Justine - Marquis de Sade - E-Book

Justine E-Book

MARQUIS DE SADE

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Beschreibung

"Es handelt sich darum, daß die Dummköpfe endlich aufhören, jenes lächerliche Götzenbild der Tugend anzubeten, das sie nur mit Undankbarkeit belohnt und daß Leute mit Verstand sich umso sicherer fühlen, wenn sie die verblüffenden Beispiele von Glück und Wohlfahrt sehen, die das Laster und die Ausschweifung fast mit unumstößlicher Gewißheit begleiten." "Die Geschichte der Justine oder die Nachteile der Tugend" ist ein Roman des Schriftstellers Marquis de Sade, den er 1787 während seiner Inhaftierung in der Bastille verfasste. Justine und Juliette sind die Töchter eines bankrotten Kaufmanns. Nach dem Tod der nahezu mittellosen Mutter beschließt Juliette, als Prostituierte ins Bordell zu gehen, verübt eine Reihe von Verbrechen, erwirbt Reichtum und wird glücklich. Justine hingegen wählt den Weg der Tugend, erlebt hierbei eine Reihe von Abenteuern und Missgeschicken und wird fortwährend Verfolgungen und Erniedrigungen ausgesetzt. In "Die Geschichte der Justine oder die Nachteile der Tugend" ordnete De Sade den einzelnen Episoden charakteristische Tugenden zu wie Schamhaftigkeit, Ehrlichkeit, Grauen vor Untat, Keuschheit, Frömmigkeit, Mildtätigkeit, Mitleid, Vorsicht, Güte und Wahrheitsliebe. Die handelnden Personen sind Charaktermasken des Bösen oder des Guten. Null Papier Verlag

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Marquis de Sade

Justine

oder Vom Missgeschick der Tugend

Marquis de Sade

Justine

oder Vom Missgeschick der Tugend

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 3. Auflage, ISBN 978-3-943466-78-2

null-papier.de/21

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Au­tor - Le­ben und Werk

Ers­ter Band

I. Ka­pi­tel

II. Ka­pi­tel

III. Ka­pi­tel

IV. Ka­pi­tel

V. Ka­pi­tel

VI. Ka­pi­tel

Zwei­ter Band

Drit­ter Band

XII. Ka­pi­tel

XIII. Ka­pi­tel

XIV. Ka­pi­tel

XV. Ka­pi­tel

Vier­ter Band

XVI. Ka­pi­tel

XVII. Ka­pi­tel

XVIII. Ka­pi­tel

XIX. Ka­pi­tel

XX. Ka­pi­tel

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Autor - Leben und Werk

Do­na­ti­en-Alphon­se-François, Mar­quis de Sade (✳ 2. Juni 1740 in Pa­ris; † 2. De­zem­ber 1814 in Cha­ren­ton-Saint-Mau­ri­ce bei Pa­ris) war ein fran­zö­si­scher Ade­li­ger aus dem Haus Sade. Er wur­de be­kannt dank ei­ner Rei­he por­no­gra­fi­scher, kir­chen­feind­li­cher und phi­lo­so­phi­scher Ro­ma­ne, die er wäh­rend ver­schie­de­ner Ge­fäng­nis­auf­ent­hal­te schrieb. Sa­des Wer­ke be­ein­fluss­ten eine Rei­he von wich­ti­gen Be­we­gun­gen in Li­te­ra­tur und bil­den­der Kunst und nah­men Freuds Prin­zip von Eros und Tha­na­tos um mehr als ein Jahr­hun­dert vor­weg. Von Sa­des Na­men ist der Be­griff Sa­dis­mus ab­ge­lei­tet.

In »Die Ge­schich­te der Jus­ti­ne oder die Nach­tei­le der Tu­gend« ord­ne­te De Sade den ein­zel­nen Epi­so­den cha­rak­te­ris­ti­sche Tu­gen­den zu wie Scham­haf­tig­keit, Ehr­lich­keit, Grau­en vor Un­tat, Keusch­heit, Fröm­mig­keit, Mild­tä­tig­keit, Mit­leid, Vor­sicht, Güte und Wahr­heits­lie­be. Die han­deln­den Per­so­nen sind Cha­rak­ter­mas­ken des Bö­sen oder des Gu­ten.

Die sinn­fäl­li­ge Moral der Ge­schich­te ist die kon­se­quen­te Be­loh­nung der Ver­bre­cher für ihre Schand­ta­ten und die Ent­lar­vung der Un­na­tür­lich­keit des Gu­ten. Der ho­mo­se­xu­el­le Mut­ter­mör­der Bressac erbt ein Ver­mö­gen, der mör­de­ri­sche Chir­urg wird Leib­arzt des Schwe­den­kö­nigs, der Abt wird im An­schluss an sein or­gias­ti­sches Klos­ter­le­ben in Rom zum Or­dens­ge­ne­ral er­nannt. Der Falsch­mün­zer wird ver­mö­gend, die ver­dor­be­ne Schwes­ter Ju­li­et­te wird reich; Jus­ti­ne hin­ge­gen wird für ihre Tu­gend­haf­tig­keit von der Na­tur im Blitz aus­ge­löscht.

In dem Werk fin­den sich Ein­flüs­se aus dem Sys­te­me de la na­ture ou des loix du mon­de phy­si­que et du mon­de mo­ra­le des Paul Hen­ri Thi­ry d’Hol­bach und aus den Ques­ti­ons de Za­pa­ta von Vol­taire.

Der Au­tor, in des­sen Ro­ma­nen eine statt­li­che An­zahl von Schur­ken einen ge­ra­de­wegs missio­na­ri­schen Ei­fer an den Tag legt, die Welt mit ih­rer wol­lüs­ti­gen und per­ver­sen Wel­tauf­fas­sung und Ideo­lo­gie zu ver­der­ben, kam im rea­len Le­ben weit schlech­ter weg als sei­ne ima­gi­nären Ver­bre­cher­hel­den. Der wirt­schaft­li­che Er­folg sei­ner Schrift­stel­ler­kar­rie­re war ge­ring, statt­des­sen wur­de er we­gen der Ver­öf­fent­li­chung der »Jus­ti­ne« so­wie des nach­fol­gen­den Ro­mans mit dem Ti­tel »Ju­li­et­te« sei­ner Frei­heit be­raubt und in die Ir­ren­an­stalt ge­steckt. Auch dem Ver­le­ger der Erst­ver­öf­fent­li­chung des Ro­mans, Gi­rouard, ging es nicht bes­ser, er wur­de be­reits 1794 guil­lo­ti­niert.

Erster Band

I. Kapitel

Ein­lei­tung. – Jus­ti­nes ers­tes Aben­teu­er.

Es wäre die Haupt­auf­ga­be der Phi­lo­so­phie, die Mit­tel auf­zu­de­cken, de­ren sich das Schick­sal zur Er­rei­chung sei­ner Zwe­cke be­dient. Dann müss­te sie die­sem un­glück­se­li­gen zwei­fü­ßi­gen We­sen Ver­hal­tungs­maß­re­geln für sei­nen dor­nen­vol­len Le­bens­weg auf­zeich­nen, da­mit es nicht von den bi­zar­ren Lau­nen die­ses Schick­sals – das man bald Be­stim­mung, bald Gott oder Vor­se­hung, dann wie­der Zu­fall oder Vor­aus­be­stim­mung ge­nannt hat – ab­hän­gig sei.

So sehr wir auch durch­tränkt sind von ei­ner un­nüt­zen, lä­cher­li­chen und aber­gläu­bi­schen Ehr­furcht für un­se­re un­sin­ni­gen ge­sell­schaft­li­chen Ge­bräu­che, wird es doch vor­kom­men, dass Leu­te, die ent­we­der grund­sätz­lich oder aus Nei­gung oder aus Tem­pe­ra­ment las­ter­haft sind, glau­ben, dass es bes­ser ist, sich dem Las­ter hin­zu­ge­ben, als sich ihm zu wi­der­set­zen: Denn wie oft se­hen sie nicht, dass Bö­se­wich­te für ihre Mis­se­ta­ten nur sü­ßen Lohn ern­ten?

Wer­den sie nicht mit ei­ni­ger Be­rech­ti­gung sa­gen, dass die Tu­gend, so schön sie sein mag, der schlech­tes­te Teil ist, denn man er­grei­fen kann, wenn sie zu schwach ist, um ge­gen das Las­ter an­zu­kämp­fen und dass in ei­nem so ver­derb­tem Zeit­al­ter, wie das un­se­re ist, das Bes­te dar­in be­steht, so wie die an­de­ren zu han­deln? Bei mehr phi­lo­so­phi­scher Be­trach­tung könn­ten sie auch mit dem En­gel Zes­rad de Za­dig sa­gen, dass es nichts Bö­ses gibt, aus dem nicht Gu­tes ent­stün­de und dass sie sich dem­nach dem Bö­sen so viel hin­ge­ben könn­ten, wie sie woll­ten, da das in Wirk­lich­keit nur eine Form ist, Gu­tes zu tun? Wer­den sie nicht hin­zu­fü­gen, dass, wenn die Tu­gend vom Un­glück ver­folgt wird, das Las­ter ge­deiht und bei­des in den Ab­sich­ten der Na­tur liegt, es un­end­lich bes­ser ist, mit den Bö­se­wich­tern zu ge­hen, die be­güns­tigt sind, als mit den Tu­gend­haf­ten, die zu­grun­de ge­hen.

Um die­se An­schau­ung zu un­ter­stüt­zen – ein län­ge­res Ver­schlei­ern ist un­nütz – wol­len wir der Öf­fent­lich­keit die Ge­schich­te der tu­gend­haf­ten Jus­ti­ne be­rich­ten. Es han­delt sich dar­um, dass die Dumm­köp­fe end­lich auf­hö­ren, je­nes lä­cher­li­che Göt­zen­bild der Tu­gend an­zu­be­ten, das sie nur mit Un­dank­bar­keit be­lohnt und dass Leu­te mit Ver­stand sich umso si­che­rer füh­len, wenn sie die ver­blüf­fen­den Bei­spie­le von Glück und Wohl­fahrt se­hen, die das Las­ter und die Aus­schwei­fung fast mit un­um­stöß­li­cher Ge­wiss­heit be­glei­ten. Es ist zwei­fel­los pein­lich, ei­ner­seits die schreck­li­chen Un­glücks­fäl­le schil­dern zu müs­sen, von de­nen die sanf­te und emp­find­sa­me Frau über­häuft wird, die aufs Bes­te der Tu­gend ge­horcht und an­de­rer­seits zei­gen zu müs­sen, wie die Leu­te glück­lich sind, die die­se sel­be Frau quä­len und zu Tode het­zen. Aber der Schrift­stel­ler, der ge­nug Phi­lo­soph ist, um die Wahr­heit sa­gen zu kön­nen, steht über die­sen Unan­nehm­lich­kei­ten und durch die Not­wen­dig­keit zur Grau­sam­keit ge­zwun­gen, reißt er mit un­barm­her­zi­ger Hand die aber­gläu­bi­schen Hül­len her­ab, mit de­nen die Dumm­heit die Tu­gend ver­schö­nern will, und zeigt dem un­wis­sen­den Mann, den man be­trog, das Las­ter in­mit­ten der Rei­ze und Genüs­se, die ihm un­un­ter­bro­chen fol­gen.

Sol­che Emp­fin­dun­gen wer­den die­se Schrift lei­ten. Und aus die­sen Grün­den wer­den wir mit der zy­ni­sche­s­ten Spra­che, den un­sitt­lichs­ten und gott­lo­ses­ten Ide­en das Ver­bre­chen be­schrei­ben, wie es ist, das heißt, stets tri­um­phie­rend, im­mer zu­frie­den und be­glückt und die Tu­gend wird man glei­cher­wei­se im­mer un­glück­lich, be­küm­mert und ge­pei­nigt se­hen.

*

Ju­li­et­te und Jus­ti­ne, bei­de Töch­ter ei­nes sehr rei­chen Pa­ri­ser Ban­quiers, wur­den bis zu ih­rem vier­zehn­ten, be­zie­hungs­wei­se fünf­zehn­ten Le­bens­jahr in ei­nem der be­rühm­tes­ten Stif­te von Pa­ris er­zo­gen. Dort wur­de ih­nen kein Rat­schlag, kein Buch, kei­ne Un­ter­wei­sung vor­be­hal­ten, und so­wohl die Sitt­lich­keit, wie die Re­li­gi­on und die frei­en Be­ga­bun­gen schie­nen je­des der jun­gen Mäd­chen für sich aus­ge­bil­det zu ha­ben.

Zu die­ser für die Tu­gend der bei­den jun­gen Mäd­chen sehr be­droh­li­chen Zeit kam es, dass ih­nen ei­nes Ta­ges plötz­lich al­les fehl­te. Ein voll­stän­di­ger Ban­ke­rott brach­te ih­ren Va­ter in eine so pein­vol­le Lage, dass er an dem Kum­mer starb. Sei­ne Frau folg­te ihm ei­ni­ge Mo­na­te nach­her nach.

Zwei gleich­gül­ti­ge ent­fern­te Ver­wand­te be­rie­ten, was mit den jun­gen Wai­sen ge­sche­hen soll­te. Ihre Erb­schaft be­trug, da al­les von den Gläu­bi­gern ver­schlun­gen wor­den war, 100 Ta­ler für jede. Da sich nie­mand um sie wei­ter küm­mern woll­te, öff­ne­te man ih­nen die Pfor­ten des Klos­ters und ließ ih­nen die Wahl, zu wer­den, was sie woll­ten.

Die leb­haf­te, sehr hüb­sche, eit­le und ver­dor­be­ne äl­te­re Ju­li­et­te schi­en nur er­freut zu sein, nicht mehr in ei­nem Klos­ter ve­ge­tie­ren zu müs­sen, ohne an die Ur­sa­chen zu den­ken, wäh­rend die harm­lo­se­re, in­ter­essan­te­re, vier­zehn­jäh­ri­ge Jus­ti­ne, die von der Na­tur einen düs­te­ren und ro­man­ti­schen Cha­rak­ter er­hal­ten hat­te, mehr das Furcht­ba­re ih­res Ge­schickes emp­fand.

Die­ses jun­ge, so viel­sei­tig be­gab­te Mäd­chen be­saß die Schön­heit je­ner wun­der­vol­len Jung­frau­en Ra­phaels. Gro­ße brau­ne, see­len­vol­le Au­gen, eine wei­che, schmelzar­ti­ge Hand, eine zar­te und bieg­sa­me Tail­le, run­de und von der Lie­bes­göt­tin selbst ge­zeich­ne­te For­men, eine be­zau­bern­de Stim­me und ne­ben ei­nem ent­zücken­den Mun­de wa­ren die schöns­ten Haa­re der Welt ihr ei­gen, de­ren Rei­ze weit über dem stan­den, was die Fe­der leb­los be­schrei­ben kann.

Der Le­ser möge sich al­les vor­stel­len, was sei­ne Fan­ta­sie an Ver­füh­re­ri­schem sich an­deu­ten kann, und es wird hin­ter der Wirk­lich­keit zu­rück­blei­ben.

Man hat­te bei­den vier­und­zwan­zig Stun­den Frist zum Ver­las­sen des Stif­tes ge­ge­ben. Ju­li­et­te war be­müht, die Trä­nen Jus­ti­nens zu stil­len. Als sie ah, dass ihr das nicht ge­lang, be­gann sie, sie aus­zu­zan­ken, statt sie zu trös­ten. Sie warf ihr ihre Emp­find­lich­keit vor. Sie sag­te mit weit über ih­ren Jah­ren ste­hen­den Ge­dan­ken, dass man über nichts in die­ser Welt be­stürzt sein sol­le und dass man in sich ge­nug star­ke phy­si­sche Er­re­gun­gen fin­den könn­te, um sol­che An­grif­fe ab­zu­schla­gen. Dass die wah­re Klug­heit dar­in be­stän­de, die Zahl sei­ner Freu­den und nicht die sei­ner Lei­den zu ver­meh­ren. Mit ei­nem Wort, dass man nichts un­ter­las­sen dür­fe, um in sich jene nie­der­träch­ti­ge Emp­find­sam­keit zu er­tö­ten, aus der bloß die an­de­ren Nut­zen zö­gen, wäh­rend sie uns nur Sor­gen ein­trü­ge.

»Ich,« sag­te sie, in­dem sie sich vor den Au­gen ih­rer Schwes­ter auf ein Bett warf und die Rö­cke bis über den Na­bel em­por­hob, »so ma­che ich es, wenn ich Kum­mer habe. Ich kitz­le mich … ich ent­la­de und das trös­tet mich.«

Der an­stän­di­gen und tu­gend­haf­ten Jus­ti­ne war die­se Hand­lung ein Greu­el. Sie wand­te die Au­gen ab, und Ju­li­et­te fuhr fort, in­dem sie ihr hüb­sches, klei­nes Lö­chel­chen wei­ter rieb:

»Jus­ti­ne, du bist dumm. Du bist schö­ner als ich, trotz­dem wer­de ich im­mer die glück­li­che­re sein.« Nun fing die Hure an zu stöh­nen und ihre jun­ge Sa­men­flüs­sig­keit, die vor den ge­senk­ten Au­gen der Tu­gend aus­ge­spritzt wur­de, ließ die Trä­nen ver­sie­gen, die sie an­ders viel­leicht eben­so wie ihre Schwes­ter ver­gos­sen hät­te.

»Du bist toll, dass du dir Sor­gen machst,« fuhr die­ses wol­lüs­ti­ge Mäd­chen fort, in­dem sie sich ne­ben Jus­ti­ne setz­te. »Bei der Ge­stalt und dem Al­ter, das wir bei­de ha­ben, ist es un­mög­lich, dass wir vor Hun­ger um­kom­men.« Bei die­ser Ge­le­gen­heit mach­te sie sie auf die Toch­ter ei­ner ih­rer Nach­ba­rin­nen auf­merk­sam, die, nach­dem sie aus dem El­tern­haus ent­wi­chen war, heu­te mit glän­zen­den Mit­teln aus­ge­hal­ten wur­de und zwei­fel­los viel glück­li­cher war, wie wenn sie in dem Schoß der Fa­mi­lie ge­blie­ben wäre. »Man muss sich wohl hü­ten, zu glau­ben,« füg­te sie hin­zu, »dass die Hei­rat ein Mäd­chen glück­lich macht. Wenn sie ein­mal am Al­tar Hy­mens ge­fes­selt wur­de, hat sie ne­ben vie­len Unan­nehm­lich­kei­ten bloß eine sehr klei­ne Men­ge Ver­gnü­gen zu er­war­ten; wäh­rend sie, wenn sie sich dem frei­en Le­ben hin­gibt, sich im­mer vor den Ge­walt­tä­tig­kei­ten ih­res Lieb­ha­bers be­schüt­zen oder sich durch die große Zahl trös­ten kann.« Bei die­ser Rede schau­der­te Jus­ti­ne. »Eher wür­de ich den Tod vor­zie­hen,« sag­te sie und so­viel ihr auch ihre Schwes­ter vor­hal­ten moch­te, sie wei­ger­te sich hart­nä­ckig mit ihr zu­sam­men zu woh­nen, wenn sie sich ei­ner Le­bens­füh­rung zu­wen­den wür­de, die ihr ein Greu­el war.

So trenn­ten sich also die bei­den jun­gen Mäd­chen, ohne ein Wie­der­se­hen zu be­spre­chen. Hät­te Ju­li­et­te, die eine große Dame wer­den soll­te, ein klei­nes Mäd­chen emp­fan­gen sol­len, de­ren tu­gend­haf­te Nei­gun­gen ihr Schan­de ge­macht hät­ten; und an­de­rer­seits hät­te Jus­ti­ne sich in die Ge­fahr be­ge­ben sol­len, ihre Sit­ten durch die Ge­sell­schaft ei­nes per­ver­sen Gechöp­fes ver­der­ben zu la­sen, das sich der öf­fent­li­chen Lust in die Arme warf?

Wenn der Le­ser ge­stat­tet, ver­las­sen wir jetzt auf ei­ni­ge Zeit die­ses klei­ne wol­lüs­ti­ge Mäd­chen, da­mit wir aus­führ­lich die Le­bens­ge­schich­te un­se­rer keu­schen He­ro­i­ne er­zäh­len kön­nen.

Man kann leicht sa­gen: Es muss ein we­nig Tu­gend in der Welt ge­ben; und es ist für einen Bio­gra­fen1 viel an­ge­neh­mer, an dem Hel­den, den er be­schreibt, Züge von Rein­heit und Wohl­tä­tig­keit zu zei­gen, als den Geist un­un­ter­bro­chen auf Aus­schwei­fun­gen und Grau­sam­kei­ten rich­ten zu müs­sen, wie der es tun muss, der in der Fol­ge die­ses Wer­kes die sehr skan­da­lö­se und aus­schwei­fen­de Ge­schich­te der scham­lo­sen Ju­li­et­te aus­brei­tet.

Jus­ti­ne hat­te seit ih­rer Kind­heit eine müt­ter­li­che Freun­din an der Schnei­de­rin ih­rer Mut­ter und so glaub­te sie, dass sie auch jetzt für ihr Miss­ge­schick emp­fäng­lich sein wür­de. Sie such­te sie auf, teil­te ihr ihr Un­glück mit und ver­lang­te von ihr Ar­beit. Aber man woll­te sie kaum er­ken­nen und schick­te sie mit rau­en Wor­ten fort.

»Him­mel,« sag­te die­ses arme Ge­schöpf, »müs­sen schon die ers­ten Schrit­te, die ich in der Welt ma­che, von Kum­mer be­glei­tet sein! Die­se Frau lieb­te mich frü­her, warum stößt sie mich heu­te zu­rück? Ach! Ich bin ja jetzt eine Wai­se und arm, ich habe kei­ne Un­ter­stüt­zung mehr auf Er­den und man liebt nur Leu­te, von de­nen man hofft, An­nehm­lich­kei­ten zu emp­fan­gen.«

In Trä­nen ge­ba­det, wen­det sich Jus­ti­ne an ih­ren Beicht­va­ter und schil­dert ihm ihre Lage mit der Lei­den­schaft ih­res Al­ters. Sie war weiß ge­klei­det, ihre Haa­re wa­ren nach­läs­sig in ein großes Tuch ein­ge­schla­gen. Ihre zart ent­wi­ckel­te Brust blieb dem Auge des Lüst­lings durch einen dop­pel­ten Ga­ze­schlei­er ver­bor­gen. Ihr hüb­sches Ge­sicht war bleich durch die Auf­re­gung und Trä­nen stan­den ihr in den Au­gen, was ihr Ge­sicht noch in­ter­essan­ter mach­te. Man konn­te un­mög­lich schö­ner sein.

»Sie se­hen mich, mein Herr,« sag­te sie zu dem hei­li­gen Kir­chen­mann, »in ei­ner Lage, die für ein jun­ges Mäd­chen fürch­ter­lich ist. Ich habe Va­ter und Mut­ter ver­lo­ren. Der Him­mel hat sie mir in ei­nem Al­ter ent­führt, in­dem ich ihre Hil­fe am meis­ten be­nö­tigt hät­te. Sie sind als zu­grun­de ge­gan­ge­ne Leu­te ge­stor­ben. Ich be­sit­ze nichts mehr. Das ist al­les, was sie mir hin­ter­las­sen ha­ben,« fuhr sie fort, in­dem sie ihm 12 Louis zeig­te, »ich be­sit­ze kein Plätz­chen auf dem ich mein ar­mes Haupt aus­ru­hen könn­te. Sie wer­den mit mir Mit­leid ha­ben, nicht wahr? Sie sind ein Die­ner der Re­li­gi­on und die Re­li­gi­on ist der Schoß al­ler Tu­gen­den. Im Na­men Got­tes, den ich mit al­len Kräf­ten mei­ner See­le lie­be, im Na­men des höchs­ten We­sens, des­sen Werk­zeug Sie sind, sa­gen Sie mir als mein zwei­ter Va­ter, was ich tun soll, was ich wer­den soll?« Der barm­her­zi­ge Pries­ter er­wi­der­te dar­auf, in­dem er Jus­ti­ne durch sein Glas be­trach­te­te, dass die Pfar­re sehr über­las­tet wäre, so­dass es schwie­rig sei, neue Al­mo­sen von ihr zu er­hal­ten; aber wenn Jus­ti­ne ihn be­die­nen wol­le, wenn sie die gro­be Ar­beit ver­rich­ten wol­le, gäbe es im­mer ein Stück Brot für sie in sei­ner Kü­che. Und da der Got­tes­mann bei die­sen Wor­ten ihr sach­te die Rö­cke über ih­ren Popo zu­sam­men­ge­zo­gen hat­te, um sie bes­ser be­trach­ten zu kön­nen, stieß ihn Jus­ti­ne, die sei­ne Ab­sich­ten er­riet, zu­rück, in­dem sie sag­te:

»Mein Herr, ich ver­lan­ge we­der ein Al­mo­sen noch eine Stel­le als Die­ne­rin. Ich wünsch­te Ratschlä­ge, weil ich ih­rer bei mei­ner Ju­gend und mei­nem Un­glücke be­darf, aber Sie wol­len Sie mir zu teu­er er­kau­fen las­sen.« Der Die­ner Chris­ti, der sich schäm­te, durch­schaut zu sein, er­hob sich wü­tend. Er rief sei­ne Nich­te und sei­ne Magd: »Ja­gen Sie mir die­se klei­ne Schur­kin hin­aus,« rief er ih­nen zu, »Sie wer­den nicht er­ra­ten, was sie mir so­eben vor­schlug. So ver­dor­ben schon und noch so jung! Und das ei­nem Man­ne, wie ich es bin! … Hin­aus mit ihr, hin­aus oder ich las­se sie ver­haf­ten!« Und die Un­glück­li­che, Ver­sto­ße­ne und Be­schimpf­te sah sich ge­zwun­gen, ein klei­nes mö­blier­tes Zim­mer im fünf­ten Stock zu mie­ten, um ih­ren Trä­nen frei­en Lauf las­sen zu kön­nen. Sie be­zahl­te es im vor­aus und gab sich nun ganz ih­rem Kum­mer hin, der umso bit­te­rer war, als sie von Na­tur aus sehr emp­find­lich und ihr Stolz grau­sam be­lei­digt wor­den war.

Aber da­mit wa­ren für sie die Schick­sals­schlä­ge noch nicht zu Ende. Es gibt eine Un­men­ge von Ver­bre­chern in der Welt, die, statt über das Un­glück ei­nes an­stän­di­gen Mäd­chens, weich zu wer­den, nur da­nach trach­ten, sie wei­ter zu pei­ni­gen, um sie so bes­ser in der Ge­walt zu ha­ben. Aber von al­len Un­glücks­fäl­len fäl­len, die ihr am An­fang ih­rer Lauf­bahn zu­stie­ßen, wol­len wir nur den mit Du­bourg be­rich­ten, ei­nem der herz­lo­ses­ten und reichs­ten Leu­te der Haupt­stadt.

Die Frau, bei der Jus­ti­ne wohn­te, hat­te sie zu ihm ge­schickt, als zu je­man­dem, de­ren Ein­fluss und des­sen Reich­tum am ehe­s­ten die Grau­sam­keit ih­res Ge­schickes mil­dern könn­ten. Nach­dem sie lan­ge im Vor­zim­mer ge­war­tet hat­te, führ­te man sie end­lich hin­ein. Herr Du­bourg, ein di­cker, un­ter­setz­ter und gleich al­len Geld­leu­ten un­ver­schäm­ter Mann, stieg eben, mit ei­nem Mor­gen­ro­cke dürf­tig be­klei­det, aus dem Bett. Man woll­te ihn ge­ra­de fri­sie­ren. Er schick­te sei­ne Um­ge­bung hin­aus und wand­te sich zu dem jun­gen Mäd­chen: »Wo­mit kann ich Ih­nen die­nen, mein Kind?« frag­te er sie. »Mein Herr,« er­wi­der­te ihm un­se­re Klei­ne, ganz ver­wirrt, »ich bin eine arme Wai­se, kaum vier­zehn Jah­re alt und ken­ne schon alle Abar­ten des Miss­ge­schickes. Ich fle­he Ihr Mit­leid an. Hel­fen Sie mir, ich be­schwö­re Sie.« Und sie zähl­te mit Trä­nen in den Au­gen dem al­ten Ver­bre­cher alle Lei­den auf, von de­nen sie heim­ge­sucht war, wel­che Schwie­rig­kei­ten es habe, eine Stel­lung zu fin­den und wel­chen Ab­scheu sie von die­sen Stand habe, für den sie nicht ge­bo­ren sei. Sie schil­der­te die Furcht, die sie vor der Zu­kunft habe und stam­mel­te schließ­lich, dass sie hof­fe, ein so rei­cher und ver­eh­rungs­wür­di­ger Mann wie Herr Du­bourg wer­de ihr zwei­fel­los die Exis­tenz­mit­tel ver­schaf­fen.

Du­bourg hät­te man wäh­rend die­ser Rede ma­len müs­sen. Da er sich für das jun­ge Mäd­chen zu er­hit­zen be­gann, kit­zel­te er sich mit der einen Hand un­ter sei­nem Schlaf­rock, mit der an­de­ren rich­te­te er eine Lor­gnet­te auf die sich ihm dar­bie­ten­den Rei­ze. Wenn man ihn ge­nau be­ob­ach­te­te, konn­te man die Gra­de sei­ner Geil­heit an den Zu­ckun­gen der Ge­sichts­mus­keln wahr­neh­men, die im­mer statt­fan­den, wenn die pa­the­ti­schen Kla­gen Jus­ti­nens lau­ter oder schwä­cher wur­den.

Die­ser Du­bourg war ein aus­ge­mach­ter Lüst­ling, ein Lieb­ha­ber von klei­nen Mäd­chen, und hat­te in al­len Him­mels­rich­tun­gen Frau­en, die ihm sol­ches Wild zu­führ­ten. Da er nicht im­stan­de war, sich an ih­nen zu be­frie­di­gen, so rich­te­te er sein Au­gen­merk ge­wöhn­lich auf eine eben­so grau­sa­me wie selt­sa­me Lieb­ha­be­rei. Sei­ne ein­zi­ge Lei­den­schaft be­stand näm­lich dar­in, die Kin­der, die man ihm zu­führ­te, wei­nen zu se­hen. Und man muss sa­gen, nie­mand auf der Welt be­saß ein sol­ches Ta­lent, sie in die­sen Zu­stand zu brin­gen, wie er. Die­ser un­glück­se­li­ge Schuft hat­te so viel Bös­ar­tig­keit in sich, dass es un­mög­lich für ein jun­ges Mäd­chen war, sich vor sei­nen Aus­fäl­len zu schüt­zen. Die Trä­nen flos­sen dann reich­lich und der über­se­li­ge Du­bourg füg­te noch rasch ei­ni­ge ma­te­ri­el­le Schmer­zen zu den mo­ra­li­schen, die er eben her­vor­ge­ru­fen hat­te. Die Trä­nen ran­nen dann noch hef­ti­ger, wo­bei er ent­lud, in­dem er das Ge­sicht mit Küs­sen be­deck­te, das sei­ne Re­den un­ter Trä­nen ge­setzt hat­te:

»Sind Sie im­mer an­stän­dig ge­blie­ben?« frag­te Du­bourg und ging da­mit auf sein Ziel los. – »Ach, mein Herr,« er­wi­der­te Jus­ti­ne, »ich wäre nicht so arm und in so be­dräng­ter Lage, wenn ich es nicht im­mer ge­we­sen wäre.« – »Also un­ter wel­chem Vor­wand ver­lan­gen Sie, dass rei­che Leu­te Sie un­ter­stüt­zen, wenn Sie ih­nen kei­ner­lei Dienst er­wei­sen?« – »O, mein Herr, ich ver­lan­ge ja nach nichts Bes­se­rem, als ih­nen alle Diens­te er­wei­sen zu kön­nen, die die Schick­lich­keit und mei­ne Ju­gend mir ge­stat­ten.« – »Ich spre­che nicht da­von, dass Sie mir die­nen sol­len: dazu fehlt Ih­nen das Al­ter und die Ge­stalt. Ich spre­che da­von, dass Sie dem Ver­gnü­gen der Män­ner ent­ge­gen­kom­men sol­len. Jene Tu­gend, von der Sie so viel Auf­he­bens ma­chen, taugt in der Welt zu nichts. Man schätzt heut­zu­ta­ge nur das, mein Kind, was et­was ein­bringt oder was er­götzt. Und wel­chem Nut­zen oder wel­chen Ge­nuss kann uns die Tu­gend ei­ner Frau ein­brin­gen? Ihre Geil­heit ge­fällt und er­freut uns, aber ihre Keusch­heit lang­weilt uns. Wenn Leu­te mei­ner Art et­was hin­ge­ben, so ge­schieht es nur, um wie­der zu er­hal­ten. Und wie kann ein klei­nes, ziem­lich häss­li­ches und auch ziem­lich dum­mes Mäd­chen, wie Sie es sind, an­ders loh­nen, als dass sie sich ganz her­gibt? Also vor­wärts, hin­auf mit den Rö­cken, wenn Sie wol­len, dass ich Ih­nen Geld gebe.« Und Du­bourg streck­te sei­nen Arm aus, um Jus­ti­ne zwi­schen sei­ne Bei­ne zu zie­hen. Aber sie flüch­te­te nach rück­wärts, in­dem sie un­ter Trä­nen aus­rief: »O, mein Herr, es gibt also kei­ne Red­lich­keit und kei­ne Wohl­tä­tig­keit un­ter den Men­schen?«

»Bei Gott, sehr we­nig,« er­wi­der­te Du­bourg, des­sen gei­le Zu­ckun­gen an­ge­sichts der Trä­nen zu­nah­men. »Man ist von die­sem Wahn, sich an­de­re ohne Ge­gen­leis­tung zu ver­pflich­ten, ab­ge­kom­men. Man hat er­kannt, dass die Freu­de der Wohl­tä­tig­keit nur die Wol­lust des Stol­zes ist und man will jetzt tat­säch­li­che­re Genüs­se ha­ben. Der Ruf ei­nes li­be­ra­len, frei­ge­bi­gen Man­nes wiegt nicht, so glän­zend er im­mer sein mag, die kleins­te Sin­nes­lust auf.« – »Ah, mein Herr, bei sol­chen Grund­sät­zen muss also der Un­glück­li­che um­kom­men?« – »Was liegt dar­an! Es gibt mehr We­sen auf der Welt, als nö­tig sind.« – »So wäre es also bes­ser, wenn man uns in der Wie­ge er­würgt hät­te?« – »Si­cher­lich, das ist in vie­len Län­dern Brauch. Das war Sit­te bei den Grie­chen und ist es bei den Chi­ne­sen. Dort wer­den die un­glück­li­chen Kin­der aus­ge­setzt oder ge­tö­tet. Wozu Ge­schöp­fe, wie Sie es sind, le­ben las­sen, die, da sie nicht mehr auf Un­ter­stüt­zung sei­tens ih­rer El­tern rech­nen kön­nen oder weil sie kei­ne mehr ha­ben, bloß dem Staat zur Last fal­len? Ba­star­de, Wai­sen­kin­der, schlecht ver­sorg­te Kin­der müss­ten schon bei ih­rer Ge­burt zum Tode ver­ur­teilt wer­den. Die ers­ten und zwei­ten weil sie die Ge­sell­schaft be­schmut­zen und ihr ei­nes Ta­ges so­gar ver­häng­nis­voll wer­den kön­nen, und die lez­te­ren, weil sie ihr nie­mals nütz­lich wer­den kön­nen. Alle sind sie für die Ge­sell­schaft Aus­wüch­se, die sich von den ge­sun­den Glie­dern näh­ren, sie ent­kräf­ten und er­nied­ri­gen. Sie sind wie jene Pa­ra­si­ten, die sich an die ge­sun­den Pflan­zen an­hef­ten und ih­nen die Le­bens­säf­te her­aus­sau­gen. Das Al­mo­sen, das ei­nem sol­chen Ab­schaum Nah­rung zu­führt, und jene reich un­ter­stütz­ten Häu­ser, die man für sie ge­baut hat, sind ein schrei­en­der Miss­brauch. Wie wenn die Men­schen­art so sel­ten wäre! So wert­voll, dass mann sie selbst in ih­ren scheuß­lichs­ten Ver­tre­tern pfle­gen müss­te. Mit ei­nem Wort, wie wenn es nicht mehr Men­schen auf der Welt gäbe, als nö­tig ist und wie wenn es nicht für das Staats­le­ben und die Na­tur viel nö­ti­ger wäre, zu zer­stö­ren als zu er­hal­ten.«

Hier zeig­te ihr Du­bourg, in­dem er den Rock, der sei­ne Be­we­gun­gen ver­deck­te, aus­ein­an­der­schlug, dass sich sein klei­nes, schwar­zes, ver­trock­ne­tes Glied, das sei­ne Hand seit lan­gem be­ar­bei­te­te, zu re­gen be­gann. »Vor­wärts,« rief er jetzt in ro­hem Ton, »vor­wärts, hö­ren wir auf, wei­ter zu schwät­zen und be­kla­ge dich nicht län­ger über dein Schick­sal, wenn es in dei­ner Hand liegt, es zu ver­be­sern.« – »Aber um wel­chen Preis, ge­rech­ter Gott!« – »Um einen äu­ßerst mä­ßi­gen, da es sich nur dar­um han­delt, dass du die Rö­cke auf­hebst und mir zeigst, was un­ter ih­nen ist. Ein zwei­fel­los ma­ge­rer Kö­der, den du nicht so hoch schät­zen soll­test. Vor­wärts, ent­schei­de dich. Mir steht er. Ich will Fleisch se­hen. Man zei­ge mir so­fort wel­ches oder ich wer­de böse.« – »Aber, mein Herr …« – »Dum­mes Ge­schöpf, stumpf­sin­ni­ge Hure, glaubst du, dass ich mit dir mehr Um­stän­de ma­chen wer­de, wie mit den an­de­ren!« Da­bei er­hob er sich wü­tend, ver­rie­gel­te die Türe und sprang auf Jus­ti­ne, de­ren Trä­nen reich­lich flos­sen. Der Lüst­ling küsst sie ihr weg, er ver­schluckt die­se wert­vol­len Trä­nen. Dann schürzt er ihr selbst mit ei­ner Hand die Rö­cke auf, legt sie um ihre Arme, wäh­rend die an­de­re das zum ers­ten Male be­schmutzt, was die Na­tur sel­ten noch so vollen­det ge­schaf­fen hat.

»Ab­scheu­li­cher Mann!« schrie Jus­ti­ne, in­dem sie eine ver­zwei­fel­te Be­we­gung zu ent­schlüp­fen mach­te. »Grau­sa­mer Mann,« fuhr sie fort, in­dem sie die Türe auf­rie­gel­te und flüch­te­te, »möge der Him­mel dich ei­nes Ta­ges stra­fen, wie du es ver­dienst! Du bist we­der des Reich­tums wür­dig, von dem du einen so nie­der­träch­ti­gen Ge­brauch machst, noch der Luft, die du at­mest, um sie durch dei­ne Grau­sam­keit und dei­ne Ver­bre­chen zu ver­pes­ten.« Dann ging sie hin­aus.

So­bald die Un­glück­li­che nach Hau­se zu­rück­ge­kehrt war, wuss­te sie nichts Wich­ti­ge­res zu tun, als sich bei ih­rer Wir­tin über die Auf­nah­me zu be­kla­gen, die man ihr bei dem an­emp­foh­le­nen Man­ne hat­te zu­teil wer­den las­sen. Aber wir war sie er­staunt, als sie sich von die­ser Elen­den mit Vor­wür­fen über­häuft sah. »Arm­se­li­ges dum­me Ding,« sag­te sie ihr zor­nig, »glaubst du, dass die Män­ner so ver­rückt sind, klei­nen Bett­le­rin­nen, wie du es bist, Al­mo­sen zu ge­ben, ohne Vor­teil aus ih­rem Gel­de zu zie­hen? Herr Du­bourg hat noch zu gut an dir ge­han­delt. Der Teu­fel soll mich ho­len, wenn ich dich an sei­ner Stel­le hin­aus­ge­las­sen hät­te, ohne mich be­frie­digt zu ha­ben. Aber da du von der Hil­fe, die dir mein Wohl­tä­tig­keits­sinn an­bot, kei­nen Ge­brauch ma­chen willst, rich­te dich ein, wie es dir passt. Du bist mir Geld schul­dig: zah­le so­gleich oder du wan­derst mor­gen ins Ge­fäng­nis.« – »Ma­da­me, ha­ben Sie Mit­leid!« – »Ja, ja, Mit­leid. Mit Mit­leid kommt man vor Hun­ger um. Von 500 klei­nen Mäd­chen, die ich die­sem an­stän­di­gen Man­ne ver­schafft habe, bist du die ers­te, die mir einen sol­chen Streich ge­spielt hat. Wel­che Schan­de für mich. Die­ser so an­stän­di­ge Mann wird sa­gen, dass ich mei­nen Be­ruf nicht ver­ste­he und er hat recht. Vor­wärts, mein Fräu­lein, Sie müs­sen zu Herrn Du­bourg zu­rück­ge­hen. Sie müs­sen ihn zu­frie­den­stel­len, müs­sen mir Geld mit­brin­gen. Ich wer­de mit ihm spre­chen, ihn vor­be­rei­ten und ver­söh­nen, so­viel ich kann. Ich wer­de ihm Ihre Ent­schul­di­gung über­mit­teln, aber trach­ten Sie da­nach, sich das nächs­te­mal bes­ser zu be­tra­gen.«

Jus­ti­ne saß nun al­lein da und hing den trau­rigs­ten Ge­dan­ken nach. »Nein,« sag­te sie zu sich, »nein, ich wer­de ge­wiss nicht zu die­sem Lüst­ling zu­rück­ge­hen. Ich bin noch nicht al­ler Hilfs­quel­len be­raubt, ich be­sit­ze fast noch mein gan­zes Geld und das ge­nügt für lan­ge Zeit zum Le­ben. Ich wer­de viel­leicht bis da­hin we­ni­ger har­te, mit­lei­di­ge­re Her­zen fin­den.« In­dem sie die­se Wor­te vor sich hin­sprach, war ihr ers­ter Ge­dan­ke, ih­ren klei­nen Schatz zu zäh­len. Sie öff­ne­te die Schub­la­de …. »O! Him­mel! Er ist ge­stoh­len …« Es blieb ihr nur das, was sie in der Ta­sche hat­te, was kaum 6 Pfund wa­ren. »Ich bin ver­lo­ren,« rief sie aus. »Ah, ich sehe nur zu gut, wo­her der Streich kommt. Die­ses nie­der­träch­ti­ge Ge­schöpf will mich dazu zwin­gen, mich in den Schoß des Las­ters zu wer­fen. Aber ach,« fuhr sie un­ter Trä­nen fort, »bleibt mir noch ein an­de­res Mit­tel, da­mit ich mein Le­ben fris­ten kann? Und sind nicht in der pein­vol­len Lage, in der ich mich be­fin­de, je­ner Un­se­li­ge oder je­mand noch Bös­ar­ti­ge­rer die ein­zi­gen We­sen, von de­nen ich über­haupt Hil­fe er­war­ten kann?«

In ih­rer Verzweif­lung ging Jus­ti­ne zu ih­rer Wir­tin hin­ab. »Ma­da­me,« sag­te sie, »ich bin be­stoh­len. Bei Ih­nen ist mir die­ser böse Streich ge­sche­hen, aus ei­nem Mö­bel­stück, das Ih­nen ge­hört, ist die­ses Geld ge­raubt wor­den. Ach! Es war al­les, was ich be­saß. Es war der un­glück­se­li­ge Rest mei­ner vä­ter­li­chen Erb­schaft. Da ich die­ser schwa­chen Hil­fe be­raubt bin, bleibt mir nichts als der Tod. O, Ma­da­me, tö­ten Sie mich, ich be­schwö­re Sie.« – »Un­ver­schäm­te Klei­ne!« er­wi­der­te hef­tig Ma­da­me Des­ro­ches. »Ehe Sie mir sol­che Kla­gen vor­tra­gen, soll­ten Sie mein Haus bes­ser ken­nen; Sie müs­sen wis­sen, dass es bei der Po­li­zei in sehr gu­ten Ruf steht und dass ich Sie auf den blo­ßen Arg­wohn hin, den Sie ge­äu­ßert ha­ben, so­gleich be­stra­fen las­sen könn­te, wenn ich woll­te.« – »Arg­wohn, Ma­da­me? Ich habe kei­nen. Aus dem, was ich sage, spricht kein Ver­dacht, son­dern Kum­mer. O, Ma­da­me, was soll aus mir wer­den, nach­dem ich die­se ein­zi­ge Hilfs­quel­le ver­lo­ren habe?« – »Wer­det, was Ihr wollt, das geht mich nichts an. Es gäbe wohl Mit­tel, al­les wie­der gut zu ma­chen, aber Sie wol­len sie ja nicht be­nüt­zen.« – »Aber, Ma­da­me, ich kann die­nen,« er­wi­der­te die Un­glück­se­li­ge mit trä­nen­den Au­gen, »es ist doch nicht ge­sagt, dass dem Un­glück nur durch das Las­ter auf­ge­hol­fen wer­den kann.« – »O ja! Das ist heut­zu­ta­ge das bes­te. Was wol­len Sie im Dienst er­hal­ten? 10 Ta­ler im Jahr? Wol­len Sie da­von le­ben? O! glau­ben Sie mir, mei­ne Freun­din, auch die­je­ni­gen, die die­nen, sind ge­nö­tigt, zur Wol­lust Zuf­lucht zu neh­men, um sich er­hal­ten zu kön­nen. Ich lie­fe­re je­den Tag wel­che von der Art. Ich bin, wie ich wohl be­haup­ten kann, eine der bes­ten Kupp­le­rin­nen in Pa­ris. Es gibt kei­nen Tag, an wel­chem mir nicht 25 bis 30 Mäd­chen durch die Hän­de ge­hen. Das bringt mir auch et­was ein. Weiß Gott! Ich bin über­zeugt, dass kei­ne Frau mei­nes Stan­des so gute Ge­schäf­te macht, wie ich. Se­hen Sie,« fuhr sie fort, in­dem sie der Un­glück­li­chen 500 oder 600 Louis, für eben­so­viel Ju­we­len und den schöns­ten Wä­sche- und Klei­der­schrank zeig­te, nur der Wol­lust, vor der Sie so er­schre­cken, ver­dan­ke ich das. Teu­fel, es gibt heut­zu­ta­ge nur mehr die­sen Be­ruf. Glau­ben Sie mir, schla­gen Sie die­sen Weg ein. Und dann ist die­ser Du­bourg ein bra­ver Mann: »Er wird sie we­nigs­tens nicht ent­jung­fern. Er bringt sein Glied nicht mehr zum Ste­hen, wie wol­len Sie, dass er fickt? Ei­ni­ge schwa­che Schlä­ge auf den Popo und ein paar auf die Wan­gen. Und wenn Sie sich, gut bei ihm be­tra­gen, wer­de ich Sie mit an­de­ren Män­nern be­kannt ma­chen, die Sie, bei Ihrem Al­ter und Ihrem Wuchs, in den Stand set­zen wer­den, in Pa­ris in der Ka­ros­se her­um­zu­fah­ren.« – »Ich habe kei­ne so ho­hen Ab­sich­ten, Ma­da­me,« er­wi­der­te Jus­ti­ne, »ich will kein Ver­mö­gen be­sit­zen, na­ment­lich, wenn ich es um den Preis mei­ner Ehre er­kau­fen muss. Ich ver­lan­ge nur le­ben zu kön­nen; und ich bie­te dem, der mir das gibt, alle Diens­te an, die ich mit mei­nem Al­ter leis­ten kann, ab­ge­se­hen da­von, dass ich ihm auf­rich­tig dank­bar sein wer­de. Ach, Ma­da­me, da Sie so reich sind, füh­len Sie doch Mit­leid mit mir. Ich er­bit­te ja nicht, dass Sie mir eben­so­viel lei­hen, wie ich bei Ih­nen ver­lo­ren habe. Ge­ben Sie mir nur einen Louis, bis ich einen Platz ge­fun­den habe. Sei­en Sie ver­si­chert, ich wer­de ihn zu­rück­ge­ben, gleich von dem ers­ten Gel­de, das ich ver­die­nen wer­de.« – »Ich gebe dir kei­ne zwei Sous,« sag­te Ma­da­me Des­ro­ches, sehr er­freut, ihr Op­fer da zu se­hen, wo­hin ihre Nie­der­tracht es brin­gen woll­te, »nein, kei­ne zwei Sous. Ich bie­te dir das Mit­tel an zu ver­die­nen, be­nüt­ze es oder du kommst ins Ho­spi­tal. Herr Du­bourg ist ei­ner der Ver­wal­ter die­ses Hau­ses und es wird ihm leicht fal­len, dich hin­ein­ste­cken zu las­sen. Gu­ten Tag, mei­ne Freun­din,« fuhr die grau­sa­me Des­ro­ches zu ei­nem großen und hüb­schen Mäd­chen ge­wandt fort, die zwei­fel­los we­gen ei­nes Rat­schla­ges ge­kom­men war, »und dir, mei­ne Toch­ter, auf Wie­der­se­hen! Mor­gen Geld oder Ge­fäng­nis.« – »Nun, Ma­da­me,« sag­te wei­nend Jus­ti­ne, »su­chen Sie Herrn Du­bourg auf; ich will noch­mals zu ihm hin­ge­hen, ja, ich will hin­ge­hen, mein Un­glück ge­bie­tet es mir. Aber in­dem ich mich vor dem Schick­sal beu­ge, müs­sen Sie, Ma­da­me, dar­an den­ken, dass mir we­nigs­tens das Recht bleibt, Sie zu ver­ach­ten.« – »Un­ver­schäm­tes Ge­schöpf!« rief die Des­ro­ches aus, in­dem sie die Tür hin­ter ihr zu­warf, »du wür­dest ver­die­nen, dass ich mich in dei­ne An­ge­le­gen­hei­ten nicht län­ger ein­misch­te. Aber ich tue es ja nicht für dich, so sind mir auch dei­ne Ge­füh­le gleich­gül­tig.«

Es wäre ver­geb­lich, die qual­vol­le Nacht be­schrei­ben zu wol­len, die Jus­ti­ne ver­brach­te. Sie hat­te die Grund­sät­ze der Re­li­gi­on, der Scham und der Tu­gend so­zu­sa­gen mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen und konn­te sich von ih­nen nicht ohne hef­ti­ge Kämp­fe tren­nen. Die trau­rigs­ten Ge­dan­ken schwirr­ten ihr durch den Kopf, als es hef­tig an der Türe klopf­te.

»Komm, Jus­ti­ne!« sag­te Ma­da­me Des­ro­ches kurz, »komm zum Früh­stück und dan­ke mir für mei­ne Bot­schaft. Ich habe Er­folg ge­habt. Herr Du­bourg ist in­fol­ge des Ver­spre­chens, das ich ihm be­züg­lich dei­ner Un­ter­wür­fig­keit ge­macht habe, be­reit, dich wie­der­zu­se­hen.« – »Aber, Ma­da­me …« – »Vor­wärts, sei nicht kin­disch. Die Cho­ko­la­de war­tet, fol­ge mir nach.« Jus­ti­ne stieg hin­un­ter und fand beim Früh­stück als drit­te Per­son eine sehr schö­ne, un­ge­fähr 28­jäh­ri­ge Frau. Die­se geist­vol­le, aber ver­derb­te und eben­so rei­che wie lie­bens­wür­di­ge Frau wird, wie wir bald se­hen wer­den, die­je­ni­ge sein, de­ren sich Du­bourg be­die­nen wird, um un­ser lie­bens­wür­di­ges Kind vollends um­zu­stim­men. Man früh­stück­te. »Sie ist ein rei­zen­des Mäd­chen,« sag­te Ma­da­me Del­mou­se, »ich be­glück­wün­sche den­je­ni­gen auf­rich­tig, der so glück­lich sein wird, sie zu be­sit­zen.« – »Sie sind sehr gut, Ma­da­me,« er­wi­der­te trau­rig Jus­ti­ne. – »Nun, nun, mein Herz­chen, er­rö­ten Sie nicht so. Die Scham ist eine Kin­de­rei, die man sorg­fäl­tig ent­fer­nen muss, so­bald man das ver­nünf­ti­ge Al­ter er­reicht hat.« – »O! Ich bit­te Sie, Ma­da­me,« sag­te die Des­ro­ches, »bil­den Sie die­ses klei­ne Mäd­chen ein we­nig aus. Sie glaubt sich ver­kauft und ver­ra­ten, weil ich sie ei­nem Man­ne ver­spro­chen habe.« – »Ah, gu­ter Gott! wel­che Ver­ir­rung,« fuhr Ma­da­me Del­mou­se fort, »statt sich ge­gen die­sen Gang zu sträu­ben, müs­sen Sie im Ge­gen­teil eine un­end­li­che Dank­bar­keit für die fas­sen, die Sie dazu ein­la­det. Welch falscher Ge­dan­ken­gang, teu­res Mäd­chen. Neh­men Sie doch Ver­nunft an. Wie kön­nen Sie glau­ben, dass sich ein jun­ges Mäd­chen et­was ver­gibt, wenn sie sich dem hin­gibt, der sie be­gehrt. So­bald sich die Lei­den­schaf­ten in Ih­rer See­le ent­zün­den wer­den, wer­den Sie ein­se­hen, dass es für uns un­mög­lich ist, so zu le­ben. Wie will man, dass eine Frau, die im­mer der Ver­füh­rung aus­ge­setzt ist, dem Zau­ber des Ge­nus­ses, der sich im­mer ih­ren Sin­nen dar­bie­tet, wi­der­ste­hen soll? Und wie kann man ein Ver­bre­chen dar­aus ma­chen, wenn sie un­ter­liegt, wenn al­les, was sie um­gibt, Blu­men über den Ab­grund streut, und sie ein­la­det, sich hin­ein­zu­stür­zen? Täu­schen Sie sich nicht, Jus­ti­ne, nicht die Tu­gend ver­langt man von uns, son­dern ihre Mas­ke, und wenn wir nur heu­cheln kön­nen, mehr ver­langt man nicht von uns. Nicht das Op­fer, das man mit sei­nen Sin­nen der Tu­gend bringt, macht glück­lich, was zum wah­ren Glück führt, ist nur der An­schein je­ner Tu­gend, zu der die lä­cher­li­chen Vor­ur­tei­le des Man­nes un­ser Ge­schlecht ver­dammt ha­ben. Ich könn­te mich dir als Bei­spiel vor­füh­ren, Jus­ti­ne. Ich bin seit 14 Jah­ren ver­hei­ra­tet. Nie­mals noch habe ich das Ver­trau­en mei­nes Gat­ten ver­lo­ren. Er wür­de mei­ne An­stän­dig­keit und mei­ne Tu­gend bei sei­nem Le­ben be­ei­den. Und doch gibt es in ganz Pa­ris kei­ne ver­derb­te­re Frau, wie ich es bin. Es ver­geht kein Tag, an dem ich mich nicht 7–8 Män­nern und ge­wöhn­lich drei­en gleich­zei­tig, hin­ge­be. Es gibt kei­ne Kupp­le­rin, die mich nicht be­die­nen wür­de, kei­nen hüb­schen Mann, der mich nicht ge­habt hät­te: Und mein Gat­te wür­de dir auf Wunsch schwö­ren, dass Ves­ta we­ni­ger rein war, wie ich. Die voll­kom­mens­te Geis­tes­ge­gen­wart, die vollen­dets­te Heu­che­lei, viel Kunst­fer­tig­keit und Falsch­heit, das sind die Mit­tel, die mir hel­fen, das ist die Mas­ke, die mir die Klug­heit auf die Stir­ne drückt. Und ich tue das je­der­mann ge­gen­über. Ich bin eine Hure wie Mes­sa­li­ne, man glaubt mich keusch wie Lu­cre­tia; ein Frei­geist wie Va­ni­ni; man hält mich für fromm wie die hei­li­ge The­re­se; ich bin falsch wie Ti­be­ri­us; man hält mich für auf­rich­tig wie So­kra­tes; lei­den­schafts­los wie Dio­ge­nes: und Api­ci­us war tem­pe­ra­ment­vol­ler wie ich. Ich bete mit ei­nem Wort alle Las­ter an und has­se jede Tu­gend. Aber wenn Du mei­nen Gat­ten oder mei­ne Fa­mi­lie be­fra­gen wür­dest, wür­de man Dir sa­gen: Die Del­mou­se ist ein En­gel. Aber ich sehe, es ist die Pro­sti­tu­ti­on, die Dir Angst ein­jagt; nun so wol­len wir ihre Ge­fähr­lich­keit nach je­der Rich­tung hin prü­fen.

Fügt sich ein jun­ges Mäd­chen selbst Scha­den zu, wenn sie der Wol­lust lebt? Zwei­fel­los nein; denn sie folgt nur den sü­ßes­ten Re­gun­gen der Na­tur, die nicht da sein wür­den, wenn sie ihr scha­den könn­ten. Hat sie denn nicht in jede Frau den Wunsch hin­ein­ge­legt, sich je­dem Man­ne hin­zu­ge­ben, und gibt es eine ein­zi­ge Frau, die be­haup­ten kann, sie habe nicht das Be­dürf­nis, zu fi­cken, wie sie das Be­dürf­nis zu es­sen oder zu trin­ken hat? Nun so fra­ge ich Dich, Jus­ti­ne, wie hat die Na­tur ein Ver­bre­chen dar­aus ma­chen kön­nen, wenn eine Frau den Wün­schen nach­gibt, die den er­he­bends­ten Teil ih­rer Exis­tenz bil­den. Be­trach­ten wir aber das aus­schwei­fen­de Le­ben ei­nes We­sens in Be­zug auf die Ge­sell­schaft, so glau­be ich, dass es schwer­lich für das an­de­re Ge­schlecht eine Hand­lung gibt, die ihm an­ge­neh­mer ist, als wenn eine Frau sich hin­gibt. Und wo käme die­ses Ge­schlecht hin, wenn sich alle wei­gern wür­den, sei­nen Be­gier­den nach­zu­kom­men. Da die Män­ner ge­zwun­gen wä­ren, sich zu kit­zeln oder ein­an­der von hin­ten zu, be­ar­bei­ten, wür­den sie ganz auf den Ver­kehr mit uns ver­zich­ten. Die Ehe kann da nichts nüt­zen; denn Du wirst mir zu­ge­ste­hen: Es ist für einen Mann eben­so un­mög­lich, sich auf eine Frau zu be­schrän­ken, wie um­ge­kehrt. Glau­be mir, Jus­ti­ne, glau­be je­man­dem, der Er­fah­rung hat und sei über­zeugt, dass ein jun­ges Mäd­chen nichts Bes­se­res tun kann, als sich Al­len hin­zu­ge­ben, die sie be­geh­ren, wo­bei sie aber, wie ge­sagt, die äus­ser­li­che Sitt­sam­keit be­wah­ren muss. Du hast ges­tern der bra­ven und ehr­li­chen Des­ro­ches ge­zürnt, weil sie an Dir In­ter­es­se hat­te. Nun, mei­ne arme Jus­ti­ne, was wür­den wir ohne die­se dienst­ba­ren Geis­ter tun? Müs­sen wir ih­nen nicht zu Dank ver­pflich­tet sein für die Mühe, die sie sich mit un­se­rer Wohl­fahrt ge­ben? Gibt es einen Be­ruf, den man mehr ach­ten muss? Ist nicht die­ses Ta­lent das kost­bars­te, für die Ge­sell­schaft wert­volls­te? Und die barm­her­zi­gen Men­schen, die die­se Be­schäf­ti­gung ha­ben, müss­ten ge­ehrt und be­lohnt wer­den.«

»Sie sind sehr lie­bens­wür­dig, Ma­da­me,« sag­te die Des­ro­ches, die vor Freu­de strahl­te, dass man ihre Par­tei er­griff.

»Nein, nein, ich spre­che so, wie ich den­ke,« er­wi­der­te die Del­mou­se, »und nach­dem ich den Be­ruf im All­ge­mei­nen ge­prie­sen habe, muss ich Jus­ti­ne im be­son­de­ren be­glück­wün­schen, dass sie Ih­nen be­geg­net ist. Möge sie sich blind­lings Ihren Ratschlä­gen, Ma­da­me, an­ver­trau­en; möge sie bloß Ih­nen fol­gen und ich bür­ge da­für, dass sie bin­nen kur­z­em die höchs­ten Le­bens­freu­den und die Vor­tei­le ei­nes großen Ver­mö­gens ge­nie­ßen wird.«

Die­ses Ge­spräch war kaum be­en­det, als es an der Tür klopf­te. »Ah,« sag­te Ma­da­me Des­ro­ches, die öff­ne­te, »das ist der jun­ge Mann, den Du von mir ver­langt hast, Del­mou­se.« Und als­bald trat ein pracht­vol­ler, fünf Fuß zehn Zoll ho­her Mann her­ein, der stark wie Her­ku­les und schön wie Amor aus­sah. »Er ist ent­zückend,« sag­te un­se­re Le­be­da­me, in­dem sie ihn be­trach­te­te, »es han­delt sich jetzt bloß dar­um, ob er auch so viel kann, wie sei­ne Fi­gur ver­spricht. Schon seit lan­gem habe ich nicht sol­che Lust zum Fi­cken ge­habt wie heu­te. Sieh mei­ne Au­gen an, Des­ro­ches, wie feu­rig sie sind. Ah, Him­mel;« fuhr die Hure fort, in­dem sie den jun­gen Mann hef­tig küss­te, »ich kann mich nicht mehr hal­ten.« – »Das hät­test Du mir frü­her sa­gen müs­sen,« sag­te die Des­ro­ches, »dann hät­te ich Dir drei oder vier sol­che Leu­te ver­schafft.« – »Ver­su­chen wir erst den da,« und die Scham­lo­se leg­te einen Arm um den jun­gen Mann, den sie in ih­rem Le­ben noch nicht ge­se­hen hat­te, mit dem an­de­ren knöpft sie ihm sei­ne Hose auf ohne sich ir­gend­wie zu schä­men. »Ma­da­me,« sag­te Jus­ti­ne pur­pur­rot, »ge­stat­ten Sie, dass ich hin­aus­ge­he.« – »Nein, bei Gott nein,« sag­te die Del­mou­se, »nein; Des­ro­ches sa­gen Sie ihr, dass sie blei­ben soll. Ich möch­te ihr gleich prak­ti­schen Un­ter­richt er­tei­len, nach­dem ich ihr theo­re­ti­schen schon ge­ge­ben habe. Ich möch­te, dass sie Zeu­ge mei­ner Ver­gnü­gen sei, und auch Du, Des­ro­ches, bist mir so­gar not­wen­dig; denn du weißt, mei­ne Gute, dass die Ein­füh­rung des männ­li­chen Glie­des mir nur dann an­ge­nehm ist, wenn sie durch Dei­ne Hän­de ge­schieht. Du kit­zelts mich au­ßer­dem so gut, wenn ich fi­cke, und trägst so viel Sor­ge für mei­nen Popo und mei­ne Schei­de! Vor­wärts, vor­wärts, Du Hure, be­gin­nen wir. Jus­ti­ne, set­zen Sie sich hier vor mich hin und wen­den Sie kei­nen Au­gen­blick den Blick ab.« – »O, wel­che Fol­ter, Ma­da­me,« rief die Arme wei­nend aus, »las­sen Sie mich hin­aus­ge­hen, ich be­schwö­re Sie, und glau­ben Sie, dass der An­blick der Greu­el, die Sie be­ge­hen wer­den, in mir im­mer nur Ab­scheu her­vor­ru­fen wird.« Aber die schon ganz auf­ge­lös­te Del­mou­se wi­der­setz­te sich hef­tig, dass Jus­ti­ne hin­aus­ge­he und bald be­gann das Schau­spiel.

Alle Ein­zel­hei­ten der wei­test­ge­hen­den Aus­schwei­fung wur­den vor den Au­gen un­se­res ver­schäm­ten Kin­des aus­ge­brei­tet. An Stel­le der Des­ro­ches wur­de es ge­zwun­gen, das un­ge­heu­re Glied des jun­gen Man­nes zu er­grei­fen und es in die Schei­de der Del­mou­se ein­zu­füh­ren. So bringt sie der kräf­ti­ge Ath­let fünf­mal hin­ter­ein­an­der zum Ent­la­den, wäh­rend die Del­mou­se un­ge­heu­res Ver­gnü­gen an dem Ab­scheu Jus­ti­nes fin­det.

»Don­ner­wet­ter,« sag­te die Mes­sa­li­ne, als sie sich wie eine Bac­chan­tin er­hob, »welch Ver­gnü­gen habe ich ge­habt! Weißt du, Des­ro­ches, was ich jetzt ger­ne se­hen wür­de? Ich möch­te jetzt dies klei­ne Mu­schel­chen von dem un­ge­heu­ren Glied, das mich be­ar­bei­te­te, ent­jung­fern las­sen. Was sagst Du dazu?« – »Nein, nein,« er­wi­der­te die­se, »wir wür­den sie tö­ten und ich hät­te nichts an ihr ver­dient.« Wäh­rend des­sen ge­wan­nen un­se­re bei­den Käm­pen wie­der Kräf­te. Die Del­mou­se leg­te sich wie­der hin und Jus­ti­ne wur­de wie­der zu ih­rer Ar­beit be­auf­tragt. Man muss­te es se­hen, mit wel­chem Ab­scheu, wel­cher Mühe sie ih­ren Auf­trag voll­zog. Dies­mal woll­te die Hure, dass sie ihr in der Schei­de kitz­le. Die Des­ro­ches führ­te ihr die Hand, aber sie er­wies sich als zu lin­kisch für die ra­sen­de Del­mou­se. »Hilf mir, hilf mir, Des­ro­ches,« rief sie aus, »ich sehe, dass ein Ver­füh­ren nur dem Ver­stan­de und nicht dem Kör­per an­ge­nehm ist. Na­ment­lich nicht mir, die zehn Hän­de wie die der Sapp­ho und zehn Glie­der wie die des Her­ku­les nicht er­mü­den wür­den!« – Auch die­se zwei­te Sit­zung schloss mit reich­li­chen Op­fern für Ve­nus. Del­mou­se rich­te­te sich wie­der auf, ihr Rei­ter ging hin­aus und die Des­ro­ches ent­schul­dig­te sich, in­dem sie ein Män­tel­chen um­häng­te, dass eine Verab­re­dung mit Du­bourg sie län­ger zu blei­ben hin­der­te. »Des­ro­ches,« sag­te Ma­da­me Del­mou­se nach ei­ni­gem Nach­den­ken, »je mehr ich be­ar­bei­tet wer­de, de­sto wil­der wer­de ich. Las­se mich zu Du­bourg mit­ge­hen. Ich seh­ne mich au­ßer­or­dent­lich da­nach, zu se­hen, was die­ser alte Schuft er­fin­den wird, um sich an die­sem klei­nen Mäd­chen wie­der zu be­le­ben. Vi­el­leicht kann ich ihm hel­fen. Oft zie­hen ja die­se al­ten Ver­bre­cher mich vor, wie Du weißt.« – »Was Du von mir ver­langst, ist aus­führ­bar,« er­wi­der­te die Des­ro­ches. »Ich ken­ne mei­nen Du­bourg zur Ge­nü­ge, um zu wis­sen, dass es ihm nicht un­an­ge­nehm ist, wenn ich ihm ein hüb­sches Weib mehr mit­brin­ge.« Ein Fia­ker fuhr vor. Die im­mer er­schro­cke­ne, be­schei­de­ne Jus­ti­ne stieg als ers­te ein und man fuhr fort.

Du­bourg war al­lein.

Die Da­men fan­den ihn in noch we­ni­ger be­klei­de­ten Zustn­de als er am Tage vor­her ge­we­sen war. Geil­heit und zü­gel­lo­se Wol­lust spra­chen aus sei­nen fins­te­ren Bli­cken.

»Sie rech­ne­ten wahr­schein­lich bloß auf eine Frau,« sag­te die Des­ro­ches beim Ein­tre­ten zu ihm, »nun ich glau­be, dass es Ih­nen nicht miss­fal­len wird, wenn ich zwei mit­brin­ge.« »Wer ist die­ses Mäd­chen?« frag­te Du­bourg, ohne sich zu stö­ren »Eine hüb­sche Frau aus mei­ner Be­kannt­schaft,« er­wi­der­te die Des­ro­ches, »de­ren Lie­bens­wür­dig­keit auf der glei­chen Höhe mit ih­ren Rei­zen steht und die uns in der Fol­ge bei den Zu­sam­men­künf­ten mit der schö­nen Jus­ti­ne nütz­lich sein wird.« »Wie,« sag­te Du­bourg, »du glaubst, dass es nicht bei ei­nem­ma­le blei­ben wird?« »Es wäre mög­lich,« er­wi­der­te die Des­ro­ches. »Nun wir wol­len se­hen,« sag­te Du­bourg, »ge­hen Sie hin­aus, Des­ro­ches, es ist gut, set­zen Sie es auf die Rech­nung. Wie ste­hen wir denn?« »Aber, mein Herr,« sag­te die Des­ro­ches, »seit drei Mo­na­ten ha­ben wir nicht ver­rech­net, es macht na­he­zu 100.000 Franks aus.« »100.000 Franks, ge­rech­ter Gott!« »Aber der Herr möge be­den­ken, dass ich ihm mehr als 800 Mäd­chen ge­lie­fert habe; ich habe sie alle auf­ge­schrie­ben. Der Herr kennt mich wohl, er weiß wohl, dass ich ihn nicht um einen Sous be­trü­gen könn­te.« »Schön, schön, wir wer­den schon se­hen. Aber ge­hen Sie jetzt Des­ro­ches, ich füh­le, dass ich mit die­sen bei­den Frau­en al­lein blei­ben muss. Und Sie, Jus­ti­ne, be­dan­ken Sie sich bei Ih­rer Be­schüt­ze­rin, be­vor sie weg­geht, denn nur ihr zu Lie­be er­wei­se ich Ih­nen die Gna­de, mich mit Ih­nen zu be­schäf­ti­gen. Sie wer­den ein­se­hen, dass Sie nach Ihrem gest­ri­gen Be­tra­gen die­ses Glücks nicht wür­dig sind. Soll­ten Sie aber heu­te mei­nen Wün­schen auch nur den lei­ses­ten Wi­der­stand ent­ge­gen­set­zen, so er­war­ten Sie in mei­nem Vor­zim­mer zwei Män­ner, die Sie an einen Ort brin­gen, aus dem Sie in Ihrem Le­ben nie wie­der weg­kom­men wer­den.« Die Des­ro­ches ging. »O, mein Herr,« sag­te Jus­ti­ne wei­nend und stürz­te sich vor die Füße des Bar­ba­ren, »las­sen Sie sich er­wei­chen, ich be­schwö­re Sie. Sei­en Sie so barm­her­zig und hel­fen Sie mir, ohne von mir das zu ver­lan­gen, wo­für ich tau­send­mal lie­ber ster­ben wür­de. Gnä­di­ger Herr, zwin­gen Sie mich nicht, ich fle­he Sie an. Kön­nen Sie denn bei mei­nen Trä­nen Freu­de ge­win­nen? Kön­nen Sie Ver­gnü­gen fin­den, wo Sie Wi­der­wil­len se­hen? Sie wer­den Ihr Ver­bre­chen noch nicht be­en­digt ha­ben und schon wer­den Sie bei mei­nem An­blick Ge­wis­sens­bis­se emp­fin­den.« Aber durch das, was jetzt ge­sch­ah, wur­de sie am Wei­ter­spre­chen ge­hin­dert. Die Del­mou­se, die auf Du­bourgs ei­ser­nen Stir­ne sei­ne Ge­dan­ken ge­le­sen hat­te, warf sich vor ihm nie­der und kit­zel­te ihn lei­den­schaft­lich mit der einen Hand, wäh­rend sie ihm mit der an­de­ren so­kra­ti­sier­te.2

»Höl­le und Teu­fel,« rief Du­bourg furcht­bar auf­ge­regt aus und er­hob sich wie ein Ra­sen­der. »Ich soll dir Gna­de ge­wäh­ren, ich möch­te dich eher er­wür­gen, du Hure!« Da­bei zeig­te er ein klei­nes ver­trock­ne­tes, schwar­zes Glied, er­griff sei­ne Beu­te mit ro­hen Hän­den und riss ihr al­les vom Kör­per ab was sei­ne wol­lüs­ti­gen Au­gen stör­te. Bald Be­schimpf­te, bald lieb­kos­te, bald miss­han­del­te, bald strei­chel­te er sie. Gro­ßer Gott! Welch’ ein An­blick. Es schi­en als ob die Na­tur durch die­ses Schau­spiel in Jus­ti­ne gleich bei ih­rem ers­ten Aben­teu­er je­den Schre­cken von die­ser Art Ver­bre­chen er­we­cken soll­te. Jetzt wur­de sie nackt auf das Bett ge­wor­fen und wäh­rend die Del­mou­se sie hielt, ent­deck­te der Lüst­ling plötz­lich einen neu­en Kö­der. »War­ten Sie,« sag­te die Schur­kin, »ich mer­ke, dass mei­ne Rö­cke Sie stö­ren. Ich wer­de so­gleich das Ding blos­le­gen, das, wie es scheint, Ge­gen­stand Ih­rer Be­wun­de­rung ist. Sie wol­len mei­nen Popo se­hen. Ich be­grei­fe, ich ehre die­se Nei­gung bei Leu­ten Ihres Al­ters.«3

»Hier ist er, mein Freund; er ist ein we­nig vol­ler wie der die­ses Kin­des. Aber die­ser Ge­gen­satz wird Ih­nen Ver­gnü­gen be­rei­ten. Wol­len Sie sie ne­ben­ein­an­der se­hen?« – »Teu­fel, ja,« er­wi­der­te Du­bourg, »set­zen Sie sich auf Ihre Schul­tern, da­mit sie ru­hig lie­gen bleibt und ich wer­de ver­su­chen, ihr ihn von hin­ten hin­ein­zu­ste­cken und Ih­nen da­bei die Arsch­ba­cken zu küs­sen. – Ja, so ist es rich­tig,« fuhr der Lüst­ling fort, in­dem er so­wohl auf den einen wie den an­de­ren Popo ein paar Schlä­ge ver­setz­te, »und nun wol­len wir se­hen, ob ich die So­do­mie zu Stan­de brin­ge.« Der Schuft ver­sucht, aber sein hef­ti­ges Feu­er er­lischt bei den Schwie­rig­kei­ten des Un­ter­neh­mens. Der Him­mel rächt Jus­ti­ne für die Ver­ge­wal­ti­gun­gen, die sie er­lei­den soll­te und der Kräf­te­ver­lust des al­ten Lüst­lings be­wahrt die­ses un­glück­li­che Kind da­vor, hin­ge­op­fert zu wer­den.

Du­bourg wur­de nun­mehr noch aus­fal­len­der. Er gab Jus­ti­ne Schuld an sei­ner Schwä­che und ver­such­te durch neue Be­lei­di­gun­gen und Schmä­hun­gen den Ver­lust wie­der zu er­set­zen. Die Un­ge­schick­lich­keit Jus­ti­nes är­ger­te ihn. Aber selbst der Del­mou­se mit all ih­rer Kunst ge­lang es nicht in die­ses ent­kräf­te­te Glied Le­ben hin­ein­zu­ja­gen. Sie drück­te, kit­zel­te, leck­te, nichts half die­sem schlap­pen Ding auf. Al­len drei­en ge­lang es nicht, die­sem un­glück­se­li­gen Glied das ma­je­stä­ti­sche Aus­se­hen zu ge­ben, das zu ei­nem neu­en An­griff nö­tig ist. End­lich gab es Du­bourg auf. Er ließ sich von Jus­ti­ne ver­spre­chen, am nächs­ten Tage wie­der­zu­kom­men, und um sie bes­ser da­für zu stim­men, woll­te er ihr kei­nen Sou ge­ben. Man übergab sie der Des­ro­ches, wäh­rend die Del­mou­se bei Du­bourg blieb, der sich, nach­dem er gut ge­speist hat­te, an die­ser hüb­schen Frau für das Ver­gan­ge­ne räch­te. Es kos­te­te zwar von bei­den Sei­ten viel An­stren­gun­gen, aber schließ­lich ging al­les von Stat­ten und der wun­der­vol­le Popo der Del­mou­se emp­fing das, was ei­gent­lich für den ju­gend­li­che­ren Jus­ti­nens be­stimmt war. Die­se er­klär­te, als sie zu Hau­se an­ge­langt war, ih­rer Wir­tin, dass, soll­te sie selbst vor Not um­kom­men, sie sich nie­mals mehr sol­chen Sze­nen aus­set­zen wol­le. Von neu­em schmäh­te sie den Ver­bre­cher, der mit ih­rem Elend sol­chen Miss­brauch trieb. Aber das Ver­bre­chen tri­um­phiert, lacht über die An­grif­fe des Un­glücks und zeigt dem Men­schen, der zwi­schen Ju­gend und Las­ter wäh­len will, dass das letz­te­re der ein­zig wah­re Weg zum Glücke ist.

So nennt man den Schrift­stel­ler, der sich da­mit be­schäf­tigt, das Le­ben be­rühm­ter Per­so­nen zu be­schrei­ben.  <<<

Je­der Er­fah­re­ne weiß, dass man da­mit die Art be­zeich­net einen oder meh­re­re Fin­ger in das Ar­sch­loch des zu Be­han­deln­den zu ste­cken. Das tut man haupt­säch­lich bei Grei­sen und ver­brauch­ten Leu­ten. Es trägt zur völ­li­gen Stei­fung des Glie­des bei und ver­ur­sacht un­sag­ba­re Lust­ge­füh­le bei der Eja­ku­la­ti­on. Wenn man die Fin­ger durch ein Glied er­setzt, wird das Ver­gnü­gen zwei­fel­los un­end­lich leb­haf­ter und ver­hält sich wie die Wirk­lich­keit zur Il­lu­si­on. Es gibt tat­säch­lich kein leb­haf­te­res Wol­lust­ge­fühl, als sich wäh­rend des Fi­ckens fi­cken zu las­sen.  <<<

Für die­se wun­der­vol­le Nei­gung gibt es kein Al­ter. Der jun­ge Al­ci­bia­des lieb­te ihn eben­so wie der alte So­kra­tes. Gan­ze Völ­ker ha­ben die­sen herr­li­chen Kör­per­teil je­dem an­de­ren der Frau vor­ge­zo­gen. Und tat­säch­lich es gibt kei­nen, der mehr ver­dien­te Ge­gen­stand der Hul­di­gung zu sein. Dei Un­glück­li­che, der noch kei­nen Kna­ben ge­fickt, oder aus sei­ner Ge­lieb­ten noch kei­nen Kna­ben ge­macht hat! Er weiß noch nichts von der Wol­lust.  <<<

II. Kapitel

Neue An­grif­fe auf Jus­ti­nes Tu­gend. – Wie der Him­mel sie für ihr un­ver­letz­li­ches Pf­licht­ge­fühl be­lohnt.

Be­vor wir fort­fah­ren, er­scheint es uns we­sent­lich die Le­ser vor­zu­be­rei­ten. Die meis­ten wer­den zwei­fel­los er­ra­ten ha­ben, dass der er­wähn­te Dieb­stahl ein Werk der Des­ro­ches war. Aber wo­von sie viel­leicht nicht über­zeugt wer­den, ist, dass Du­bourg an die­ser Ge­schich­te be­tei­ligt war. Auf den Rat die­ses Sün­ders hat­te die Des­ro­ches ge­han­delt. »Sie ist uns un­fehl­bar aus­ge­lie­fert, wenn wir sie al­ler Hilfs­mit­tel be­rau­ben,« hat­te er ihr ge­sagt und so grau­sam die­se Be­rech­nung war, so si­cher stimm­te sie. Als Du­bourg mit der Del­mou­se zu­sam­men speis­te, er­zähl­te er ihr von die­ser klei­nen Mis­se­tat, und ihr in die­sen Din­gen er­fin­de­ri­scher Kopf be­geis­ter­te sich leb­haft. Das En­d­er­geb­nis der Un­ter­re­dung war, dass die Del­mou­se ver­sprach, al­les auf­zu­bie­ten, um Jus­ti­ne wäh­rend der drei Mo­na­te zu sich neh­men zu kön­nen, wäh­rend de­rer ihr Mann auf dem Lan­de war. Wäh­rend die­ser Zeit soll­te Du­bourg neue An­grif­fe auf sie ver­su­chen und wür­den auch die­se nicht ge­lin­gen, so woll­te man furcht­ba­re Ra­che neh­men, da­mit, wie Du­bourg sag­te, auch in die­sem Aben­teu­er die Tu­gend so miss­han­delt wer­de, wie sie es im­mer sein soll­te, wenn sie dem Las­ter ent­ge­gen­zu­tre­ten wag­te. Von da an ar­bei­te­te die lie­bens­wür­di­ge Frau an der Ver­wirk­li­chung die­ses Vor­ha­bens, und da ihr dei Ge­dan­ke, Jus­ti­ne in den Ab­grund zu zie­hen, großes Ver­gnü­gen be­rei­te­te, kam sie am nächs­ten Tag zur Des­ro­ches früh­stücken. »Sie ha­ben ges­tern mein In­ter­es­se er­regt,« sag­te die Heuch­le­rin zu Jus­ti­ne, »ich glaub­te nicht, dass man so au­ßer­or­dent­lich keusch sein kön­ne. Wahr­haf­tig Sie sind ein En­gel der ei­gens vom Him­mel ge­schickt ist, um die Men­schen zu be­keh­ren. Bis­her habe ich mich vor Ih­nen bloß als aus­schwei­fen­de Per­son ge­zeigt, aber, ich muss ge­ste­hen, ich habe mich durch ihr Bei­spiel plötz­lich ge­än­dert. Und bei Ihrem Le­ben be­schwö­re ich, dass Sie mich von jetzt ab im­mer als Reui­ge und Tu­gend­haf­te se­hen wer­den. O, Jus­ti­ne, willst du dich mit mir vor der Welt zu­rück­zie­hen? Ich will im­mer dein großes Bei­spiel vor Au­gen ha­ben, da­mit das Werk der Be­keh­rung ra­scher vollen­det ist.«

»Ach Ma­da­me,« er­wi­der­te Jus­ti­ne, »ich bin nicht da­nach an­ge­tan, als Bei­spiel zu die­nen. Und wenn Ihre Än­de­rung auf­rich­tig ist, so ver­dan­ken Sie das dem höchs­ten We­sen und nicht mir. Ich dan­ke Ih­nen viel­mals für die Zuf­lucht, die Sie mir an­bie­ten und ich hof­fe, dass mei­ne Diens­te ihre Wol­tat aus­glei­chen kön­nen.« Die Des­ro­ches, die von der Del­mou­se ein­ge­weiht war, hat­te Mühe, bei die­ser Ko­mö­die nicht in La­chen aus­zu­bre­chen. Sie be­glück­wünsch­te Jus­ti­ne zu ih­rem Er­folg und nach­dem die Schuld be­gli­chen wor­den war ver­lie­ßen Jus­ti­ne und die Del­mou­se das Haus.

Ma­da­me Del­mou­se be­wohn­te ein pracht­vol­les Haus. Die­ner­schaft, Pfer­de und die sehr kost­ba­re Ein­rich­tung zeig­ten Jus­ti­ne bald, dass sie bei ei­ner der wohl­ha­bends­ten Frau­en von Pa­ris war.

»Weil ich äl­te­ren Dienst­bo­ten zu Dank ver­pflich­tet bin,« sag­te die Del­mou­se, »ist es mir un­mög­lich, Sie gleich die obers­ten Stel­len in mei­nem Haus­halt ein­neh­men zu las­sen. Aber Sie wer­den auch dazu ge­lan­gen, mein En­gel, und glau­ben Sie, dass ich Ih­nen trotz der Un­ter­ge­ord­net­heit, in der Sie sein wer­den, nicht we­ni­ger Be­ach­tung zu­teil wer­den las­sen wer­de. Sie wer­den in mei­ner Gar­de­ro­be be­schäf­tigt sein,« fuhr die Del­mou­se fort, »und wenn Sie sich gut auf­füh­ren, er­he­be ich Sie auf den Pos­ten mei­ner drit­ten Kam­mer­jung­frau.« – »O, Ma­da­me,« er­wi­der­te Jus­ti­ne ver­wirrt, »ich hät­te nicht ge­dacht …« – »Ach ich sehe Stolz an Ih­nen, Jus­ti­ne; sind das die Tu­gen­den, die ich von Ih­nen er­war­te­te?« – »Sie ha­ben recht, Ma­da­me, De­mü­tig­keit ist die ers­te Tu­gend. Be­feh­len Sie, dass man mir mit­teilt, wel­cher Art mei­ne Ar­beit ist und sei­en Sie ver­si­chert, dass sie von mir ge­nau aus­ge­führt wer­den wird.« – »Ich wer­de Sie selbst ein­füh­ren, mein teu­res Kind,« er­wi­der­te die Del­mou­se, in­dem sie Jus­ti­ne in zwei hin­ter den Glas­ni­schen des Bou­doirs an­ge­brach­te Zim­mer­chen führ­te. »Se­hen Sie, hier ist der Ort, der auf Ihre Pfle­ge war­tet,« sag­te sie, in­dem sie ein mit Bi­dets und Ba­de­stüh­len an­ge­füll­tes Ka­bi­net öff­ne­te, »hier han­delt es sich nur um die In­stand­hal­tung. In je­nem an­de­ren,« fuhr die Del­mou­se fort, »kommt noch ein et­was we­ni­ger an­stän­di­ger Um­stand dazu. Sie se­hen, das ist ein Leib­stuhl, es gibt der­ar­ti­ge nach eng­li­scher Art, aber ich zie­he den hier vor. Sie wer­den schon er­ra­ten ha­ben, wel­cher Art Ihre Diens­te hier sind und dass Sie sich auch mit je­nen Por­zel­lan­ge­fäßen be­fas­sen wer­den müs­sen, die klei­ne­ren Be­dürf­nis­sen die­nen. Aber ich muss Ih­nen noch von ei­ner Sa­che Mit­tei­lung ma­chen, die mir zur Ge­wohn­heit ge­wor­den ist, und die ich nicht ohne Kum­mer ver­mis­sen wür­de.« – »Und worum han­delt es sich, Ma­da­me?« – »Du musst im­mer zu­ge­gen sein, wenn ich ent­lee­re und … den Rest will ich dir ins Ohr sa­gen, mein Kind, denn ich er­rö­te an­ge­sichts dei­ner Tu­gend … du musst mit die­sem Ko­ton hier die Fle­cken weg­brin­gen, die die­se schmut­zi­gen Not­wen­dig­kei­ten un­be­dingt mit sich brin­gen.« – »Ich selbst, Ma­da­me?« – »Ja, mein Kind, du selbst. Dei­ne Vor­gän­ge­rin tat noch viel Schlim­me­res; aber dich, mei­ne teu­re Jus­ti­ne, ach­te ich ja, du bist tu­gend­haft und das flöst mir Scheu ein.« – »Nun, was mach­te denn mei­ne Vor­gän­ge­rin?« – »Sie mach­te das­sel­be, aber mit ih­rer Zun­ge.« – »Ah, Ma­da­me!« – »Ja, ich füh­le wohl, dass das hart ist, aber da­hin füh­ren uns die Ver­weich­li­chung, Schwel­ge­rei und die Ver­nach­läs­si­gung al­ler so­zia­len Pf­lich­ten. Aber ich bes­se­re mich, mei­ne Teu­re, ich be­keh­re mich und dein er­ha­be­nes Bei­spiel wird das Wun­der be­wir­ken. Du wirst gut ge­hal­ten wer­den, Jus­ti­ne, du wirst mit mei­nen Frau­en zu­sam­men spei­sen und hun­dert Ta­ler im Jah­re er­hal­ten. Ge­nügt das?« – »Ach! Ma­da­me,« er­wi­der­te Jus­ti­ne, »eine Ve­r­un­glück­te han­delt nicht. Jede Hil­fe, die ihr zu­teil wird, ist ihr Recht.« – »O, Sie wer­den mit al­lem zu­frie­den sein, Jus­ti­ne, ich ver­spre­che es Ih­nen,« er­wi­der­te die Del­mou­se. »Aber ich ver­gaß ganz Ih­nen Ihr Zim­mer zu zei­gen. Es schlißt gleich an die bei­den Ka­bi­net­te an. Hier ist es. Es ist eine Art Fes­tung; ganz ab­ge­schlos­sen. Hier ist Ihr Bett, hier die Klin­gel, wenn ich Sie be­nö­ti­ge. Ich las­se Sie jetzt al­lein, mein Herz, glück­lich, dass ich et­was zu Ihrem Wohl­be­fin­den bei­tra­gen konn­te.« Kaum war Jus­ti­ne al­lein, als sie in Trä­nen aus­brach. »Wie,« sag­te sie sich an­ge­sichts der eben aus­ge­stan­de­nen Er­nied­ri­gung, »die­se Frau, die mich in ihr Haus auf­nimmt, weil sie an­geb­lich mei­ne Tu­gend schätzt, ge­fällt sich dar­in, mich so tief zu de­mü­ti­gen. Ach warum muss es Leu­te ge­ben, die ge­zwun­gen sind, an­de­ren so er­nied­ri­gen­de Diens­te zu leis­ten. O, süße Brü­der­lich­keit dei Na­tur, wirst du nie­mals un­ter den Men­schen herr­schen?«

Man rief Jus­ti­ne zum Mit­ta­ges­sen und da­bei mach­te sie die Be­kannt­schaft ih­rer drei Ge­nos­si­nen, die alle drei schön wie die En­geln wa­ren. Am Abend be­gann sie ihre eh­ren­vol­le Tä­tig­keit. Sie führ­te den Schwamm wusch und rei­nig­te und al­les ge­sch­ah der­art laut­los, dass sie sich sehr ver­wun­der­te. Es schi­en, als ob es un­ter der Wür­de der Frau Grä­fin Del­mou­se läge, mit ih­rer Die­ne­rin zu spre­chen.

Bald be­merk­te die arme Wai­se, dass die Bei­spie­le von Tu­gend, die man von ihr zu se­hen ge­wünscht hat­te, um sie nach­zuah­men, noch kei­ne Hei­li­ge aus ih­rer ver­eh­rungs­wür­di­gen Her­rin ge­macht hat­ten. Die Schur­kin zog aus der Ab­we­sen­heit ih­res Gat­ten al­len mög­li­chen Nut­zen und leg­te sich kei­ner­lei Mä­ßi­gung auf. Wüs­te Or­gi­en spiel­ten sich ab und ein­mal schlüpf­ten zwei oder drei jun­ge Män­ner so­gar in die Ka­bi­net­te, in de­nen ge­ra­de Jus­ti­ne ih­rem Dienst nach­kam. Es kam zu Tät­lich­kei­ten, aber als sich Jus­ti­ne dar­über be­klag­te, hör­te man ihr kaum zu. Ei­nes Ta­ges glaub­te sie die Stim­me Du­bourgs zu hö­ren. Sie lausch­te, konn­te aber nichts un­ter­schei­den. Er war es, aber die Vor­sichts­maß­re­geln wa­ren gut ge­wählt und so war al­les, was sich ge­gen sie ab­spiel­te, mit dem dich­tes­ten Schlei­er des Ge­heim­nis­ses um­hüllt.

Sie führ­te un­ge­fähr zwei Mo­na­te die­ses ru­hi­ge und gleich­mä­ßi­ge Le­ben, als Ma­da­me Del­mou­se, die sich nicht mehr hal­ten konn­te, ei­nes Abends ganz er­hitzt vom Wei­ne, zu ihr her­ein trat. »Jus­ti­ne,« sag­te sie mit mil­der Mie­ne, »die Stel­le mei­ner drit­ten Kam­mer­jung­frau wird bald frei wer­den. Suzan­ne, die sie inne hat­te, hat sich in mei­nen ers­ten Be­dien­ten ver­liebt. Ich ver­hei­ra­te­te die bei­den. Aber, mein Kind, wenn Du vor­rücken willst, musst Du mir Ge­fäl­lig­kei­ten leis­ten, die sehr ver­schie­den von den­je­ni­gen sind, die bis­her die Grund­la­ge dei­nes Diens­tes bil­de­ten.« – »Und worum han­delt es sich, Ma­da­me?« – »Du musst mit mir schla­fen, Jus­ti­ne, Du musst mich kit­zeln.« – »O, Ma­da­me, ist das die Tu­gend?« – »Wie, Du bist von die­ser Chi­mä­re noch nicht ab­ge­kom­men?« – »Eine Chi­mä­re, Ma­da­me? … Die Tu­gend eine Chi­mä­re?« – »Si­cher­lich ist sie das, mein En­gel. Die ein­zi­gen Na­tur­ge­set­ze sind un­se­re Lei­den­schaf­ten. Ei­nen Au­gen­blick glaub­te ich, die hef­ti­ge Lieb, die du mir ein­flö­ßt, be­sie­gen zu kön­nen; ich glaub­te, dass Dei­ne blo­ße An­we­sen­heit die Schmer­zen mil­dern könn­te, die Dei­ne Au­gen in mei­nem Her­zen her­vor­ge­ru­fen ha­ben; aber Dei­ne Un­emp­find­lich­keit reg­te mich umso mehr auf. Ich kann mei­ne Lei­den­schaf­ten nicht mehr zü­geln, ich muss sie um je­den Preis be­frie­di­gen. Komm, fol­ge mir nach, himm­li­sches Mäd­chen.« Und die Del­mou­se zog Jus­ti­ne trotz ih­res Sträu­bens in ihre Zim­mer. Es gab nun nichts, was die Ver­füh­re­rin nicht an­wen­de­te, um das jun­ge Mäd­chen von ih­rer Tu­gend an­zu­brin­gen. Ge­schen­ke, Ver­spre­chun­gen, Schmei­che­lei­en, al­les wur­de in Be­we­gung ge­setzt. Aber ver­geb­lich. Die Del­mou­se muss­te ein­se­hen, dass nichts fä­hig war, Jus­ti­nes Tu­gend um­zu­stos­sen. Von die­sem Au­gen­blick an, wan­del­te sich aber, wie bei al­len Per­so­nen ih­res Schla­ges, die Wol­lust in Wut.1

»Nie­der­träch­ti­ges Ge­schöpf,« sag­te sie zu ihr, schäu­mend vor Zorn, »ich wer­de Dir mit Ge­walt ent­reis­sen, was Du mir gut­wil­lig nicht ge­ben willst.« Sie klin­gel­te. Zwei Frau­en er­schie­nen, die schon vor­be­rei­tet wa­ren. Fast nackt wie die Del­mou­se, mit auf­ge­lös­ten Haa­ren, Bac­chan­tin­nen glei­chend, er grif­fen sie Jus­ti­ne und ent­klei­de­ten sie. Del­mou­se knie­te nun nie­der und, wür­de man es glau­ben? … Die Nie­der­träch­ti­ge! … sie leck­te Jus­ti­ne, in­dem sie ihr einen Fin­ger ins Ar­sch­loch steck­te. Eine der Frau­en muss­te ihr die Cli­to­ris kit­zeln, die an­de­re die zwei kaum er­blüh­ten Brüs­te des be­zau­bern­den Mäd­chens. Aber noch sprach die Na­tur nicht in dem un­schul­di­gen Her­zen der Wai­se. Kalt, un­emp­find­lich ge­gen­über al­len ver­such­ten An­grif­fen, ant­wor­te­te sie auf die An­stren­gun­gen der lüs­ter­nen Frau­en nur mit Seuf­zen und Trä­nen. Bald wur­den die Stel­lun­gen ge­wech­selt. Die scham­lo­se Del­moui­se setz­te sich ritt­lings auf die Brust des schö­nen Kin­des und drück­te ihr die Schamlip­pen auf den Mund. Eine der Frau­en kit­zel­te sie gleich­zei­tig vor­ne und hin­ten, die an­de­re half Jus­ti­ne zum Ent­la­den zu brin­gen, de­ren hüb­sches Ge­sicht zwei­mal von den un­rei­nen Sa­mener­güs­sen der Del­mou­se über­schwemmt wur­de, die wie ein Mann ent­lud. Al­les das war Jus­ti­ne ein Greu­el. Nichts war im­stan­de, sie auf­zu­re­gen. Aber da­durch wur­de die Del­mou­se in noch mäch­ti­ge­re Wut ver­setz­te. Sie er­griff Jus­ti­ne bei den Haa­ren, zerr­te sie in ihr Zim­mer und sperr­te sie dort auf meh­re­re Tage bei Was­ser und Brot ein. Bei al­le­dem hat­te Ma­da­me Del­mou­se nur an die Be­frie­di­gung ih­rer Lei­den­schaft ge­dacht. Sie hat­te ihr Übe­rein­kom­men mit Du­bourg fast aus den Au­gen ver­lo­ren, aber die Hoff­nung auf Ra­che brach­te der Del­mou­se ihr Ver­spre­chen wie­der in Erin­ne­rung. Sie freu­te sich bei dem Ge­dan­ken, die­ser Un­glück­li­chen einen Feind mehr be­rei­ten zu kön­nen.

Am ach­ten Tag ließ die Del­mou­se Jus­ti­ne frei. »Neh­men Sie Ihre Tä­tig­keit wie­der auf,« sag­te sie in erns­tem Tone, »und wenn Sie sich gut auf­füh­ren, kann ich viel­leicht das Ge­sche­he­ne ver­ges­sen.« – »Ma­da­me,« er­wi­der­te Jus­ti­ne, »ich wür­de es ger­ne se­hen, wenn Sie mei­ne Stel­le je­man­dem an­de­ren über­ge­ben wür­den. Ich mer­ke nur zu sehr, dass ich Ihr Ge­fal­len nicht wer­de er­rin­gen kön­nen.« – »Dazu be­darf ich zwei Wo­chen Zeit,« sag­te Ma­da­me Del­mou­se, »tun Sie Ihren Dienst bis da­hin or­dent­lich, dann will ich Sie er­set­zen las­sen.« Jus­ti­ne war zu­frie­den und die Ruhe war wie­der her­ge­stellt.

Un­ge­fähr fünf Tage vor Ablauf die­ser Frist be­fahl Ma­da­me Del­mou­se Jus­ti­ne vor dem Schla­fen­ge­hen zu sich: »Ha­ben Sie kei­ne Angst, Fräu­lein,« sag­te sie zu ihr, da sie ihre Auf­re­gung be­merk­te, »ich will mich nicht ein zwei­tes­mal Ih­rer Missach­tung aus­set­zen.« Jus­ti­ne trat ein. Aber wie groß war ihr Er­stau­nen, als sie Du­bourg halb­nackt in­mit­ten der bei­den Wei­ber der Del­mou­se sah, die bei­de eif­rig be­strebt wa­ren, sei­ne Lei­den­schaf­ten zu be­frie­di­gen. Wie wur­de ihr, als sie die Tü­ren hin­ter sich schlie­ßen hör­te und aus dem Ton der Re­den und den Ge­sichts­aus­drücken nichts wie Un­heil ent­nahm! »Oh, Ma­da­me!« rief sie aus, in­dem sie der ver­ruch­ten Frau zu Fü­ßen fiel, »wel­che neue Fal­le ha­ben Sie mir ge­stellt? O großer Gott! Welch Ver­bre­chen be­ge­hen Sie ge­gen alle mensch­li­chen und gött­li­chen Ge­set­ze!« »O, das wird noch ganz an­ders wer­den!« rief Du­bourg aus, in­dem er sei­ne un­sau­be­ren Lip­pen auf den zar­ten Mund Jus­ti­nes press­te, die mit Ab­scheu flüch­te­te. Aber man er­griff sie, riss ihr die Klei­der her­ab und bald stand sie nackt vor den lüs­ter­nen Ab­sich­ten Du­bourgs da.

Der Finanz­mann war si­cher, heu­te zwei Num­mern zu ma­chen und woll­te da­mit die bei­den Ent­jung­fe­run­gen an Jus­ti­ne ver­bin­den. Zu­erst wur­de ihm die Schei­de dar­ge­bo­ten. Er trat an Jus­ti­ne un­ter Füh­rung der Del­mou­se her­an, die sein Schwert in Hän­den hielt, um es selbst in das Op­fer ein­zu­füh­ren. Aber der Schuft woll­te zu­erst sein Idol, den Hin­tern, se­hen. Und der Jus­ti­nes war so schön! Man deck­te ihn auf und er schlug und kniff, ohr­feig­te sein Op­fer und griff so­gar die drei Schön­hei­ten an, die ihn um­ga­ben. Un­glück­li­cher­wei­se kit­zel­te man ihn wäh­rend die­ses Vor­spiels sehr ge­schickt und ach! ob­wohl al­les gut vor­be­rei­tet war und er noch Zei­te hat­te, sich auf Jus­ti­ne zu wer­fen, war al­les um­sonst. Die Waf­fe knick­te zu­sam­men, so­wie sich die Flüs­sig­keit ent­leer­te, die ihr den Halt ge­ge­ben hat­te. Du­bourg, der mäch­tig ent­lud, ver­lor da­bei den Kopf. Er be­saß nicht mehr ge­nug Geis­tes­ge­gen­wart und nicht ge­nü­gend Kraft, um ihn ge­ra­de­aus hin­ein­zu­ste­cken. »Ah, Teu­fel noch ein­mal, ver­fluch­te Schwei­ne­rei!« schrie er, in­dem er die arme Jus­ti­ne mit Faust­schlä­gen be­ar­bei­te­te und ihre Schei­de mit Sa­men über­goss, »mein Plan ist nicht ge­lun­gen.«