Just Daylight! - Tilo Gockel - E-Book

Just Daylight! E-Book

Tilo Gockel

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Beschreibung

Porträts unter Tageslicht sind angesagt, denn sie wirken natürlicher und authentischer. Aber der Umgang damit ist nicht einfach. Profi Tilo Gockel erklärt, worauf es ankommt: Wie liest und nutzt man das Licht vor Ort? Wie schaut optimales Porträtlicht aus? Welches Technik-Know-How ist notwendig? Wie kann man eine sinnvolle, preiswerte Ausrüstung zusammenstellen? Wie kann man Menschen durch Posing gut aussehen lassen? Wie findet man Modelle? Im ersten Teil des Buches finden Sie die Grundlagen zum Licht, zur Technik und zur People-Fotografie im Allgemeinen. Der zweite, umfangreichste Teil zeigt viele Praxisbeispiele aus den Bereichen Business, Beauty, Black & White und Boudoir & Akt, ergänzt durch Infoboxen und Exkurse zu schönem Bokeh, zur  Bildbearbeitung, zu Looks und Styles und zum Beschnitt. Den dritten Teil bilden die Anhänge zu juristischen Details, zu Begriffe & Symbole und zu besuchenswerten Portfolios zur Inspiration.

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Dr. Tilo Gockel hat auf dem Gebiet der Bildverarbeitung promoviert und unterrichtet mittlerweile an der Hochschule Aschaffenburg die Fächer Signalverarbeitung und Technische Fotografie I und II.

Er fotografiert und schreibt seit Jahren regelmäßig für die Zeitschriften digit!, FotoMAGAZIN, Photographie, DOCMA und DigitalPhoto und hat bereits mehrere Fachbücher veröffentlicht.

Auf seinem Blog www.fotopraxis.net informiert er rund um die Themen Fotografie und Photoshop, gibt viele Tricks weiter und schneidet auch immer wieder gerne einmal alte Zöpfe ab.

Tilo Gockel

Just Daylight!

People- und Porträtfotografie mit natürlichem Licht

Tilo Gockel

[email protected]

Lektorat: Gerhard Rossbach

Lektoratsassistenz/Projektkoordinierung: Anja Weimer

Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich

Layout, Satz: Anke Dievernich, Bonn, www.ad-creation.de

Herstellung: Birgit Bäuerlein

Cover: Modell walktothesunrise

Umschlaggestaltung: Anke Dievernich, Bonn, www.ankedievernich.com

ISBN:

 

Print

978-3-86490-597-1

PDF

978-3-96088-543-6

ePub

978-3-96088-544-3

mobi

978-3-96088-545-0

1. Auflage 2019

Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Hinweis:

Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.

Schreiben Sie uns:

Falls Sie Anregungen, Wünsche und Kommentare haben, lassen Sie es uns wissen:

[email protected].

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen. Verwendet werden unter anderem folgende geschützte Bezeichnungen: Adobe Photoshop, Canon, Manfrotto, Walimex, Yongnuo.

Die Fotos zu den Produkten sind ohne Beauftragung durch den Markeninhaber entstanden. Es handelt sich nicht um Werbeaufnahmen. Die Fotos dienen ausschließlich der Veranschaulichung fotografischer Techniken.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

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»You’ve gotta taste the light, like my friend and fellow shooter Chip Maury says. And when you see light like this, trust me, it’s like a strawberry sundae with sprinkles.«

Joe McNally

VORWORT

Wenig Make-up, kaum Retusche und … nur das Licht vor Ort! Nicht erst seit Lindberghs letztem Pirelli-Kalender geht der Trend in der People-Fotografie hin zu mehr Natürlichkeit. Studiobilder, aufwendig mit Zangen- und Kantenlicht aufgenommen, wirken zwar interessant, oft auch ästhetisch, aber nicht wirklich natürlich oder authentisch. Szenen unter Available Light wirken auf den Betrachter unbewusst stimmiger, weil er die Lichtsituation kennt. Als Fotograf muss man bei diesem Ansatz allerdings mit höherem Lernaufwand und mit eingeschränkter Flexibilität bezahlen.

Als ich vor rund sieben Jahren begonnen habe, Menschen zu fotografieren, ist meine Wahl auf Aufsteckblitze gefallen. Das enorme Potenzial dieser kleinen Geräte, verbunden mit der sofortigen Ergebniskontrolle am Display, hat mir einen raschen Einstieg in die Welt des Porträtlichts ermöglicht. Heute würde ich vielleicht eher mit einer starken LED-Lichtquelle anfangen, aber damals steckte diese Technik noch in den Kinderschuhen. Dann, nach und nach, habe ich festgestellt, dass mir Bilder unter natürlichem Licht häufig besser gefallen. Man könnte sagen, sie wirken authentischer.

Und dann, nach den ersten zaghaften Versuchen mit dem Licht vor Ort, habe ich wider Erwarten rasch erfahren müssen, dass das Fotografieren mit natürlichem Licht nicht wie erhofft einfacher, sondern schwieriger ist als das gezielte Setzen von Blitz- oder Dauerlicht. Hier konnte ich das Licht nicht mehr einfach im Abstand, Winkel, Spektrum und in der Diffusität nach Wunsch verändern, sondern musste mit dem arbeiten, was ich vorgefunden habe. So musste ich auch lernen (und lerne noch), die Orte gezielt nach dem Licht auszuwählen und jenes Licht dann mit den wenigen übrig bleibenden Möglichkeiten zu variieren und optimal zu nutzen. Das ist gar nicht so einfach, gerade auch, wenn man doch als Fotograf von Haus aus eher auf der Suche nach schönen Hintergründen und Kulissen ist.

Mittlerweile fotografiere ich seit fast zwei Jahren wann immer möglich mit Available Light und habe viel Spaß dabei. Weniger Gepäck und Technik bedeutet mehr Zeit, sich auf den Menschen gegenüber einzulassen, und mehr Ruhe fürs Fotografieren. Meine Erfahrungen in dieser Zeit habe ich für Sie in diesem Buch zusammengetragen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil finden Sie die Grundlagen zum Licht, zur Technik und zur People-Fotografie im Allgemeinen. Im zweiten, umfangreichsten Teil folgen die Praxisbeispiele aus den Bereichen Business, Beauty, Black & White und Boudoir & Akt, ergänzt durch Infoboxen und Exkurse. Im dritten Teil finden Sie die Anhänge: juristische Details zur People-Fotografie, Begriffe und Symbole sowie den Index.

Ich weiß, dass viele Bereiche der Fotografie auf Blitzlicht angewiesen sind. Hochzeiten, Reportagen, Promis auf dem roten Teppich, Food- und Produktfotografie im Studio – das ist alles ohne künstliches Licht nicht denkbar. Aber wer seinem Licht-Werkzeugkasten noch die Facette Available Light hinzufügt, hat ganz klar einen Vorsprung und kann ganz neue und besonders natürliche Looks und Stimmungen einfangen.

Immer »Gut Licht« für alle Ihre Fotos wünscht IhnenIhrTilo »Gallo« Gockel

Aschaffenburg, den 1. Mai 2019

Bei Fehlermeldungen, Fragen, Kritik oder Lob freue ich mich über Feedback an [email protected] oder im Blog www.fotopraxis.net.

INHALTSVERZEICHNIS

I. GRUNDLAGEN

1Wie man Licht liest und nutzt

1.1Gutes Porträtlicht erkennen

1.2Gutes Porträtlicht finden

1.3Gutes Porträtlicht selbst erzeugen

1.4Den Sonnenstand herausfinden

1.5Die goldene Stunde und die blaue Stunde nutzen

2Wie eine sinnvolle Ausrüstung aussehen kann

2.1Die Kamera

2.2Die Objektive

2.3Zwei Kits

2.4Zubehör

3Welches Technik-Know-how notwendig ist

3.1Warum und wie man flott im manuellen Modus eine Belichtung einstellt

3.2Wie man den Weißabgleich einstellt

3.3Wie man eine Kamera profiliert

3.4Wie man perfekt fokussiert

4Wie man Menschen gut aussehen lässt

4.1Posing-Sammlungen

4.2Posing-Sünden

4.3Ungestellte Natürlichkeit

4.4Schnitte setzen

5Wie man Modelle findet

5.1Der Einstieg

5.2Die Kommunikation

5.3Alternativen zur Model-Kartei

5.4Fallbeispiel

II. PRAXIS

6Business

6.1Klassische Business-Porträts

6.2Business-Porträts für eine Stockagentur

6.3Momentaufnahmen im Medienlabor

6.4Ein flottes Gruppenbild vom Team

6.5Der Jazzchor Aschaffenburg

7Beauty

7.1Solnyshko im Park Rosenhöhe

7.2Linda Lena als wilde Amazone

7.3Mit Olga im Palmengarten

7.4Lelo im Osthafen Frankfurt

7.5Cata im Künstlerhaus Kurus

7.6Vicky im Atelier LYKE

8Lingerie und Akt

8.1Miri im Penthouse Loft

8.2Miri »Parisienne«

8.3Juli im Konventchen

8.4Velvet im Studio Sjöberg

8.5Velvet chez LYKE

8.6Elanor

9Schwarz und Weiß

9.1Mia in München

9.2Linda Lena in Heidelberg

9.3Robert und Tony

9.4Miri in der Zeche Ewald

9.5Juli im Frankfurter Milieu

III. ANHÄNGE

ARechtliches

A.1Panoramafreiheit

A.2Das Recht am eigenen Bild

BWeiterführendes

B.1Online-Communities, Magazine, Blogs, Tutorials

B.2Interessante Portfolios

CBegriffe und Symbole

Index

I. GRUNDLAGEN

1

WIE MAN LICHT LIEST UND NUTZT

Gutes Licht ist die wichtigste Zutat in der Porträtfotografie. Aber wie erkennt man überhaupt gutes Licht und wie kann man Einfluss nehmen, um aus weniger geeignetem Licht besseres Licht zu machen? Hier finden Sie die Grundlagen und ein paar daraus abgeleitete, praxisnahe Regeln dazu.

1.1GUTES PORTRÄTLICHT ERKENNEN

Vorteilhaftes Porträtlicht kann man einfach beschreiben: Es ist vorteilhaft, wenn die Augen hell sind und wenn die Nase einen weichen Schatten wirft, der nach unten fällt. Daraus kann man vier Grundregeln ableiten und gleichzeitig auch die ebenso darauf basierenden klassischen Schattierungsformen einführen.

1. Achten Sie darauf, dass die Augenhöhlen erhellt werden und dass die Augen idealerweise auch eine Reflexion der Lichtquelle, ein sogenanntes Catchlight, einfangen.

2. Sorgen Sie dafür, dass mehr Licht von oben einfällt als von unten. Licht von unten (das sogenannte Grusellicht) kommt in der Natur kaum vor und erscheint uns daher merkwürdig. Eine Aufhellung von unten kann nützlich sein, aber der Hauptanteil des Lichts sollte stets von über der Augenlinie einfallen. Licht, das mittig von oben kommt, wird auch

Butterfly Light

oder

Beauty-Licht

genannt. Es bewirkt eine schmeichelnde, vorteilhafte Schattierung, ganz ähnlich dem Contouring der Makeup Artists.

Butterfly Light oder Beauty-Licht

3. Man sollte darauf achten, dass die Nase einen ansprechenden Schatten wirft. Weniger ansprechend ist ein Nasenschatten, der die Lippe durchschneidet, ein zu harter Schatten oder auch ein Schatten, der seitlich oder nach oben fällt – Nasenschatten sollten stets nach unten fallen. Beim harmonischen, unkomplizierten Open-Loop Light oder schlicht

Loop Light

(auf rund 30 Grad zur Seite, Richtung Ohr) entsteht nur ein kleiner, gefälliger Nasenschatten.

Loop Light

Beim markanteren Rembrandt-Licht (auf rund 45 Grad) wird der Nasenschatten größer und wächst mit dem Kinnschatten zusammen. Daher nennt man Rembrandt-Licht auch Closed-Loop Light.

Rembrandt-Licht

Eine noch ausgeprägtere Schattierung liefert das Split Light, das eine Seite des Gesichts hell zeigt, eine komplett dunkel. Es taugt am besten für dramatische Herrenporträts.

Split Light

4. Wenn die Nase des Modells nicht genau in Richtung Kamera zeigt, so sieht man eine zugewandte und eine abgewandte Gesichtshälfte. Die der Kamera zugewandte Seite wirkt breiter als die abgewandte Seite. Je nachdem, welche Seite mehr Licht empfängt, spricht man von

Broad Light

oder von

Short Light

. Aufnahmen, bei denen die kurze, abgewandte Seite mehr Licht empfängt (also Short Light vorliegt), sind meist interessanter, da diese Art der Lichtsetzung mehr Schattierung erzeugt und die Form des Gesichts damit besser erkennbar wird.

Broad Light

Short Light

Illustrationen (Ausgangsbilder): © ColorValley@Fotolia, Essl@123RF.

Auf der folgenden Doppelseite sehen Sie die angesprochenen Schattenformen in die Praxis umgesetzt. Meist hat man Erfolg mit zentrischem Licht (Butterfly Light) oder mit Licht aus einem Winkel von 30 bis 45 Grad zur Seite und 30 bis 45 Grad von oben.

Aber auch wenn Sie das Licht sorgfältig eingestellt haben, sollten Sie stets die Ergebnisse auf dem Kameradisplay kontrollieren und die vier Punkte checken, denn manches Mal liegen die Augen sehr tief oder die Haare oder ein Hut blocken das Licht störend ab. Die Kür ist dann die Verwendung eines Reflektors zur Aufhellung, eines zweiten Lichts von hinten als Kantenlicht, von oben als Haarlicht, von seitlich-hinten als Kicker Light oder auch als Hintergrund-Spot.

Abb. 1 | Die klassischen Lichtsetzungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine vorteilhafte Schattierung auf dem Gesicht erzeugen (Modell: Lisa Riedel).

Butterfly Light (Beauty-Licht)

Loop Light

Rembrandt-Licht (Closed-Loop Light)

Split Light

Abb. 2 | Wenn die Nase des Modells nicht genau in Richtung Kamera zeigt, sieht man eine zugewandte und eine abgewandte Gesichtshälfte. Die der Kamera zugewandte Seite wirkt breiter als die abgewandte Seite. Je nachdem, welche Seite mehr Licht empfängt, spricht man von Broad Light oder von Short Light.

Loop Light als Broad Light

Loop Light als Short Light

Rembrandt-Licht als Broad Light

Rembrandt-Licht als Short Light

1.2GUTES PORTRÄTLICHT FINDEN

Abb. 3 »Schau mir in die Augen, während du dich im Kreis drehst und ich beobachte, wie sich die Catchlights in deinen Augen und die Schattierung auf deinem Gesicht verhalten.« So kann man sich vor Ort rasch einen Eindruck vom Licht verschaffen.

In unserer Umgebung gibt es Stellen, die für Porträtfotos besonders geeignet sind. Sie bieten Schatten, blocken durch die baulichen Gegebenheiten das Licht von oben ab, und es herrscht vorteilhaftes frontales Licht vor. Der Angelsachse spricht von Open Shade und von Porch Light (Verandalicht, gemeint ist Licht unter einem Vorsprung) – Begriffe, die keine gute Entsprechung im Deutschen haben. Häufig wird man in Häuserschluchten fündig, in Durchgängen, Tunnelanfängen, unter Dächern oder Vorsprüngen oder in Hauseingängen. Selbstredend funktionieren auch Innenräume, denn auch an einem Fenster oder an einer Balkontür findet man zuverlässig frontales Licht. Im Praxisteil sehen Sie Beispiele hierzu.

Oft ist das Licht vor Ort aber erstaunlich komplex. Dann ist es wichtig, als Messinstrument das Gesicht des Modells zu nutzen, einmal um es herum zu gehen und die Catchlights und die entstehenden Schatten genau zu beobachten. Häufig kann man auch Erfolg haben, wenn man das Modell im Schatten platziert und es bittet, in die Richtung der hellsten Stelle der Umgebung zu blicken.

Direktem Sonnenlicht in der Mittagszeit sollte man ausweichen. Es kommt fast senkrecht von oben und ist schwer so zu manipulieren, dass vorteilhafte Bilder entstehen. Gegen Abend hin aber, wenn die Sonne tiefer steht, kann man sie als Gegenlichtquelle einsetzen. Von vorne nutzt man die natürliche Aufhellung durch die Reflexion der Umgebung oder hellt mit einem mitgebrachten Reflektor auf.

Man kann die tiefstehende Sonne aber auch als Hauptlicht nutzen, indem man das Modell in Richtung der Sonne blicken lässt (nur vage in die Richtung, nicht genau in die Sonne, das kann die Augen schädigen). Wenn die leicht zugekniffenen Augen stören, hilft eine Sonnenbrille. Auch kann man das Modell bitten, vor dem Foto die Augen zu schließen. Dann zählt man »1, 2, 3«, sagt dann »Augen auf!« und löst aus.

Abb. 4 | Hartes Licht von oben, in der Mittagszeit – so bitte nicht. Die Mädchen sind fotogen, aber das Licht ist extrem unvorteilhaft (Modelle: Malin Coco, Maxsim, Inn4ik).

Abb. 5| Frontales, vorteilhaftes Licht findet man unter Balkonen oder Vorsprüngen, in Hauseingängen oder, wie hier, am Ende einer Häuserschlucht (Modell: Terri Orel, Co-Fotograf: Jean Noir). Canon EOS 5D Mark III mit EF 70–200 f/2.8L II, Brennweite 120 mm, Blende 3,5, 1/500 Sekunde, ISO 200, M-Modus, RAW, automatischer Weißabgleich.

Abb. 6 | Bei Porträts geht man auf Nummer sicher, wenn man Schatten aufsucht und das diffuse Licht von oben abblockt.

a) Schatten aufzusuchen ist keine schlechte Idee. Dennoch sollte auch noch das Licht von oben abgeblockt werden.

b) Ein Hauseingang oder ein Platz hinter einem Fenster oder einer Balkontür liefert zuverlässig vorteilhaftes frontales Licht.

c) Auch Vorsprünge, Veranden o. Ä. können das Licht von oben abhalten.

d) Häuserschluchten funktionieren ähnlich gut. Wichtig ist, dass das Modell in Richtung der hellsten Stelle der Umgebung blickt.

Abb. 7 | Auch in der direkten Sonne sind ansehnliche Fotos möglich, aber man muss ein wenig tricksen.

a) Direkter, hochstehender Mittagssonne sollte man ausweichen. Sie lässt unschöne, dunkle Augenhöhlen entstehen (man spricht umgangssprachlich auch von »Waschbäraugen«).

b) Direkte, tiefstehende Sonne taugt hingegen prima als Gegenlicht. Häufig kann die Umgebung eine natürliche Aufhellung von vorne beisteuern.

c) Wenn man in der Umgebung keine natürlichen Reflektoren findet, kann man auch einen mitgebrachten Faltreflektor einsetzen.

d) Die tiefstehende Sonne kann auch frontal beleuchten. Dann muss das Modell allerdings auch ansatzweise in die Richtung der Sonne schauen. Eine Sonnenbrille hilft dabei.

Im ersten Bildbeispiel (siehe Abbildung 5) steht unser Modell am Ende einer Gebäudezeile. Das Licht funktioniert damit genauso, wie in Abbildung 6d skizziert. Das zweite Beispiel auf der roten Bank ist dagegen im direkten Licht der tiefstehenden Sonne entstanden, wie in Abbildung 7d gezeigt. Das ist eine Lichtsituation, die belichtungstechnisch nicht ganz einfach ist, weil der Dynamikumfang im Bild hoch ist.

Auch für das Modell ist es schwierig, ins direkte Sonnenlicht oder in die Reflexion des Sonnenlichts im Reflektor zu schauen (7c, 7d). Dann helfen ein paar Tricks. Der einfachste Trick ist, eine dunkle Sonnenbrille aufzusetzen, denn dahinter kann das Modell dann die Augen geschlossen halten. Ein weiterer Trick ist, zwar in die Richtung der Sonne zu schauen, aber nicht genau ins Sonnenlicht, sondern daran vorbei. Das ist dann bei Weitem nicht mehr so anstrengend, aber die Augenhöhlen sind dennoch hell und die Catchlights sind auch noch gut zu sehen. Der dritte Trick ist, das Modell erst einmal zu bitten, die Augen zu schließen. Dann zählt man bis Drei, das Modell öffnet die Augen und schaut dabei gerade so an der hellen Sonne vorbei. In diesem Moment macht man das Foto.

Im nächsten Abschnitt sehen Sie, wie Sie selbst eingreifen können, um auch ohne Vorsprünge oder Fassaden eben jenes frontale Licht zu erzeugen, und im Praxiskapitel in Teil II finden Sie viele weitere Beispiele, wie Sie das Licht vor Ort zu Ihrem Vorteil nutzen können.

Abb. 8 | Auch im direkten Sonnenlicht sind Porträts möglich. Terry trägt eine Sonnenbrille, um die Augen beim Blick Richtung Sonne zu schonen. Canon EOS 5D Mark III mit EF 70–200 f/2.8L II, Brennweite 200 mm, Blende 2,8, 1/1250 Sekunde, ISO 250, M-Modus, RAW, automatischer Weißabgleich.

1.3GUTES PORTRÄTLICHT SELBST ERZEUGEN

Leider findet man nicht immer die notwendigen baulichen Gegebenheiten vor, um optimales Porträtlicht zu erzeugen. Dann kann man aber noch immer mit mitgebrachten Abschattern und Reflektoren arbeiten und so das unvorteilhafte Licht von oben ausblenden, eventuell auch von der Seite konturieren und, falls notwendig, von vorne frontales Licht zuführen. Schattet man das Licht so ab, wie in Abbildung 9b, 9c gezeigt, spricht man auch von Subtractive Lighting, da vom Umgebungslicht Anteile abgezogen werden. Lenkt man hingegen das Licht durch einen Reflektor um und führt so dem Motiv zusätzliches Licht zu, verwendet man Additive Lighting.

Reflektoren kann man von unten zur Aufhellung und für schöne Catchlights einsetzen, wie Sie in Teil II bei den Business-Headshots sehen. Aber Vorsicht: Das funktioniert nicht im sonnigen Gegenlicht, mit dem Reflektor als Hauptlicht! In einer solchen Situation würde zu viel Licht von unten kommen (Unterlicht, Grusellicht). Wenn man ihn als Hauptlicht (Main Light, → Key Light) einsetzt, dann sollte das Reflektorlicht stets von über der Augenlinie einfallen. Ein Beispiel dazu sehen Sie im Workshop 7.4 mit »Lelo im Osthafen Frankfurt«.

Häufig werden Abschatter und Reflektoren auch kombiniert (siehe Abbildung 9d), und spinnt man den Gedanken weiter, landet man bei fast geschlossenen Konstruktionen wie »The Cage« von California Sunbounce. Hier wird dann vor Ort ein großes, zeltähnliches Gebilde derart aufgebaut, dass vom Umgebungslicht nur noch weiches, schmeichelndes frontales Licht übrig bleibt (http://y2u.be/HFPvHdFZ04c). Diese Anwendungen von Subtractive und Additive Lighting sind übrigens nicht auf die Fotografie mit natürlichem Licht beschränkt. Auch im Studio helfen Reflektoren und Abschatter (Flags), das aktive Hauptlicht weiter zu formen.

Jetzt fehlt uns nur noch die Möglichkeit, das Helligkeitsverhältnis zwischen beleuchteten Motivanteilen und nicht beleuchteten oder nur aufgehellten Anteilen, den sogenannten Beleuchtungskontrast, einzustellen. Hierzu kann man für die Schattenseite entweder einen Reflektor nutzen oder auch auf die natürliche Aufhellung durch die baulichen Gegebenheiten setzen. In beiden Fällen reicht eine einfache Abstandsveränderung aus, um das gewünschte Verhältnis einzustellen (siehe Abbildung 10).

Abb. 9 | Subtractive Lighting vs. Additive Lighting: Wenn Ihnen vor Ort die beschriebenen baulichen Gegebenheiten fehlen, können Sie sich mit mitgebrachten Abschattern und Reflektoren behelfen. Wieder ist das Ziel, das Licht von oben abzublocken und nur das vorteilhafte frontale Licht übrig zu lassen.

a) Ob in der Sonne oder im Schatten – Licht von oben ist für Porträts nicht gut geeignet.

b) Wer keine Veranda zur Verfügung hat, macht sich sein Porch Light selbst. Hierzu verwendet man einen Karton, ein Stück Styropor oder einen professionellen Abschatter von California Sunbounce o. Ä.

c) Von der Seite eingesetzte Abschatter (Flags) können helfen, das Gesicht und den Körper weiter zu konturieren.

d) Falls die natürliche Reflexion der Umwelt nicht ausreicht, das erwünschte frontale Licht zu liefern, hilft ein zusätzlich eingesetzter Reflektor.

Abb. 10 | Der Beleuchtungskontrast lässt sich schlicht durch den Abstand von der dominanten Lichtquelle einstellen. Wenn das Modell etwas abrückt, wird die beleuchtete Seite dunkler, die aufgehellte Seite heller. Der Kontrast wird kleiner.

1.4DEN SONNENSTAND HERAUSFINDEN

Sie haben sicher schon gemerkt, wie wichtig das Wetter und der Sonnenstand für ein Shooting mit Available Light sind. Im Sommer hat man bis spät in den Abend hinein natürliches Licht zur Verfügung, im Winter geht die Sonne in unseren Breitengraden bereits kurz nach vier Uhr unter. Für mich führt daher immer der erste Weg bei der Shooting-Planung zur Wettervorhersage und zu den Zeitangaben zu Sonnenaufgang und -untergang.

Aber auch der Verlauf der Sonne ist relevant. Wenn man eine Location für ein Foto-Shooting am Vortag um 15:00 Uhr besucht und am nächsten Tag, bei gleichem Wetter, um 10:00 Uhr dann dort die Fotos machen möchte, wird das Licht völlig anders sein. Es hilft entsprechend, den Sonnenstand genau im Auge zu behalten. Man nutzt dafür Apps wie das Programm »The Photographer's Ephemeris«, das sowohl browserbasiert auf dem PC als auch auf dem Smartphone funktioniert. Damit können Sie genau erkennen, wie und in welchem Winkel die Sonne zu einer bestimmten Jahres- und Tageszeit einfallen wird.

Eine alternative Lösung bietet die App »Sun Scout«, die mit einem noch komfortableren Interface direkt beim Schwenken des Smartphones vor Ort den Sonnenverlauf ins Livebild einblendet. Beide Apps sind nicht ganz billig, aber auf jeden Fall ihr Geld wert.

Festzuhalten bleibt, dass es bei Shootings mit Tageslicht wichtig ist, immer ein wenig Sicherheit einzuplanen. Falls man in Richtung Sonnenuntergang plant und dieser für 18:00 Uhr angekündigt ist, dann wird die Sonne vor Ort voraussichtlich bereits rund um 17:40 Uhr hinter Häusern oder Bäumen verschwunden sein.

Abb. 11 | Mit der App »The Photographer’s Ephemeris« kann man überall auf der Welt für jeden beliebigen Zeitpunkt den Sonnenstand samt Schattenlänge ermitteln.

Abb. 12 | Die App »Sun Scout« blendet den Verlauf der Sonne interaktiv ins Kamera-Livebild ein.

1.5DIE GOLDENE STUNDE UND DIE BLAUE STUNDE NUTZEN

Für den Available-Light-Fotografen sind die zwei goldenen Stunden und die zwei blauen Stunden, die rund um Sonnenauf- und -untergang liegen, besonders relevant:

Die

morgendliche blaue Stunde

ist die halbe Stunde vor Sonnenaufgang.

Die

morgendliche goldene Stunde

ist die halbe Stunde nach Sonnenaufgang.

Die

abendliche goldene Stunde

ist die halbe Stunde vor Sonnenuntergang.

Die

abendliche blaue Stunde

ist die halbe Stunde nach Sonnenuntergang.

Zu diesen Zeiten ist das Licht außergewöhnlich schmeichelnd und interessant. In der goldenen Stunde steht die Sonne sehr tief, und die Farbtemperatur verschiebt sich vom neutralen Mittagsweiß zu sattem Orange. In der blauen Stunde hingegen ist die Sonne bereits untergegangen, beleuchtet aber von der Seite aus noch den Himmel. Das Licht stammt entsprechend vom blauen Himmel und so wird die Lichtstimmung bläulich. Leider dauern diese »Stunden« jahreszeitabhängig selten wirklich eine ganze Stunde. Häufig ist die magische Lichtstimmung nach bereits 30–40 Minuten wieder verschwunden.

Die goldene Stunde eignet sich besonders gut für sonnige, verträumte, romantische Porträts, zum Beispiel im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne. Die blaue Stunde wiederum wird im Zusammenspiel mit den warmen Kunstlichtern der Stadt und dem entstehenden Warm-Kalt-Kontrast erst richtig interessant.

Abb. 13 | Die blauen und die goldenen Stunden sind jene Tageszeiten, an denen besonders schönes Licht vorherrscht. Sie liegen um den Sonnenauf- und untergang.

Abb. 14 | Bei Gegenlichtporträts in der goldenen Stunde bewirken die Überstrahlung, die Lens Flares und die goldenen Töne eine besonders intensive Lichtstimmung. Hier hat die natürliche Aufhellung vor Ort ausgereicht, um das Modell trotz Gegenlicht erkennbar zu machen. Canon EOS 5D Mark II mit EF 70–200 f/2.8L II, Brennweite 70 mm, Blende 3,2, 1/320 Sekunde, ISO 100, M-Modus, RAW, Weißabgleich auf Blitzlicht.

Im Bildbeispiel mit dem Ferrari sehen Sie, dass auch Fotos mit der tiefstehenden Sonne mit im Bild funktionieren können. Es entsteht dann ein sehr warmer, überstrahlter Look und die einzelnen Linsen des Objektivs werden als Linsenflecken sichtbar. Das ist kein Look für jeden Tag, aber manchmal passt diese Lichtstimmung wunderbar.

An den zwei Bildern von der viktorianischen Häuserzeile in San Francisco ist gut zu erkennen, wie sich das Licht beim Übergang zur blauen Stunde verändert. Der Himmel und die Umgebung erscheinen auf einmal bläulich-kühl, während parallel die kleinen Kunstlichter hinzukommen und einen spannenden Warm-Kalt-Kontrast erzeugen.

Die blaue Stunde taugt aber auch wunderbar für Porträtfotos. Auch hier kann man mit einem Warm-Kalt-Kontrast arbeiten, wenn man zum Tageslicht noch »Available Light« in Form von vorhandenen Raumlichtern oder anderen Kunstlichtern hinzunimmt. Im Bildbeispiel mit Gabrielle, aufgenommen im LYKE-Studio Frankfurt, haben wir so das bereits kühler werdende Tageslicht mit einer Lichterkette in Gabrielles Schoß kombiniert.

Abb. 15 | Noch wirken die hübschen viktorianischen Holzhäuser in San Francisco nicht besonders spannend: Der Himmel ist zu hell und es fehlt ein interessanter Farbkontrast. Canon EOS 5D Mark III, EF 24–70 f/2.8 II, Brennweite 28 mm, Blende 8, ISO 500, 1/320 Sekunde. Aus der Hand.

Abb. 16 | Am gleichen Ort, eine knappe Stunde später. Der Himmel ist jetzt nicht mehr so hell wie zuvor, und der Warm-Kalt-Kontrast zwischen den Kunstlichtern und dem kühlen Himmelslicht lässt die Szene viel intensiver wirken. Canon EOS 5D Mark III mit EF 24–70 f/2.8L II, Brennweite 55 mm, Blende 11, 13 Sekunden, ISO 100, M-Modus, RAW, automatischer Weißabgleich. Vom Stativ.

Abb. 17 | Die blaue Stunde taugt auch wunderbar für Porträts. In diesem Beispiel kommt durch die Eckfenster links und rechts bereits kühleres, nachmittägliches Licht, das dann einen schönen Farbkontrast zu den warmen Kunstlichtern der Lichterkette erzeugt (Modell: Gabrielle83). Canon EOS 5D Mark III mit EF 50 f/1.2L USM, Blende 1,2, 1/125 Sekunde, ISO 250, M-Modus, RAW, automatischer Weißabgleich.

2

WIE EINE SINNVOLLE AUSRÜSTUNG AUSSEHEN KANN

Wenn das Licht stimmt, können schöne Porträts sogar mit dem Smartphone entstehen. Es gibt aber Kameras und Objektive, die für die People-Fotografie besser geeignet sind. In diesem Kapitel sehen Sie, welche Kameratechnologie taugt, welche Objektive schmeichelhafte Ergebnisse liefern und was sonst noch zu beachten ist.

Abb. 1 | Wenn das Licht stimmt, gelingen Porträts auch mit dem Smartphone (Modell: Solnyshko; iPhone 7Plus im Porträt-Modus). Dennoch hilft eine gute Kamera enorm, zuverlässig und frustfrei schöne Ergebnisse zu erzielen und flexibel und kreativ auf die Situation vor Ort reagieren zu können.

2.1DIE KAMERA

Abb. 2 | Ob Kompaktkamera, kompakte Systemkamera, Spiegelreflex oder Spiegellose – mit allen diesen Kameras kann man gute Bilder machen. Für die People-Fotografie sind aber manche besser geeignet als andere.