafe! Ich wollte etwas mit Pauli und Tom machen. Bei schönem Wetter mal an die Elbe fahren und da grillen. Vielleicht sogar im Zelt übernachten. Das kann ich dann wohl knicken … Mama ist einfach so unfair!« Sie schlägt mit der Hand auf ihr Kissen ein, ich rutsche vorsichtshalber ein Stückchen zur Seite.
Arme Kira! Eben noch so gut gelaunt und jetzt das! Es ist wirklich nicht leicht, ein Kind zu sein. Jedenfalls, wenn man eine Mutter wie Anna hat, die zwar sehr nett ist, die Schule aber sehr ernst nimmt. Das hat Anna bestimmt von ihrer eigenen Mutter geerbt, Kiras Oma Babuschka. Bei allem, was mit Lernen, Noten und Hausaufgaben zu tun hat, kennt Babuschka nämlich überhaupt keinen Spaß. Babuschka kommt eigentlich aus Russland, lebt aber seit einiger Zeit bei uns. Und seitdem das so ist, haben wir alle ziemlich zugenommen, weil sie so gut kochen kann. Außerdem sind immer alle Hausaufgaben von Kira gemacht und alle Vokabeln geübt. Weil Babuschka das nämlich äußerst streng kontrolliert.
»Seitdem deine Mutter bei uns wohnt, ist hier Zug in der Bude«, hat Werner mal zu Anna gesagt. Erst habe ich mich darüber gewundert, weil doch gar kein Zug bei uns in der Wohnung herumfährt. Züge gibt es meines Wissens nur am Bahnhof, und weil ein Zug nur auf Gleisen fahren kann, ist die Gefahr, dass so einer aus Versehen in unser Wohnzimmer gerät, äußerst gering. Aber dann habe ich kapiert, dass Werner damit meinte, dass Babuschka uns alle auf Trab hält, auf »Zug« eben. Und damit hat er eindeutig recht.
Wer eigentlich Werner ist? Werner ist Professor Werner Hagedorn, mein menschlicher Dosenöffner, mit dem ich schon seit vielen Jahren unglaublich harmonisch zusammenlebe. Er unterrichtet an der Universität Hamburg Physik und wohnt mit mir, Anna, Kira und Babuschka in der Hochallee 106a im vornehmen Stadtteil Harvestehude. Anna ist seine Haushälterin. Aber nicht nur das: Mittlerweile sind Anna und Werner auch ein Paar. Also, ein Liebespaar, meine ich.
Apropos Liebespaar: Kira hat mittlerweile aufgehört, ihr Kissen zu verhauen, und so kann ich mich ganz ungefährdet an sie kuscheln, um sie ein bisschen zu trösten. Ich schnurre, was das Zeug hält, und schlecke einmal mit meiner rauen Zunge an ihrer Wange entlang. Damit entlocke ich ihr tatsächlich ein kleines Lächeln, und sie greift einmal um mich herum und beginnt, mich am Bauch zu kraulen. Schnurrrrrr! So ist es doch viel besser!
»Englisch-Intensivkurs, so ein Quatsch«, flüstert sie dann in mein Ohr. »Irgendwie muss ich um die Nummer herumkommen. Wenn ich nur eine Idee hätte!«
Dann dreht sie sich auf den Rücken und blickt zur Decke.
»Bitte, lieber Gott! Mach, dass noch irgendetwas passiert und ich nicht zum Englisch-Kurs muss. Ich verspreche auch, dass ich in Zukunft immer mein Zimmer aufräume und mich um das Katzenklo von Winston kümmere. Und ihm häufiger mal ein Leckerli in den Fressnapf lege.«
Maunz! Das klingt aber gut! Vorsichtshalber schließe ich mich diesem Gebet gleich mal an. Also, lieber Katzengott – verhindere irgendwie diesen blöden Englisch-Kurs, damit ich an mein Leckerchen komme! Ich verspreche auch, dass ich in Zukunft … ich überlege kurz, was ich versprechen könnte … okay, ich verspreche, dass ich in Zukunft versuchen werde, ab und zu mal eine Maus zu fangen. Auch wenn ich das eigentlich gar nicht mag.
Aber vermutlich werden unsere Gebete sowieso nicht erhört, denn wenn sich Anna etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie davon leider kaum abzubringen …
»Winston, mein Lieber!« Werner lässt sich neben mich auf das Sofa plumpsen. Hier mache ich vor dem Abendessen mein Nickerchen, oder besser gesagt: wollte ich vor dem Abendessen mein Nickerchen machen, denn nun hat mich Professor Hagedorn leider sehr unsanft geweckt. Was soll das? Ich kann mich doch gleich unmöglich auf mein Fressen konzentrieren, wenn ich gar nicht ausgeschlafen bin! Vorwurfsvoll gucke ich Werner an, aber der beachtet meinen Blick gar nicht. Stattdessen kramt er in seiner Hosentasche und hält mir schließlich ein kleines Kästchen unter die Nase.
»Weißt du, was da drin ist?«
Natürlich nicht. Ich kann schließlich nicht hellsehen. Eine so blöde Frage können auch nur Menschen stellen. Ich maunze kurz. Werner lacht leise in sich hinein und streicht mir über den Kopf.
»Tja, mein Lieber, jetzt bist du neugierig, was?«
Quatsch. Bin ich überhaupt nicht. Ich kann zwar nicht hellsehen, aber hellriechen. Will sagen: Wenn da ein Stück Geflügelleberpastete oder Ölsardine in dem Kästchen wäre, ich hätte es längst erschnuppert. Aber so interessiert mich der geheimnisvolle Inhalt rein gar nicht!
Werner dreht das Kästchen zwischen seinen Fingern.
»Abwarten, mein Lieber, abwarten«, murmelt er dann. »Du wirst es schon noch früh genug erfahren. Auf alle Fälle ist es etwas, was unser Leben völlig verändern wird. Glaube ich jedenfalls. Jetzt werde ich erst mal den perfekten Rahmen dafür schaffen, glaube mir!«
Heilige Ölsardine! Was redet der für ein verschwurbeltes Zeug! Ein perfekter Rahmen? Was meint er damit? Einen Bilderrahmen? Wofür? Ich verstehe kein Wort!
»Essen!«, ruft Babuschka aus der Küche und beendet damit sofort jeden weiteren Gedanken meinerseits an Bilder- oder sonstige Rahmen. Denn wenn Babuschka etwas für die Zweibeiner gekocht hat, landet meist auch etwas davon in meinem Napf. Erst hat Werner über diese Angewohnheit von ihr geschimpft, aber mittlerweile hat er sich damit abgefunden. Also nichts wie in die Küche!
Während ich dort gierig ein sehr leckeres Putengeschnetzeltes in mich hineinschlinge, höre ich, dass Werner am Esstisch mit einem Löffel oder einer Gabel an sein Glas klopft. Es gibt einen hellen, klingelnden Ton – fast, als würde er ein Glöckchen läuten. Nanu? Was soll das denn? So etwas kenne ich sonst nur von Familienfeiern. Wenn Werner dort an sein Glas schlägt, bedeutet es, dass er eine Rede halten will. Bei einem stinknormalen Abendessen hingegen hat er das noch nie gemacht. Ich lasse Putengeschnetzeltes Putengeschnetzeltes sein und schleiche neugierig hinüber ins Esszimmer.
Auch Anna, Babuschka und Kira schauen Werner erstaunt an. Der räuspert sich.
»Also, ich will gar keine lange Rede halten. Aber ich habe mir für die Pfingstferien eine kleine Überraschung für euch alle ausgedacht. Gewissermaßen etwas für die ganze Familie.« Werner lacht und klingt dabei fast ein bisschen nervös. Babuschka hebt die Augenbrauen.
»Uberraschung? Fur Familie?«
»Ja, Sie hören ganz recht, liebe Frau Kovalenko. Eine Überraschung für die ganze Familie. Ich habe lange nachgedacht, was uns allen gefallen könnte, und habe mir Folgendes überlegt«, er macht eine kleine Pause und zieht etwas aus seiner Hosentasche. Das Kästchen? Ich starre genau hin. Nein, es sieht wie ein Briefumschlag aus.
»Das hier«, er öffnet den Briefumschlag und nimmt ein Blatt Papier heraus, »habe ich für uns alle gebucht.« Er legt das Blatt auf den Tisch. Kira greift danach, liest es sich durch und stößt einen Freudenschrei aus.
»Hurra! Drei Tage Urlaub im Luna-Park! Mit der ganzen Familie! Und meinen Freunden! Inklusive Übernachtung im Luna-Hotel direkt im Park! Super! Vielen, vielen Dank, lieber Werner! Schätze mal, der Englisch-Kurs hat sich damit erledigt!« Sie kichert, Anna guckt böse.
Luna-Park? Nie gehört. Aber bei der Begeisterung muss das ja ganz was Feines sein. Gewissermaßen ein Kratzbaumparadies. Ich überlege kurz, was bei Menschen vergnügungstechnisch einem Kratzbaum wohl am nächsten kommt. Vielleicht der Fernseher? Immerhin verbringen Menschen sehr gern Zeit mit ihrem Fernseher. Ob der Luna-Park also ein Park mit vielen Fernsehern ist? Und Sofas?
Babuschka scheint die gleiche Frage umzutreiben.
»Luna-Park? Was ist?«
Anna seufzt und holt zu einer Erklärung aus. »Der Luna-Park ist ein großer Vergnügungspark in der Nähe von Hamburg. Vielleicht eine Stunde mit dem Auto. Da gibt es Achterbahnen, eine Wildwasserbahn und ganz viele andere Fahrgeschäfte. Und Shows. Und es ist sehr, sehr teuer!«
Wildwasserbahn? Heilige Ölsardine. Das klingt schlimm! Richtig schlimm! Ich hasse Wasser! Und wildes Wasser macht die Sache definitiv nicht besser. Ich hoffe doch schwer, Urlaub mit der ganzen Familie schließt die Vierbeiner nicht mit ein. Normalerweise darf ich die Urlaube von Werner bei seiner Mutter, Frau Hagedorn, verbringen. Und wenn ich mir Annas Gesichtsausdruck so anschaue, ist sie auch nicht gerade scharf auf Unternehmen Luna-Park. Vielleicht kommt sie einfach mit zu Frau Hagedorn?
Babuschka hingegen reibt sich die Hände.
»Vergnugungspark! Sähr schön! Werden wir haben viel Spaß! Gibt sich auch Park mit Achterbahn in Omsk, ist sähr schön da!«
»Und es dürfen wirklich alle mitkommen?«, fragt Kira Werner. Der nickt.
»Also, wir alle? Mama, Babuschka, ich und du? UND Pauli und Tom?«
Wieder ein Nicken.
Kira jubelt. »Werner, du bist einfach der Beste!«
Da hat sie natürlich vollkommen recht! Jetzt zögert sie allerdings kurz.
»Aber was ist denn mit Winston? Der will doch bestimmt auch mitkommen!«
Ich? I wo! Auf gar keinen Fall! Frau Hagedorn ist das beste Katzenhotel der Welt. Macht euch um mich also gar keine Sorgen, ich komm schon klar.
Werner schüttelt den Kopf.
»Nein, Kira, Winston muss hierbleiben. Im Luna-Hotel sind keine Tiere erlaubt. Aber ich habe ihn für die Zeit in einer Katzenpension eingebucht. Meine Mutter ist leider selbst unterwegs, aber in so einer Pension mit lauter anderen Katzen wird es Winston bestimmt sehr gut gefallen.«
Heilige Ölsardine! Habe ich das gerade richtig gehört? Katzenpension? Lauter andere Katzen? Lauter FREMDE andere Katzen? Mit denen ich mir womöglich Sofa und Napf teilen muss? Ich glaube, meine Quietschmaus pfeift! Das ist ja wohl nicht dein Ernst, Werner! Bei meinem Kratzbaum: Auf gar keinen Fall werde ich Urlaub in der Katzenpension machen!
Hofdamen und Herzensdamen.
Ich muss mich einfach verstecken. Weglaufen. Untertauchen. Und erst wieder rauskommen, wenn meine Familie aus dem Luna-Park zurückkehrt. Was sind schon drei, vier Tage an der frischen Luft? Meine Katzenfreunde Odette, Karamell und Spike leben schließlich jeden Tag so – draußen, im Hinterhof unseres Hauses. Das kann nicht so schwer sein! Vielleicht könnte ich mich ihrer munteren Hofkatzen-WG anschließen? Die Idee ist gut, ich werde sie den dreien gleich vorschlagen!
Bevor mich Werner am nächsten Morgen also in meine Katzentransportbox stecken kann, schlüpfe ich rasch durch die Katzenklappen in Wohnungs- und Haustür und stehe wenige Augenblicke später vor dem Mülltonnenunterstand im Hinterhof. Hier ist gewissermaßen die Hofkatzenzentrale, der Treffpunkt, um den sich bei Odette, Karamell und Spike alles dreht. Kein Wunder: Das Dach des Unterstandes ist so ziemlich der einzige Fleck im Hof, auf den die Sonne fällt. Weil er außerdem recht windgeschützt ist, ist es hier meist kuschelig warm, und man kann hervorragend alle Tatzen von sich strecken und sich einfach mal erholen. Wovon auch immer, denn was Odette und Co. den ganzen Tag so treiben, ist mir trotz unserer Freundschaft immer noch nicht ganz klar. Okay, manchmal fangen sie mit mir Verbrecher, aber ansonsten?
Im Moment jedenfalls sind sie nicht da. Ich hüpfe auf das Dach und beschließe, auf die drei zu warten und mich dabei ein wenig zu sonnen. Die Sonnenstrahlen fallen direkt auf meine Nase und das kribbelt. Herrlich! So kann ich es mit Sicherheit die nächsten Tage aushalten.
Ich merke, wie ich müde werde. Kein Wunder, der Tag war doch bislang aufregend genug: Die Nachricht über den Ausflug und meinen geplanten Aufenthalt in der Katzenpension, und dann noch … ähem … maunz … ja, gut, mehr ist heute noch nicht passiert. Aber trotzdem bin ich müde. Zeit für ein Nickerchen!
Ein sanfter Nasenstupser weckt mich wieder. Ich schlage die Augen auf und blicke direkt in die wunderschönen schwarzen Augen von Odette. Sie schnurrt mich an.
»Hallo, Winston, was verschafft uns die Ehre?«
Odette ist mit sehr weitem Abstand die tollste Katzendame der Welt und ich habe das unglaubliche Glück, mit ihr befreundet zu sein. Obwohl sie fast den ganzen Tag auf der Straße beziehungsweise im Hof verbringt, hat sie seidenweiches weißes Fell und ist überhaupt wunderschön. Anfangs hat sie mich nicht für voll genommen. Aber mittlerweile hat sie eingesehen, dass ich kein lahmer Stubentiger bin, sondern dass ein echter Löwe in mir steckt.
»Hallo, Odette, schön, dich zu sehen! Du wirst es nicht glauben, aber ich überlege tatsächlich, ob ich nicht mal für ein paar Tage zu euch in den Hof ziehe.«
Odette sagt dazu nichts, sondern starrt mich aus ihren großen Augen an. Hinter ihr ertönt jetzt allerdings lautstarkes Fauchen – oder ist das eher heiseres Gelächter? Spike kommt angeschlichen und schüttelt sich beim Fauchen. Der dicke getigerte Kater scheint sich köstlich zu amüsieren. Fragt sich nur, worüber.
»Grüß dich, Kumpel! Was hast du vor? Ein paar Tage hier mit uns zu wohnen? Guter Witz!«
Ich rapple mich auf und werfe Spike einen bösen Blick zu.
»Ach ja? Was, bitte, ist denn daran witzig?«
Spike rekelt sich, dann hockt er sich neben mich und gähnt herzhaft.
»Ist doch wohl klar: Seine Hochwohlgeboren Winston Churchill auf einem Mülltonnenunterstand – bei Tag und bei Nacht? Das ist nicht nur witzig, das ist saukomisch!«
Frechheit! Ich wende mich Odette zu. Die könnte mich doch mal verteidigen! Aber sie legt nur den Kopf schief und sagt nichts zu diesen ungeheuerlichen Beleidigungen. Stattdessen taucht jetzt auch noch Karamell auf, um seinen Senf dazuzugeben.
»Spike hat recht – der edelste Kater weit und breit will auf einmal einen auf wild und gefährlich machen. Das ist eine Lachnummer!«
»Hey, nun seid nicht so gemein zu Winston!«, verteidigt mich Odette schließlich doch. Klingt allerdings etwas lahm und nicht wirklich entschieden. Ich merke, wie mir das einen ziemlichen Stich versetzt.
Wortlos wende ich mich zum Gehen. Wenn die mich hier alle veralbern wollen, muss ich wenigstens nicht noch danebenstehen. Ich springe vom Unterstand und laufe Richtung Hofausgang.
»Hey!«, ruft mir Odette hinterher. »Wo willst du denn jetzt auf einmal hin?« Ich ignoriere sie und laufe weiter. Kurz darauf sprintet sie mir hinterher.
»Winston, nun sei doch nicht sauer! Das war doch nicht böse gemeint! Aber du musst doch zugeben, dass deine Idee erst mal etwas ungewöhnlich klingt. Bisher wolltest du jedenfalls noch nie längere Zeit mit uns im Hof verbringen, sondern hast dich nach all unseren Abenteuern gleich wieder in eure Wohnung verdrückt.«
Ich bleibe stehen.
»Was heißt denn hier verdrückt? Ich wohne dort!«
»Na ja, meinetwegen. Dann bist du eben in deine Wohnung zurückgekehrt. Ändert aber nichts daran, dass es bisher den Eindruck machte, als sei dir das Leben in eurer Wohnung deutlich lieber. So ohne Mäusefangen und mit gemütlichem Sofa.«
Maunz. Ertappt! Natürlich wäre ich ohne den drohenden Aufenthalt in der Katzenpension nicht auf die Idee mit dem Hofurlaub gekommen. Aber das werde ich Odette jetzt ganz sicher nicht auf die Nase binden. Stattdessen atme ich tief durch und antworte theatralisch: »Da sieht man mal, wie schlecht du mich kennst, Odette! Ich hätte liebend gern schon mal ein paar Tage bei euch verbracht, aber du hast mich nie gefragt. Und aufdrängen – das hat ein Winston Churchill nicht nötig!«
Bei den letzten Worten versuche ich, meiner Stimme ein dramatisches Zittern zu verleihen und besonders vorwurfsvoll zu klingen. Angriff ist schließlich die beste Verteidigung.
Odette kneift die Augen zusammen und mustert mich. Nanu, was kommt denn jetzt?
»Manchmal bist du echt ein Spinner, Winston.«
Spricht’s, läuft wieder zu Karamell und Spike zurück – und lässt mich wie einen begossenen Pudel stehen. Heilige Ölsardine! Das ging ja gewaltig daneben!
Bedröppelt schleiche ich in die Wohnung zurück. Dort kommt mir Werner pfeifend entgegen, stoppt und kniet sich neben mich. Ich schaue nicht einmal zu ihm hoch. Bringt mich ruhig in die Katzenpension, ist mir doch egal. Es interessiert sich sowieso niemand für mich. Noch nicht mal meine vermeintlichen Katzenfreunde aus dem Hinterhof.
»Winston, Kumpel, alles gut bei dir? Du siehst irgendwie … matt aus«, stellt Werner messerscharf fest. Jetzt hebe ich doch den Kopf und maunze kläglich.
»Oje, das klingt ja grauenerregend! Lass mich raten – Ärger mit einer gewissen Hofkatze? Einer weißen Katzendame? Also gewissermaßen deiner Hof- und Herzensdame?«
Klar. Meinem allerbesten Dosenöffner ist natürlich mittlerweile auch nicht verborgen geblieben, dass ich mein Herz an Odette verloren habe. Ich hatte sie sogar schon ein paar Mal zu Besuch in unserer Wohnung. Aber leider scheine ich für Odette trotz all unserer Abenteuer immer noch ein verweichlichter Wohnungskater zu sein. Ich lasse den Kopf wieder sinken, Werner nimmt mich auf den Arm und krault mich im Nacken.
»Ach, Liebeskummer ist wirklich schlimm, mein armer Freund! Aber glaube mir, irgendwann wird es schon mit der Dame klappen. Und wenn nicht mit der, dann mit einer anderen!«
Maunzmiau! Das will ich gar nicht hören! Ich will der Held für Odette sein – und nicht für irgendeine andere Katze!
Werner krault mich unbeirrt weiter.
»Sieh mal, ich habe auch sehr lange gebraucht, um die passende Herzensdame für mich zu finden. Und ich kann dich beruhigen: Ich bin nun wirklich schon ein alter Zausel und trotzdem habe ich mich noch einmal richtig doll verliebt! Anna ist wirklich meine Traumfrau!«
Er strahlt mich an, aber ich kann seine Freude leider nicht teilen. Schließlich bin ich noch kein alter Zausel, sondern ein Kater in den besten Jahren, und ich hoffe doch schwer, dass Odette ein bisschen schneller erkennt, dass ich der Richtige für sie bin! Unzufrieden maunze ich vor mich hin und Werner setzt mich wieder ab.
»Das wird schon werden, mein Freund. Jetzt verbringst du erst mal ein paar Tage in der Katzenpension und das ist vielleicht auch nicht schlecht. Du weißt schon: Willste gelten, mach dir selten!«
Heilige Ölsardine! Was will er mir denn damit sagen? Menschen und ihre Sprichwörter, da steige ich als Kater auch nach meinen langen Jahren als Haustier einfach nicht durch! Gelten? Selten? Katzenpension? Ich schlage mit dem Schwanz hin und her und versuche, Werner klarzumachen, dass ich ihn nicht verstehe. Er streichelt mir über den Kopf.
»Guck mal, Winston – wenn du mal ein paar Tage nicht da bist, wird Odette dich sicher vermissen. Es wird ihr auffallen, dass du ihr fehlst, und wenn du dann zurückkommst, wird sie überglücklich sein, dich zu sehen. Ganz sicher!«
Ich lege den Kopf schief und betrachte Werner. Klingt gar nicht mal so unlogisch, was er da sagt. Nur: In eine Katzenpension will ich auf gar keinen Fall. Irgendwie muss ich die nächsten drei Tage anders rumbringen. Vielleicht gelingt es mir, mit in diesen Freizeitpark zu kommen! Und wenn wir dann zurück sind, ist Odette aufgefallen, wie sehr sie mich vermisst hat. Ein guter Plan!
»So, und jetzt verrate ich dir noch ein Geheimnis«, beginnt Werner, in verschwörerischem Tonfall zu flüstern. »Aber du darfst es niemandem verraten!«
Haha! Sehr witzig, Werner! Schon vergessen? Ich bin ein Kater. Wie sollte ich Geheimnisse von dir verraten?
Werner zieht wieder das kleine schwarze Kästchen aus seiner Hosentasche und hält es mir diesmal direkt unter die Nase.
»Rate mal, was das ist!«, fordert er mich auf. Erneut schaue ich das Kästchen an. Eines ist schon mal klar – es ist immer noch nichts Leckeres darin verborgen, denn das würde ich erschnuppern.
»Okay, ich helfe dir ein bisschen auf die Sprünge«, gibt sich Werner großzügig. »Es hat etwas mit unserem Thema zu tun: Liebe.«
Heilige Ölsardine, Werner hat wohl einen Sonnenstich! Was soll denn ein kleines schwarzes Kästchen mit Liebe zu tun haben? Jetzt bin ich tatsächlich ein bisschen neugierig geworden und schnuppere noch einmal daran. In diesem Moment öffnet Werner es mit einem leisen Klack! und gibt den Blick auf seinen Inhalt frei. Es ist – ein Ring mit einem funkelnden Stein!
Ratlos drehe ich mich zu Werner um. Was hat denn ein Ring mit Liebe zu tun? Werner klappt das Kästchen wieder zu und lächelt mich an.
»Da staunst du, was? Mit diesem Ring, mein Freund, werde ich um Annas Hand anhalten.«
Was will Werner machen? Ich verstehe kein Wort.
»Wenn wir erst alle im Park sind, werde ich einen besonders romantischen Moment abwarten. Vielleicht fahre ich mit Anna Riesenrad. Und wenn wir dann ganz oben sind, dann ziehe ich das Schmucketui aus der Tasche, falle vor ihr auf die Knie und frage sie, ob sie meine Frau werden will. Und dann sind wir endlich eine richtige Familie. Anna, Kira, Babuschka, du und ich. Was sagst du dazu?«
Ach, das hat er vor! Er will Anna mit einem Ring markieren. Damit jeder gleich sieht, dass sie zu ihm gehört. Was ich dazu sage? Ganz einfach:
MIAU!!!! Gute Idee! Und: Jetzt muss ich natürlich erst recht mit in den Luna-Park! Wenn wir eine Familie werden, darf der Familienkater auf keinen Fall fehlen …
Ein blinder Passagier, seltsame Putzmänner und ein wahrer Höllenritt.
Viele unterschiedliche Menschen. Sehr viele. Ein Stimmengewirr wie an einem Montagmorgen in der Pausenhalle der Schule. Kinder, Jugendliche und auch ein paar Erwachsene, aber davon wahrscheinlich deutlich weniger. Ganz sicher bin ich mir da allerdings nicht. Wie auch? Bei meinen Vermutungen bin ich ausschließlich auf meine Nase und meine Ohren angewiesen, denn ich stecke in einem Rucksack und werde von Tom durch die Gegend geschleppt.
Wie das passieren konnte? Ganz einfach: Ich habe vor meiner geplanten Abreise in die Katzenpension noch mal ein ernstes Wörtchen mit Kira geredet. Also, natürlich nicht wirklich gesprochen – aber seit unserem Körpertausch verstehen Kira und ich uns meist auch so. Ich musste nur ein paarmal fauchend um die Transportbox im Flur herumschleichen, da wusste Kira, was sie zu tun hatte: Nämlich Werner und Anna zu erzählen, dass sie und ihre Freunde mich schon mal zu Fuß in die Katzenpension bringen würden, die sei schließlich gleich um die Ecke und der arme Winston hasse doch die Transportbox so sehr. Als Nächstes, bei der Katzenpension anzurufen und mitzuteilen, der arme Kater sei leider krank und könne nicht gebracht werden. Und dann mich mitsamt dem Katzenfutter in Toms großem schwarzem Rucksack zu verstecken.
Die erste Hürde haben wir damit spielend genommen: Als Werner mit dem eigens für den Urlaub geliehenen VW-Bus vorfuhr, nahmen in ihm nicht nur Anna, Babuschka, Kira, Pauli und Tom Platz, sondern auch meine Wenigkeit, gut getarnt als Gepäckstück. Ich, Winston Churchill, reise also im wahrsten Sinne des Wortes als blinder Passagier, denn richtig viel sehen kann ich in diesem Rucksack tatsächlich nicht. Allerdings scheint sich in der Plastikbox, auf der ich sitze, ein Salamibrötchen zu befinden. Es riecht jedenfalls verführerisch, und ich bin kurzzeitig versucht, mit meinen Krallen den Verschluss zu öffnen und es mir einzuverleiben. Mache ich natürlich nicht – Tom das Frühstück wegzufressen, hat doch etwas Unehrenhaftes.