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Macht oder Ehre? Dunkle Schatten liegen über Kalonas Vergangenheit. Vor Jahrhunderten war er der Gefährte und Beschützer von Nyx. Warum betrog er sie? Warum wurde er ihr Feind? Wurde er von der dunklen Macht verführt? Oder stellte er schon immer Macht über Ehre? In »Kalonas Fall« werden die Fans dieser Serie die Hintergründe seiner Geschichte erfahren und tiefe Einblicke in die Vergangenheit dieses mächtigen Unsterblichen erhalten. Ein absolutes Muss für alle Leser und Leserinnen der House-of-Night-Serie.
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Seitenzahl: 154
P.C. Cast | Kristin Cast
Eine House of Night Story
Macht oder Ehre?
Dunkle Schatten liegen über Kalonas Vergangenheit. Vor Jahrhunderten war er der Gefährte und Beschützer von Nyx. Warum betrog er sie? Warum wurde er ihr Feind? Wurde er von der dunklen Macht verführt? Oder stellte er schon immer Macht über Ehre? In »Kalonas Fall« werden die Fans dieser Serie die Hintergründe seiner Geschichte erfahren und tiefe Einblicke in die Vergangenheit dieses mächtigen Unsterblichen erhalten. Ein absolutes Muss für alle Leser und Leserinnen der House-of-Night-Serie.
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P.C. Cast und ihre Tochter Kristin sind das erfolgreichste Mutter-Tochter-Autorengespann weltweit. Die Serie ›House of Night‹ hat Millionen von Fans in über 40 Ländern. P. C. und Kristin Cast leben beide in Tulsa, Oklahoma.
Für alle, die uns gefragt haben:
»Was ist denn nun wirklich mit Kalona passiert?«
Einst, vor langer, langer Zeit, war die göttliche Energie des Kosmos alles, was existierte. Sie war weder gut noch böse, weder hell noch dunkel, weder männlich noch weiblich – sie war schlicht und einfach da, ein Strudel von Möglichkeiten, die aufeinanderprallten, sich verbanden und wuchsen. Indem sie wuchs, entwickelte die Energie sich weiter. Und begann zu erschaffen.
Zuerst erschuf sie die Gefilde der Anderwelt – unendliche Landschaften, erfüllt mit den Traumbildern des Göttlichen. Deren Schönheit regte die Energie zu weiterem Schaffen an, und so entstanden als Abbilder der Alten Magie, die jedem der anderweltlichen Reiche innewohnte, eindrucksvolle Sonnensysteme.
So gut gefielen der göttlichen Energie des Kosmos ihre Schöpfungen, dass eine Veränderung mit ihr vorging. Wie Schmetterlinge lösten sich aus ihr kleine Strudel der Macht, angezogen von den verschiedenen Universen.
Ein Teil dieser Energien verhielt sich ruhig, auf ewig gebunden in einem wirbelnden Gefüge aus Sternen, Monden und hübschen, doch leblosen Planeten.
Ein Teil dieser Energien war sich selbst genug und vernichtete seine Schöpfungen.
Und ein Teil dieser Energien hörte nicht auf, sich zu verändern, zu entwickeln und zu erschaffen.
In einem der anderweltlichen Reiche war die göttliche Energie besonders wissbegierig, wagemutig und rastlos, denn sie hatte unbändige Sehnsucht nach Gesellschaft. Also schuf sie aus den saftigen Wäldern und saphirglitzernden Seen der Anderwelt fantastische Wesen und hauchte ihnen Leben ein. Der Lebenshauch des Göttlichen verlieh den Wesen Bewusstsein und Unsterblichkeit, und das Göttliche gab ihnen Namen: Götter, Göttinnen und Feen. Die Götter und Göttinnen setzte es zu Herren über alle anderweltlichen Reiche ein; die Feen bestimmte es zu ihren Dienern.
Viele jener unsterblichen Wesen schwärmten aus und verloren sich in den Weiten der Anderwelten, doch an denjenigen, die blieben, fand das Göttliche großen Gefallen. Ihnen allein gewährte es die Herrschaft über ein zusätzliches Reich: einen Planeten in seinem Sonnensystem, der sein Interesse geweckt hatte, da er die blaue und grüne Schönheit der Anderwelt widerspiegelte.
Aus dem Interesse wurde Neugier und aus der Neugier Erkundungsdrang, und schließlich konnte das Göttliche nicht widerstehen, über die Oberfläche des grün-saphirnen Planeten zu streichen. Da erwachte der Planet und gab sich selbst den Namen Erde. Die Erde lud das Göttliche ein, ihre üppigen Landmassen und süßen, kühlen Gewässer zu erkunden.
Voller Staunen sahen die Göttinnen und Götter zu.
Entzückt von seiner eigenen Schöpfung verband sich das Göttliche mit der Erde. In ihr fand es große Erfüllung, doch sich dauerhaft zu binden ist gegen die Natur jeglicher Energie. Die Erde verstand und akzeptierte sein Wesen, und ihrer Liebe zu ihm tat es keinen Abbruch. Ehe das Göttliche von ihr Abschied nahm, um in den Weiten des Universums nach weiterer Gesellschaft zu suchen, schenkte es ihr das Kostbarste, was es besaß: die Magie, der es gegeben ist zu erschaffen.
Die junge Erde, fruchtbar und heißblütig, machte sich ans Werk.
Über alle Lande und Ozeane streute sie ihre Gabe aus, und daraus entstanden so viele Lebewesen, dass die staunenden Götter und Göttinnen sie nun oft besuchten, um sich an der Vielfalt des lebendigen Planeten zu ergötzen.
Die Erde hieß die Kinder des geliebten Göttlichen herzlich willkommen. Sie war ihnen so zugetan, dass diese sie zu einer ganz besonderen Schöpfung inspirierten. Aus sich selbst heraus erschuf sie genaue Abbilder der Götter und Göttinnen, hauchte ihnen ihren Lebensatem ein und nannte sie Menschen. Zwar vermochte die Erde den Menschen nicht die Gabe der Unsterblichkeit zu verleihen – dies war allein das Privileg der göttlichen Energie. Doch schenkte sie jedem von ihnen einen Funken der ihr verliehenen Göttlichkeit und sorgte so dafür, dass ihr Bewusstsein – mochte ihr Körper auch immer wieder zu dem zerfallen müssen, woraus er genommen war – in Form von Geist auf ewig weiterbestehen konnte, auf dass sie der Erde, ihrer Mutter, wieder und wieder neu geboren werden konnten.
Die Götter und Göttinnen waren begeistert von den Kindern der Erde, ihren Abbildern. Sie schworen untereinander, diese zu beschützen und die Anderwelt mit dem göttlichen Geist in ihnen zu teilen, wenn das Unvermeidliche geschah und ihre Körper sterben mussten.
Zunächst war alles in bester Ordnung. Die Menschen gediehen und vermehrten sich. Alle Kulturen waren der Erde dankbar und hielten sie in hohen Ehren. Oft besuchten die Göttinnen und Götter die Kinder der Erde, und die Menschen verehrten diese als höhere Wesen.
Die Erde sah zu und achtete darauf, welche der Unsterblichen gütig waren und welche ungerecht. Welche versöhnlich waren und welche nachtragend, welche liebevoll und welche grausam.
Die gütigen, versöhnlichen und liebevollen Unsterblichen gefielen ihr, und sie zeigte ihr Wohlwollen durch fruchtbares Land, reichlichen Regen und üppige Ernten.
Von den ungerechten, nachtragenden und grausamen Unsterblichen wandte die Erde sich ab, und es herrschten Dürre, Hunger und Seuchen.
Die ungerechten, nachtragenden und grausamen Unsterblichen konnten mit den Dürren, Hungersnöten und Seuchen nichts anfangen und wurden es bald leid, die Erde zu besuchen.
Da war die Erde zufrieden, und müde von den Anstrengungen der Schöpfung zog sie sich in ihr Innerstes zurück und fiel für viele Zeitalter in einen tiefen Schlaf. Als sie erwachte, hielt sie Ausschau nach den Kindern des Göttlichen, fand aber kaum noch Anzeichen für ihre Anwesenheit.
Sie rief das Element Luft herbei und sandte mit seiner Hilfe eine Botschaft in die Anderwelt, worin sie die Kinder des Göttlichen bat, sich ihres Schwurs zu entsinnen und zurückzukehren.
Nur eine Unsterbliche gehorchte ihrem Ruf.
Sie erschien in einer klaren Nacht, kurz vor Vollmond, auf einer noch namenlosen zerklüfteten Insel. Als die Erde der Göttin gewahr wurde, saß diese am Rande eines Wäldchens und streckte eine zierliche Hand nach einer neugierigen Wildkatze aus.
»Wo sind die anderen Kinder des Göttlichen?«, flüsterte die Erde mit dem Wind in den Weißdornbüschen.
Die Göttin hob die Schulter auf eine Art, die erstaunlich kindlich wirkte. »Weg.«
So bestürzt war die Erde, dass der Boden leise erbebte. »Alle? Wie können sie alle fortgegangen sein?«
Die Göttin schüttelte den Kopf, und ihr langes, helles Haar schimmerte im Mondlicht mal blond, mal silbern. »Sie sagten, ihnen sei langweilig, und sie wurden rastlos.«
Traurig erzitterte das Laub des Wäldchens. »Genau wie ihr Vater. Warum müssen mich alle verlassen?«
Die Göttin seufzte. »Ich weiß es nicht. Ich verstehe nicht, wie sie sich hier je langweilen konnten.« Sie streichelte die Wildkatze, die sich zärtlich zu ihren Füßen zusammengerollt hatte. »Hier geschieht jeden Tag etwas Neues. Stell dir vor, noch gestern wusste ich nicht, dass dieses wundervolle Wesen existiert.«
Erfreut legte die Erde etwas Wärme in den Wind, der ihre Stimme vom Hain heranwehte. »Du musst aus einem seiner beständigeren Träume erschaffen worden sein.«
»Ja«, sagte die Göttin wehmütig. »Ich wünschte nur, mehr von seinen Träumen wären wie ich. Es ist so …« Sie zögerte, als könnte sie sich nicht entschließen, weiterzusprechen.
»Es ist so …?«, fragte die Erde nach.
»Einsam«, gab die Göttin leise zu. »Vor allem, da es weit und breit niemanden wie mich gibt.«
Die Erde spürte ihre Traurigkeit und empfand Mitleid mit ihr. Da erweckte sie den Hain zum Leben und nahm aus Moos und Krume, Blättern und Blüten greifbare Gestalt an.
Die Göttin lächelte. Die Erde lächelte zurück, zart wie ein Schmetterlingsflügel, und fragte: »Wie ist dein Name, Göttin?«
Die Göttin strich ein letztes Mal über das Fell der Wildkatze, richtete sich auf und breitete die Arme aus. »Die Menschen haben mir viele Namen gegeben. Manche nennen mich Sarasvati.« Ihre Gestalt veränderte sich. Die helle Haut wurde dunkler, das mondlichtfarbene Haar schwarz wie Rabenfedern, und plötzlich besaß sie ein zweites Paar schlanker Arme. Noch immer lächelnd fuhr sie fort: »Nidaba ist ein anderer Name, den deine Kinder in ihren Gebeten flüstern.« Wieder veränderte sie sich, Flügel sprossen ihr aus dem Rücken, und ihre Füße wurden zu Pranken. »Und nicht weit von dieser Insel kennt man mich als Breo-saighead, Gebieterin über Feuer und Recht.« Mit diesen Worten nahm die Göttin wieder Frauengestalt an, herrlich mit flammend rotem Haar, die schneeweiße Haut mit leuchtend saphirnen Stammestätowierungen geschmückt.
Entzückt schlug die Erde die Hände zusammen, und schlafende Schmetterlinge erwachten und tanzten um sie herum. »Dann kenne ich dich! Diese Göttinnen habe ich jahrhundertelang beobachtet. Du bist gütig, friedfertig und gerecht.«
»Das bin ich. Und ich bin allein.« Das Feuer wich aus ihrem Haar, und wieder schien die Göttin ein silberhaariges junges Mädchen zu sein, voller Unschuld und süßer Trauer.
»Wie soll ich dich nennen?«, fragte die Erde, um sie von ihrer Melancholie abzulenken.
Die Göttin dachte nach und gab dann etwas schüchtern zu: »Einen Namen gibt es, den ich lieber als alle anderen mag: Nyx. Er erinnert mich an die Nacht, und diese liebe ich so sehr – ihre Ruhe und das wunderschöne Mondlicht.«
Die Erde sah, dass sich ihr Aussehen während dieser Worte kaum veränderte. Noch immer wirkte sie jung, aber sie hob das Kinn und lächelte zum Mond hinauf, und auf ihrer Haut erglänzten feine silberne und saphirne Tätowierungen, die ihr eine geheimnisvolle, atemberaubende Schönheit verliehen. Ohne nachzudenken rief die Erde aus dem Nachthimmel Magie herbei, und im Niedersinken verwandelte diese sich in ein Diadem aus glitzernden Sternen und Mondschein.
Wie ein junges Mädchen drehte sich die Göttin um sich selbst. »Wie entzückend! Darf ich es behalten?«
»Du bist entzückend, Nyx. Und ja, du darfst es behalten, unter einer Bedingung: dass du nicht den anderen folgst, sondern hier bei mir und meinen Kindern bleibst.«
Einen Moment lang verharrte Nyx reglos. Das Mädchenhafte fiel von ihr ab, und die Erde sah sich einer reifen Göttin gegenüber, deren Weisheit und Stärke ebenso herrlich strahlten wie das Diadem aus Mondlicht. Als sie die Stimme erhob, schwang darin die Macht des Göttlichen. »Es ist nicht nötig, mich durch Bestechung zu fesseln. Solche Tricks sind deiner nicht würdig. Als du die Menschen erschufst, schwor ich, dass ich diese beschützen und dem Ewig-Göttlichen in ihnen eine Heimat schaffen würde. Ich breche meine Schwüre nicht.«
Langsam neigte die Erde das Haupt. »Vergib mir.«
»Aus ganzem Herzen«, antwortete Nyx.
Die Erde richtete sich auf, und das Rascheln des Windes im hohen Gras begleitete sie, als sie zu Nyx trat und deren Gesicht sanft zwischen die von unbändigem Leben erfüllten Hände nahm. »Nun will ich dir wirklich etwas schenken, ohne jeden Hintergedanken, ein Geschenk, das unser beider würdig ist. Von heute Nacht an gewähre ich dir die Herrschaft über meine fünf Elemente Luft, Feuer, Wasser, Erde und Geist. Welches von ihnen du auch zu Hilfe rufst, sie sollen dir fortan zu Willen sein.« Sie beugte sich vor und küsste Nyx auf die Stirn.
Da erschien mitten auf Nyx’ Stirn das vollendete Abbild einer Mondsichel, und auf ihren Schläfen wurden kunstvolle Ornamente aus Zeichen und Symbolen sichtbar, die für die fünf Elemente standen, und breiteten sich über ihren ganzen wohlgestalteten Körper aus.
Anmutig hob Nyx einen Arm und bestaunte ihre neuen Male. »Das ist so einzigartig wie jedes der Elemente. Ich werde dein Geschenk immer in Ehren halten.« Ihr mädchenhaftes Lächeln kehrte zurück. »Und für noch etwas muss ich dir aus ganzem Herzen danken. Diese Nacht hat bewirkt, dass ich mich nicht mehr so einsam fühle. Und nicht mehr solche Angst habe.«
»Angst? Wovor kann ein unsterbliches Wesen, Teil des Göttlichen selbst, denn Angst haben?«
Nyx strich sich eine Strähne silbernen Haars aus der Stirn. Die Erde bemerkte, dass ihre Hand zitterte.
»Vor der Finsternis«, wisperte die Göttin.
Mit einem Lächeln setzte sich die Erde unter einen nahen Weißdornbusch. »Du hast doch eben noch von der Schönheit und Friedfertigkeit der Nacht gesprochen. Wie kann dich die Finsternis da ängstigen?«
»Die Nacht könnte mich niemals ängstigen. Nicht die reale Finsternis ist es, von der ich spreche, sondern eine ungreifbare, in der ich eine tastende, stetig wachsende Macht spüre, der Frieden, Freude und Schönheit gänzlich fremd sind – und die Liebe auch«, gab Nyx leise und ernst zurück. »In die Anderwelt scheint sie nur schwerlich gelangen zu können, aber hier in der Welt der Sterblichen habe ich sie schon oft verspürt. Ich glaube, sie wird mit jedem Tag meiner Einsamkeit stärker.«
Die Erde wog ihre Worte sorgfältig ab, ehe sie antwortete: »Deine Angst ist berechtigt, das spüre ich. Dass diese Finsternis sich durch deine Einsamkeit verschlimmert, ist ein Zeichen dafür, dass das, was mit dir vorgeht, Auswirkungen auf mein Reich hat – und sich möglicherweise auch in deine Anderwelt hinein ausbreiten wird. Göttin, ich fürchte, unsere Reiche sind aus dem Gleichgewicht geraten.«
»Wie können wir dieses Gleichgewicht nur zurückerlangen?«
Die Erde lächelte. »Ich denke, den ersten Schritt haben wir bereits getan. Lass uns Freunde sein. Solange es mich gibt, sollst du nie wieder gänzlich allein sein.«
Nyx schlang die Arme um sie. »Danke!«
Die Erde erwiderte die Umarmung. »Liebstes Kind, du hast mir heute Nacht große Freude bereitet. Willst du mich wieder besuchen? Hier in diesem Hain, in drei Tagen, bei Vollmond?«
»Ich würde mich sehr freuen.« Nyx stand auf und neigte königlich den Kopf vor der Erde. Dann bückte sie sich lächelnd, hob die Wildkatze auf und verschwand mit dem Tier in einem Schauer silbern glitzernder Sterne.
Die Erde sah zu, wie der Sternenschauer verblasste, lehnte sich gegen den Stamm des Weißdornbusches und versank in tiefes Nachdenken.
Drei Tage und drei Nächte lang verharrte die Erde unbeweglich. Am dritten Tag war der Hain so vom Zauber ihrer Präsenz erfüllt, dass die Sonne ihr Licht in nie gesehener Fülle darüber erstrahlen ließ. Vor Glück brach das Gestrüpp überall auf der Insel in purpurne Blüte aus.
Die Erde lächelte zur Sonne auf. Und die Sonne gleißte noch heller.
Als die dritte Nacht hereinbrach, überzog der Mond, durch ihren Zauber angezogen, die Insel mit so strahlendem Licht, dass die verstreuten schroffen Felsen darauf für immer ihre Farbe änderten und fortan weiß wie Mondlicht glänzten, erfüllt von der Magie der Nacht.
Die Erde lächelte zum Mond auf. Und auch der Mond erstrahlte noch herrlicher.
Die Erde seufzte leise vor Zufriedenheit. Denn sie wusste, was sie noch für diese letzte, einzige, ganz besondere Göttin namens Nyx tun musste.
Für ihren Besuch bei der Erde kleidete sich Nyx mit aller Sorgfalt an. Besonders kunstvoll ließ sie ihre kleine Skeeaed – ein Wesen, das unter den aus göttlicher Energie entstandenen Fey, die munter die Anderwelt bevölkerten, den Göttern am meisten glich – ihr silbernes Gewand in Falten legen.
»Danke, dass du diese wunderschöne Farbe ausgewählt hast, L’ota!«, sagte sie zu der Skeeaed, die die Göttin geschmeidig umkreiste.
Schöne Mondfarbe, raunte die Fee mit ihrer weichen Stimme.
Als eine Dryade begann, ihr Efeu in das lange dunkle Haar zu flechten, rief Nyx aus: »Oh, wie zauberhaft! Das wird der Erde bestimmt gefallen.«
Nur die Skeeaeds waren in der Lage zu sprechen, aber die kleine Dryade lief lavendelfarben an und gab ein freudiges Zwitschern von sich.
Die Göttin betrachtete sich in ihrem onyxgerahmten Spiegel, drehte den Kopf nach der einen, dann nach der anderen Seite. »Nur fällt das Efeu in meinem Haar überhaupt nicht auf. Die Erde soll es aber sehen – sie soll wissen, dass ich mich eigens zu ihren Ehren geschmückt habe!« Mit einer Handbewegung veränderte Nyx ihr Aussehen. Ihr Haar wurde so silberblond, dass das Grün des Efeus darin satt leuchtete.
Nyx lächelte. »Perfekt!«
Noch ein Feenwesen erschien, ein Coblyn, der in den Höhlen der Anderwelt nach Juwelen schürfte. Mit einer respektvollen Verneigung hielt er ihr eine Kette aus einer Kaskade glitzernder Quarzkristalle hin.
»Welch ergreifende Schönheit«, sagte Nyx und hob ihr schweres Haar an, damit der Fey ihr die Kette um den Hals legen konnte. »Ich hoffe, auch die Erde wird ergriffen sein.« Zärtlich strich Nyx über die Steine und dachte daran, wie verzweifelt sie sich nach Gesellschaft sehnte. Sie liebte die Feen, doch diese bestanden eher aus Geist und Element denn aus wirklichem Dasein. Nyx sehnte sich nach wahrer Gesellschaft … nach der Berührung eines anderen Unsterblichen.
Als Antwort auf ihre trüben Gedanken spürte sie von den Fey einen Hauch Traurigkeit ausgehen und bereute sofort, sich der Schwermut hingegeben zu haben. Als Letzte der Unsterblichen wusste sie, dass die Feen sie nicht nur aus der Zuneigung heraus, die zwischen ihnen herrschte, so verwöhnten. Wie die Erde fürchteten auch sie, Nyx könnte den anderen folgen – könnte ihren Schwur brechen und die hiesigen Gefilde verlassen.
»Niemals.« Sie sprach leise, doch sehr fest, und streichelte die besorgte Skeeaed in ähnlicher Weise wie die Wildkatze, die ihr nun überallhin folgte. »Ihr habt nichts zu befürchten«, versicherte sie L’ota und den restlichen versammelten Fey. »Niemals werde ich diesen Schwur brechen und auch keinen anderen, den ich je schwören sollte – auf immer und ewig. Nun helft mir, dieses Sternendiadem zu befestigen, das ich von der Erde geschenkt bekommen habe, und sorgt euch nicht weiter!«
Erleichtert über die Treue ihrer Göttin begannen die Fey sie zu umtanzen, und die Luft füllte sich mit Farben der Freude und des Glücks.
In der Ecke des Gemachs, wo die Schatten am tiefsten waren, erzitterte etwas Dunkles. Als schrecke es vor der ansteckenden Freude der Feen zurück, glitt es ungesehen davon.
Die Erde wartete auf Nyx. Sie hatte bereits Gestalt angenommen, stand vor dem Hain und atmete tief den Duft der abendschweren Schlüsselblumen ein, aus denen sie ihr Haar geformt hatte. Strich über die Kurven ihres weichen Körpers aus feinstem Lehm. Rief die Luft herbei, damit diese in dem Gewand spielte, das ihr von dienstfertigen Seidenraupen gewebt worden war. Sie wusste, dass ihr Anblick in höchstem Maße berückend war – die Sonne hatte von ihrem Aufgang bis zu ihrem Untergang auf sie herabgelacht, und nun ließ der Mond sie keinen Moment aus den Augen.
Die Erde war zufrieden.
Die Göttin erschien, als der volle Mond aufmerksam hoch am klaren Nachthimmel stand.
»Nyx! Wie entzückend! Du hast dich mit meinem Efeu geschmückt. Es ist die ideale Ergänzung zu dem Diadem – genau wie Blumen eine Wiese perfekt ergänzen.«