Just One Word: Verrückte Mädchen küssen besser - Jana Aston - E-Book

Just One Word: Verrückte Mädchen küssen besser E-Book

Jana Aston

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Beschreibung

Es gibt gewisse Dinge, die man niemals machen sollte: Beispielsweise sich zu betrinken und in Las Vegas einem Fremden das Jawort geben. Schlimmer macht man die Situation nur noch, wenn man sich Hals über Kopf in den Kerl verliebt ... Vince ist völlig anders, als ich mir meinen Ehemann ausgemalt hätte. Vielleicht ist das der Grund, warum mein Herz jedes Mal schneller schlägt, wenn er in meiner Nähe ist. Ich wollte ein Für immer. Was macht es schon, dass wir uns vor der Hochzeit kaum kannten? Statistisch gesehen, sind unsere Chancen auf ein Happy End genauso hoch wie bei allen anderen Paaren auch. Doch dann liegen plötzlich die Annullierungspapiere vor meiner Haustür ...

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Seitenzahl: 356

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NEW YORK TIMES BESTSELLERAUTORIN

JANA ASTON

JUSTONEWORD

Verrückte Mädchen küssen besser …

Contemporary Romance

Aus dem Amerikanischen vonFriederike Bruhn

JUST ONE WORD:

Verrückte Mädchen küssen besser …

Jana Aston

© Die Originalausgabe wurde 2018 unter dem Titel GOOD TIME von Jana Aston, in Zusammenarbeit mit Bookcase Literary Agency veröffentlicht.

© 2020 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH8712 Niklasdorf, Austria

Covergestaltung: © SturmmöwenTitelabbildung: © miami beach foreverKorrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-27-1ISBN-EPUB: 978-3-903278-26-4

www.romance-edition.com

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

Epilog

1. Kapitel

»Mein Coach sagt, dass wir die Chefs unseres eigenen Lebens sind.«

Hm. Mir gefällt, wie das klingt, also höre ich weiter zu. Ich habe mich bisher noch nie für irgendwelchen CEO-Kram interessiert, insbesondere nicht, wenn es dabei um mein eigenes Leben ging. Aber jetzt, wo ich das höre, klingt es vernünftig. Außerdem kommt der Tipp vom einem echten Life-Coach, also muss da etwas dran sein. Sollte ich vielleicht selbst einen Life-Coach engagieren? Ich wette, erfolgreiche Menschen haben einen. Glückliche Menschen. Menschen, die ihr Leben im Griff haben.

Auf mich trifft das jedenfalls nicht zu. Wenn ich mein Leben im Griff hätte, würde ich nicht in einem Coffeeshop Halt machen und einen Muffin zum Abendbrot kaufen, weil mir bereits mitten in der Woche meine üblichen Lebensmittel ausgegangen sind.

Fairerweise muss man sagen, dass es für mich bisher immer gut funktioniert hat, in den Tag hineinzuleben, aber vielleicht steckt in mir ja viel mehr? Möglicherweise habe ich ungenutztes Potenzial, von dem ich noch gar nichts weiß? Vielleicht könnte ich mit der Hilfe eines Life-Coaches eine dieser Frauen werden, die jede Situation geregelt bekommen und sogar unter der Woche auf High Heels mit zehn Zentimeter Absatz ihren Alltag meistern. Mit gestylten Haaren sowie einem adretten Shirt-Kleid und einem schmalen Gürtel. Genau wie Meghan.

Verfluchte Meghan.

Normalerweise flechte ich meine Haare nach dem Duschen zu einem Zopf und lasse sie an der Luft trocknen, bis ich zur Arbeit gehe. Bevor ich aus dem Auto steige, löse ich meinen Zopf und lockere einzelne Strähnen einfach ein bisschen auf. Ich habe dichtes, blondes Haar und die Sache mit dem Flechten sorgt dafür, dass ich danach einen schicken Beach-Look habe, für den ich viele Komplimente bekomme. Aber vielleicht sind die Leute einfach nur nett? Ich wickle mir eine meiner Locken um den Finger und betrachte sie, ehe ich sie loslasse. Erneut starre ich Meghans Haar an und frage mich, wie es um neunzehn Uhr abends immer noch so seidenglatt aussehen kann.

Ob ihr Life-Coach ihr einen guten Friseur empfohlen hat? Darauf würde ich wetten. Ich wette, er hat ihr alle möglichen tollen Tipps gegeben.

Die Schlange bewegt sich und ich schiebe mich ein paar Schritte vorwärts, zusammen mit Meghan.

»Mein Coach sagt, dass mich innere Widerstände davon abhalten, das Leben zu erschaffen, von dem ich träume.«

Oh mein Gott. Mir geht es genauso. In mir regen sich ebenfalls solche inneren Widerstände. Ich bin mir immer sicher, kurz davor zu stehen, das Leben meiner Träume zu leben, doch dann kommt irgendwas dazwischen. Wie die Realität. Tja, damit ist es wohl eindeutig, oder? Ich brauche einen Life-Coach. Ich frage mich, ob mir Meghan verraten wird, wen sie engagiert hat. Warum sollte sie nicht? Es ist ja nicht so, als würde ich sie kennen, also stehen wir nicht miteinander im Wettkampf, aber man weiß ja nie. Die Leute können echt empfindlich sein, wenn es um so was geht.

Ich höre auf, mit meinem Handy herumzuspielen, und suche stattdessen nach Life-Coaches in Las Vegas, während ich darauf warte, dass Meghan ihren Anruf beendet, damit ich sie fragen kann.

Oh, wow, es gibt Millionen von Suchergebnissen.

Die besten 10 Life-Coaches in Las Vegas, NVLife-Coach-Therapeuten in Las Vegas, NVDie Top 17 Life-Coaches in Las Vegas

Das letzte Suchergebnis ist seltsam, oder? Siebzehn? Man beendet eine Liste doch nicht bei siebzehn, das ist einfach kleinlich. Ich wette, dass, wer auch immer diese Liste erstellt hat, den Life-Coach auf Platz achtzehn so sehr gehasst hat, dass er nach Nummer siebzehn Schluss gemacht hat.

Mein Beileid, Nummer achtzehn.

»Heute Abend werden wir daran arbeiten, meine inneren Blockaden zu lösen«, fährt Meghan fort, also konzentriere ich mich wieder auf ihre Worte, während ich auf den Link mit den zehn besten Life-Coaches klicke, weil ich diese inneren Blockaden ebenfalls fühle. Glaube ich. Außer … Normalerweise tue ich einfach, wonach mir ist, also habe ich vielleicht gar keine inneren Blockaden? Oder hält mich möglicherweise genau das davon ab, etwas Besseres zu tun?

»Wir treffen uns in diesem neuen Grind Me Café, das in Henderson eröffnet hat«, sagt Meghan der Person, mit der sie telefoniert, und ich spitze die Ohren. Genau dort befinde ich mich gerade – hinter ihr in der Schlange im neuen Grind Me Café!

Als ich gesehen habe, wie das Schild angebracht wurde, habe ich gedacht, dass es sich dabei um einen cleveren Namen für einen Sexshop handeln würde, aber als ich das Geschäft das erste Mal betrat, wurde mir klar, dass sich der Name auf das Mahlen von Kaffee bezieht und nicht auf – na ja, egal. Es ist ein Coffeeshop, und zwar genau der, in dem Meghan ihren Life-Coach trifft. Außerdem gibt es hier hervorragende Bananen-Nuss-Muffins, doch das ist nicht der Punkt, sondern dass es sich bei dieser Situation um Kismet handeln muss, was ein hochtrabenderes Wort für Schicksal ist, aber immer noch das Gleiche bedeutet.

Wie hoch stehen schon die Chancen, dass ich im selben Coffeeshop, in derselben Schlange, zur selben Zeit wie eine Frau stehe, die möglicherweise die gleichen Probleme hat wie ich?

Die Chancen sind gering. Nun, um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie die Chancen genau stehen, aber einigen wir uns um des Arguments wegen darauf, dass sie sehr niedrig sind.

Da ist noch etwas …

Die andere Sache ist – ich wette, dass solche Coaches teuer sind. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Meghan und ich wahrscheinlich ähnliche Probleme haben. Von daher … sollte ich hierbleiben und schauen, ob der Life-Coach und ich kompatibel sind. Oder? Das macht doch absolut Sinn.

Meghan erreicht das Ende der Schlange und hält ihr Handy ein Stück von ihrem Mund weg, um einen schwarzen, entkoffeinierten, mittelgroßen Kaffee zu bestellen. Eine weitere Sache, die wir gemeinsam haben, da ich ebenfalls Kaffee trinke. Zwar mit Milch und Zucker, aber hey, es bleibt Kaffee.

Ich bestelle das Gleiche wie Meghan und dazu noch einen Muffin, schließlich bin ich hergekommen, um Letzteres zum Abendessen zu kaufen. Meghan hatte wahrscheinlich gegrillte Hähnchenbrust mit Grünkohl als Beilage, weil ihr Leben gecoacht wird. Sie handelt nicht einfach aus dem Bauch heraus und kauft einen Muffin zum Abendessen, weil ihr die Cheez-Its ausgegangen sind. Niemals. Ich lasse mir Zeit, während ich etwas Milch und ein Päckchen Zucker in meinen Kaffee gebe, und beobachte Meghan dabei, wie sie an einem der Tische Platz nimmt. Und welch ein Zufall, neben ihr ist noch ein freier Tisch. Glück oder Kismet? Hm? Wie dem auch sei, diese Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen.

Also setze ich mich an den Tisch neben ihren.

Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren, schalte aber natürlich keine Musik an. Sie dienen nur zur Ablenkung, damit mein Lauschen nicht so auffällt.

Das klingt so schäbig – lauschen. Schließlich handelt es sich hier eher um eine Art Kostprobe, so als würde man in den Supermarkt gehen und dort etwas zum Probieren erhalten. Wenn Meghan nicht gewollt hätte, dass ich testweise an ihrer Life-Coaching-Session teilnehme, hätte sie diese in etwas privaterer Atmosphäre abhalten sollen, nicht wahr? Außerdem hat Kismet entschieden, dass ich dazu bestimmt bin, in diesem Moment hier zu sein, und jeder weiß, dass man gegen Kismet nicht ankämpfen kann.

Keine Ahnung, ob ich den Begriff Kismet richtig verwende, aber ich bin mir sicher, dass das die Essenz des Ganzen ist. Zumindest relativ sicher.

Ich stelle den Muffin auf einer Serviette ab, ehe ich einen Stift aus meiner Handtasche krame und eine weitere Serviette glattstreiche, um mir darauf Notizen zu machen. Ich bin einfach nur eine ganz normale Frau, die ihre eigene Gesellschaft bei einem Kaffee und einem Muffin genießt, absolut unauffällig. Ich stopfe mir etwas von dem Süßkram in den Mund und fahre mit meiner Suche nach den besten Life-Coaches in Las Vegas fort, während ich darauf warte, dass Meghans auftaucht. Sollte Meghans Termin heute Abend gut verlaufen, werde ich mir definitiv einen eigenen Coach zulegen.

Es sei denn …

Ach du heiliger Bimbam! Life-Coaches sind gerade echt beliebt. So richtig beliebt. Auf der Website des beliebtesten Coaches steht, dass Klienten derzeit ein Jahr auf einen Platz warten müssen.

Ein. Jahr.

Seufzend werfe ich meinen Stift auf den Tisch. Ich soll ein ganzes Jahr warten, bis ich mein Leben in den Griff bekomme? Zwar bin ich keine Expertin, was das angeht, doch es klingt nicht sinnvoll. Also besuche ich die Website des zweitbeliebtesten Coaches, wo steht, dass aktuell keine neuen Klienten angenommen werden. Ich kann mich nicht mal auf der Warteliste eintragen.

Mist.

Bei Coach Nummer drei sieht es nicht anders aus. Nummer vier und fünf sagen mir nicht zu, deswegen halte ich mich gar nicht erst damit auf, ihre Wartelisten zu überprüfen. Der Coach auf dem sechsten Platz ist ein attraktiver Mann, der kein Recht hat, irgendetwas anderes als meine Orgasmen zu coachen. Mir gefällt Nummer sieben, aber … Moment. Einen Augenblick. Stimmt dieser Preis? Ich hatte erwartet, dass solche Coachings teuer sind, aber so teuer? Wer zur Hölle kann sich das leisten? Nur eine Person, die ihr Leben bereits gänzlich im Griff hat, sonst keiner. Kismet ist doof. Warum hat es dafür gesorgt, dass ich einen Muffin zum Abendessen wollte, genau an diesem spezifischen Coffeeshop Halt machte und hinter Meghan in der Schlange stand, während sie so laut in ihr Handy sprach, dass der ganze Laden es hören konnte, wenn ich nicht dazu bestimmt war, mir einen Life-Coach zuzulegen? Dass mir gestern die Cheez-Its ausgegangen sind, kann ebenfalls kein Zufall sein – schließlich war das der Auslöser für all diese Folgeereignisse.

Während ich darüber nachdenke, was das alles bedeutet, esse ich noch einen Happen meines Muffins. Im nächsten Moment taucht Meghans Coach auf, weshalb ich beschließe, das Nachdenken auf später zu verschieben und mich darauf zu konzentrieren, das Essentielle aus dieser Probesitzung herauszuholen. Das ist schließlich der Sinn dahinter, oder? Vielleicht ist Life-Coaching ja auch echt ätzend und Kismet wollte nur, dass ich anfange, mir die Haare zu föhnen. Finden wir es heraus.

Fünfzehn Minuten später hänge ich am Haken. Meghans Life-Coach ist weiblich und die Beste. Sie sorgt dafür, dass ich eine bessere Version von mir sein möchte. Sie lässt mich glauben, dass ich eine bessere Version von mir sein kann! Nun verstehe ich total, warum jemand so einen Coach engagieren möchte. Ich fühle mich bereits jetzt ruhiger und fokussierter, und das nur durch das Belauschen von Meghans Session. Also … Mir ist bewusst, dass ich jetzt wahrscheinlich gehen sollte. Das sollte ich wirklich. Aber ich habe noch immer keine Lösung dafür, wie ich meinen eigenen Coach bezahlen soll oder wo ich überhaupt einen finde. Es ist ja nicht so, als könnte ich aufstehen, zu ihrem Tisch gehen und um eine Visitenkarte bitten, oder?

Kann ich nicht.

Von daher …

Ich werde einfach noch ein wenig länger bleiben. Nur ein kleines bisschen. Oder aber die ganze Stunde. Das ist am praktikabelsten. Normalerweise ist Zweckmäßigkeit nicht gerade mein Ding, also ist die Tatsache, dass ich gewillt bin, praktikabel zu sein, doch ein weiteres Zeichen, meint ihr nicht? Ich finde schon. Ich denke, es bedeutet, dass es mir bestimmt war, genau zu diesem Zeitpunkt hier zu sein. Außerdem scheinen Meghan und ich viel gemeinsam zu haben. Wenn ich ein paar Jahre älter wäre, eine bessere Garderobe hätte, mir die Zeit nehmen würde, mir jeden Tag die Haare zu föhnen und zu stylen, und es mir leisten könnte, einen Life-Coach zu engagieren, dann wären wir praktisch die gleiche Person. Zugegeben, das mag nach einer fünfzehnminütigen Kostprobe ihres Lebens vielleicht ein wenig übertrieben sein, aber wir sind uns ähnlich genug. Folglich ist es ein wenig so, als würde sie ihrem bisherigen Ich dazu verhelfen, die beste Version seines Selbst zu werden.

Ich halte inne und wickle mir eine meiner Haarsträhnen um den Finger. Okay, das ist wirklich weit hergeholt.

Trotzdem bleibe ich.

Der Rest der Sitzung ist genauso lebensverändernd wie die ersten fünfzehn Minuten. Wir arbeiten daran, unsere größten Stärken zu identifizieren und herauszufinden, welche neuen Fähigkeiten wir gern entwickeln würden – und es fühlt sich wirklich gut an, meine Stärken zu identifizieren. Ich besitze jede Menge positive Eigenschaften. Zum Beispiel bin ich spontan. Das ist etwas, woran Meghan noch arbeitet. Darüber hinaus bin ich sehr extrovertiert und gut darin, mit dem Strom zu schwimmen. Anpassungsfähig würde Carol das nennen. Nächste Woche werden wir an unserer Entscheidungsfähigkeit arbeiten. Wie es scheint, hat Meghan ein paar unkluge Entscheidungen getroffen, aber dafür verurteile ich sie nicht, denn: wem ist das noch nicht passiert? Außerdem hat Carol gesagt, dass schlechte Entscheidungen oft zu guten Entscheidungen führen, weil wir aus unseren Fehlern lernen. Sie war auch der Ansicht, dass schlechte Resultate nicht immer das Ergebnis falscher Entscheidungen sind oder dass eine richtige Entscheidung manchmal ungute Folgen haben kann, ohne dass man irgendeine Schuld trägt. Deswegen sollte man sich nicht davon abhalten lassen, es erneut zu versuchen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie über eine Eigentumswohnung geredet haben, die Meghan gekauft hat, bevor sie nach Las Vegas gezogen ist, aber der Ratschlag lässt sich auch auf all die Typen anwenden, die ich im College gedatet habe. Seht ihr, wie anpassungsfähig ich bin?

Carol ist toll.

Das ist auch der Grund, weshalb ich denke, dass ich nächste Woche vielleicht wiederkommen sollte. Denn mal ehrlich, wer bestimmt schon, wie lang eine Kostprobe dauern sollte?

Ich nicht. Schließlich bin ich nicht die Kostprobenpolizei.

Ich bin einfach nur eine Frau, die in einem Coffeeshop sitzt und aus ihren Stärken einen Nutzen zieht. Die den Sinn und Zweck ihres Lebens freischaltet. Ihre Komfortzonen erweitert. Außerdem ist das nicht mal die schlechteste Idee, die ich jemals hatte. Es ist nicht mal die schlechteste Idee, die ich diese Woche hatte, wobei auch das in Ordnung wäre, denn schlechte Ideen entfachen unsere Kreativität. Zumindest sagt das Carol, und da mir diese Sichtweise wirklich gefällt, übernehme ich sie.

»Ist das hier ein guter Ort, um uns nächste Woche erneut zu treffen?«

Ja. Ja, ist es. Genau genommen hat Carol natürlich Meghan gefragt, aber ein Coffeeshop ist nicht wirklich der Ort für eine Life-Coaching-Session, wenn man nicht möchte, dass Fremde ebenfalls davon profitieren.

»Nächste Woche kann ich Donnerstag nicht«, antwortet Meghan. »Ich bin auf einer Geschäftsreise. Ich werde in meinem Terminkalender nachschauen und dir eine E-Mail schreiben.«

Tja, das war’s dann vermutlich. Ich werde niemals erfahren, wann sie sich wieder treffen, und ich kann wohl kaum wie ein trauriger Autor mit einer Allergie gegen Heimarbeit jeden Tag in diesem Coffeeshop herumhängen. Ich mustere eine an einem der Ecktische sitzende Frau, die vor sich hinmurmelt, während sie tippt. Nein, definitiv nicht.

»Der einzige andere freie Termin wäre am Sonntagmorgen um elf«, verkündet Carol.

Problem gelöst.

2. Kapitel

»Heiliger, wer ist das?« Ich halte abrupt inne, sodass Mark von hinten in mich hineinstößt.

Nein, das ist nicht doppeldeutig gemeint, wir sind gänzlich angezogen. Mark ist in mich hineingelaufen, weil er zu sehr damit beschäftigt war, auf sein Handy zu schauen, um zu merken, wo er hinrennt. Möglicherweise auch, weil ich so abrupt stehen geblieben bin, aber als Fußgänger hat man nun mal immer Vorrang, also von daher … Zugegeben, diese Regel gilt eigentlich im Zusammenhang mit Autofahrern und Fußgängern, die die Straße überqueren, und nicht für Kollegen in Hotelkorridoren, aber ich war schon immer sehr gut darin, Regeln zu meinen Gunsten auszulegen.

»Payton, verdammt. Pass auf, wo du hingehst.«

»Ich? Du bist derjenige, der in mich reingelaufen ist!«

»Weil du mitten auf dem Korridor stehen geblieben bist.« Er sieht an mir vorbei und deutet den Flur entlang, um klarzumachen, wie idiotisch mein unvermitteltes Halten war.

»Ich bin stehen geblieben, gerade weil ich darauf achte, wo ich hingehe«, entgegne ich. »Und ich habe diesen Typen erblickt«, ich nicke in Richtung der Lobby, die von der Balustrade, hinter der wir in der zweiten Etage stehen, zu sehen ist, »und mich dazu entschieden, zu halten.«

»Diesen Typen erblickt? Schön gesagt.«

»Mark.« Ich warte, bis ich seine vollständige Aufmerksamkeit habe. »Ich brauche deine ganze Konzentration.«

»Hast du.«

Ich mag Mark wirklich und überlege, ihn zu meinem Arbeitsgatten zu machen. Es ist zwar noch recht früh dafür, weil ich erst seit zwei Wochen hier angestellt bin, aber bisher sieht es gut aus. Manchmal weiß man einfach, wenn man den richtigen Kollegen trifft.

»Wer ist er?« Ich trete näher an die Balustrade heran, damit ich meinen potenziellen zukünftigen Ehemann besser betrachten kann. »Der tolle Kerl, der mir Canon redet. Kennst du ihn? Arbeitet er hier?«

»Keine Ahnung.«

»Das müssen wir herausfinden, weil ich ihn möglicherweise heiraten und die Mutter seiner Kinder sein werde.«

»Wirklich?«, fragt Mark und sein Ton verrät, dass er mich gerade nicht sonderlich ernst nimmt.

»Ja, wirklich. Es könnte passieren. Er ist genau mein Typ. Groß, dunkelhaarig, gutaussehend und gut bestückt.«

»Hm.« Wieder dieser Tonfall von Mark.

»Was? Glaubst du, dass ich nicht sein Typ bin?«

»Ich habe nicht geglaubt, dass du generell der Typ bist«

»Welchen Typ meinst du?« Ich wende meinen Blick von dem hinreißenden Fremden ab und funkele Mark finster an. Jedoch nur für eine Sekunde, denn Mark kann ich jederzeit angucken, und wer weiß, ob ich meinen potenziellen Ehemann jemals wiedersehen werde?

»Der seriöse, sesshafte Typ Frau, dem es wichtig ist, zu heiraten. Wenn man bedenkt, dass du mir erst gestern gesagt hast, dass die meisten Paare besser dran wären, wenn sie einen Berg Geldscheine in Flammen setzen und das Feuer dazu nutzen würden, ein paar Marshmallows zu grillen, statt zu heiraten.«

»Das war nur, weil wir an der Johnson-McNally-Hochzeit gearbeitet haben und dieses Paar ganz eindeutig mehr davon hätte, eine Menge Bargeld in Brand zu stecken, als es für seine Hochzeit zu verschwenden. Die beiden sind schrecklich. Außerdem hatte ich Hunger und wollte S’mores.«

»Hm.«

»Zudem ist es ein hinreichend bewiesener Fakt, dass Paare, die weniger als tausend Dollar für ihre Hochzeit ausgeben, länger zusammenbleiben.«

»Hinreichend bewiesener Fakt, hm?«

»Dass du meinen Worten misstraust, ist unangebracht. Ich weiß solche Sachen.«

»Na klar.« Mark sagt einen Moment nichts, ehe er nachhakt: »Wo genau hast du diese Information her?«

»Ich habe sie in einem Video in meinem Facebook-Feed gesehen.«

»In deinem Facebook-Feed? Dann ist es natürlich wahr, ganz klar.«

»Es wirkte ziemlich überzeugend. Es war ein wirklich professionelles Video.«

»Hm.« Schon wieder eines seiner Hms.

»Es könnte wahr sein«, beharre ich. »Es klingt logisch. Ziemlich zumindest.«

»Basierend auf deiner Tausend-Dollar-Regel müsste jede spontan in Las Vegas eingegangene Ehe zu einer langen, glücklichen Verbindung werden.«

»Wer sagt, dass es nicht so ist?«

»Britney Spears, circa 2004.«

»Wow. Du bist ein echter Spaßverderber, Mark.«

»Danke. So stelle ich mich auch immer auf Partys vor. Hi, ich bin Spaßverderber-Mark.«

»Damit würde ich nicht mit der Tür ins Haus fallen. An deiner Stelle würde ich mir das für das Ende der Nacht aufsparen, wenn du den Leuten ihre Plastikbecher entreißt, um sie abzuspülen, bevor du sie recycelst.«

»Deine Fantasie muss ein sehr unterhaltsamer Ort sein.« Neben mir legt Mark seine Unterarme auf der Balustrade ab und äugt zusammen mit mir nach unten in die Lobby.

»Auf jeden Fall, Mark. Auf jeden Fall.«

»Also, wie kommt es, dass du an die Planung deiner Hochzeit denkst, wenn dir Hochzeiten eigentlich egal sind.«

»Hör auf, das zu sagen. Wir sind Eventplaner. Event. Planer. Und da hat man nun manchmal mit Hochzeiten zu tun und manchmal eben mit besseren Dingen.« Ich habe bis an mein Lebensende genug von Hochzeiten. »Ich habe gesagt, dass ich diesen Mann vielleicht ehelichen und die Mutter seiner Kinder sein werde. Eine Hochzeit und eine Ehe sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Ein einzelner Tag ist mir nicht wichtig. Wirklich nicht. Mir liegt das Für immer am Herzen, nur leider ist ein Für immer eine sehr unsichere Sache. Sicher, Hochzeiten machen Spaß. Wenn man mal die Tatsache, dass die meisten Ehen ohnehin wieder zu Bruch gehen, außer Acht lässt.

»Ein Blick reicht aus und du bist bereit, den Rest deines Lebens mit ihm zu verbringen?«

»Sei nicht albern. Ich habe vielleicht gesagt und nicht, dass es bereits beschlossene Sache wäre. Möglicherweise geht er mir tierisch auf den Senkel, wenn wir miteinander sprechen, oder noch schlimmer, er ist furchtbar schlecht im Bett.« Auch wenn ich das bezweifle. Der Mann sieht aus, als hätte er es im Schlafzimmer echt drauf. Er verströmt praktisch Sex und Selbstbewusstsein, und dabei bin ich noch nicht mal in einem Raum mit ihm. Wahrscheinlich würde es mich geradezu außer Gefecht setzen, wenn er mich anschauen würde. »Vielleicht haben wir auch einfach nur eine glühende Affäre und gehen anschließend einvernehmlich unserer Wege.«

»Glühende Affäre? Wer zur Hölle redet bitte so?«

»Ich«, antworte ich. »Genau jetzt. Schließlich habe ich es gerade gesagt.«

»Hm.«

»Das ist ein schicker Anzug, oder? Vermutlich hat er einen vernünftigen Job, sodass er Alimente bezahlen kann, wenn er sich von mir scheiden lässt. »Denkst du, er sieht eher aus wie der Typ, der zu den Fußballspielen der Kinder kommt, oder wie jemand, der sich nur im Urlaub mit ihnen beschäftigt?«

»Deine Gedanken, Payton, heiliges Kanonenrohr.«

»Statistisch gesehen, ist das eine berechtigte Frage.«

»Hm.« Schon wieder.

»Er ist so hübsch«, sage ich sehnsüchtig.

Der Kerl sieht wirklich unverschämt gut aus. Groß. Dichtes, dunkles Haar. Markanter Kiefer. Sein olivfarbener Teint lässt mich vermuten, dass er Italiener ist. Entweder das oder er hat eine Wahnsinnsbräune. Er trägt einen Anzug, der wie angegossen sitzt. Er hat breite Schultern und einen flachen Bauch. Unter seinem Hemd verbirgt er mit Sicherheit jede Menge Bauchmuskeln. Während ich ihn beobachte, schnippt er mit seinem Handgelenk, um seine Armbanduhr freizulegen und einen Blick darauf zu werfen. Haltet mich für verrückt, aber dieses Schnippen mit dem Handgelenk ist mein neuer Anturner.

»Sag das zu ihm, wenn du ihn kennenlernst. Männer lieben es, als hübsch bezeichnet zu werden«, sagt Mark trocken.

»Oje, aber sieh ihn dir doch nur an. Ich glaube, er ist möglicherweise mein Kryptonit.«

»Du denkst, dass dich ein direkter Kontakt so schwächen würde, dass du kurz davor wärst, zu sterben?«

»Nein, das ist nicht richtig. Benutze ich das Wort nicht korrekt? Warum sagen die Leute immer so Sachen wie Donuts sind mein Kryptonit? Ein Donut ist kein Kryptonit, sondern ein Geschenk an die Menschheit.«

»Du glaubst also, dass dieser Mann das Geschenk der Menschheit an dich sein könnte? Schlussfolgere ich das richtig?«

»Vielleicht. Das kann man nie wissen.«

»Tja, er verschwindet«, stellt Mark fest.

»Das tun sie immer.« Ich zucke mit den Schultern, ohne von dieser Entwicklung der Dinge sonderlich bekümmert zu sein. Aber ich beobachte ihn noch weiter, denn verdammt, er trägt diesen Anzug und mich überkommt gerade ein schlimmer Anfall von Verlangen.

»Sollen wir nach unten rennen und versuchen, ihn aufzuhalten? Du kannst so tun, als würdest du stolpern, und ihm in die Arme fallen oder so was ähnlich Dämliches. Es wäre mir eine Freude, dir einen Schubs zu verpassen.«

»Nein.« Ich trete einen Schritt von der Balustrade zurück und gehe in Richtung des großen Ballsaals. Wir waren auf dem Weg, ein paar Maße für die gefürchtete Johnson-McNally-Hochzeit zu nehmen, als ich abgelenkt wurde. »Du weißt ja, was man sagt. Wenn man jemanden liebt, lass ihn los. Wenn er zurückkommt, heirate ihn.«

»So lautet das Sprichwort nicht, und außerdem ist das bei einem Mann, den du noch nicht einmal kennengelernt hast, irrelevant.«

»Sagst du.«

»Wenn ich jemals wegen Stalkings gegen dich aussagen muss, werde ich nicht für dich lügen können.«

»Das wirst du nicht müssen, da du eheliche Privilegien genießt.«

»Wir sind nicht verheiratet.«

»Noch nicht, aber bis dahin werden wir eine Arbeitsehe führen.«

»Arbeitsehe?«, wiederholt Mark langsam, als wäre ihm dieses Konzept gänzlich fremd. »Werde ich mitbekommen, wann das stattfindet? Sind diese langen Spaziergänge entlang der Hotelkorridore ein Brautwerberitual, dessen ich mir nicht bewusst bin? Wird es eine Zeremonie in der Cafeteria geben, wenn es offiziell ist, damit ich weiß, wann wir unseren Hochzeitstag haben?«

»Oh, ein Hochzeitstag für Arbeitsgatten! An so etwas habe ich noch nie gedacht! Siehst du, Mark, das ist der Grund, weshalb du im Rennen um die Position bist. Du unterstützt mich und hast tolle Ideen.«

»Im Rennen?« Marks Ton ist ausdruckslos. »Ich habe Konkurrenz, wenn es um eine Pseudoehe am Arbeitsplatz geht?«

»Nicht viel, falls das hilft. Du liegst in Führung«, verkünde ich, als ich den Ballsaal betrete und dabei einem der Bauarbeiter ausweiche.

Das Hotel, in dem wir arbeiten, hat erst seit kurzem geöffnet. Wir sind immer noch in der Phase, die wir Soft-Opening nennen, was bedeutet, dass vor allem Reisejournalisten und Führungskräfte aus der Branche kostenlos in den Zimmern einchecken. Die Casinoebene ist bereits für den Betrieb geöffnet, aber die große Eröffnungsfeier wird erst in zwei Wochen stattfinden. In den meisten der Eventräume werden zudem noch letzte Arbeiten ausgeführt und Mängel behoben. Farbausbesserungen werden vorgenommen, Kronleuchter aufgehängt und letzte Einbauten ergänzt. Es ist das reinste Chaos und ich liebe jede Minute davon.

»Lass uns diese Abmessungen vornehmen«, sage ich zu Mark. »Ich bin am Verhungern und heute gibt’s Fleischklöße in der Cafeteria.«

»Geh einfach.« Mark seufzt und wedelt mich mit einer Handbewegung fort. »Ich kann mich darum kümmern.«

»Mark!« Ich strahle ihn an. »Weißt du was? Lass es uns offiziell machen. Der heutige Tag kann ab jetzt unser Hochzeitstag sein. Herzlichen Glückwunsch. Ich habe gehört, dass das traditionelle Geschenk zu einer Hochzeit am Arbeitsplatz eine Box voll Cheez-Its ist. Die kannst du mir morgen mitbringen.«

»Das hast du nicht gehört, sondern dir gerade eben ausgedacht.«

»Stimmt, aber fairerweise muss man sagen, dass jemand erst einmal damit anfangen muss, es zu sagen, damit man es irgendwann gehört haben kann.«

»Na sicher.«

»Ich bin der Ansicht, dass es gute Chancen hat, Anklang zu finden«, füge ich hinzu. »Es haben sich schon viel dümmere Sachen durchgesetzt, von daher ist das möglich.«

»Das ist eine Weise, das Ganze zu betrachten.«

»Vertrau mir, ich verfüge über eine Menge einfallsreiche Wege, die Dinge zu betrachten.«

3. Kapitel

»Denkst du jemals darüber nach, dass man einen Erwachsenentest bestehen sollte, bevor man seine erste eigene Wohnung beziehen darf?« Ich werfe mir einen Cheez-Its-Cracker in den Mund und beobachte meine Mitbewohnerin dabei, wie sie sich Marmelade auf einen English-Muffin streicht.

»Ähm, nein?« Lydia wirkt irritiert von meiner Frage, als sie ihr Messer abwischt und es in der Spülmaschine platziert. Okay, vielleicht liegt das auch nur an mir. Ihr Frühstück besteht aus einem English-Muffin, wohingegen ich Cracker mit Käsegeschmack esse. Möglicherweise handelt es sich also eher um ein persönliches als ein generelles Problem, das alle Mitzwanziger haben.

Trotzdem.

»Du findest es kein bisschen besorgniserregend, dass wir jeden Tag zum Frühstück Chocolate Cheerios essen können und niemand da ist, der uns davon abhält?«

»Gibt es Chocolate Cheerios wirklich?« Sie kräuselt die Nase und setzt seine zweifelnde Miene auf.

»So was von wirklich.«

»Hm.« Sie isst einen weiteren Bissen ihres normalen Frühstücks, während ich den allerletzten meiner Käsecracker auffuttere – die Box ist leer. Ich muss anfangen, die Familienpackung zu kaufen, oder lernen, die Menge an Crackern, die ich zwischen meinen Trips zum Supermarkt esse, besser zu rationieren.

»Wer würde den Test leiten?«, fragt sie schließlich, weil sie eine gute Freundin ist und gute Freundinnen immer über deine Ideen nachdenken, ehe sie sie ablehnen.

»Mrs Butterworth.«

Blinzelnd starrt mich Lydia an. »Eine Plastikflasche in der Form einer alten Lady soll darüber richten, wer in der Lage ist, sich wie ein Erwachsener zu verhalten?«

»Wer würde es sonst tun? Der Regierung können wir schließlich kaum vertrauen, eine faire Entscheidung zu treffen.«

»Da ist wahrscheinlich was dran.«

Wir schweigen eine Weile, in der Lydia erwachsenen Gedanken nachhängt und ich darüber nachgrüble, welche Fragen ich in einem solchen Test stellen würde. Brauche ich eine Rentenversicherung? Wie genau ist ein Ablaufdatum zu nehmen? Ist es wirklich so schlimm, Cracker mit Käsegeschmack als Mahlzeit zu essen?

»Fahren wir heute gemeinsam zur Arbeit?«, fragt Lydia und hängt sich ihre Handtasche über die Schulter, ihre Schlüssel baumeln bereits an ihrem Finger.

»Definitiv«, bestätige ich, schnappe mir meine eigene Tasche und folge ihr aus der Tür. Wir haben den gleichen Arbeitsort und bilden daher öfter eine Fahrgemeinschaft. Außerdem ist heute Freitag, was bedeutet, dass Lydia auf dem Nachhauseweg nicht an einem Secondhand-Laden Halt machen kann, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. Denn so würde sie ihre Freitagabende verbringen, wenn ich nicht intervenieren würde.

Wir haben beide in unserem letzten Jahr an der LSU auf einer Jobmesse auf unserem Campus einen Job gefunden, und das ist eine ziemlich große Sache für uns. Richtige Jobs. Jobs mit Rentensparplänen und anderen Sozialleistungen in einem brandneuen Resort am Vegas Strip. Ich arbeite im Eventmarketing, was praktisch nichts anderes bedeutet, als dass ich Leuten dabei helfe, Events zu planen. Events, die in Vegas in einem schicken Resort abgehalten werden. Wie cool ist das denn bitte sehr? Mal abgesehen von meiner Frühstücksproblematik verhalte ich mich doch absolut erwachsen.

Lydia und ich haben entschieden, dass wir uns ein Appartement teilen würden, als wir nach Las Vegas gezogen sind, was sich als tolle Entscheidung erwiesen hat, da wir zwar in ähnlichem Alter sind, aber über ganz unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. Wir gleichen einander wie zwei Erbsen. Wenn eine der Erbsen eine unberührte Bio-Erbse und die andere eine gebratene Erbse in einer köstlichen Soße wäre. Moment, nein. Ich denke gerade an diese knusprigen grünen Bohnen von P.F. Chang’s, also keine Erbsen. Egal, ihr versteht, was ich meine.

Sie ist eine Brünette.

Ich bin eine Blondine.

Sie ist noch Jungfrau.

Ich nicht.

Sie war bis zur zwölften Klasse eine Pfadfinderin und hat sich alle Life-Skill-Abzeichen verdient, die es gibt.

Ich wiederum wurde wegen einer mehr oder vielleicht auch weniger kleinen Schummelei mit den Abzeichen bei den Pfadfinderinnen rausgeschmissen. Was in Ordnung ist. Ich wollte ohnehin nie dort hingehen. Nicht wirklich zumindest.

Der Punkt ist, dass ich ihr helfe, ein wenig aus ihrem Gutmädchen-Dasein auszubrechen, indem ich sie dazu animiere, das Leben ein bisschen zu genießen. Mit den süßen Typen am Pool zu sprechen. Einen Fremden in einer Bar zu küssen. All die Spaß-Abzeichen zu verdienen, wenn man so möchte. Es ist ein laufender Prozess, aber ich denke, dass ich in ihrem Leben wirklich etwas bewirke.

Wir haben uns erst im ersten Collegejahr kennengelernt und vor Vegas noch nie zusammengewohnt. Sonst hätte ich schon früher gemerkt, dass sie meine Hilfe braucht. Events zu planen und Menschen dabei zu helfen, mehr unter Leute zu kommen und sich zu öffnen, ist praktisch das Gleiche. Oder zumindest ist es das, wenn ich es mache. Beziehungsweise wird es das bald sein. Denn als frische Collegeabsolventin organisiere ich noch nicht die wirklich tollen Events, hatte an den Projekten, die man mir bisher anvertraut hat, aber trotzdem jede Menge Spaß.

Beispielsweise organisiere ich gerade das Ehrendinner für eine Gruppe des amerikanischen Dermatologieverbands, der kommendes Frühjahr eine einwöchige Konferenz bei uns gebucht hat. Ich weiß, ihr denkt, das klingt langweilig, aber es wird ein absolut herausragendes Ereignis sein, wenn ich damit fertig bin. Zudem arbeite ich an ein paar Hochzeiten, was für mich immer am schlimmsten ist, aber natürlich leiste ich dennoch meinen Beitrag als Eventplanerin. Irgendwann werde ich mich zu den wirklich guten Veranstaltungen hochgearbeitet haben – wie Launch-Partys für die Jeanslinien von irgendwelchen Stars oder Kosmetikkonferenzen. Events, bei denen ich nicht zwischen Braut und Bräutigam vermitteln muss, weil sich die beiden über Menüoptionen oder darüber streiten, wo man den Onkel hinsetzt, der nie die Klappe hält, während ich mir auf die Zunge beiße, um vor Frust nicht laut aufzuschreien.

Eine Hochzeit ist nur ein Tag. Ein nerviger Tag, an dem man krampfhaft versucht, den besten Tag seines Lebens zu haben, was jedoch unmöglich ist, weil die besten Tage im Leben nicht geplant werden können. Die besten Tage passieren immer dann, wenn man sie am wenigsten erwartet.

»Ich mache mir Sorgen wegen Rhys«, sagt Lydia, als wir den halben Weg zur Arbeit hinter uns gebracht haben.

»Warum das?« Rhys ist ihr Angebeteter. Zudem ist er ihr Boss. Und meiner. Er ist von allen Mitarbeitern der Boss, da er der Geschäftsführer des Windsor ist, des Hotels, in dem wir beide arbeiten. Sie daten sich nicht wirklich, aber er steht auf sie, kämpft jedoch dagegen an, was ich nicht kapiere, da Lydia toll ist und sie am Ende sowieso zusammenkommen werden. Manchmal müssen Männer die Dinge aber einfach auf ihre Art und Weise herausfinden.

»Die, ähm … Sache in der Bar ist jetzt zwei Wochen her, und ich habe allmählich das Gefühl, dass das mit uns nichts wird.«

Bei der Sache in der Bar handelt es sich um einen Orgasmus. Zwar im Back Office, aber trotzdem. Ich war superstolz auf sie, weil das für sie weit außerhalb ihrer Komfortzone lag. Als wir an dem Abend nach Hause gekommen sind, habe ich ihr ein Bar-Abzeichen gemacht, was so viel wie ein Pfadfinderinnenabzeichen für Erwachsene ist. Schmutzige Erwachsene.

»Aber gleichzeitig«, fährt sie fort, »habe ich das Gefühl, dass wir füreinander bestimmt sind. Ich kann doch nicht all diese Gefühle ohne Grund haben, oder?« Sie hält nicht lang genug inne, als dass ich antworten könnte, daher nehme ich an, dass ihre Frage rhetorisch gemeint war. »Ich weiß, dass er es auch fühlt. Ich weiß es einfach. Ich verstehe nur nicht, warum er nichts unternimmt. Er küsst mich, als würde er es ernst meinen, Payton. Niemand hat mich jemals zuvor so geküsst, weißt du? Es ist etwas gänzlich anderes.«

Das kann ich nicht sagen, weil ich Rhys nicht geküsst habe, aber ich habe gesehen, wie er sie ansieht, von daher hat sie wahrscheinlich recht. »Wir werden das Ganze schon hinbiegen«, verspreche ich ihr. »Ich werde mal ein paar Erkundigungen einholen. Ich kenne eine Menge Leute im Hotel.«

»Du kennst eine Menge Leute?« Lydia sieht mich an, als sie an einer roten Ampel hält. »Wir haben beide am gleichen Tag angefangen. Wen kennst du, den ich nicht kenne?«

Ich wische ihre Zweifel einfach beiseite. »Du bist in der Personalabteilung, ich im Eventmanagement. Vertrau mir, ich höre den heißen Klatsch. Dir wiederum erzählt keiner was.«

»Da hast du womöglich recht.«

»Bis zum Mittagessen habe ich herausgefunden, was es mit Rhys auf sich hat. Alles wird gut werden.«

»Glaubst du wirklich?«

»Höchstwahrscheinlich. Höchstwahrscheinlich wird alles gut werden. Spätestens heute Nachmittag werde ich herausgefunden haben, was hinter Rhys’ Verhalten steckt. Vielleicht steht er ja auf irgendwelchen komischen Kram. Vielleicht steht er ja auf Pelzspielchen im Bett oder so. Was natürlich in Ordnung ist, ich verurteile niemanden. Aber ich weiß nicht, ob du den Nerv hast, dich als Pandabär zu verkleiden, um es ihm zu besorgen, von daher ist es für dich persönlich möglicherweise nicht in Ordnung.«

»Was?« Lydia wirft mir einen weiteren Blick zu und völlige Verwirrung zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab.

»Ähm, vergiss es.« Ich glaube nicht, dass sie schon bereit dafür ist, zu erfahren, wie irritierend Dating wirklich sein kann.

4. Kapitel

»Bist du sicher, dass du das tun möchtest, Lydia?« Meine überragenden Geselligkeits-Skills wollen, dass sie Ja sagt. Ja, weil es spaßig werden wird. Ja, weil es verrückt ist. Ja, weil wir nichts Besseres fürs Wochenende geplant haben. Aber als ihre beste Freundin möchte ich, dass sie noch mal darüber nachdenkt. Genau aus den gleichen Gründen.

Es ist Samstagmorgen und wir sitzen im Auto auf dem Parkplatz des Double Diamonds. Dabei handelt es sich um einen Stripclub. Gentlemen’s Club. Wie auch immer. Die Website des Clubs sah gar nicht so schäbig aus, wie ich erwartet hatte, aber es handelt sich immer noch um einen Stripclub. Wir sind hier, weil meine noch jungfräuliche beste Freundin reingehen und den Besitzer bitten möchte, ihr dabei zu helfen, ihre Jungfräulichkeit zu versteigern. An Rhys, um genau zu sein.

Ich weiß.

Das klingt zu verrückt, um wahr zu sein.

Es ist völlig irrsinnig.

Aber ja, das passiert hier gerade wirklich. Ich habe gestern ein wenig rumgefragt, und wie es scheint, verbringt Rhys eine Menge Zeit in diesem Gentlemen’s Club. Außerdem gab es Gerüchte um Professionelle. Und damit meine ich Prostituierte. Ich habe Lydia diese Informationen beim Mittagessen erzählt und am Abend hatte sie bereits einen Plan. Den eben genannten Plan, ihre Jungfräulichkeit bei irgendeiner Art Auktion an Rhys zu versteigern. Unter keinen Umständen wird dieses Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden. Nein, nein und noch mal nein. Lydia ist das gute Mädchen. Die gute Freundin. Die gute Tochter. Die Gute bei allem. Weshalb ihre Idee auch völlig durchgeknallt ist. Nicht dass ich denke, dass Rhys nicht anbeißen würde. Denn das wird er. Ich denke nur nicht, dass wir gleich einem Stripclubbesitzer mit einem Herzen aus Gold gegenüberstehen werden.

Wie dem auch sei.

Auf ins Double Diamonds.

Ich erwarte, dass wir rausgeschmissen werden. Oder wegen Anstiftung zur Prostitution verhaftet werden. Oder gefesselt und in ein Flugzeug Richtung Mexiko verfrachtet werden.

Was denn? Ich habe halt eine lebhafte Fantasie.

Stattdessen werden wir gefragt, ob wir jeweils einen Bewerbungsbogen ausfüllen möchten, was, um ehrlich zu sein, ein wenig schmeichelhaft ist. Klar, ich habe schon einen Job, aber man weiß ja nie, wann mein einen Backup-Plan braucht.

»Ich möchte gern mit dem Besitzer sprechen«, erwidert Lydia mit gestrafften Schultern und hoch erhobenem Kopf.

»Ich auch«, füge ich hinzu, weil ich sie da nicht allein reingehen lassen kann, falls der Boss hier ist und uns tatsächlich ein Treffen gewährt wird. Grund Nummer eins: Ich bin eine gute Freundin und eine gute Freundin würde dich niemals allein ins Back Office eines Stripclubs schicken. Lydia ist blind vor Liebe und ich kann sie keine Entscheidung treffen lassen, die sie später bereuen wird. Grund Nummer zwei: Die ganze Sache hat das Potenzial, sehr unterhaltsam zu werden, und das werde ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen.

Ich stopfe den Bewerbungsbogen in meine Handtasche und Lydia bedenkt mich mit einem skeptischen Blick. Ich zucke mit den Schultern – schließlich habe ich den Bewerbungsbogen behalten, weil ich neugierig bin, und nicht, weil ich mich wirklich bewerben werde. Zumindest höchstwahrscheinlich nicht.

Wir werden an einigen erhöhten Plattformen mit den üblichen Polestangen in der Mitte vorbeigeführt, einen langen, dunklen Flur entlanggeleitet und durch eine Tür hindurch gebracht.

Die Tür führt zu … einem Büro. Es ist ein schönes Büro. Wirklich schön. Es ist ruhig und eine Reihe von Fenstern flutet den Raum mit natürlichem Licht. Von hier aus sollte man den Parkplatz sehen, da wir einen Block vom Strip entfernt sind, aber stattdessen blickt man auf eine Art Innenhof. Es wirkt so, als habe man einen Teil des Parkplatzes abgeteilt und in eine Außenterrasse verwandelt. Die Mauer blockiert von unserem Blickwinkel aus die Sicht auf das, was dahinterliegt, daher kann ich nur einen Blumengarten und einen Brunnen erkennen. Einen verdammten Brunnen. Das ist echt enttäuschend, weil ich mir einen dunklen Raum mit schlechter Beleuchtung und einen übergewichtigen weißen Mann mit einer Zigarre im Mund vorgestellt habe, der hinter einem Schreibtisch sitzt und von einer Reihe von Schlägertypen umgeben ist, die ihn beschützen, sollte es notwendig sein.

Vor uns befindet sich eine Sitzecke aus Ledersofas und einigen Fauteuils. In deren Mitte steht ein Couchtisch, der offenbar aus recyceltem Holz in Fischgratmuster besteht und von einem schmalen Metallrahmen gestützt wird. In die Seitenwand des Raumes ist eine Kaffeebar eingelassen – bestehend aus einer hölzernen Anrichte mit Marmorplatte sowie einem Kaffeeautomaten und Gläsern mit Zuckerpäckchen und Müsliriegeln.

Und es gibt einen Schreibtisch.

Nur einen.

An dem eine kurvige Frau in den Fünfzigern sitzt, die uns anstrahlt und mir das Gefühl gibt, als würde ich gerade nach der Schule bei einer Freundin vorbeischauen, statt ins Hinterzimmer eines Stripclubs geführt zu werden.

Das ist ebenfalls eine kleine Enttäuschung, wenn ich ehrlich bin. Ich dachte, dieses Treffen würde ein bisschen dramatischer verlaufen, aber diese Frau sieht aus, als würde sie einen Buchclub leiten, und nicht einen Stripclub. Einen Buchclub, in dem nur Bücher mit angedeuteten Sexszenen oder, noch schlimmer, ohne jegliche Romantik besprochen werden. Bäh. Lydia braucht mich hier nicht. Diese beiden werden Schmortopfrezepte austauschen, während sie mit dieser Pseudoauktion Rhys’ Leben auf Vordermann bringen.

Ich hasse es, nicht gebraucht zu werden.

»Ich bin Sally«, sagt die Frau und erhebt sich mit einem weiteren Lächeln von ihrem Stuhl. »Ihr Ladys wollt zu Vince? Kann ich euch einen Kaffee oder ein Wasser anbieten, ehe ihr zu ihm geht?«

Vince. Okay, das ist doch mal ein Wort. Vince klingt, als könnte er ein mieser Typ mit Zigarre im Mund sein. Er könnte in einem spärlich beleuchteten Büro sitzen, das nach Verzweiflung riecht und wie das Set eines Mafia-Dramas von HBO aussieht.

»Nein, danke«, lehnt Lydia ihr Angebot höflich ab.

»Ich brauche ebenfalls nichts«, sage ich, halte meinen halbleeren Becher mit Eiskaffee in die Höhe und lasse das Eis darin klirren. »Ich arbeite noch immer an dem hier, danke.«

Die Frau nickt und umrundet ihren Schreibtisch, wobei sie auf eine geschlossene Tür deutet. Als sie diese erreicht, öffnet sie sie und winkt uns hindurch, während sie Vince über unser Anliegen, mit ihm zu sprechen, in Kenntnis setzt. Die Tür fällt hinter uns sanft ins Schloss.

Das ist es. Das Büro. Und da sitzt der Boss.

Es gibt keinen Rauch.

Auch keine Schlägertypen.

Und Vince? Vince ist nicht so, wie ich es erwartet habe. Nicht mal annähernd.

5. Kapitel

Heilige Mutter Gottes. Vince ist heiß. Jung und heiß. Na ja, nicht soo jung – ich nehme an, dass er in den Dreißigern ist, aber ich hatte einen dicken Kerl um die siebzig erwartet, von daher ist er vergleichsweise jung. Außerdem ist er der Mann, den ich vor ein paar Tagen in der Lobby des Windsor mit Canon sprechen gesehen habe.

Was bedeutet, dass er zu mir zurückgekommen ist, nicht wahr? Ich denke schon. Sicher, es könnte Zufall sein. Könnte es. Canon ist mit Vince befreundet, also ist er im Hotel vorbeigekommen. Lydia mag Rhys, also sind wir jetzt hier im Stripclub. Bla, bla, bla. Zufall? Nein. Denn Fügung ist letzten Endes nur ein anderes Wort für Schicksal. Wirklich, es stimmt, schlagt es nach.

Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.

Ich hatte nie was für ältere Männer übrig. Ich war nie das Mädchen, das davon fantasiert hat, seinen Lehrer, seinen Trainer oder den besten Freund des älteren Bruders zu verführen. Ehrlich gesagt, habe ich nie davon fantasiert, irgendjemanden zu verführen, denn meiner Erfahrung nach sind Typen nicht so schwer zu bekommen. Ich habe immer Jungs an meiner Schule gedatet und es war immer einfach, festzustellen, ob eine gegenseitige Anziehung bestand, bevor ich zu sehr darin verwickelt wurde, mich in jemanden zu verlieben.