Joachim Ringelnatz - Gesammelte Werke - Joachim Ringelnatz - E-Book

Joachim Ringelnatz - Gesammelte Werke E-Book

Joachim Ringelnatz

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Beschreibung

*** Mit alphabetischem Index und 30 Illustrationen aus der Hand des Autors *** 580 Werke auf 2717 Seiten Seine skurrilen, spielerisch verschwurbelten Verse, die nicht selten vor Zynismus triefen, und doch eine sensible Seele offenbaren, machten Ringelnatz zu einem der schöpferischsten Multitalente Deutschlands zwischen den Weltkriegen. Zeitlebens meist pleite, konnte er sich nur schlecht mit einer Bürgerlichkeit arrangieren. Ringelnatz blieb nur wenig Zeit, seinen aufkeimenden Ruhm zu genießen, die Nazis erteilten Veröffentlichungs- und Auftrittsverbot. Armut, Alkoholismus und die Tuberkulose trieben ihn ins Grab. Heute bleibt uns ein großes Werk aus Gedichten, Abzählreimen, Geschichten, Tagebüchern, Dramen und skurrilen Figuren, wie der Seemann Kuttel Daddeldu. Wenn man Ringelnatz ständige Existenznöte betrachtet, überrascht dieser Fleiß umso mehr. Sein Verdienst war das Spiel mit dem Wortwitz. Seine Gedichte zählen heute zu den populärsten Texten deutscher Literatur. Seine wichtigsten Werke sind hier veröffentlicht: Die Schnupftabaksdose, Turngedichte, Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid, …liner Roma…, Kinder-Verwirr-Buch und mehr als 500 weitere 1. Auflage (Überarbeitete Fassung) Umfang: 2717 Buchseiten bzw. 1849 Normseiten Null Papier Verlag

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Joachim Ringelnatz

Gesammelte Werke

 

Joachim Ringelnatz

Gesammelte Werke

 

 

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-649-5

Umfang: 1849 Normseiten bzw. 2717 Buchseiten

www.null-papier.de/ringelnatz

 

Informationen über Gratisangebote und Neuveröffentlichungen unter:

www.null-papier.de/newsletter

Joachim Ringelnatz

Joachim Ringelnatz wird 1883 als jüngstes von drei Geschwistern in Wurzen bei Leipzig geboren. Seine Eltern sind beide künstlerisch tätig. Die Schulzeit ist schwer für Ringelnatz: Er sieht in seinen Lehrern »respektfordernde Dunkelmenschen« und wird von Mitschülern für sein Aussehen gehänselt. Er flüchtet sich in Trotz, Ungehorsam und erste Versuche als Autor.

Als er sich in einem jugendlichen Überschwang den Arm tätowieren lässt, fliegt er vom Gymnasium. Die Privatschule, auf der er danach landet, verlässt er mit der Anmerkung im Zeugnis, der Absolvent sei »ein Schulrüpel ersten Ranges«.

Ringelnatz will Seemann werden, aber auch auf See wird er Beleidigungen und Spott ausgesetzt. Seine Erfahrungen sind ernüchternd. Zurück in Hamburg schlägt er sich mit mehr als dreißig verschiedenen Gelegenheitsjobs durch. So wechseln in den nächsten Jahren Armut, Betteln und gelegentliche Heuern auf Schiffen einander ab. In dieser zeit wird Ringelnatz schwer alkoholabhängig.

Der Jungautor passt nicht in ein geregeltes Leben, kurze Phasen der Bürgerlichkeit wechseln sich ab mit Ausschweifungen, Vagabundentum und Konflikten mit der Obrigkeit – seinem Vater eingeschlossen.

Ein entscheidendes Ereignis im Leben Joachim Ringelnatz’ ist 1909 der Beginn seiner Auftritte in der Münchner Künstlerkneipe Simplicissimus. Rasch wird er dort zum festen Mitglied des Ensembles um Carl Georg von Maassen, Erich Mühsam und Frank Wedekind. Aber selbst dort fühlt er sich wenig anerkannt und am Rande stehend, verdient er doch für seine Auftritte wenig mehr als ein, zwei Bier.

Wieder aus Geldnot eröffnet Ringelnatz in München einen Tabakladen, scheitert aber auch dort - natürlich grandios. Parallel veröffentlicht er weiterhin unter verschiedenen Pseudonymen Geschichten, Gedichte und einen ersten Roman (»Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt«; in dieser Sammlung unter dem Titel »Mein Schiffsjungentagebuch« veröffentlicht).

Weiter mittel- und ziellos, ein Vagabund, von Gelegenheitsjobs zu Gelegenheitsjobs tingelnd, u. a. als Privatlehrer, Wahrsagerin (sic!) und Bibliothekar, meldet sich Ringelnatz zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig zur Marine. Anfänglich von der bei vielen intellektuellen Deutschen bekannten Kriegsromantik getrieben, weicht seine Begeisterung schnell einer Ernüchterung, als er erkennt, dass selbst der Kommiss nichts für ihn übrig hat und ihm jede Möglichkeit der Beförderung oder gar Behauptung im Kriege vorenthält. Er beendet den Krieg als wenig beschäftigter Kommandant eines Minensuchbootes.

Es folgt ein entbehrungsreiches erstes Nachkriegsjahr voller Kälte und Hunger, zudem erblindet er durch die Spätfolgen einer Schlägerei auf einem Auge. Im Dezember 1919 verfasst er die ersten Gedichte unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz. Die wahre Bedeutung des Namens ist weiterhin umstritten.

1920 heiratet Ringelnatz die fünfzehn Jahre jüngere Lehrerin Leonharda Pieper, beide ziehen als Schwarzmieter in eine Münchner Wohnung; das Gedicht »Angstgebet in Wohnungsnot« zeugt von diesen Erfahrungen. Ab da arbeitet er bereits als reisender Vortragskünstler. Ringelnatz, der stets im Matrosenanzug auftritt, wird schnell bekannt. 1927 schafft er es sogar in den Rundfunk. Im selben Jahr erscheinen auch seine beiden erfolgreichsten Gedichtsammlungen: »Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid« und »Turngedichte«.

Trotz dieser ersten, noch kleinen Erfolge leidet das zeitlebens kinderlose Paar weiter Not, Ringelnatz muss weiterhin auf Reisen gehen, trotz seiner angeschlagenen Gesundheit und aufkeimender Unlust. 1932 geht er als Schauspieler in seinem eigenen Stück »Die Flasche« mit einem Ensemble des Stadttheaters Nordhausen auf Gastspielreise durch Deutschland.

1933 erteilen die Nazis Ringelnatz Auftrittsverbot. Die meisten seiner Bücher werden beschlagnahmt oder verbrannt. Seine Malerei gehört jetzt zur entarteten Kunst. Ringelnatz und seine Frau verarmen noch mehr, weil die Bühnenauftritte die Haupteinnahmequelle gewesen sind. Erste Symptome der Tuberkulose treten auf. Nach einem längeren Aufenthalt im Sanatorium, der von Freunden finanziert wird, und aus dem er sich später selbst entlässt, stirbt Ringelnatz am 17. November in seiner Berliner Wohnung.

Lyrik

Turngedichte

(Text der erweiterten Auflage von 1923)

1923 by Kurt Wolff Verlag A.-G., München.

Zum Aufstellen der Geräte

(Ein Muster)

So unterwegs in einem schönen HechtsprungErblickte er das Licht der Welt, das Leben,Und hat – obwohl er damals doch noch recht jung –Sich doch sofort in Hilfsstellung begeben.Den Kniesturz übend und manch andre Tugend,Verging ihm eine turnerische JugendIm Wachen teils und teils im TraumUnd Freitagnachmittags am Schwebebaum.

Vorturner wurde er und Löwenbändiger,Seemann und Schornsteinfeger, AkrobatUnd schließlich turnerischer SachverständigerIm transsibirischen Artistenrat.Er las die Morgenzeitung stets im Handstand,Vom Hang der Freiheit sprach sein roter Schlips.Er glich – wie er im Turnsaal an der Wand stand –Dem allbekannten Herkules aus Gips.

Inhaber aller silbernen Pokale,Erwarb er sich den FranziskanerpreisUnd im August in Halle an der SaaleDie Jahnkokarde mit dem Lorbeerreis.Ein zarter Kern in einer rauhen Schale.

Er hat sich mit einem Salto mortaleAus dem LebenÜber ein FelsengeländerHinwegbegeben.

Turnermarsch

(Melodie: Leise flehen meine Lieder)

Schlagt die Pauken und Trompeten,Turner in die Bahn!Turnersprache laßt uns reden.Vivat Vater Felix Dahn!Laßt uns im Gleichschritt aufmarschieren,Ein stolzes Regiment.Laß die Fanfaren tremulieren!Faltet die Fahnen ent!

Die harte Brust dem Wetter darzubieten,Reißt die germanische Lodenjoppe auf!Kommet zu Hauf!Wir wollen uns im friedlichen Wettkampf üben.

Braust drei Hepp-hepps und drei HurrasUm die deutschen Eichenbäume!Trinkt auf das Wohl der deutschen Frauen ein Glas,Daß es das ganze Vaterland durchschäume.Heil! Umschlingt euch mit Herz und Hand,Ihr Brüder aus Nord-, Süd- und Mitteldeutschland!Daß einst um eure UrneEine gleiche Generation turne.

Freiübungen

(Grundstellung)

Wenn eine Frau in uns Begierden wecktUnd diese Frau hat schon ihr Herz vergeben,Dann (Arme vorwärts streckt!)Dann ist es ratsam, daß man sich versteckt.Denn später (langsam auf den Fersen heben!)Denn später wird uns ein Gefühl umschweben,Das von Familiensinn und guten Eltern zeugt.(Arme – beugt!)Denn was die Frau an einem Manne reizt,(Hüften fest – Beine spreizt! – Grundstellung)Ist Ehrbarkeit. Nur die hat wahren Wert,Auch auf die Dauer (Ganze Abteilung, kehrt!).Das ist von beiden Teilen der begehrtste,Von dem man sagt: (Rumpfbeuge) Das ist der allerwertste.

Kniebeuge

Kniee – beugt!Wir Menschen sind Narren.Sterbliche Eltern haben uns einst gezeugt.Sterbliche Wesen werden uns später verscharren.Schäbige Götter, wer seid ihr? und wo?Warum lasset ihr uns nicht länger soMenschlich verharren?Was ist denn Leben?Ein ewiges Zusichnehmen und Vonsichgeben. –Schmach euch, ihr Götter, daß ihr so schlecht uns versorgt,Daß ihr uns Geist und Würde und schöne Gestalt nur borgt.Eure Schöpfung ist Plunder,Das Werk sodomitischer Nachtung.Ich blicke mit tiefster VerachtungAuf euch hinunter.Und redet mir nicht länger von Gnade und Milde!Hier sitze ich; forme Menschen nach meinem Bilde.Wehe euch Göttern, wenn ihr uns drüben erweckt!Beine streckt!

Zum Bockspringen

(Nach einer Fabel Ae-sops)

Wie war die Geschichte mit Bobs Wauwau?Ich erinnere mich nicht ganz genau,Ob dieser Hund Bobs – Eins, zwei, drei – hops! –

Ob dieser Hund ein Rebhuhn gebar?Auf welcher Seite er schwanger war,Und inwiefern und ob’s – Eins, zwei, drei – hops! –

Ein Dackel war, der das Rebhuhn erzeugte,Und ob er das arme Geflügel dann säugte. –Ich glaube, der Dackel war ein Mops. – – Eins, zwei, drei – hops! –

Jedenfalls fraß er zu jedermanns ÄrgerNur Wickelgamaschen und Königsberger,Auch Danziger Klops. – Eins, zwei, drei – hops! –

Ein seltsamer Mops war Bobs Wauwau. –Eins, zwei, drei – hops! – au! au!

Wettlauf

Publikum ungeduldig scharrt –Scharren lassen – hier Start –Taschentuch? keins –Schweiß –heiß –zum Beweisdes Nichtaufgeregtseins:Billett Spucke kneten.Achtung: eins!Nicht mehr Zeit auszutreten –Was? Rauchen verbeten? –Sie da, der Dritte, weiter zurücktreten –Soo! – Endlich Musik –Der bekannteAugenblick,wo –wenn der Trikotnur nicht so spannte –Schweinerei –Wäre fatal –Achtung: Zwei!Teufel nochmal!Heiliger Joseph, steh mir bei!Achtung: Drei!Tapelti, tapelti, tapeltiMut!Gut!Kopf senken!Arme vom Leib!Frieda denken!Herrliches Weib!Schade, daß Mund stinkt!Das war sie! – lacht – winkt –Oh, oh! Oh, oh!Mein Trikot!Vorne gespalten.Taschentuch vorhalten –Jetzt Quark!Nur laufen!10 000 Mark –Wochenlang saufen –Wenn’s glückt –Schulden bezahlen –Tante verrückt –Meyers prahlen –Sieger gratuliert –Photographiert –Händedruck –Tun als ob schnuppe –Wändeschmuck –Lorbeersuppe –Zeitungsreklame –Filmaufnahme –Frieda seidenes Kleid –Otto platzt Neid –Engelmann – Wut –Anton – Pump –Aushalten! Mut!Weg da! Lump! –Einer von beiden –Weg abschneiden –Puff!Was bild’t sich –Uff!Gilt nich!Feste druff!Gar nicht kümmern!Schädel zertrümmern!Zuchthaus –Flucht – Haus –Schande –Tante –Sterben –Beerben –Unsinn! Was Quatsch! Quatsch!Teufel noch mal!Laternenpfahl.Mehr links, ach! ach!Stopp! Frieda! Halt! Krach!Kladderadatsch!Knätsch daun! au! aus!Ohhhhh! – Publikum Applaus.

Klimmzug

Das ist ein Symbol für das Leben.Immer aufwärts, himmelan streben!Feste zieh! Nicht nachgeben!Stelle dir vor: Dort oben winkenSchnäpse und Schinken.Trachte sie zu erreichen, die Schnäpse.Spanne die Muskeln, die Bizepse.Achte ver die Beschwerden.Nicht einschlafen. Nicht müde werden!Du mußt in Gedanken wähnen:Du hörtest unter dir einen Schlund gähnen.In dem Schlund sind Igel und Wölfe versammelt.Die freuen sich auf den Menschen, der oben bammelt.Zu! Zu! Tu nicht überlegen.Immer weiter, herrlichen Zielen entgegen.Sollte dich ein Floh am Po kneifen,Nicht mit beiden Händen zugleich danach greifen.Nicht so ruckweis hin und her schlenkern;Das paßt nicht für ein Volk von Turnern und Denkern.Klimme wacker,Alter Knacker!Klimme, klimbZum Olymp!Höher hinauf!Glückauf!Kragen total durchweicht.Äh – äh – äh – endlich erreicht.Das Unbeschreibliche zieht uns hinan,Der ewigweibliche Turnvater Jahn.

Felgeaufschwung

Die wir im Felgeaufschwung uns befinden,Schwer wie das Eisen, das der Ristgriff faßt,Und wurde uns der eigne Leib zur Last.Und langsam sehen wir den Tag entschwinden.

Ein abgerissenes Sichvorwärtsschwingen –Ein seelenloses Steigen über nichts. –Von Leiden spricht das Zucken des Gesichts.Nur in der Ferne tönt ein Vesperklingen.

Nun sinkt das Haupt herab, und wie zum SchwörenHebt sich der Füße zages Doppelspiel.Und abermals erlahmt die Kraft am Ziel,Um wieder sich von neuem zu betören.

Und werden doch den toten • überwinden,Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist weich,Sitzwellend einst, dem Wellensittich gleich,So werden wir uns droben wiederfinden.

Während der Riesenwelle

Seht ihr mich? Und spürt ihr nicht den Wind,Den ich mache? Ja, das ist gefährlich!Aber mir, dem alten Seemann, sindRiesenwellen eben unentbehrlich.

Käme mir jetzt einer in die Speichen(Wär’ es auch ein Riese aus Granit),Würde er doch damit nur erreichen,Daß ich ihn in dünne Scheiben schnitt.

Aber nicht die Herstellung von ScheibenDenk ich mir als Lebenszweck. O nein!Eine Sägemühle möcht’ ich treiben,Möcht’ ein Schwungrad für Dynamo sein.

Wenn ich plötzlich jetzt die Hände strecke(Und ich habe ähnliches im Sinn),Ja dann – splittert augenblicks die Decke,Und der Wellenriese – ist dahin.

Am Barren

(Alla donna tedesca)

Deutsche Frau, dich ruft der Barrn,Denn dies trauliche GeländerFördert nicht nur Hirn und Harn,Sondern auch die Muskelbänder,Unterleib und Oberlippe.Sollst, das Hüftgelenk zu stählen,Dich im Knickstütz ihm vermählen.Deutsches Weib, komm: Kippe, Kippe!

Deutsche Frau, nun laß dich wiederEllengriffs im Schwimmhang nieder.So, nun Hackenschluß! Und schwinge!Schwinge! Hurtig rum den Leib!O, es gibt noch wundervolleDinge. Rolle vorwärts! Rolle!Rolle rückwärts, deutsches Weib!

Deutsche Jungfrau, weg das Armband!In die Hose! Aus dem Rocke!Aus dem Streckstütz in den Armstand,Nun die Flanke. Sehr gut! Danke!Deutsches Mädchen – Hocke, Hocke!

Mußt dich keck emanzipierenUnd mit kindlichem »Ätsch-Ätsche«Über Männer triumphieren,Mußt wie Bombe und KartätscheDeine Kräfte demonstrieren.Deutsches Mädchen – Grätsche! Grätsche!

Kniehang

Ich wollte, ich wär’ eine Fledermaus,Eine ganz verluschte, verlauste,Dann hing ich mich früh in ein WarenhausUnd flederte nachts und mauste,Daß es Herrn Silberstein grauste.Denn Meterflaus, Fliedermus, Fledermaus –(Es geht nicht mehr; mein Verstand läuft aus.)

Am Hängetau

Das Hängetau ist lang und steil.Jedoch die Übung an dem SeilIst heilsam und veredelt.Dieweil du kletterst, wächst das TauDir hintenraus und wedeltÀ la Wauwau.

Marie, die unten nach dir blickt,Kommt mit der Quaste in Konflikt.

Ich wette um ein Faß Gelee:Drei Meter über der ErdenErfaßt dich plötzlich die Idee,Du möchtest Seemann werden.

Der Kletterschluß mißlingt dir freilich.Er klingt auch häßlich papageilich.Schon dieserhalb und um so mehrSchwankst du verzweifelt hin und herAls atemloser Pendel.Und jäh umgibt dich in der LuftEin unartikulierter DuftSehr abseits von Lawendel.

Und dann erreichst du ganz verzagtDen Balken unter Pusten,Und weil Marie von unten fragt,Und weil die Stimme dir versagt,So fängst du an zu husten.

Die Dame fragt, ob schwindelfreiUnd schüttelt die Manilla.Du mimst voll Angst und HeucheleiDen schwärmenden Gorilla.Doch weil allmählich Zeit vergehtUnd nirgends eine Leiter steht,Entschließt du dich voll GrausenUnd präsentierst dein HinterteilUnd angelst lange nach dem SeilUnd läßt dich plötzlich sausen.

Du plumpst der Dame auf die BrustUnd tust, als tätst du das bewußt,Und blähst dich wie ein Segel.Und nickst ein heiteres Allheil!Und lachst und fühlst dich doch derweilTeils Burschenschaft, teils Flegel.

Kein Mädchen, nicht einmal die Braut,Sieht gerne Hände ohne Haut.

Rundlauf

Heran in die Tiefe, seitab in die Höh –Auf der Reise im Kreise gewiegt.Die Mädels, die Buben, Madame und Monsieur,Das baumelt und taumelt und fliegt.

Es schweben die Röcke wie Glocken dahin,Und ein viel tätowierter Gesell,Der fiedelt und sieht nur die Klöppel darin,Und er spielt, und er fühlt Karussell.

Ein strudelnder Drall im ätherischen Bad,Vor dem selbst der König sich bückt.O Leben im Winkel von 50 Grad,Du lachst uns und machst uns verrückt.

Zum Keulenschwingen

Die Merowinger sind weit verzweigt.Es lebte ein Merowinger,Den die Geschichte uns leider verschweigt,Ein wackerer Keulenschwinger.

Mit beiden Händen und LeidenschaftSchwang er die Keulen, die schönen.Er schwang sie mit barbarischer KraftUnter leisem teutonischen Stöhnen.

Er teilte die Lüfte und teilte vorbeiMit seiner gewuchtigen Keule.Er schlug seiner Mutter die Backe entzwei,Erschlug seine Kinder und Gäule.

Erschlug mit übernatürlicher KraftDes Königs wieherndes Vollblut.Da wurde er aber fortgeschafftIn eine Zelle für Tollwut.

Man nahm ihm die Keule, er konnte nicht mehrSie schwingen in sausenden Kurven.Die Zelle ward still und nahezu leer,Man hörte nur Schritte schlurfen.

Doch eines Tages dröhnte es dumpf.Der Wächter tat sich beeilen.Da sah er einen niedrigen RumpfMit seinen leibeigenen KeulenDie Wände der Zelle verbeulen.Da fing der Mann an zu heulen.

Das Turngedicht am Pferd

(Schon den Römern bekannt)

Es lebte an der Mündung der DobrudschaEin Roll- und Bier- und Leichenwagenkutscher.Der riß lebendigem Getier – o Graus! –Mit kaltem Blut die Pferdeschwänze aus.Hopla!

Jedoch verscherzte er mit solchen StreichenSich den Verkehr mit Roll und Bier und LeichenUnd frönte nun dem Trunk, auch nebenbeiDer Kunst, speziell der Pferdeschlächterei.Hopla!

Man traf ihn manchmal unter ViaduktenMit Pferdeköpfen, die noch lebhaft zuckten,Und fragte man dann nach dem Preis pro Pfund,Dann brüllte er und hatte Schaum vorm Mund:»Hopla!«

Doch abermals aus dem Beruf gestoßen,Ergab er sich dem Schicksal aller GroßenUnd wurde – solches traf sich eben gut –Pedell an einem Turninstitut.Hopla!

Schon im Begriff, sein Leben umzuwandeln,Besoff er sich und stürzte über Hanteln.Er wußte selber nicht, wie weit, wie tief;Jedoch er fragte gar nicht, sondern schlief.…la…

Punkt Mitternacht bemerkte der Betäubte,Daß sich sein Haar mit leisem Knirschen sträubte.Er wachte auf und sah im bleichen GlanzEin Pferd, ein Pferd, ganz ohne Haupt und Schwanz.…pla!

Nun reckte sich das abenteuerlicheGespenst und wuchs ins Ungeheuerliche.Drei Meter mochte es gewachsen sein,Da hielt es inne, schnappte plötzlich ein.Hopla!

Und nun, wohl in Ermangelung von Äpfeln,Begann es Sägemehl aus sich zu tröpfeln.»Mensch«, rief es, »der du Tiere quälen kannst,Auf! Springe über meinen Lederwanst.Hopla!«

Er sprang bereits, wie ihn die Formel bannte,Er sprang und fiel, erhob sich wieder, rannteUnd sprang und rannte, sprang und sprang und sprang,Wohl stunden-, tage-, wochen-, jahrelang.Hopla! Hopla! Hopla! Hopla!

Bis plötzlich unter ihm das Pferd zerkrachte.Da brach er auch zusammen, und erwachte.Indem er schwur, nie wieder nachts zu picheln,Bemerkte er, gereizt durch fremdes Sticheln,Daß ihn, der doch sich täglich glatt rasierte,Ein langer Zwickelbart aus Roßhaar zierte.Ho!

Bumerang

War einmal ein Bumerang;War ein Weniges zu lang.Bumerang flog ein Stück,Aber kam nicht mehr zurück.Publikum – noch stundenlang –Wartete auf Bumerang.

Fußball

(nebst Abart und Ausartung)

Der Fußballwahn ist eine Krank-Heit, aber selten, Gott sei Dank.Ich kenne wen, der litt akutAn Fußballwahn und Fußballwut.Sowie er einen GegenstandIn Kugelform und ähnlich fand,So trat er zu und stieß mit KraftIhn in die bunte Nachbarschaft.Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,Ein Käse, Globus oder Igel,Ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,Ein Kegelball, ein Kissen war,Und wem der Gegenstand gehörte,Das war etwas, was ihn nicht störte.Bald trieb er eine Schweineblase,Bald steife Hüte durch die Straße.Dann wieder mit geübtem SchwungStieß er den Fuß in Pferdedung.Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.Die Lampenkuppel brach sofort.Das Nachtgeschirr flog zielbewußtDer Tante Berta an die Brust.Kein Abwehrmittel wollte nützen,Nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,Noch Puffer außen angebracht.Er siegte immer, 0 zu 8.Und übte weiter frisch, fromm, freiMit Totenkopf und Straußenei.Erschreckt durch seine wilden Stöße,Gab man ihm nie Kartoffelklöße.Selbst vor dem Podex und den BrüstenDer Frau ergriff ihn ein Gelüsten,Was er jedoch als Mann von StandAus Höflichkeit meist überwand.Dagegen gab ein SchwartenmagenDem Fleischer Anlaß zum Verklagen.Was beim Gemüsemarkt geschah,Kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.Da schwirrten Äpfel, ApfelsinenDurch Publikum wie wilde Bienen.Da sah man Blutorangen, ZwetschenAn blassen Wangen sich zerquetschen.Das Eigelb überzog die Leiber,Ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.Kartoffeln spritzten und Zitronen.Man duckte sich vor den Melonen.Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.Dann donnerten die Kokosnüsse.Genug! Als alles dies getan,Griff unser Held zum Größenwahn.Schon schäkernd mit der U-BootsmineBesann er sich auf die Lawine.Doch als pompöser FußballstößerFand er die Erde noch viel größer.Er rang mit mancherlei Problemen.Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?Dann schiffte er von dem BalkonSich ein in einem Luftballon.Und blieb von da an in der Luft,Verschollen. Hat sich selbst verpufft. –Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,Vor dem Gebrauch des Fußballwahns!

Der Athlet

Mein Name ist Murxis, der Kraftmensch genannt.Meine Nahrung ist Goulasch vom ElefantIn einer Sauce des Stärkemehles.Meine Heimat ist das Zentrum Südwales,Upsala!

Ich wurde durch einen KaiserschnittGeboren, mit Hilfe von Dynamit.Daß ich noch lebte, war reines Glück.Von meiner Mutter blieb wenig zurück.20 kg mit dem kleinen Finger.

Man baute um mich eine Art von Dock.Mit Strebestützen im 16. StockEines Wolkenkratzers von Rockefeller.Das Stockwerk brach, man fand mich im KellerMit verschränkten Armen.

Ich war in allen Städten der WeltAls Muster von Herkules ausgestellt.Wer das bezweifelt – 5 Groschen –, der fordreAn der Kasse die Wachskabinettsordre.Ich nenne mich selbst den Venus von Milo.Bruttogewicht: 200 Kilo!

Es haben mich Königinnen betastet.Ich habe einmal drei Wochen gefastetUnd unternehme auch heute noch SchritteZu meiner Entlastung. Und deshalb bitteIch die Herrschaften um ein kleines Douceur.

Boxkampf

Bums! – Kock, Canada: – Bums!Käsow aus Moskau: Puff! puff!Kock der Canadier: – Plumps!Richtet sich abermals uff.Ob dann der Käsow den Kock haut,Oder ob er das vollzieht,Ob es im Bauchstoß, im Knock-outSprich – »nock«, wie bei Butternockerlsuppe Oder von seitwärts geschieht –Kurz: Es verlaufen die heit’renStunden wie Kinderpipi.Sparen wir daher die weit’renTermini technici.Und es endet zuletztReizvoll, wie es beginnt:Kock wird tödlich verletzt.Käsow aber gewinnt.Leiche von Kock wird bedeckt.Saal wird langsam geräumt.Käsow bespült sich mit Sekt.Leiche aus Canada träumt:Boxkampf –Boxer –Boxen –Boxel –Boxkalf –Boxtrott –Boxtail –Boxbeutel.

Ringkampf

Gibson (sehr nervig), Australien,Schulze, Berlin (ziemlich groß).Beißen und GenitalienKratzen verboten. – Nun los!

Ob sie wohl seelisch sehr leiden?Gibson ist blaß und auch Schulz.Warum fühlen die beidenWechselnd einander den Puls?

Ängstlich hustet jetzt Gibson.Darauf schluckt Schulze Cachou.Gibson will Schulzen jetzt stipsen.Ha! Nun greifen sie zu.

Packen sich an, auf, hinter, neben, in,Über, unter, vor und zwischen,Statt, auch längs, zufolge, trotzStehen auf die Frage wessen.Doch ist hier nicht zu vergessen,Daß bei diesen letzten dreiAuch der Dativ richtig sei.

(Pfeife des Schiedsrichters.)

Wo sind die Beine von Schulze?Wem gehört denn das Knie?Wirr wie lebendige SülzeMengt sich die Anatomie.

Ist das ein Kopf aus Australien?Oder Gesäß aus Berlin?Jeder versucht Repressalien,Jeder läßt keinen entfliehn.

Hat sich der Schiedsmann bemeistert,Lange parteilos zu sein;Aber nun brüllt er begeistert:»Schulze, stell ihm ein Bein!

Zwinge den Mann mit den NervenNieder nach Sitte und Jus.Kannst du dich über ihn werfenJust wie im Koi, dann tu’s!«

Zum Schwimmen

(Die Brüder)

Plumps! Nun liegst du endlich drin,Nun hat es wirklich nicht mehr Sinn,Noch länger den Denker und Dichter zu mimen.Sonst gibt’s mal was mit dem ledernen Riemen!

Lacht mal den Onkel aus, ihr Kinder!Wißt ihr’s?Das ist der ErfinderDes drahtlosen Schwebeklistiers,

Der Panslapopel, der große Mann!Wie Seidenpapier liegt die Hose an.Der Doktor phil. und der Doktor jur. – –Ja, pruste du nur!

Wie eifrig du spuckstUnd das Gespuckte noch einmal verschluckst.Du »Autor« von »Das Leben von Stosch!« –Eine Qualle bist du, ein schleimiger Frosch,Ein wulstiger, schwulstiger, schwappliger, nasser.Und willst der VerfasserDer Biographie sein!Ziehe das Knie ein!Nach auswärts die Beine!Du Stubenhocker!Hier sind ein paar SteineAm Ufer recht locker. – –Sieht aus wie Blaukraut mit Sommersprossen.Na? Eins, zwei, drei – vier, fünf, die Hände geschlossen!Und: eins, zwei, drei – vier, fünf; noch besser, viel besser!Ich werde dir was von wegen Professor!Los: eins, zwei, drei – vier, fünf. Du Schlumpsack, nur weiter!Wird’s? Eins, zwei, drei – vier, fünf. Nun ’ran an die Leiter!Du ausgeschwängertes Schwielenschwein!Ein Wort – und ich stoße dich nochmals hinein.

Zum Wegräumen der Geräte

Veterinär, gleichzeitig Veteran,Ein Mann, der 92 Jahre zählte,Daß man zuletzt ihn aus Gewohnheit wählte,Und trotzdem biegsam, schmiegsam wie ein Schwan.Das war – trotz eines halbgelähmten Beines –Der Ehrenvorstand unsres Turnvereines.Und wirklich nahm er’s noch im DauerlaufUnd Schleuderball mit jedem Rennpferd auf.

Wettläufer sah ich – nun Gott weiß wieviel,Doch ihrer keiner hielt wohl mit der gleichenBescheidenheit gelassen vor dem Ziel.Denn niemand konnte ihm das Wasser reichen.Dann griff er abseits zum Pokal. Und Hei!Wie Donner klang sein Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei.Wie sich sein Vollbart, den er gern sich wischte,Nach einem 80-cm-SprungMit Kokosfasern einer Matte mischte,Das bleibt mir ewig in Erinnerung.Im Springen konnte überhaupt dem AltenZuletzt wohl keiner mehr die Stange halten.

Einmal, nach dem Genuß von sehr viel Weißwein,Verstauchte er beim Spaltsitz auf dem ReckGanz unvermutet plötzlich sich das Steißbein.Er aber wich und wankte nicht vom Fleck.Im Gegenteil, er brach, um uns zu necken,Sich noch den Sitzknorren der Sitzbeine am Becken.Er turnte gern der Jugend etwas vorUnd mühte sich vor Buben oder Mädeln,Die Beine in die Ringe einzufädeln,Wobei er niemals die Geduld verlor.Dann staunte ehrfurchtsvoll solch junges Ding,Wenn er wie Christbaumschmuck im Nesthang hing.

Denn was ein Nesthängchen werden will, krümmt sich beizeiten.

Laufschritt-Couplet

Wenn doch die Pferdebahn noch wär’!Da wurde bald der KondukteurUnd bald der Gaul verdroschen,Und manchmal lief man nebenherUnd sparte sich den Groschen.

Die Feuersbrunst ergriff mich sehr.Das Schulgebäude steht nicht mehr.Schon spielen Kinder fromm umherMit den verkohlten Stücken.Dann räumt man auf, der Platz wird leerUnd nun beginnt die FeuerwehrAllmählich anzurücken.

Der Laufschritt freut beim MilitärUns über alle Maßen.Zwar drückt der Affe reichlich schwer,Ganz abgesehn von dem Gewehr,Der Blase und den Blasen,Doch außerdem: man fühlt sich sehr,Singt: »Wenn ich doch ein Vöglein wär’«Und kann sich so von ungefährDas Mittagbrot vergasen.

Die Lumpensammlerin

Hält sie den Kopf gesenkt wie ein Ziegenbock,Ihre Gemüsenase,Ihr spitzer Höcker, ihr gestückelter RockHaben die gleiche farblose DrecksymphonieDer Straße.Mimikry.

Selbständig krabbeln ihre knöchernen HändeDie Gosse entlang zwischen Kehricht und Schlamm,Finden Billette, Nadeln und Horngegenstände,Noch einen Knopf und auch einen Kamm.

Über Speichel und Rotz zittern die Finger;Hundekötel werden wie PferdedüngerSachlich beiseitegeschoben.Lumpen, Kork, Papier und Metall werden aufgehoben,Stetig – stopf – in den Sack geschoben.

Der Sack stinkt aus seinem verbuchteten Leib.Er hat viel spitzere Höcker.Er ist noch ziegenböckerAls jenes arg mürbe Weib.

Schlürfend, schweigsam schleppt sie, schleift sie die Bürde.Wenn sie jemals niesen würde,Was wegen Verstopfung bisher nie geschah,Würde die gute Alte zerstäubenWie gepusteter Paprika. –

Und was würde übrigbleiben?Eine Schnalle von ihrem Rock,Sieben Stecknadeln, ein Berlock,Vergoldet oder vernickelt.Vielleicht auch: Vielmals eingewickeltUnd zwischen zwei fettigen Pappen:Fünfzig gültige, saubere blaue Lappen.

Irgendwo würde ein Stall erbrochen,Fände man sortiert, gestapelt, gebündelt, umschnürtLumpen, Stanniol, Strumpfenbänder und Knochen.

Was hat die Hexe für ein Leben geführt?Vielleicht hat sie Lateinisch gesprochen.Vielleicht hat einst eine Zofe sie manikürt.Vielleicht ist sie vor tausend Jahren als SpulwurmDurch das Gedärm eines Marsbewohners gekrochen.

Sorge dividiert durch 2 hoch x

Grübeln und grübeln nun stundenlang –Bing – Bumpf – Bang – –Korks jetzt! Lona, und prost! Kling! Klang!Ein Schurke ist gar kein Feind.Hoch steht überm zeitlichen RaffinementDie ewige Regel:Daß immer mal wieder die Sonne scheint.Liebstes, armes, verquollenes Kind,So wie wir beide im Augenblick so sind,Scheint uns die Sonne noch immer recht anständig lind.Ihn macht sie frösteln oder sie kocht ihn jetzt heiß.Bleiben wir aber so!Sein wir nie schadenfroh!Ist auch die Sache sehr unangenehm –Jedes w soll schwinden im Schweiß,Oder – nein, vor allem und außerdem – –Na du weißt – – Und ich weiß – –

Stimme auf einer steilen Treppe

Drei Söhne hab’ ich bei die Ulanen verloren,Mein Mann fiel aus dem dritten Stock.Aber – es wird lustig weitergeboren!Ich habe nur noch den einen, den Umstandsrock.

Macht es mir nach: Werdet schwanger, ihr Weiber!Alle Weiber müssen schwanger sein.Dann springen die Männer vor eure geschwollenen LeiberLinks und rechts beiseite und sind ganz klein.

Aller Anfang ist schwer.Pfeift auf die Fehlgeburten und Mißgeburten. –Wenn nicht immer mal wieder zwei Menschen hurten,Blieben zuletzt die Wirtshäuser leer,Gab’s keine Soldaten mehr.

Die Schweinerei ist nun doch einmal Sitte und Brauch.Gott hat uns Weiber zu Schöpferinnen gesalbt.Schiebt also trotzig euren geladenen BauchÜber die Friedhöfe hin. – Und kalbt!

Chansonette

War ein echter Prinz und hat Warzen im Bett.Und kniete vor jeder Schleife.Vaters Leiche lag auf dem BügelbrettUnd roch nach Genever und Seife.

Wenn der Pfaffe unter meine Röcke schielt,Sagt die Alte, werd’ ich Geld bekommen.Meinem Bruder, der so schön die Flöte spielt,Haben Sie die Nieren rausgenommen.

Glaubst du noch an Gott? und spielst du Lotterie?Meine Schwester kommt im Juli nieder.Doch der Kerl ist ein gemeines Vieh.Schenk mir zwanzig Mark; du kriegst sie wieder.

Außerdem: ich brauche ein Korsett,Und ein Nadelchen mit blauen Steinen.In ein Kloster möcht ich. Oder bei’s Ballett.Manchmal muß ich ganz von selber weinen.

Das Geschwätz in der Bedürfnisanstalt in der Schellingstraße

Heute wurde Geld eingesammelt,Wo ich angestellt bin, in dem Büro,Für die Frau von jemand, der sich erhängte.Eine Büchse ging rum. Und jeder schenkte.Drei Mark; das ist bei uns immer so.

Es braucht niemand zu wissen, wodran ich bin.Ich habe das Geld meiner Mutter gestohlen.

Ich habe noch gestern acht Mark für KohlenBezahlt. Und die Alte stumpft doch bloß so hin.Und bei ihrer Schwindsucht und sowiesoKann es ja doch nicht mehr lange währen.Ich kann auch nicht ewig fünf Menschen ernährenBei der Arbeit in dem Büro.

Ich möchte mal wieder eine Muhsik hören;Das stimmt einen wieder mal froh.

Worte eines durchfallkranken Stellungslosen in einen Waschkübel gesprochen

Bloß weil ich nicht aus Preußen gebürtig.Wo hab’ ich nur den Impfschein verloren?Das lange Warten auf den Korridoren,Das ist so un-, so unwürdig.Wären wenigstens meine Haare geschoren.Und den Durchfall habe ich auch.Das geht mitten im Gespräch plötzlich eiskalt aus dem Bauch.

Als mich Miß Hedwin erkannte und rief,Die hab’ ich vor Jahren, in Genf, einmal – versetzt.Nun sind meine Absätze schief.Und sie trug ein Reitkleid und fütterte Kücken.Aber ich darf mich nicht bücken.Denn meine – ach mein ganzes Herz ist zerfetzt.

Ob ich gespeist habe?Ob mir die Hecke gefiele?Ja ich habe – gespeist. – (In Genf!Und zuletzt, vor drei Tagen, Semmel mit Senf)Und mich können alle HeckenAm Asche –.

Vergessen sei Genf, vergessen die ganze Schweiz!Dürfte ich nur noch einmal in Seifhennersdorf oder ZeitzSteine klopfen.Ach! – ich möchte jenem verdammtenStellenvermittlungsbeamtenSiebzehn Legitimationspapiere meines Großvaters mütterlicherseitsIn den Rachen stopfen!

Auch hat mich vorübergehend durchzuckt:Ich wollte sterben nach einer grellen Raketentat.Ich habe Lysol und einen Drillbohrer verschluckt.Ich sandte ein Kuvert an den Hamburger Senat;In das Kuvert hatte ich kräftig gespuckt.

Aber niemand glaubt an den Dreck.Nun ist meine Seife weg;Irgend jemand stöbert in meinen Taschen. –

Ich kann mir doch nichtDas GesichtMit einem Bouillonwürfel waschen.

Nun warte ich auf gigantisches Weltgeschehn.Wenn’s mich – zusammen mit den andern – zerfleischt,Wenn das Sterben der anderen, Glücklichen mich umkreischt,– Dann –Dann will ich mir eine Zigarette drehn!

Nachtgalle

Weil meine beiden BeineErfolglos müde sind,Und weil ich gerade einsam bin,Wie ein hausierendes Streichholzkind,Setz ich mich in die Anlagen hinUnd weine.

Nun hab ich lange geweint.Es wird schon Nacht; und mir scheint,Der liebe Gott sei beschäftigt.Und das Leben ist – alles, was es nur gibt:Wahn, Krautsalat, Kampf oder Seife.Ich erhebe mich leidlich gekräftigt.Ich weiß eine Zeitungsfrau, die mich liebt.Und ich pfeife.

Ein querendes Auto tutet. –Nicht Gold noch Stein waren echtAn dem Ring, den ich gestern gefunden. –Die nächtliche Straße blutetAus tausend Wunden.Und das ist so recht.

Wenn ich allein bin

Wenn ich allein bin, werden meine Ohren lang,Meine, meine Pulse horchen bangAuf queres Kreischen, sterbenden GesangUnd all die Stimmen scheeler Leere.

Wenn ich allein bin, leck ich meine Träne.

Wenn ich allein bin, bohrt sich meine Schere,Die Nagelschere in die Zähne;Sielt höhnisch träge sich herum die Zeit. –Der Tropfen hängt. – Der Zeiger steht. –

Einmal des Monats steigt ein PostpaketAufrührerisch in meine Einsamkeit.So sendet aus Meran die Tante LieseMir tausend fromme, aufmerksame Grüße;Ein’ jeden einzeln sauber einpapiert,Mit Schleifchen und mit Fichtengrün garniert,Vierblätterklee und anderm Blumenschmuck –

Ich aber rupfe das GemüseHeraus mit einem scharfen Ruck,Zerknülle flüchtig überfühlendDen Alles-Gute-Wünsche-BriefUnd fische giftig tauchend, wühlend,Aus all den Knittern und RosettenDas einzige, was positiv:Zwei Mark für Zigaretten.Die Bilder meiner Stube hängen schief.

In meiner Stube dünsten kalte Betten.Und meine Hoffart kuscht sich. Wie ein FalterSich ängstlich einzwängt in die Borkenrinde.Wenn ich allein bin, dreht mein FederhalterSchwarzbraunen Honig aus dem Ohrgewinde.

Bin ich allein: Starb, wie ein Hund verreckt,Hat mich ein fremdes Weib mit ihren SchleiernAus Mitleid oder Ekel zugedeckt.Doch durch die Maschen seh ich Feste feiern,Die mich vergaßen über junger Lust. –

Ich reiße auseinander meine BrustUnd lasse steigen all die Vögel, dieIch eingekerkert, grausam dort gefangen,Ein Leben lang gefangenhielt, und nieBesaß. Und die mir niemals sangen.Wenn ich allein bin, pups ich lauten Wind.Und bete laut. Und bin ein uralt Kind.Wenn ich –

Das Geseires einer Aftermieterin

Meine Stellung hatte ich verloren,Weil ich meinem Chef zu häßlich bin.Und nun habe ich ein Mädchen geboren,Wo keinen Vater hat, und kein Kinn.

Als mein Vormund sich erhängte,Besaß ich noch das Kreppdischingewand,Was ich später der Anni schenkte.Die war Masseuse in Helgoland.

Aber der bin ich nun böse.Denn die ließ mich im Stich.Und die ist gar keine Masseuse,Sondern geht auf den –.

Mir ist nichts nachzusagen.Ich habe mit einem Zahnarzt verkehrt.Der hat mich auf Händen getragen.Doch ich habe mir selber mein Glück zerstört.

Das war im Englischen Garten.Da gab mir’s der Teufel ein,Daß ich – um auf Gustav zu warten –In der Nase bohrte, ich Schwein.

Gustav hat alles gesehn.Er sagte: das sei kein Benehmen.Was hilft es nun, mich zu schämen.Ich möchte manchmal ins Wasser gehn.

Gewitter

Oben in den Wolken krachte der Donner.Am Ufer des Indischen Ozeans balzte ein Kind.Würde der Mond noch monder, die Sonne noch sonner,So würden die Menschen vielleicht noch drehlicher, als sie schon sind.

Tausend Menschen lachten und weinten;Sechs von dem Tausend wußten, warum;Zwei von den sechsen aber meintenVon sich selber, sie seien eigentlich dumm.

Breite Straße filmte mir vorbei,Links und rechts mit Lichtern und ReflexenFechtend und mit Worten und Geschrei.Helle Nacht ergoß sich brausend.

Und ich grüßte ehrfurchtsvoll die zwei,Und ich beugte staunend mich den sechsen,Kniete, echt und bettelnd, vor dem Tausend.

Vor dem Grand Hotel zu den Drei MohrenKreiste jämmerlich ein Hund und schiß.Nebenbei, von irgendwem verloren,Lag ein künstliches Gebiß.Doch ich räusperte und spie,Und ich rotzte,Bis ich einer weichen PhantasieWürdig trotzte.

Und zur gleichen Zeit mag ein Kommis(Elegante Kleidung – sauber – Schaf)Auf dem Teppich heiß gestammelt haben,Einer, der vom lieben Gott was wollte,Was das Hauptbuch und den nächsten Tag betraf;

Dachten andere an Schützengraben.

Denn der Donner grollte.

Der Zahnfleischkranke

Was geht mich der Frühling, was geht mich dein dummes Gesicht,Dein Leben an. Aber nur weine nicht.Geh, Mädchen! Geh! Geh!Mir tun meine Zähne,Deine Knietschträne tut noch mehr weh.

Eine entzündete WurzelhautKennt keine Braut,Noch Kunst noch Konstabler.

Wer mir jetzt eins in die Fresse haut,Oder ein KinnladenschußWären immerhin diskutabler.Sterben jetzt, wäre Genuß.

Siehst du den gelben Schaum?Das Fleisch ist ganz weich.

Selbst wenn ich schliefe,Blähen versäumte PräservativeSich Luftschiffen gleichIn meinen Traum.

Stochern muß ich; gib eine Gabel!Was sagt du? Halt deine – Schnabel!!

Aus dem Tagebuch eines Bettlers

Ich klingelte. Ich bettelte um Brot.Um alte Sachen.

Ich beschrieb anschaulich die Not.Ich kann so eine jämmerliche Miene machen.Meine Familie sei teils hungrig, teils tot.

Nur ein kleines, hartes, verschimmeltes Restchen Brot,Womit ich eigentlich Geld meinte.

Der Herr verneinte.

Ich versuchte diverse Gebärden.Ich kann so urplötzlich ganz mager werden.Ich taumelte krank.Ich – stank.

Da wurde ich gepackt.

Fünf Minuten später war ich nackt.

In einer Wanne im BadBei dreißig Grad.

Ich weinte. – Ich wußte:Hier half kein Beteuern.Man fing an, meine KrusteHerunterzuscheuern.

Dieser Herr war ein Schelm.

Ich wurde auf die Straße gestoßen.Ich fand mich in schwarzen Hosen,Lackschuhen, Frack und Tropenhelm.

Ich fand kein Geld. – Mir wurde bang,Ich fand nur ein Trambahn-Abonnement.

Und ich ging auf die Reise,Fuhr mit der Sechzehn stundenlangImmer im Kreise.

Was halfen die noblen Sachen?

Ich bettelte. Probeweise.Ich kann so eine kummervolle Miene machen.Aber die Leute begannen zu lachenUnd die Haltestelle zu verpassen.

Ich sann auf einen Schlager.Ich wurde urplötzlich ganz mager.

Ich wurde gewaltsam aus der Trambahn heruntergelassen.

Da waren die Anlagen und GassenAuf einmal ganz traurig und fremd.

Als ich aus dem Pfandhause kam,Trug ich nur noch Hose, Barfuß und Hemd.

Ich mußte mir einen Anzug leih’n.Ich ging mit der Gräfin Mabelle,Die eigentlich eine BüfettmamsellIst und gesucht wird, in ein Hotel.Wir speisten: Hirschbraten mit Knickebein.Wir sangen zu zwei’n:»Wer hat uns getraut –…«Und zuletzt, ganz laut:»Wohlauf noch getrunken, den funkelnden Wein …«

Von einem, dem alles danebenging

Ich war aus dem Kriege entlassen,Da ging ich einst weinend bei Nacht,Weinend durch die Gassen.Denn ich hatte in die Hosen gemacht.

Und ich habe nur die eineUnd niemanden, wo sie reineMacht oder mich verlacht.

Und ich war mit meiner Wirtin der Quer.Und ich irrte die ganze Nacht umher,Innerlich alles voll Sorgen.Und sie hätten vielleicht mich am MorgenAls Leiche herausgefischt.Aber weil doch der MorgenAlles Leid trocknet und alle Tränen verwischt –

Allerdings

Ernst Rowohlt Verlag K.-G. a. A., Berlin W 35

Ginster gewidmet

Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken Eine Kachel aus meinem Ofen Schenken.

Ich habe dir nichts getan. Nun ist mir traurig zu Mut. An den Hängen der Eisenbahn Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt – Doch nimmer vergessen. Ich reise. Alles, was lange währt, Ist leise.

Die Zeit entstellt Alle Lebewesen. Ein Hund bellt. Er kann nicht lesen. Er kann nicht schreiben. Wir können nicht bleiben.

Ich lache. Die Löcher sind die Hauptsache An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Alte Winkelmauer

Alte Mauer, die ich oft benässe, Weil’s dort dunkel ist. Himmlisches Gefunkel ist In deiner Blässe.

Pilz und Feuchtigkeiten Und der Wetterschliff der Zeiten Gaben deiner Haut Wogende Gesichter, Die nur ein Dichter Oder ein Künstler Oder Nureiner schaut.

»Können wir uns wehren?« Fragt’s aus dir mild. Ach, kein Buch, kein Bild Wird mich so belehren.

Was ich an dir schaute, Etwas davon blieb Immer. Nie vertraute Mauer, dich hab’ ich lieb.

Weil du gar nicht predigst. Weil du nichts erledigst. Weil du gar nicht willst sein.

Weil mir deine Flecken Ahnungen erwecken. Du, eines Schattens Schein.

Nichts davon wissen Die, die sonst hier pissen, Doch mir winkt es: Komm! Seit ich dich gefunden, Macht mich für Sekunden Meine Notdurft an dir fromm.

Nach dem Gewitter

Der Blitz hat mich getroffen. Mein stählerner, linker Manschettenknopf Ist weggeschmolzen, und in meinem Kopf Summt es, als wäre ich besoffen.

Der Doktor Berninger äußerte sich Darüber sehr ungezogen: Das mit dem Summen wär’ typisch für mich, Das mit dem Blitz wär’ erlogen.

Alter Mann spricht junges Mädchen an

Guten Tag! – Wie du dich bemühst, Keine Antwort auszusprechen. »Guten Tag« in die Luft gegrüßt, Ist das wohl ein Sittlichkeitsverbrechen?

Jage mich nicht fort. Ich will dich nicht verjagen. Nun werde ich jedes weitere Wort Zu meinem Spazierstock sagen:

Sprich mich nicht an und sieh mich nicht, Du Schlankes. Ich hatte auch einmal ein so blankes, Junges Gesicht.

Wie viele hatten, Was du noch hast. Schenke mir nur deinen Schatten Für eine kurze Rast.

Ritter Sockenburg

Wie du zärtlich deine Wäsche in den Wind Hängst, liebes Kind Vis à vis, Diesen Anblick zu genießen, Geh ich, welken Efeu zu begießen. Aber mich bemerkst du nie.

Deine vogelfernen, wundergroßen Kinderaugen, ach erkennen sie Meiner Sehnsucht süße Phantasie, Jetzt ein Wind zu sein in deinen Hosen –?

Kein Gesang, kein Pfeifen kann dich locken. Und die Sehnsucht läßt mir keine Ruh. Ha! Ich hänge Wäsche auf, wie du! Was ich finde. Socken, Herrensocken; Alles andre hat die Waschanstalt. Socken, hohle Junggesellenfüße Wedeln dir im Winde wunde Grüße. Es ist kalt auf dem Balkon, sehr kalt.

Und die Mädchenhöschen wurden trocken, Mit dem Winter kam die Faschingszeit. Aber drüben, am Balkon, verschneit, Eisverhärtet, hingen hundert Socken.

Ihr Besitzer lebte fern im Norden Und war homosexuell geworden.

Umweg

Ging ein Herz durchs Hirn Güte suchen, Fand sie nicht, doch hörte da durchs Ohr Zwei Matrosen landbegeistert fluchen, Und das kam ihm so recht rührend vor.

Ist das Herz dann durch die Nase krochen. Eine Rose hat das Herz gestochen, Hat das Herz verkannt. In der Luft hat was wie angebrannt Schlecht gerochen.

Und das Wasser schmeckte nach Verrat. Leise schlich das Herz zurück, Schlich sich durch die Hand zur Tat, Hämmerte. Und da dämmerte Ihm das Glück.

Schenken

Schenke groß oder klein, Aber immer gediegen. Wenn die Bedachten Die Gaben wiegen, Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei. Schenke dabei Was in dir wohnt An Meinung, Geschmack und Humor, So daß die eigene Freude zuvor Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List. Sei eingedenk, Daß dein Geschenk Du selber bist.

Der wilde Mann von Feldafing

Er schien zum Kriegsmann geboren. Er trug nach allen Seiten hin Bart. Selbst seine Beine waren behaart Und steckten in Stiefeln mit Sporen. Und trutzig über der Schulter hing Ihm ein gewichtig Gewehr. Mit gerunzelter Stirne ging Er auf dem Bahnhof von Feldafing Hin und her. Und stehend, stolz und schulterbreit Fuhr er dann zwei Stationen weit. Die Kinder bestaunten ihn sehr. Doch ehe noch ein Tag verging, Schritt er schon wieder durch Feldafing Mit einem Rucksack schwer. Doch weil es so stark regnete, Daß niemand ihm begegnete, Ärgerte er sich sehr. Als er durch seinen Garten schritt, Sang dort ein Vögelchen Kiwitt, Da griff er zum Gewehr: Puff!!!

Ein kurzes Röchelchen – Ein kleines Löchelchen – Dann eine Katze – und etwas später: Ein kleines Knöchelchen Und eine Feder. –

Der wilde Mann von Feldafing.

Marschierende Krieger

Vor mir her schritt Infanterie, Eine ganze Kompanie Kräftiger Soldaten. Stramm im Takte traten Sie den Sand, Schritten achtlos über einen Kleinen Käfer, den ich fand.

Ich blieb stehen, Um ihn zu besehen, Und weil’s hinter jenem Militär Stark nach Schweiß und Leder roch. Da: – Der Käfer kroch Plötzlich fort, als ob er lebend wär. Doch ich konstatierte noch: Nur zwei Steinchen an zwei Seiten retteten – Gleichsam wie als Felsenwände – diesen – Gleichsam zwischen ihnen eingebetteten – Käfer vorm Zertrampeltwerden durch die Riesen.

Große Riesen – kleine Tiere – Und ich lief, die Wandersohlen, Die so stanken, einzuholen, Weil ich gar zu gern im Takt marschiere.

Und ich hustete und spuckte Staub und mußte viermal niesen. Und ich schluckte. Und ich duckte Mich vor Felsenwänden und vor Riesen.

Blindschl

Ich hatte einmal eine Liebschaft mit Einer Blindschleiche angefangen; Wir sind ein Stück Leben zusammen gegangen Im ungleichen Schritt und Tritt.

Die Sache war ziemlich sentimental. In einem feudalen Thüringer Tal Fand ich – nein glaubte zu finden – einmal Den ledernen Handgriff einer Damenhandtasche. Es war aber keiner.

Ich nannte sie »Blindschl«. Sie nannte mich Nach wenigen Tagen schon »Eicherich« Und dann, denn sie war sehr gelehrig, Verständlicher abgekürzt »Erich«.

Allmittags haben gemeinsam wir Am gleichen Tische gegessen, Sie Regenwürmer mit zwei Tropfen Bier, Ich totere Delikatessen.

Sie opferte mir ihren zierlichen Schwanz. Ich lehrte sie überwinden Und Knoten schlagen und Spitzentanz, Schluckdegen und Selbstbinder binden.

Sie war so appetitlich und nett. Sie schlief Nacht über in meinem Bett Als wie ein kühlender Schmuckreif am Hals, Metallisch und doch so schön weichlich. Und wenn ihr wirklich was schlimmstenfalls Passierte, so war es nie reichlich.

Kein Sexuelles und keine Dressur. Ich war ihr ein Freund und ein Lehrer, Was keiner von meinen Bekannten erfuhr; Wer mich besuchte, der sah sie nur Auf meinem Schreibtisch steif neben der Uhr Als bronzenen Briefbeschwerer.

Und Jahre vergingen. Dann schlief ich einmal Mit Blindschl und träumte im Betti (Jetzt werde ich wieder sentimental) Gerade, ich äße Spaghetti.

Da kam es, daß irgendwas aus mir pfiff. Mag sein, daß es fürchterlich krachte. Fest steht, daß Blindschl erwachte Und – sie, die sonst niemals nachts muckte – Wild züngelte, daß ich nach ihr griff Und sie, noch träumend, verschluckte.

Es gleich zu sagen: Sie ging nicht tot. Sie ist mir wieder entwichen, Ist in die Wälder geschlichen Und sucht dort einsam ihr tägliches Brot.

Vorbei! Es wäre – ich bin doch nicht blind – Vergebens, ihr nachzuschleichen. Weil ihre Wege zu dunkel sind. Weil wir einander nicht gleichen.

Schlummerlied

Will du auf Töpfchen? Fühlst du ein Dürstchen? Oder ein Würstchen?

Senke dein Köpfchen.

Draußen die schwarze, kalte Nacht ist böse und fremd. Deine Hände falte. Der liebe Gott küßt dein Hemd.

Gute Ruh! Ich bin da, Deine Mutter, Mama; Müde wie du.

Nichts mehr sagen – Nicht fragen – Nichts wissen – Augen zu. Horch in dein Kissen: Es atmet wie du.

Angstgebet in Wohnungsnot

(1923)

Ach, lieber Gott, gib, daß sie nicht Uns aus der Wohnung jagen. Was soll ich ihr denn noch sagen – Meiner Frau – in ihr verheultes Gesicht!?

Ich ringe meine Hände. Weil ich keinen Ausweg fände, Wenn’s eines Tags so wirklich wär: Bett, Kleider, Bücher, mein Sekretär, – Daß das auf der Straße stände.

Sollt ich’s versetzen, verkaufen? Ist all doch nötigstes Gerät. Wir würden, einmal, die Not versaufen, Und dann: wer weiß, was ich tät.

Ich hänge so an dem Bilde, Das noch von meiner Großmama stammt. Gott, gieße doch etwas Milde Über das steinerne Wohnungsamt.

Wie meine Frau die Nacht durchweint, Das barmt durch all meine Träume. Gott, laß uns die lieben zwei Räume Mit der Sonne, die vormittags hinein scheint.

Antwort auf einen Brief des Malers Oskar Coester

Ein Wort auf das, was du gesprochen. Stütz guten Kopf in gute Hand Und laß dein Herz ans Weinglas pochen:

Heimat ist kein begrenztes Land. Auch wo man Muttersprache spricht, Ist Heimat nicht. Mich deucht, es will auch nichts besagen, Ob einer seine Heimat kennt. Denn Lüge ist, was auf Befragen Das Heimweh uns als Heimat nennt.

Ein schmutzig Loch kann rührend sich verkneifen, Und höchste Würde kann zur Blase reifen.

Stich fest in das Humorische!

Heimat? Wir alle finden keine, Oder – und allerhöchstens – eine Improvisatorische. Es kommt auch gar nicht darauf an. – –

Ich danke dir für den Vergleich Mit einem braven Reitersmann. Man tue möglichst, was man kann.

Coester, du bist von Gott aus reich. Schäum aus, was du zu schenken hast; Das Letzte wäre dir noch Last. Und warte frech, doch fromm auf Leiden.

Denn du wächst neben dem Jahrhundert. Du bist der größre von uns beiden. Ich habe dich so oft bewundert. – Wie kläglich ist es zu beneiden. –

Du wurdest leider mir von fern Noch lieber, als du warst im Nahen. Nun, da wir lange uns nicht sahen, Bild ich mir ein: Du hast mich gern. Ach bitte komme bald zurück Mit offnem, unverwitzeltem Vertraun.

Ich wünsche dir fürs neue Jahr viel Glück, Eine Frau (zur Hochzeit mich einladend) Und andre große Nebenfraun Und was du sonstens wichtig brauchst. Daß du nie anders, als wie badend, Auch für Minuten nur untertauchst.

Mensch und Tier

Wenn ich die Gesichter rings studiere, Frage ich mich oft verzagt: Wieviel Menschen gibt’s und wieviel Tiere? – Und dann hab’ ich – unter uns gesagt – Äußerst dumm gefragt.

Denn die Frage intressiert doch bloß Länderweis statistische Büros, Und auch diese würden sich sehr quälen, Um zum Beispiel Läuse nachzuzählen.

Dummer Mensch spricht oft vom dummen Vieh, Doch zum Glück versteht das Vieh ihn nie. In dem neuen Korridor von Polen Gaben sich zwei Pferde einen Kuß, Und die Folge war ein dünnes Fohlen, Welches stundenlang Immer anders, als man dachte, sprang.

Wenn es auch in Polen Sehr viel Läuse gibt, – – Aber wer ein solches Fohlen Sieht und dann nicht liebt, Bleibe mir gestohlen.

Seepferdchen

Als ich noch ein Seepferdchen war, Im vorigen Leben, Wie war das wonnig, wunderbar Unter Wasser zu schweben. In den träumenden Fluten Wogte, wie Güte, das Haar Der zierlichsten aller Seestuten, Die meine Geliebte war. Wir senkten uns still oder stiegen, Tanzten harmonisch um einand, Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand, Wie Wolken sich in Wolken wiegen. Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn, Auf daß ich ihr folge, sie hasche, Und legte mir einmal im Ansichziehn Eierchen in die Tasche. Sie blickte traurig und stellte sich froh, Schnappte nach einem Wasserfloh, Und ringelte sich An einem Stengelchen fest und sprach so: Ich liebe dich! Du wieherst nicht, du äpfelst nicht, Du trägst ein farbloses Panzerkleid Und hast ein bekümmertes altes Gesicht, Als wüßtest du um kommendes Leid. Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnaß! Wann war wohl das? Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen? Es ist beinahe so, daß ich weine – Lollo hat das vertrocknete, kleine Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen.

Hilflose Tiere

Wenn ein Hund kotzt, soll man keinen Augenblick Ihn dann stören, Soll man auf ihn hören. Töne sind Bruchstücke von Musik.

Ob geräuschvoll oder leise, Massig oder klein bei klein – Kann es doch die schönste Speise, Kann es beispielsweise Hammelkeule in Madeira sein.

Auch das Dichten ist ein Vonsichgeben. Eisen bricht. Und alles geht vorbei, Auch die Wolke und das Leben. Und ein einz’ger Koch verdirbt den ganzen Brei.

Mag sich also keiner überheben, Der auf Menschtum und Gesundheit protzt.

Wenn ein Hündchen kotzt – Öffentlich genau so wie zu Hause – Sollst du mit ihm leiden, Maulkorb ihm durchschneiden; Denn sonst wirkt der Korb wie eine Brause.

Will das Rührende dir häßlich scheinen, Denke: Großes spiegelt sich im Kleinen.

Wirst dich doch der eignen Übelkeit Niemals schämen. Gönne Tieren wenigstens die Zeit, Widerwärtiges zurückzunehmen.

Oder laß das ruhig liegen. Weil Roheit niemals Glück bringt oder Segen. Jeder soll vor seiner Türe fegen. Und die Stiefelsohle ist kein Körperteil.

Ballade

Tief im Innersten von Sachsen überfielen eines Abends zwei Halbwüchsige Knorpel von Schweinshaxen Eine Bulldogge aus der Walachei.

Sie umzingelten den alten Hund. Hinterlistig wollten sie das matte Tier, das keine Zähne mehr im Mund Und auch keine Haare darauf hatte,

An den Augen treffen, hinterher Ihm die Zunge schlitzen und durch Zwicken Seinen Gaumen reizen und noch mehr, Um zuletzt ihn plötzlich zu ersticken.

Wollten so. Jedoch es kam nicht so. Denn die Dogge, ohne sich zu wehren, Zog den Schwanz ein, heulte laut und floh Und begann sofort sich zu vermehren.

Und die neuen jungen Hunde knurrten Schon am selben Tag, als man sie warf, Hatten spitze Zähne, und sie wurden Ganz speziell auf Haxenknochen scharf.

Und die Enkelhunde bissen später Jede Haxe ohne Unterschied. Und so rächt die Sünde sich der Väter Bis ins tausendste und letzte Glied.

Meditation

Wolleball hieß ein kleiner Hund, Über den ein jeder lachte, Weil er keine Beine hatte und So viel süße Schweinereien machte.

Warum ist man überall geniert? Warum darf man nicht die Wahrheit sagen? Warum reden Menschen so geziert, Wenn sie ein Bein übers andre schlagen?

Um dies überschätzte homo sum Werd’ ich täglich wirrer und bezechter. Ach, die Schlechtigkeit ist gar zu dumm, Doch die Dummheit ist noch zehnmal schlechter.

Hat der Wolleball von seinem Herrn Nichts gewußt, nur Launen mitempfunden, Hatte der ihn andrerseits sehr gern Und verstand im Grunde nichts von Hunden.

Er ist tot, auf den ich solches dichte. Mir ist Wurscht, wo sein Gebein jetzt ruht. Aber die Pointe der Geschichte Muß ich sagen: er war herzensgut.

Und sein Wolleball war gut. Er grollte Nie. Ein einzig Mal nur biß Er nach mir, als ich verhindern wollte, Daß er wieder in die Hausschuh schiß.

Zehn Mark, my dear

Heusinger war heute bei mir. Ob ich morgen mit zum Rennen käme, Weil doch wiedermal sein Pferd My Dear An dem Derby teilnehme.

Das dumme Tier My Dear Ist noch gar nicht hier. Aber es kommt vielleicht, Abgeschickt ist es; Hat aber noch nie ein Ziel erreicht.

Den ganzen Tag frißt es.

Selten steht es. Meistens liegt es. Ganz langsam geht es, Es sei denn: man schiebt es, Oder wenn es Hafer sieht, dann fliegt es. Niemals aber, niemals siegt es. So ein Pferd! Und so was gibt es! Heusinger natürlich liebt es.

X-Beine hat’s Und sieht aus wie ungeboren. Fünf Mark Sieg und fünf Mark Platz Hab’ ich Rindvieh an dem Roß verloren.

Niemals wieder werde Ich bei einem Rennen Wetten, ohne Pferde Vorher ganz genau zu kennen.

Stelle dir doch einmal vor: Zehn Mark Leberkäse! Zehn Mark Bier! Oder sonstwas, was ich an My Dear Sozusagen Knall und Fall verlor.

Nein, man soll nicht aufs Geratewohl riskieren. Dann schon lieber in der Lotterie Was gewinnen, als um solch ein Vieh Auf betrügerische Art sein Geld verlieren.

Tierschutz-Worte

Seien Sie nett zu den Pferden! Die Freiheit ist so ein köstliches Gut. Wie weh Gefangenschaft tut, Merken wir erst, wenn wir eingesperrt werden.

Seien Sie lieb zu den Hunden! Auch zu den scheinbar bösesten. Kein Mensch kann in Ihren schlimmen Stunden Sie so, wie ein Hund es kann, trösten.

Gehen Sie bei der Wanze Aufs Ganze. Doch lassen Sie krabbeln, bohren und graben Getier, das Ihnen gar nichts entstellt.

Alle Tiere haben Augen aus einer uns unbekannten Welt.

Kochen Sie die Forelle nicht Vom Kaltwasser an lebendig!

Auch jeder Gegenstand hat sein Gesicht, Außen wie inwendig. Und nichts bleibt vergessen.

Die Ewigkeit, die Unendlichkeit Hat noch kein Mensch ausgemessen, Aber der Weg dorthin ist nicht weit.

Suchen Sie jedwede Kreatur In ihr selbst zu begreifen. Jedes Tier gehorcht seinem Herrn.

Sich selber nur Dürfen Sie – und sollen es gern – Grausam dressieren (die Eier schleifen).

Maler und Tierfreund

Ich hatte eine Landschaft in Öl gemalt, Und sie gefiel mir sehr: Ein blauer Himmel, aus dem die Sonne wie Wonne strahlt, Und darunter weites, ruhiges, grünes Meer. »Einsame Sehnsucht.«

Danach fuhr ich irgendwo hin, Um einen kleinen Affen zu erwerben, Weil ich ein Tierfreund bin. Aber was einem die Tiere nicht alles verderben.

Wieder zu Haus, stieß ich aus einen Schrei, Denn mein Bild war verhext. Erstens hatte mein Papagei Etwas Groteskes ins Meer gekleckst

Und das geradezu künstlerisch kühn. Aber das Wasser selber war abgeleckt Von meinem Wolfshund. Der lag vom Schweinfurter Grün Vergiftet am Boden, verreckt.

In den Himmel hatte sich eine Fliege geklebt, Und zwar mit dem Rücken. Die strampelte, wie man, wenn man Großes erlebt, Mit den Beinen strampelt vor lauter Entzücken.

Und offenbar nicht minder beglückt In ihrer Nähe Hing auch mein Laubfrosch ans Bild angedrückt Und tat so, als ob er die Fliege nicht sähe.

Da wollte mein Affe mit lautem Geschrei – – – Doch ich band ihn fest. Und lächelte dann. Wie gut, daß man bei der Ölmalerei Alles noch übermalen kann.

Mit Phantasie das Gegebne fixiert – Genie und Farbe und Lichter dick aufgetragen – Schwarz, Weiß, Rot, Ocker mutig darüber geschmiert – – – Ein schönes Bild, muß ich selber sagen, »Mein Selbstporträt«.

Amaryllis

Das Atelier ist heiß. Draußen, drunten die andere Welt Klopft ihre Teppiche, schreit und bellt. Der Maler, der das wußte, er weiß Es jetzt nicht mehr. Die Zeit steht still. Der Pinsel zecht, läuft, zecht, läuft schnell Und weiter, als er darf und will. Reglos im Stuhle das schöne Modell Träumt von sich selber, von Amaryll.

Ausflug

Es wehten Sommerkleider. Enten schnabelten. Es knirschten kleine Steine, Und meine Blicke wippten über Beine Von Mädchen, die Mist gabelten.

Ein weidgerechter Jäger kam daher, Der sein Gewehr An einem Fels zerschlug Und sprach: »Genug!«

Scheu dumme – heißt nach unsrer Weltanschauung – Scheu dumme Hühner flüchteten nervös, Und eine himmlische Erbauung Kam über mich. Ich war niemandem bös.

Im Achtzigkilometertempo prickelten Uns Phantasien über Tod und Glück, Und in dem Staub, den wir dabei entwickelten, Blieb rein Geschautes jämmerlich zurück.

Wie ich mich fremd in viel Intimes dachte, So schnell vorbei, war’s keine Sünd. Zerzaust, beglückt, weil mir die Landschaft lachte Zur Autofahrt Stuttgart nach Schwäbisch-Gmünd.

Landflucht

Fort vom Lande, aus dem engen Städtchen in die Großstadt flieht der Geist, Wo im Kampf der Mengen Er zerreißt. Dort, wo Puls und Uhr Schneller ticken, Wird er sich zusammenflicken, Wenn er’s erst versteht, Daß die unbezwingliche Natur Auch auf Radiowellen, Schienenspur Und Propellerschwingen weitergeht.

Wenn ihm das gelingt, Wenn er nicht darüber ganz verkommt, Wenn ihm die Erkenntnis frommt, Daß die Nachtigall genau so singt Wie ein Spatz Am Alexanderplatz, – – – Ja, dann wird ihn wohl von Zeit zu Zeit Eine Sehnsucht wieder landwärts tragen In die Enge, in die Einsamkeit. – – Bis die simplen, friedlichen, gesunden Bauern ihn nach Tagen Oder Stunden Wiederum verjagen; In die große Stadt zurück. Und dort wird er sagen: Nur im Ruhelosen ruht das Glück.

Ostern

Wenn die Schokolade keimt, Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen »Glockenklingen« sich auf »Lenzesschwingen« Endlich reimt, Und der Osterhase hinten auch schon preßt, Dann kommt bald das Osterfest.

Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen Ostern naht auf Lenzesschwingen, – – – Dann mit jenen Dichterlingen Und mit deren jugendlichen Bräuten Draußen schwelgen mit berauschten Händen – – – Ach, das denk ich mir entsetzlich, Außerdem – unter Umständen – Ungesetzlich.

Aber morgens auf dem Frühstückstische Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische Eier. Und dann ganz hineingekniet! Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme Durch geheime Gänge und Gedärme In die Zukunft zieht, Und wie dankbar wir für solchen Segen Sein müssen.

Ach, ich könnte alle Hennen küssen, Die so langgezogene Kugeln legen.

Mißratenen Kindes Lied

Ich weiß im Lande Leute verstreut, Die saufen sich wissend zu Tode; (Saufen sich, hungern sich, härmen – ganz gleich! Sind alle, die ich meine, nicht reich.)

Mein Vater sagte: »Die Leute von heut Die haben so unsinnige Mode.« Ich antwortete: »Ja die Leute – heut – Leut –«

»Ansehnlich unauffällig gemein« Das scheint mir das Ziel der Mode zu sein.

Ich bin von die Leute von heute Ein Antipode der Mode. Ich bin meines Vaters mißratenes Kind. Gestern starb er. Und heute Weiß ich, daß viele von uns zu Tode Sich quälen und trotzen, die ebenso sind Wie Vater, Urahne, Großmutter und Kind. –

Da pfeift sich was wie Seemannswind: Sauf zu! Hihi! Sauf zu! Hihi! Ich habe keine Sorgen; Höchstens vielleicht die eine, die Um die Leute von morgen.

Bordell

1.

Ich sag’ es ja, Mutter: du hast für dich recht, Diese Weiber sind durch und durch schlecht Und gänzlich verseucht und völlig verkommen. Du hast das von deinen lieben Eltern und aus Büchern entnommen, Darin die Wahrheit umschrieben Ist, weil man sie richtig und scharf Nicht leicht einsehen kann, noch sie drucken darf.

2.

Du tu nur nicht so, guter Vater! Ich weiß Aus Briefen und sonsther sowas über viele Nächte und seltsame Gruppenspiele. Und tausend pro Mädel war damals ein Preis! Ich bin doch kein Kind mehr. Ich meine auch nur: Zehntausend Mark sind schließlich kein Quark. Komm! Trinken wir auf die Tante Bur Und auf einen König von Dänemark.

3.

Aber, liebe Schwester! Ei ei! Geh, so du magst, wie an Klosetten vorbei. Reizt es dich dennoch, hinzusehen, Warum muß das dann spöttisch geschehen? Denke: Was reizte dich wohl, hinzusehen? Wüßtest du, wie sie dich laut beneiden, Wie sie, getretene Tiere, dort leiden In dem Gefängnis der Allzufrein, Würdest du trotz der Geschmeide und Seiden, Des offenen Scheins, der blendenden Beine, Trotz der Erfolge ihnen nicht nur verzeihn. Sollst sie weder beachten noch meiden; Laß sie einfach in Ruh. Sie sind gemeine, befleckte Schweine. Nicht so vornehm und rein und welterfahren wie du.

4.

Wie, bitte? – Ja, Herr, Sie sind hier ganz richtig. Sie scheinen recht stark und sehr sektfroh zu sein, Und wenn Sie viel Geld haben – das wäre wichtig – Fallen – äh kommen Sie dreist herein. Hier können von dreizehn angefangen Sie Damen jeden Alters verlangen Nebst allen raffinierten Geräten Für Rari-, Abnormi- und Perversitäten. Sie müssen die Kühe nur richtig fassen. Sollten Sie etwas Geschmack besitzen, Ja nicht das merken lassen. Aber mit Ihren Brillanten recht blitzen. Viel Trinkgeld dem Pförtner! Das macht sie vertraun. Viel Sekt und auch Schnäpse! Das macht sie berauscht. Dann dürfen Sie sie bestehlen, verhaun, – Oder wenn ihr die Rollen vertauscht – – – Mehr zu reden, hätte nicht Sinn, Er ist ja schon drin.

5.

– Duddeldei oder Daddeldu, So ein echter Vollblutmatrose, Zweimal so breit und so stark wie du. Und sie hat ihm die Klappe von seiner Hose Einfach heruntergefetzt. Und dann ist die dicke Therese gekommen Und hat ihm den Bambuskorb weggenommen Und die Schildkröte in den Nachttopf gesetzt. – –