Jugendraub - Maik Harmsen - E-Book

Jugendraub E-Book

Maik Harmsen

5,0

Beschreibung

1944. Berlin. Otto Schulz, 17 Jahre alt, wurde im Schnell-Kurs zum Kriegsknecht geschliffen. Dann musste er in den Krieg ziehen. Einige Wochen später nahm man ihn fest. Er kam nach Russland in ein Arbeitslager. Es folgte ein Trott mit harter Arbeit. Hunger. Kälte. Krankheit und Tod. Heimlich schrieb er für sich alles auf, was er da in den Jahren erlebte ...

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Inhalt

Vorwort

- 1944 -

Einberufung zum Reichsarbeitsdienst

Ausbildung im Sennelager

- 1945 -

Stellungskrieg in Ziltendorf

Geschnappt bei letzter Schlacht

Zugtransport ins Ungewisse

Lager 7166/1 in Pitkjaranta

Die Flucht der Schneider

- 1946 -

Bau des neuen Lagers

- 1947 -

Harte Arbeit imWaldlager

- 1948 -

Dreckarbeit in der Zellulose Fabrik

- 1949 -

Transport nach Tscherepowez

Rippenfellentzündung in Baracke 27

Zweiundzwanzigster Geburtstag

Mord im Lager

Arbeit im Kinderheim

Transport nach Rostow am Don

Rückkehr in die Heimat

Epilog

Über den Autor

Vorwort

Herbst 2015. Ich war in Berlin in einem Café. Da traf ich einen alten Mann. Der erzählte mir gleich aus dem Alltag, was er machte und wie er im 2. Weltkrieg am Leben blieb.

Da wollte ich mehr von hören. Er sagte mir, wie er zum Militär kam. Wie er geschliffen wurde und das schießen mit der Waffe lernte. Wie er an die Front kam und ihm da die Kugeln um die Ohren flogen. Wie er gefasst wurde und nach Russland kam. Was es in den Lagern für Leid gab. Wie er da mit Kälte, Hunger und harter Arbeit fertig wurde ... Und wie er in die Freiheit kam.

Er schrieb alles heimlich für sich auf. Wenn er mal alt ist, wollte er sich an die Zeit erinnern, falls er den Krieg überlebt. Es war extrem riskant, was er tat, da das verboten war. Die Folge war eine Anklage. Es ergriff mich sehr, was er sagte.

Ich meinte, das ist ja Stoff für ein Buch. Er zog das auch schon in Betracht, nahm aber Abstand von der Idee. Er war der Ansicht, dass hierfür keiner mehr Interesse hat. Ich sagte ihm, dass das nicht wahr ist, und stimmte ihn um.

Er lud mich zu sich ein. Da zeigte er mir alle Notizen, die er machte und so entstand das Buch. Das sah er leider nicht mehr, da er starb, bevor es in Druck ging.

Was bleibt, ist ein Nu aus dem Leben von einem Mann. Und ein Erbstück an die furchtbarste Zeit in der Geschichte.

Im Frühjahr 2017

Der Verfasser

- 1944 -

Einberufung zum Reichsarbeitsdienst

16. März 1944 in Berlin. Mit Mutter und Vater feierte ich heute den 17. Geburtstag. Sie schenkten mir 3 Hefte und Bleistifte. Da ich Tagebuch führte, freute mich das sehr. Dann sagte Vater, daß er in den Keller geht. Als er wieder kam, hatte er einen Koffer bei sich.

Er legte ihn auf den Tisch und sagte: «Den mein Junge, bekommst Du auch von mir. Es ist aber kein normaler Koffer, sondern er verbirgt ein Geheimnis und das zeig ich Dir jetzt.» Wie der auf war, kiekte ich rein und sah, daß er leer war. Dann sagte er: «So, äuge genau hin. Hier unten ist ein doppelter Boden, und den nehme ich jetzt raus. Siehst Du! Da ist genug Platz, um auch ein Buch zu verbergen. Das findet da nur einer, der das weiß. Gefällt er Dir?» Und der gefiel mir in der Tat. Vater schloß den Koffer und stellte ihn auf den Boden. In der Folge sprachen wir über das, was wichtig war.

Meine Lehre in der Landwirtschaft bestand ich mit sehr gut. Mutter und Vater freute das sehr. Ihre Sorge ist aber groß, daß man mich auch einzieht, wie die 2 Brüder von mir. Vater ist ein Gegner vom Krieg. Er sagt, daß Hitler den nie gewinnt. Was nicht möglich ist. Auf der Straße durfte er das nie sagen. Nur in der Familie blieb es geheim.

Der 17. Ich bin in Brügge. Der Abschied aus Berlin, und von den Eltern war herzlich, aber auch schmerzhaft. Wann ich sie das nächste Mal sehen werde, ist ungewiß.

Am Abend zog ich wieder in die kleine Stube ein. Ich freue mich auf die Arbeit hier, bei der ich mit ganzen Herzen da bei bin. Auch auf die Ausbildung in der Schule für Landwirtschaft in Oranienburg. Nach dem Abschluß versprach man mir in den «Neuen Ostgebieten», eine Stellung als Gutsinspektor. So sagte es mir Minister Darré, der für die Landwirtschaft zuständig ist. Ich hoffe, daß das nicht nur Propaganda von ihm ist. Er die Naivität von mir ausnutzt und den Traum von mir wie eine Seifenblase platzen lässt.

Der 21. Wir hatten in den letzten Tagen sehr viel Arbeit. Ich kam immer erst spät ins Zimmer und schrieb deshalb nichts auf. Heute kam ein Brief vom Hitlerjugend-Gau. Da fordert man mich auf, am Lehrgang zur Wehrertüchtigung in Kreibitz-Teichstadt im Sudetenland teilzunehmen. Der dauert 2 Wochen. Den Brief zeigte ich dem Lehrherrn. Der ist hier auch der Bürgermeister. Er freute sich darüber und besteht darauf, daß ich teilnehme. So bleibt mir nichts anderes übrig.

Der 5. April. Heute fuhr ich nach Kreibitz-Teichstadt. Mein Lehrherr brachte mich in der Früh an den Bahnhof. Am späten Nachmittag kam der Zug an. Zuerst wurden wir in «Feldgrau» gekleidet. Wie das erledigt war, zeigte man uns die Schlafbaracken. Das Schlafen in Sälen und auf Pritschen war ich gewohnt. So ist das auch bei Jungvolk und Hitlerjugendfahrten. Das Frühlingswetter läßt auf sich warten. Es ist raues, kaltes Wetter und oft regnet es auch mal heftig.

Der 6. Heute war Einkleidung und Eingewöhnung. Der Zug von uns hat zum Glück einen freundlichen Ausbilder. Der ließ uns gleich auf dem Boden herum kriechen. Am Nachmittag warfen wir Handgranaten auf Attrappen. Durch die alltägliche Leibesertüchtigung kann ich auch das Hitlerjugendleistungsabzeichen in Silber schaffen.

Der 19. Die letzten 13 Tage waren sehr hart und ich hatte keine Minute Zeit für die Einträge.

Es passierte nichts von Belang. Heute war der letzte Tag. Ich habe es geschafft und bekam das HJ-Leistungsabzeichen in Silber. Da freute ich mich sehr. So habe ich jetzt auch an meiner Braunhemdenbrust etwas zum Vorzeigen. In der Tat war der Ausbilder gnädig bei mir. Ich schaffte nämlich den Dreißigmeterballweitwurf nicht. Ich kam nicht über die 26 Meter hinaus. Die 2 Wochen in Kreibitz sind endlich rum. Morgen fahr ich nach Brügge zurück.

Der 20. Heute am frühen Abend kam ich auf dem Gutshof an. Mein Freund Werner war aber nicht da. Ich fragte den Lehrherrn. Er sagte mir, daß man ihn vor 3 Tagen zur Waffen-SS einzog. Er lernte auch hier. Hat Abitur und beschreitet so den Weg schneller nach oben. Ich habe keine Ahnung, ob wir uns jemals wiedersehen ...

5 Wochen später … Einen warmen Sommertag hatten wir heute. Bei dem Wetter war sehr viel zu machen. Es kam wieder ein Brief von der HJ-Leitung für mich an. Es ist eine Aufforderung zur Teilnahme an einer Wehrbefragung. Die findet in Pritzwalk statt. Mir bleibt keine andere Wahl als dahin zu gehen.

Der 21. Juni. Fahrt nach Pritzwalk. Ich kam dort später wie geplant an. Der Zug von uns ließ erst einen Militärtransport vorbeifahren. Dann fuhren wir erst los. Ich kam an einer Gastwirtschaft an. Vor der Tür postierten 2 SA-Männer. Ich zeigte ihnen die Einladung. Einer schloß die Tür auf und ließ mich durch die kleine Tür in den Saal.

Der Raum war voll und es gab keine Sitzplätze mehr. Viele Männer standen schon überall rum. Auf der Bühne sah ich einen langen Tisch. Der war mit Hakenkreuz- und Reichskriegsflagge dekoriert. Hinter ihm thronten Offiziere von Luftwaffe, Marine und Waffen-SS.

Ein Marineoffizier stand dahinter und hielt eine Rede. Ich hörte, wie er zu den Abiturienten sprach. Er wollte die für seinen «Verein» gewinnen. Dann liefen Marinesoldaten durch die Reihen und verteilten Zettel. Ich sah später, daß es Verpflichtungserklärungen waren.

Der nächste Redner war ein Major von der Luftwaffe. Der warb, daß technisch begabte und schon in der Flieger-HJ vorgebildete Männer - so wurden sie hier alle genannt - eine ausgezeichnete Ausbildung zum Piloten erhalten.

Der letzte Redner war ein Obersturmführer der Waffen-SS. Wortphrasen wie: «Alles ist, motorisiert ... beste Ausrüstung … gute Verpflegung», dröhnten durch den Raum. Er verschmierte verbal sehr viel Honig, so daß mir von seinem Gesabber übel wurde. Von den etwa 80 die zugegen waren, hatte - außer ein paar Behinderte - keiner den Saal verlassen, ohne sich «freiwillig» zu verpflichten.

Ich auch nicht. Ich bewarb mich für den Sanitätsdienst. Bei der «Feldscher-HJ» bekam ich ja schon ein bisschen Einblick, in das, was ein Sanitäter macht. Den Tag vergesse ich nicht so schnell. Er brachte mich dazu, über die Praktiken der Großkopferten im Reich nachzugrübeln.

Der 28. Eine Woche seit der Wehrbefragung traf der nächste Zustellungsbrief bei mir ein, die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst. Die Ernte vom Heu ist jetzt in vollem Gange und die Kartoffeln werden eingeigelt. Mein Lehrherr schimpfte wie ein Rohrspatz, daß ich ausgerechnet jetzt den Hof verlasse. Trotz seiner Haltung zum Nationalsozialismus ärgerte er sich. Er tobte den ganzen Tag. Nur ist es nicht zu ändern.

Der 3. Juli. In der Früh nahm ich bei allem vom Hof Abschied. Mein Lehrherr fuhr mich zum Bahnhof. Ohne ein Mal Luft zu holen, schimpfte er die ganze Fahrt über. Der Abschied war freundlich. Und er freut sich auf das Wiedersehen. Ich auch, sagte ich ihm. Mit dem Zug fuhr ich nach Berlin. Ich brauche andere Kleidung. So konnte ich zu Hause schlafen. Vater und Mutter freuten sich sehr, wie ich kam. Den Tag verbrachten wir in aller Ruhe. Jetzt ist es kurz nach halb elf und ich gehe gleich ins Bett. Der Zug nach Werneuchen fährt morgen vom Wriezener Bahnhof ab. Vater bringt mich früh zum Bahnhof.

Der 4. Ich nahm Abschied von Mutter, mit Tränen in den Augen. Am Bahnhof kam auch der von Vater. Ich stieg ein und der Zug setzte sich in Bewegung. Wir winkten uns so lange zu, bis ich ihn nicht mehr sah.

In Werneuchen zeigte man uns gleich die Unterkunft. Ich war angenehm überrascht, als ich die sah. Nur 4 Männer auf der Stube. Bezogene Betten und Decken. Und die Verpflegung ist auch bestens. Die Begrüßung war am Nachmittag. Danach wurden die Utensilien gefasst: Ausgehuniform, Arbeitsanzug, Unterwäsche, Handtücher, Knobelbecher und der Spaten. Er ist das Wichtigste des Arbeitsmannes. Schmirgelpapier gab es auch.

Ich hatte das Pech und erhielt ein sehr stark verrostetes Exemplar. Nach Anweisung des Vormannes gelang es mir, den Rost zu entfernen. So war nach harter Arbeit, der Spaten bereit für den Appell. Vorn wurde dann noch ein 3 Zentimeter breiter Rand - Spiegel genannt - glänzend geschliffen.

Mit dem Spaten wird gearbeitet, exerziert und er wird behandelt, wie ein Gewehr. Als alle fertig waren, lernten wir noch die Kommando-Befehle: «Habt acht!» Da stellt man sich etwas breitbeinig hin und läßt ihn in der Körpermitte auf dem Boden stehen. «Achtung! Spaten fasst an!» Das ist der Befehl zum Präsentieren. Beim Marschierenheißt es: «Spaten über!»

Der 5. Die erste Arbeit war, das ausgraben von Gruben vor dem Hauptgebäude. Da setzen wir Eichenbäume ein.

Die nächste Aufgabe, die auf uns wartet, ist Schneisen zu schlagen. Der Wald ist von hier 5 km weit weg. Da werden dann mal Flugzeuge geparkt, wenn sie keinen Einsatz haben.

Da fahren wir mit dem Fahrrad hin. Jeder bekam so eins. Die haben einen geraden Lenker. Der wird, wenn man es abstellt abmontiert und mitgenommen. Ich bekam eins, an dem ist unter dem Lenker ein Behälter aus Metall festmontiert. Da ist das Verbandszeug drin. Hier ist der Sanitäter ein Heilgehilfe.

Der 6. Ich bekam heute den Befehl, daß ich ab jetzt einmal in der Woche in die Krankenstube muß. Und da mußte ich gleich in der Früh hin. Da gibt es 3 Heilgehilfen, die werden vom Sanitätstruppenführer ausgebildet. Die haben aber wenig Arbeit. Heute wurde nur ein Knöchel, der verstaucht war und eine Verletzung am Finger behandelt. Und morgen werde ich wieder den Spaten schwingen.

Der 7. Mit den Fahrrädern fuhren wir zur Baustelle. Wenn die Schneisen fertig sind, werden die Rollwege wie Straßen ausgekoffert. Das passiert mit Schotter und Splitt. Der wird mit Stampfern verdichtet. Obendrauf kommt dann eine Art Teer. Das wird etwa 4 Monate dauern.

Der 4. November. In denen passierte nichts, was nicht Trott war. Aber heute sah ich um ein Haar den ersten Toten.

Wir saßen beim Frühstück. Da gab es einen sehr lauten Knall. Jeder erschreckte sich. Dann standen wir alle von den Stühlen auf und liefen raus ins Freie. Jeder wollte sehen, was passiert war. Ich sah, daß hinter einer Anhöhe eine Rauchwolke aufstieg. Einer rief, daß ein Flugzeug abgestürzt ist. Da rannten wir los. Etwa 800 Meter war das weg.

Als ich auf dem Hügel war, sah ich nur einem tiefen Krater und Teile vom Wrack, die qualmten und lagen überall verstreut rum. Wir mußten aber sofort wieder zurück und zur Arbeit.

Abends hörten wir, daß das Bergungskommando von dem Testpiloten nur einen Fliegerstiefel und das Soldbuch fand.

Auf dem Luftwaffenversuchsflugplatz wird der neu entwickelte Düsenjäger, die ME 262 getestet, eingeflogen und für den Einsatz an der Kanalküste bereitgestellt.

Vom Flugbetrieb bekommen wir so gut wie nichts mit, da die Arbeitsstelle von uns weit weg vom Fluggelände ist.

Ausbildung im Sennelager

Der 18. Die Zeit in Werneuchen war sehr schön, aber leider wurde sie heute jäh beendet. Alle jungen Männer vom Jahrgang 1927 werden für das Heer gebraucht. Das betraf auch mich. Ich packte sofort den Koffer und fuhr heim.

Spät am Nachmittag kam ich zu Hause in Schöneweide an. Da lag der Gestellungsbefehl auf dem Tisch. Ich machte den Brief auf und las: «Sie haben sich am 20.11.1944 auf dem Truppenübungsplatz Sennelager einzufinden. Melden Sie sich in der Schreibstube 2. Kompanie, 4. SS Panzeraufklärung.» So wird es erst mal nichts aus meinem gewünschten Sanitätsdienst.

Der 20. Ein grauer, nebeliger und kalter Tag. Vater brachte mich wieder an den Bahnhof. Der Abschied von zu Hause war noch grausamer für Mutter. Ich fuhr mit ein paar Plünnen im Koffer zum Sennelager. Als ich an der Wache am Lagertor eintraf, sah ich, daß schon sehr viele Männer da waren. Wir waren nur eine kleine Gruppe und wurden sofort zur Versammlungsbaracke geschickt. Auf dem Weg kam uns eine Marschkolonne entgegen. Die Männer sangen aus voller Brust: «Mädel draußen ist´s so schön, lass uns mal spazieren geh´n.»

Dann kamen wir an der Baracke an und ich sah, daß die bereits ordentlich gefüllt war. Es dauerte gar nicht lange, da betrat der Spieß, das sah ich an den 2 Litzen am unteren Ärmel, mit Gefolge den Raum. Einer rief: «Achtung!» Und alle wurden still. Es war der Hauptscharführer, so stellte er sich vor. Nach einer kurzen Begrüßung, die mit dem Hinweis endete, daß der Führer und der Reichsführer-SS Himmler große Hoffnung auf uns setzen. Im Anschluß verlas er die Namen der Anwesenden. Wer nicht laut genug «H-i-e-r» rief, bekam gleich einen barschen Anschnauzer von dem Herrn Hauptscharführer.

Bei der Wehrmacht ist es der Oberfeldwebel. Am Schluß stellte er die Unterscharführer vor. Das sind die Zugführer, die uns bei der Unterrichtung anleiten. Ich hatte Glück mit der Zuteilung. Ich bekam einen der zurückhaltend und freundlich war. Er sagte uns, daß er nach einer Verwundung im Fronteinsatz jetzt hier Ausbilder ist. Sein bürgerlicher Name ist Max Link. Der darf aber nie ohne den voran gesetzten Dienstrang genannt werden. Dann nahm er die ihm zugeteilte zivile Horde unter seine Fittiche und zog mit uns in eine Baracke ein.

Jeder suchte sich einen leeren Schrank und ein Bett. Ich legte den Koffer darauf und ging zur Kleiderkammer. Da bekam ich Unterwäsche, wollene Socken, Schnürschuhe, Knobelbecher, Lederhose, Lederjacke, eine feldgraue Uniform, Gürtel, Brotbeutel, Kochgeschirr und Bettzeug.

Besteck, Waschzeug und Handtücher mußte jeder von zu Hause mitbringen. Das war so auf dem Einberufungsbefehl vermerkt.

Als ich zurück in der Baracke war, versuchte ich alles im Schrank zu verstauen. Mein Spindnachbar war schon da und stellte sich vor. Ich fragte Fritz, wie man das was ich dabei hatte in so einen kleinen Spind verstaut. Der war auch ratlos. Da ich schon Erfahrung gesammelt hatte, schaffte ich das nach einer Weile.

Die Zivilsachen kamen in den Koffer. Da schrieb jeder die Anschrift drauf. Die bringt man in ein Lager. Ist der Krieg vorbei, erhält man die wieder. Sofern man am Leben bleibt ...

Dann erfuhr ich von Fritz, daß er aus Kyritz stammt. Er hat den Schlafplatz über mir. Wir verstanden uns gleich sehr gut. Er legte sich auf dem Bett hin und ich sah mich im Raum um. Am Ende der Baracke sah ich 2 Männer etwa Mitte dreißig. Die hielten angeregt und laut einen Plausch. Dem Dialekt nach sind die aus Österreich. Es schien mir so, daß die keinen Anschluss suchen. Das Abendessen ist vorbei. Fritz liegt schon im Bett. Ich auch. Bin ich mit Schreiben fertig, hoffe ich, daß ich schnell einschlafe ...

Der 21. Pünktlich um 7 Uhr schalte es heute Morgen: «A-u-f-s-t-e-h-e-n», durch die Baracke. Sofort sprangen wir aus dem Bett und rein in die Stiefel. Ich sah. Daß die von Fritz sehr dreckig waren, und sprach ihn darauf an. Er sagte, daß er in der Nacht mal raus mußte. Da er keine Taschenlampe dabei hatte, trat er voll in den Matsch. Ich schnappte mir das Waschzeug und lief mit ihm und allen zur Waschbaracke. Es goß in Strömen. Der Lehmboden war durchweicht und es war rutschig. Als ich in die Baracke kam, sah ich einen langen Waschtisch. Der steht in der Mitte und man kann sich von beiden Seiten waschen. Das Wasser war kalt und roch nach Chlor. Das Klosett ist hinter der Baracke. Nach der Prozedur zogen wir uns an. 2 Männer bekamen den Befehl in die Küche zu laufen. Und ich war dabei. Wir mußten die Kannen mit dem Muckefuck holen.

Neben dem Eingang ist ein Raum, in dem sind die Unterführer. Da herrscht eine eiserne Regel, die von uns strikt zu befolgen ist. Jeder Rekrut, der in das Unterführerzimmer gerufen wird, darf auf keinen Fall an die Tür klopfen und gleich eintreten. Er muß, sich vor die Tür knien und laut rufen: «Der unerfahrene SS-Mann, bittet die vom Pulverdampf ergrauten Krieger, sprechen zu dürfen.» Erst dann wird die Tür geöffnet. Dann kommt einer und fragt nach dem Begehren. Als wir vorbei liefen roch ich den Geruch von frisch gemahlenem Bohnenkaffee. Wir müßen uns mit Muckefuck abfinden, einer kleinen Portion Brot, Margarine und Kunsthonig. Diese Verpflegung ist für mich viel zu wenig und alle anderen mosern auch leise vor sich hin.

Nach dem Frühstück fing der Trott mit einem Marsch zur Sanitätsbaracke an. Hier folgte eine Reihenuntersuchung. Dann wurde jedem seine Blutgruppe in den Oberarm tätowiert. Das ist ein Privileg der SS gegenüber der Wehrmacht. Bei einer Verletzung mit Bewusstseinsverlust sieht der Sani sofort die Gruppe und man erhält gleich die richtige Bluttransfusion. Nach dieser Prozedur erhielt ich eine Gasmaske und die «Braut» des Soldaten, das Gewehr. Zum Abschluß gab es dann die Erkennungsmarke.

Nach dem Mittagessen fing die Ausbildung an. Die beschränkt sich in der Hauptsache auf Übungen im Gelände. Bei sonnigem Wetter ist es angenehm, auf den Ellenbogen durch die schon verblühte Heide zu robben. Da bleibt die Lederuniform trocken. Aber bei Regenwetter so wie heute, da ist es im Gelände kein Vergnügen, da die Ledersachen schnell schwer wie Blei werden. Und das Trocknen in der Stube ist schwierig. Es ist nur vor unseren Betten erlaubt. Das wird jetzt mindestens 2 Tage dauern. Zum Glück haben wir morgen Waffenkunde.

Der 22. Die heutige Belehrung über Waffen fand in der Baracke statt, so wie jetzt jeden zweiten Tag. Unser Trupp hat 10 Mann. Wir versammelten uns um einen Tisch. Auf dem lag ein MG 42. Der Truppenführer ist ein Ober SS-Mann.

Der Rang kommt nahe dem Gefreiten bei der Wehrmacht. Die Aufgabe von ihm besteht darin, uns zu erklären wie ein Gewehr funktioniert und das zu begreifen. Jetzt lernen wir wie das zerlegt und zusammengebaut wird.

Im zweiten Monat üben wir mit dem zu Schießen auf dem Schießplatz. Da bekommt jeder 10 Schuß zugeteilt. Die feuert er dann auf ein Ziel ab.

Der 2. Dezember. Heute übten wir im Wald. Nachdem wir fertig waren, nahmen wir Tannenzweige mit ins Lager. Wir machten daraus einen Adventskranz. Es wurde ein Riesiger. Der wurde, an die Decke gehängt. Wie zu Hause, zünden wir ab morgen jeden Sonntag eine Kerze an.

Der 21. Der zweite Monat der Ausbildung fing heute an. Wir liefen zum Schießplatz. Erstmal bekam jeder 5 Patronen. Die Scheibe traf ich bei jedem Schuss, nur nie die 12.

Das Angenehme war, wir wurden nicht geschliffen, liefen ohne Tritt. Im Anschluss reinigte jeder sein Gewehr. Schloß zerlegen, putzen, ölen und wieder zusammenfügen. Dann den Gewehrlauf reinigen und den Kolben mit Öl einreiben.

Darauf folgte die Kontrolle durch den Truppenführer. Das Wichtigste für ihn ist der Lauf. Kein Staubkorn duldet er dort. Da die tägliche Waffenreinigung schon auf dem Dienstplan stand, hatte ich darin Übung. Ein Mal in der Woche marschieren wir nun auf den Schießplatz, um zu üben.

Der 22. Die Ausbildung ist hart. Schwer zu schaffen macht uns Kälte und Nässe. Kommunikation unter uns Kameraden gibt es fast nicht mehr. Am Abend gehen die meisten gleich erschöpft in ihr Bett. Mit Fritz spreche ich auch nur kurz über den Alltag. Die Einzigen die man stetig reden hört, sind die 2 aus Österreich. In der letzten Nacht mußte ich austreten. Im Licht der Taschenlampe fiel mir auf, daß das obere Bett leer war. Doch im unteren lagen 2 hintereinander. Ich nahm an, daß die das sind und sich leise unterhielten.

Der 23. In der Früh rüttelte mich jemand wach. Als ich die Augen auf hatte, sah ich, daß Fritz es war. Er sagte leise: «Sieh mal, was die da treiben», und zeigte auf das untere Bett der Österreicher. In der Baracke war es halbdunkel. Ich sah kaum etwas. Da ging die Tür auf und jemand kam rein und es wurde kurz heller. Da sah ich das, was er meinte. In dem Bett bewegte sich die Decke auf und ab und das Gestell quietschte leise. «Siehst du das? Diese Dreckschweine! Die sind schwul und das hat der Führer verboten. Melden muß man das», flüsterte er und ich sagte: «Laß die doch in Ruhe und kümmere dich nicht darum.» Ich sah, daß er verärgert über das war, was ich sagte. Er begab sich ohne Worte in sein Bett.

Hoffte er, daß ich die verpetze? Das kommt nicht in Frage. Ich schwärze nicht einen an. Er sprach heute kein Wort mehr mit mir. Das störte mich aber nicht im Geringsten. Am Abend bekamen wir einen Tannenbaum. Leider gibt es keinen Heimaturlaub.

Der 24. Sonntag, vierter Advent und Heiliger Abend. Nach dem Frühstück. Ich wurde von Kameraden gefragt, ob ich mit ihnen gehe, um die Gegend zu erkunden. Für das schmücken vom Baum, gab es genug Helfer und so sagte ich zu. Auch Fritz wollte mit. Da sah ich, daß die Betten der Österreicher leer waren. «Die sind ja weg? Weißt du, wo die hin sind?», fragte ich Fritz. Der meinte hämisch, daß die vermutlich bei ihrer Sauerei ertappt wurden. Ich sagte darauf nichts.

Wir liefen von Hof zu Hof und baten die Bauern um Brot. Der Plan scheiterte, denn die lehnten die Waffen-SS ab.

Am Abend zogen wir uns die graue Uniform an. Dann setzten wir uns im Kreis hin. Wer von zu Hause Gebäck geschickt bekam, stellte das auf den Tisch unter den Baum. Die Unterführer kamen zu uns. Die hatten schon reichlich Alkohol intus. Sie blieben kameradschaftlich und sangen mit uns Weihnachtslieder. Einer spielte dazu mit einer Gitarre.

Jeder Soldat bekam ein Päckchen «Moro» Zigaretten. Da ich nicht rauche, schenkte ich die Fritz. Der freute sich sehr. Jetzt reden wir auch wieder. Heute fiel der «Licht aus» Befehl aus. Das nahmen viele wahr, und so wurde es ein langer Abend für die. So eine Gelegenheit kommt erst in einem Jahr, das nächste Mal wieder. Falls wir dann noch da sind. Eher fraglich ...

Der 25. Der Höhepunkt heute war das Essen am Mittag. Das war, für das was es sonst gab fast schon luxuriös. Es gab für uns ein Stück Gans. Dabei war Rotkohl und Kartoffeln.

In der Nacht schlief ich nicht ein. Ich grübelte und döste ich vor mich hin. Die Lampe war schon lange aus. Über mir hörte ich auf ein Mal ein leises Stöhnen. Dann fing das Gestell an, sich ein wenig hin und her zu bewegen. Da ja viele laut schnarchen, nahm ich das erst gar nicht wahr. Das konnte nur Fritz sein, dachte ich. Ich wußte genau, was er machte und das erregte mich auf einmal. So fing ich an, bei mir selbst ein wenig zu spielen ...

Ich machte die Augen zu. Dann stellte ich mir vor, wie ich unter der Brause schon jede Menge nackte Männer sah. Ich kuckte mir die genau an. Da war ich oft verdutzt, was einige für lange hatten. Ich sah mal zu, wie einer, den mit Lust und Liebe wusch. Die Folge war abzusehen. Als er merkte, daß ich das sah, drehte er sich schnell zur Wand hin um.

Mit Frauen hatte ich bis jetzt nichts. Ich bin noch feucht hinter den Ohren. Wie es geht und was man machen muß, bekam ich oft schon mit. Die das sagten, hatten auch alle ein langes Glied und liebten die Weiber nicht nur ein Mal am Tag. Da wurde ich oft neidisch. Ich hörte auf einmal, daß es über mir still war. Er hat es geschafft, dachte ich und freute mich für ihn. Ich machte aber Schluss ... und kurz darauf schlief ich ein.

Der 28. Mitten in der Nacht riss man uns abrupt aus dem Schlaf. Es war ein Donnerschlag, der mich weckte. Ich sah, daß es die Tür der Baracke war. Eine Stimme schrie: «Alle aus den Betten ... und in einer Reihe davor aufstellen!» Es war der Oberscharführer. Dann rief der: «Schwanzkontrolle! Zieht alle die Vorhaut zurück!» Da sah ich, daß ein Sanitäter kam. Der war schon älter. Er hatte einen weißen Kittel an und trug Handschuhe aus Gummi. Er fing an und ich hörte, wie er dem Ersten sagte, daß er sein Glied hochhalten soll. Beim Zweiten fasste er das an und drehte es hin und her. Einer wurde aufgefordert, sich sofort im Waschraum den «Käse von der Nille zu waschen». Er rannte raus. Dann war er bei mir, da war aber alles in Ordnung.

Wie er fertig war, hielt der noch eine Rede. Er sagte uns, wie wichtig die Intimhygiene ist. Und das er das jetzt oft in der Art wiederholt. Niemand erfährt, wann das ist.

- 1945 -

Der 15. Januar. In den ersten Wochen vom Jahr war nichts von Bedeutung. Heute habe ich wieder Zeit zum Schreiben. Es schneit jetzt sehr oft. Die Ausbildung im Freien ist bei der Kälte kein Vergnügen mehr. Die Stube wird nicht mollig warm und meine Plünnen trocknen nicht mehr.

In der Früh stellte man Betten und Spinde zu uns rein. Dann kamen 4 Volkssturmmänner an. Jeder kann der Großvater von uns sein. Sie hatten Rucksack oder Koffer bei sich. Voll mit Futterage. Ich sah Schinken, Wurst und Käse.

Von so was träumte ich in den 2 Monaten nur. Die 4 blieben aber unter sich, redeten nicht mit uns und gaben auch nichts ab. Doch jeder von uns lechzte danach.

Der 23. Eine Woche ist um. Die vom Volkssturm verließen uns in der Früh. Die Männer hat man verlegt. Die Ausbildung geht noch weiter und die Abläufe gingen mir in Fleisch und Blut über. Doch am Ende des Monats ist Schluß. Das teilte man uns mit. Das heißt, es gibt Ungutes für uns.

Der 29. Noch 2 Tage bis zum Aufbruch. In der Früh kam ohne Warnung ein Stubenappell. Da kiekte man sich die Uniform an. Die hatte komplett und sauber zu sein. Auch Koppel, Schloss und Knobelbecher mußten glänzen. Dann verkündete man uns, daß morgen die Vereidigung ist. Das haute mich nicht um. Da rechnete schon jeder mit. Doch der Fahneneid heißt auch, ab an die Front. Dann kommen wir zur kämpfenden Truppe.

Alles, was wir bisher machten, war ja nur Spaß, zu dem, was auf uns zu kommt. Fast alle freuten sich. Die hätten sich am liebsten schon morgen in Marsch gesetzt. Ich aber nicht. Da werden nur wenige am Leben bleiben, denke ich.

Hier flog uns keine echte Kugel um die Ohren. Jetzt wird aus einem Spiel bitterer ernst. Man wettet auch schon rege, wo die Reise für uns endet, Ost- oder Westfront.

Der 30. In der Früh kam der Kompanieführer in die Baracke. Er rief: «Kompanie, ohne Gewehr aber mit Stahlhelm raus treten.» Dann hielt er eine kurze Ansprache. Er sagte: «Heute ist ein wichtiger Tag für euch. Ihr dürft euch glücklich schätzen, daß ihr jetzt für unser Vaterland kämpft.»

Dann folgte der Abmarsch. Wir sangen das Erika-Lied bis zum Exerzierplatz. Da standen schon die ersten 2 Kompanien in Formation. Uns platzierte man am rechten Flügel. Gegenüber sah ich eine freie Stelle. Von ferne hörte man den Gesang von einer Truppe, die anrückte. Als die da war, standen alle 4 in U-Form auf dem Platz. Über uns schien heiter die Sonne, und der Schnee glänzte mit unseren Knobelbechern um die Wette. Zum Glück war es heute nicht zu kalt. So standen wir in «Rührt Euch Stellung», ohne das etwas ablief. Doch dann kam klangvoll, das Musikkorps heran und postierte sich hinter der Tribüne. Und 2 Kübelwagen hielten da an.

Aus einem stieg ein SS-Offizier aus und 2 Fahnenträger. Einer von ihnen trug eine gerollte schwarze SS-Fahne. Der andere die Standarte mit dem Hakenkreuz.

Aus dem zweiten stieg ein Standartenführer (Oberst) aus und 2 Sturmbannführer (Majore). Die waren mit Orden reichlich behängt. Sie liefen hinter die Tribüne und setzten sich. Die Fahnenträger stellten sich in die Mitte unserer Formation. Nach einer Weile kam der Bataillonskommandeur. Und mit ihm ein Sturmbannführer.

Wir haben keine Bataillonsstärke, werden aber so benannt. Der Kommandeur nahm Haltung an und befahl: «Bataillon stillgestanden! Zur Meldung an den Standartenführer die Augen links.»

Er drehte sich um, lief im Marschschritt zum Podium, schlug dort seine Hacken zusammen und überbrachte die: «Standartenführer, das Schützen-Panzergrenadier-Bataillon IV ist vollzählig zur Vereidigung auf den Führer angetreten!»

«Danke, Sturmbannführer, lassen Sie rühren!» Es folgte von ihm eine zackige Kehrtwendung und ein: «Bataillon, rührt Euch», hierauf reihte er sich wieder in die erste Kompanie ein.

Sofort erhob sich der Standartenführer und trat hinter das Rednerpult. Ich sah sein Gesicht sehr gut, da ihm die Sonne direkt in sein Antlitz schien. Ich war beeindruckt von seinen vielen Orden und fing an zu zählen. Er hatte sogar das Ritterkreuz, wie ich erkannte. Er legte los: «SS-Männer», begann er lautstark seine Rede, und weiter: «Unser Führer hat euch heute zur Fahne gerufen und ihr seid freiwillig seinem Ruf gefolgt.» Er sprach über die Machtübernahme vom 30. Januar 1933 und warum unsere Vereidigung am heutigen Tag stattfindet. Wir bekommen mit den anderen Einheiten, die auch heute vereidigt wurden, den Namen: «Division 30. Januar». Nach vielen weiteren Phrasen, Lobliedern auf den Führer und das deutsche Volk, beendete er seine Rede mit: «Auf unseren Führer Adolf Hitler, ein dreifach: Sieg heil, Sieg heil, Sieg heil!»

«Vereidigungsdelegierte zur Fahne vortreten», schrie der Bataillonsführer. Aus jeder Kompanie schritt sofort ein SS-Mann zur Fahne und zur Vereidigung. Auf «Bataillon richt Euch! Bataillon still gestanden!», lief der Standartenführer zur Fahne. Da forderte er die auf, 2 Finger auf das Fahnentuch zu legen. Dann sagte er die Vereidigungsformel. Im weiteren Verlauf wandte er sich an das Bataillon. Er rief: «Rekruten! Ab heute seid ihr in die Reihen der Waffen-SS aufgenommen. Ihr seid ab jetzt dem Führer zu ewiger Treue verpflichtet.»

Es folgten noch Propaganda Parolen. Dann kam der Befehl: «Stillgestanden!» Stante pede spielte das Musikkorps die Nationalhymne. Und im Anschluss das Lied «Die Fahne hoch.»

Die Zeremonie war zu Ende. Die Kompanien rückten ab. In der Baracke gab es eine Schachtel Safari-Zigaretten und eine Dose Scho-Ka-Kola Schokolade für jeden.

Der 2. Februar: 3 Tage nach der Vereidigung. Heute übten wir den richtigen Wurf einer Handgranate. Und zum zigfachen mal das Reinigen vom Gewehr, das nie dreckig war. Ich habe das Gefühl, daß das Ende hier naht.

Die Lederuniform wienerten wir auch noch. Dann gaben wir die in der Kleiderkammer ab. Auch die Knobelbecher. Es gab aber neue Stiefel. Die zog ich gleich an. Leider sind sie nicht mehr so feudal. Die Sohle ist aus Birkenholz.

Der 7. Ich hatte recht und heute war es so weit. Nach dem Frühstück mußten wir feldmarschmäßig vor der Baracke stehen. Ein offener M.A.N-Lastwagen, genannt «Holzkocher» fuhr uns zum Bahnhof. Es war auf dem arg kalt. Ein Zug mit geschlossenen Waggons, aber ohne Lok wartete schon auf uns. Bevor wir einstiegen, gab es noch eine Nudelsuppe aus der Gulaschkanone. Die schmeckte mir sehr gut.

Da hörte ich einen schrillen Pfiff. Einer der Männer schrie laut: «Ah, eine Null eins!» Die war für ihn wohl was Besonderes. Ich habe von Loks keine Ahnung. Dann kam der Befehl: «Alle einsteigen!» Eine paar von den Kameraden stiegen nur langsam ein. Es kam mir so vor, daß die keine große Lust hatten, schnell in den Krieg zu ziehen. Mir war auch flau im Magen, trotz der Nudelsuppe.

Der Boden war hart. Wie bei einem Transport für Vieh war er mit Stroh dicht bestreut. Wir waren 16 Mann im Waggon. Jeder suchte sich einen Ort zum Schlafen. Man hatte genug Platz und kam sich nicht in die Quere. Die Tornister nehmen wir als Kissen. Es gab sogar eine Wolldecke für jeden.

Nach einer Weile schoben die Reichsbahnarbeiter die Türen zu. Dann ruckte es und der Zug rollte an. Ein Klosett gibt es im Waggonnicht. Jeder der mal muß, geht zur Tür. Da ist ein Loch zum Wasser lassen. Im Lauf der Zeit taten das einige. Dann war es auch bei mir so weit. Ich mußte dringend, aber ich konnte das nicht vor den Augen aller. Als ich der Meinung war, daß die schliefen, lief es. Sofort machte ich kehrt und kroch zur Schlafstelle. Da hörte ich rechts von mir eine Stimme. «Und? ... Klappte es bei dir?», fragte die leise. Flüsternd meinte ich: «Ja! Es lief wie am Schnürchen», und legte mich hin. «Ick kann nie, wenn mir jemand bekiekt.» Ich sagte: «Ich auch nicht. Nun mach bevor du dir in die Hose pinkelst. Ich gucke weg ...» Da hörte ich, wie das Stroh raschelte und er zur Tür kroch. Was dann passierte, bekam ich nicht mehr mit, da ich einschlief.

Der 8. Ich wurde wach, da dröhnend die Waggontür auf ging. Es war hell draußen und das grelle Licht der Sonne blendete mich. Alle standen auf. Jeder wollte wissen, wo wir sind. Ich auch und lief zur Tür. Da sah ich Gleise mit großer Anzahl von Schienen. Doch das kam mir alles sehr bekannt vor. Dann sah ich, wo wir waren. Ich rief aus vollem Hals: «Das gibts doch nicht! Man wir sind ja auf dem Verschiebebahnhof Berlin-Schöneweide! Wahnsinn! Keine 500 Meter von hier wohne ich.» Da dachte ich an früher. Als ich als Kind X-mal über die Gleise flitzte. Ich verkürzte so den Weg nach Johannistal zur Königsheide. Oft riefen die Bahnarbeiter hinter uns her: «Macht bloß det ihr von de Gleise kommt ihr Racker!» Da mußte ich lächeln bei den Gedanken. Das verflog aber so schnell, wie es kam. Denn im Zug bin ich nicht mehr der kleine Racker, ich bin hier als vereidigter SS-Mann. Und der weiß nicht mal, wo hin er kommt oder nochmal sein Zuhause sieht.

Da sah ich den Untersturmführer. Ich sprang aus dem Waggon, lief auf ihn zu und sprach ihn an. Ich zeigte ihm, wo ich wohne. Dann fragte ihn, ob ich Abschied von den Eltern nehmen kann. Er war erst gegen meine Bitte. Da ich ihm hoch und heilig versprach in einer Stunde wieder da zu sein, gab er nach. Wir liefen zum Rangierbeamten. Der sagte, daß keine Lok parat ist. Und der Transport erst am Abend abgeht.

Das war Glück für mich. Ich rannte gleich los. Auf den Gleisen entlang bis zur Bahndammböschung. Von da aus runter auf die Chaussee. Lief dann links bis zum Bahnhofgebäude und über den Damm. Weiter an der Brückenstraße vorbei in die Berliner Straße. Von das aus war ich bald in der Spreestraße 1.

Ich rannte nach oben in den 4. Stock. Dort holte ich erst kurz Atem vor der Tür, wo wir zur Untermiete wohnten. Davor lebten wir ich Charlottenburg. Das Haus wurde durch eine Bombe zerstört. Voll Vorfreude schellte ich. Vater machte die Tür auf und erschrak, wie er mich sah.

Bevor er was sagen konnte, kam Mutter aus der Küche. Sie lief gleich auf mich zu und umarmte mich. Ich sagte: «Macht euch keine Gedanken, ich bin nicht fahnenflüchtig.»

Dann erklärte ich ihnen, wie das kam. Mutter brühte Kaffee auf. War das ein Genuss. Nicht so wie die Plörre die wir bekamen. Und es gab weitere Leckereien. Viele davon ass ich schon lange nicht mehr, wie Wurst und Speck. Vater sagte, daß er in Paris einer Fleischerkompanie zugeteilt wurde. Da durch leben die 2 wie Gott in Frankreich.

Mutter wollte, daß ich mir ein Versteck suche. Vater, der erst zum Volkssturm einberufen wurde, lehnte das aber strikt ab. Mir selbst war auch nicht geheuer bei dem Gedanken. Ich sprang vom Tisch auf, rannte ans Fenster und sah zum Bahnhof. Da rief ich: «Kommt doch mal her, ich zeige euch, wo mein Transportzug steht!»

Zwischen den Bäumen, die vor dem Haus stehen, sieht man direkt da hin. Ich kiekte und erschrak. Der Zug war weg. Ich schrie: «Das kann ja nicht wahr sein!»

«Was ist denn Junge?», fragte Mutter. Ich rief: «Der Zug ist weg!»

«Ach, du meine Güte», meinte sie. Da war ich aber mit den Gedanken schon weit weg. Schnell nahm ich Abschied. Dann raste ich im Höllentempo rüber. Dort die Böschung hoch, über die Gleise bis zu dem wo der Zug stand. Da traf ich den Beamten, der uns Auskunft gab. Er sagte: «Langsam junger Mann. Keene Panik! Der Zug ist jerückt worden uff Gleis 22. Dit is da drüben. Da jannste aba jemütlich jehen. Es jeht noch lange nicht los.» Ich bedankte mich und war erleichtert.

Als ich zum Zug kam, meldete ich mich beim Untersturmführer. Der freute sich, daß ich Wort hielt und wieder da war. Sonst hätte der richtig Ärger gekriegt. Im Waggon empfing man mich nett. Einer fragte, warum ich nicht abgehauen bin, und die Gunst der Stunde nicht nutzte. Ich sagte ihm, weshalb ich das nicht tat. Da hielt jeder das für goldrichtig.

In der Zeit, wo ich weg war, gab es eine Ration für uns. 2 Scheiben Kommissbrot und Jagdwurst. Meine Portion hob man mir auf und ich aß sie gleich.

Dann kamen Rote Kreuz Schwestern an. Die fragten, ob Verwundete da sind. Verbände gewechselt, oder Wehwehchen gibt. Bei uns war keiner krank. Eine von ihnen war sehr jung und hatte blonde Haare. Der pfiffen ein paar hinter ihr her, wie sie sich entfernen. Kurze Zeit später schloss man die Türe.

Es wurde dunkel. Ein heftiger Bums riss mich aus den Träumen. Das ist die Lok, dachte ich. Und schon rief einer: «Die Lok ist da!» Und aus dem hinteren Teil hörte ich: «Na, dann jehts ja bald los!» Und, es war so. Wir fuhren los. Truppen werden nur nachts transportiert. Da können die nicht von Fliegern bombardiert werden.

Es wurde still, fast, da viele schliefen und schnarchten. Es gab aber ein paar, die flüsterten sich zu. Ich döste vor mich hin, sah an die Decke. Irgendwann pofte ich durch das monotone Rattern ein.

Der 9. Die Nacht war zum Glück wärmer und ich habe mich an das Strohlager gewöhnt. Nun pinkle ich auch ohne Hemmung. Bei voller Fahrt ist das aber nicht leicht. Durch den Fahrtwind kann ich den Piepel nicht raus halten. Mit Abstand ziele ich den Strahl genau in die Mitte vom Loch. Das klappt aber nur am Anfang. Lässt der Strahl nach, läuft der Seiche an der Tür runter. Der Geruch gibt der Luft hier drin eine beißende Note.

Knall auf Fall wurde ich wach. Es war still, bis auf die Schnarcher. Dann merkte ich, daß wir stehen. Mit einem Mal schob man die Tür mit einem lauten R-r-r-r-u-m-s auf. Ich kiekte raus, sah, daß grad die Sonne aufging. Ich hatte aber keine Ahnung, wo wir hier waren. Ich richtete mich auf, sah viele Gleise, Weichen und Signale. In dem Moment kamen Frauen an die Tür und riefen: «Guten Morgen!» Da wurde auch der Rest wach. «Wo sind wir hier?», fragte wer. Ich sagte: «Keine Ahnung!» Ein weiterer rief: «Sind wir im Himmel, ick habe Stimmen von Engeln jehört?» Der Weißbrot, lief zur Tür, meinte: «Nee, mein Lieber! Det sind nur Weibsbilder, icke nehme an von der NS-Frauenschaft. Die stehen vor dem Waggon und bringen uns, was zu futtern.»

Er hatte recht. Es waren NS-Frauen und Helferinnen. Es gab Muckefuck und 2 Scheiben Brot. Eine war mit Wurst und die andere mit Käse belegt. «Wo sind wir hier?», fragte er. «In Cottbus», gab ihm eine Frau zur Antwort. Und er wieder: «Äh, jibts hier ´nen Waschraum?» Da sollte er sich an den Transportleiter wenden. Als er fertig war, sprang er aus dem Waggon. Bald war er zurück, sagte: «Da hinten neben dem Lokschuppen steht eine Baracke. In der ist ein Klo und man kann sich da waschen. Es dürfen aber nur 3 von uns zur selben Zeit hin. Sind die retour, gehen die Nächsten.»

Wir legten fest, daß die erst dran sind, die es eilig haben. Ich kam mit dem dritten Schub an die Reihe. In der Waschbaracke lief ich gleich zum stillen Örtchen. In der Zeit, wo ich mein «Geschäft» machte, las ich das, was an der Wand stand. Es waren meist Sprüche, wie: «In dem Hause wohnt ein Geist, der jedem der zu lange scheißt, von unten in die Eier beißt.» Oder: «Arbeiter du brauchst dich nicht zu sputen. Der Adolf scheißt auch 20 Minuten.» Einige hatten vor sich zu Sauereien zu treffen. Ein Serbe fragte an, ob jemand aus Niš hier sei.

Als ich fertig war, lief ich um die Baracke rum in den Waschraum. Klares, kaltes Wasser kam aus dem Hahn. Ich trank zuerst einen Schluck. Es gab keine Handtücher. Nur mein Taschentuch hatte ich bei mir. So konnte ich nur Hände und Gesicht waschen. Auch eine Dusche gab es. Nur wie soll man sich nachher trocken kriegen? Ich lief schnell zum Zug, der Nächste wartete.

Wir fuhren, als es dunkel wurde weiter. Nur nicht lange. Da hielt der Zug wieder an. Die Tür ging auf. Es war Nacht. Eine Lampe gab vages Licht ab. Ich sah das Schild «LIEBEROSE.» Wir mußten alle raus. Dann kam der Befehl, zugweise antreten. Da standen wir, ohne zu wissen, wie spät es war oder wie es weiter geht.

Ich hatte keine Uhr bei mir. Der ältere Bruder von mir, er fiel in 1942 in Rumänien, sagte zu mir: «Wenn du Soldat wirst, brauchst du die nicht. Dir sagte man die Zeit an. Aufstehen um 7 Uhr. Um halb 8 raus treten zum Frühsport. Um 8 Uhr Frühstück fassen und so weiter. Dann um 22 Uhr kommt die letzte Ansage: Licht aus!» Er hatte recht. So muß ich aber immer einen fragen. Heute war es der links neben mir. Er sagte: «Es ist kurz nach 23 Uhr.»

Dann kam der Befehl zum Abmarsch. Die Kolonne lief los. Wir marschierten etwa eine halbe Stunde durch die Nacht. An den Höfen von Bauern sah ich am Licht, das die bewohnt waren. Dann kiekte ich auf ein Tor. Es war ein Lager. Ich sah Baracken, in denen Licht brannte. «Ist das ein Arbeitslager?», fragte mich Georg, der neben mir lief. Ich sagte: «Keine Ahnung, was das ist oder mal war.» Vorm Nächten Tor hielten wir an. Da verteilte man uns zugweise in eine Baracke. Ich suchte mir ein Bett aus. Es waren die gleichen wie im Sennelager. Ich schlief stante pede ein ...

Der 10. In der Früh, wo wir beim Appell standen, bekam ich einen Schreck. Man gab uns kund, daß das hier ein KZ war. Das wurde vor 2 Tagen geräumt. Wo die Insaßen hinkamen, sagte man uns nicht. Aber wir sollten acht geben, da noch eine Person vermisst wird.

Auf einmal hörte ich Schreie von einem Mann, wie ich sie noch nie hörte. Dann sah ich den Grund. 2 Soldaten schleiften den Mann, der fast tot war über den Boden an uns vorbei. An der Baracke der Vorgesetzten hielten sie an. Nie im Leben sah ich so ein Elend. Die gestreifte offene Jacke hing auf den Schultern und wehte im Wind. Er bestand nur noch aus Haut und Knochen. Dann mußten wir wegtreten.

Ich zitterte am ganzen Leib und hoffte, daß mir das nicht mal passiert. Später erfuhr ich, daß man bei ihm einen Löffel fand. Der Stiel war auf einer Seite wie ein Messer gefeilt. Was mit ihm geschah, blieb geheim. Das, was ich da sah, vergesse ich niemals.

Wir hatten keine Befehle. So genoss ich die Sonne. Die meinte es für Februar sehr gut mit uns. Am Nachmittag lief ich mit Kameraden durch das Lager. Das ist riesig. Ich zählte die Baracken nicht. Denke, es sind um die 50. Dann sahen wir die Waschbaracke. Da lief noch das Wasser. Das nutzten wir aus. Jeder zog sich aus und wusch sich von oben bis unten. So sah ich wieder mal andere Piepel. Und meiner fing an, sich in die Höhe zu richten. Da nahm ich schnell kaltes Wasser und es war vorbei. Da zog sich jeder an und es ging weiter.

Dann wir fanden in einer einen Schatz: 2 Säcke mit Zucker. Wir liefen los, um ein Gefäß zu holen. Ich nahm das Kochgeschirr, wie fast alle. Ein paar füllten die Gasmasken. Übrig blieb nichts.

Wie ich im Bett lag, dachte ich an ein Lager in Berlin. Das war in Johannisthal in der Königsheide. Da wohnten Italiener. Es waren Gastarbeiter, die gingen im Lager ein und aus. Von denen holten wir uns oft die bauchigen, mit Stroh geflochtenen Chianti-Weinflaschen.

Stellungskrieg in Ziltendorf

Der 12. Ich hörte in der Früh den schrillen Pfiff einer Lok. Dann kam ein Lastwagen an. Der brachte Brot und Honig. Jeder von uns fasste seinen Teil. Hierauf gingen wir in Reih und Glied zum Bahnhof. Da stand der Zug, mit dem wir ankamen. Wir stiegen ein und kamen in Müllrose an. Da fuhren wir in einem Opel-Blitz-Lastwagen weiter bis nach Ziltendorf. Der Ort schien leer zu sein. Am anderen Ende hieß es, alle Absitzen und antreten.

Ein Sturmbannführer trat vor uns. Er sagte: «Kameraden! Auf der Wiese, zwischen Ziltendorf und dem Brückenkopf Aurith, stecken 2 Flakgeschütze fest. Die müssen da raus geholt werden. Eine Pioniereinheit ist zu den Stellungen vorgerückt. Die Russen haben an einer Seite die Wiese schon zurück erobert. Sie greifen jetzt auf ganzer Front an.»

Wir, die unerfahrenen Grünschnäbel sollen eine Horde russischer Soldaten aufhalten, dachte ich. Wie können die das machen. Es hat doch keiner von uns Ahnung, was uns hier und heute erwartet. Da wurde ich jäh aus den Gedanken gerissen. Die Unterführer feuerten uns an und wir schwärmten in breiter Front aus. Und ich war mittendrin. Von Ferne hörte ich Schüsse verschiedenster Waffen. Dann sah ich zum ersten Mal eine echte Frontlinie. Jeder von ging im hohen Gras auf dem Wiesenboden in Deckung.

Die Russen kamen mit lautstarkem «U-r-ä-h» Gebrüll auf uns zu. Es war eine wilde Ballerei. Mir pochte das Herz und die Beine wurden butterweich. Am liebsten wäre ich tot, dachte ich. Doch ich riß mich zusammen. Alle rundum schossen in Richtung der Russen. Ich legte das Gewehr an die Schulter und feuerte auch drauf los. Die Hände zitterten wie Espenlaub. Da von traf ich fast alle Blätter im Wald. Ein Soldat der Russen fiel bei der Ballerei nicht um. Ich sah auch keinen Einzigen vor mir. Dann geschah ein Wunder. Es kamen 2 Schützenpanzerwagen und donnerten durch die unter Wasser stehende Wiese. Die schossen mit den MG 42 gezielt auf die Feinde. Da hörte man Schreie. Ich nahm an, daß die etliche trafen.

Aber auch bei uns war das so. Einer schrie: «Sanitäter!» Ich rannte gebückt da hin, wo der Ruf herkam. Dann sah ich den auf der naßen Wiese vor mir liegen. Hier bin ich keiner. So hatte ich, nichts bei mir, außer dem Verbandspäckchen. Ich fragte, was er hat. Er zeigte auf das rechte Bein. Ich sah, daß er einen Durchschuß am Unterschenkel hatte.

Mit dem Bajonett schlitzte ich die Hose auf. Dann band ich es oberhalb der Wunde ab und legte mit dem Päckchen einen Druckverband an. Da war ich fertig. Ich sagte ihm: «Ich bin