Kalt kommt der Tod - Hannes Sprado - E-Book

Kalt kommt der Tod E-Book

Hannes Sprado

4,9

Beschreibung

Millionen Barrel Öl schlummern unerreichbar im Grund unter dem ewigen Eis der Arktis. Doch der Klimawandel reißt Löcher in die weiße Festung. Ein Mini-U-Boot hat die russische Flagge in den Meeresboden gerammt - und auf Spitzbergen bereitet eine skrupellose Privatarmee den Angriff auf das Öl vor. In dies hochexplosive Szenario jagt Hannes Sprado seinen Ermittler Phong Packer. Er soll die von einer Expedition nicht zurückgekehrte Tochter eines erfolgreichen Bremer Reeders finden. Doch statt auf die Wissenschaftlerin stößt er in der Eiswüste Spitzbergens auf einen exklusiven Callgirl-Ring, einen russischen Multimilliardär und viele blutige Spuren.

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Hannes Sprado

Kalt kommt der Tod

Thriller

Für Max und Jake

1

Er war so gut wie tot.

Bis auf die Formalitäten.

2

Hinter einer Schneedüne schleppten ihn drei große Kerle zu einem rostigen Frachtcontainer, der wie ein notgelandetes Flugzeug in der Eiswüste von Spitzbergen kauerte.Zwei von ihnen, einer auf jeder Seite, hatten ihn unter den Armen gepackt, der dritte, mit einer Taschenlampe in der Hand, ging voraus. Im flackernden Licht der Lampe wirkte beinahe alles lebendig.

Die Männer sahen in ihren langen Uniformmänteln wie Gespenster aus, ihre Stiefel knirschten auf dem gefrorenen Boden. Sie hatten es eilig.

Das Letzte, was er in seinem benommenen Zustand sah, waren weiße Flocken, die vor dem Schwarz des Himmels wirbelten,als wären es Splitter, die vom Meißeln an Wolken herabfielen.

Dann polterte die Tür des Containers hinter ihnen zu.

Von der nahen Küste fegte der Nordwind ungebremst über das Land und peitschte wie ein Seil um den Container, der von einem knochenfarbenen Schneekragen umgeben war. Drinnen roch es nach Öl und Schweiß und Desinfektionsmitteln.

Sie legten ihn auf einen blanken Holztisch und zogen ihn bis auf die Boxershorts aus.Sie schnallten seine Arme und Beine mit Lederriemen fest. Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren,gingen sie wortlos hinaus.

Bis auf einen, der bei ihm blieb.

Er tauchte wollene Handschuhe und Socken in einen Eimer, wartete, bis sie sich voll Wasser gesogen hatten, und streifte sie ihm über, zuerst die Socken, dann die Handschuhe.

Nach kurzer Zeit erstarrten seine Hände und Füße zu gefühllosen Klumpen. Das Blut in seinen Adern fühlte sich an wie geeister Saft.

»Der Kommandant wird sich persönlich um dich kümmern«, hörte er eine raue Stimme neben seinem Ohr sagen.

»Er weiß, wie man einem Menschen Schmerzen zufügt, auf diesem Gebiet ist er ein wahrer Künstler. Erzähl ihm, was du weißt, und erzähl es ihm schnell, sonst wird er seine speziellen Methoden an dir ausprobieren, und ich kenne niemanden, der danach weiterleben wollte.«

3

Big Kokina war gerade dabei, eine Nutte aus dem Hotelfenster zu werfen, als die Tür zu seiner Suite aufflog und – nicht möglich! – ein hünenhafter Vietnamese mit einem grünen Bambuspflock in der Hand auftauchte.

»Das lässt du besser bleiben«, sagte Phong Packer und rollte den polierten Bambus in seiner Hand hin und her. Oben und unten ragte ein stumpfes Ende heraus.

Das schmächtige Mädchen in Kokinas Klammergriff, keine zwanzig, blutete aus der Nase, sie schrie und zappelte, schlug Kokina die Nägel ins Gesicht und ratschte darin herum.

Kokina ließ es geschehen, fragte: »Wer sagt das?«

»Jemand, der es lieber ruhig angeht, aber wenn du Ärger willst, bin ich dir gern behilflich«, antwortete Packer.

»Auf diese Tour wirst du das nicht unbedingt erreichen«, sagte Kokina und sah Packer an, als ob er darüber nachdachte, ihn zu kaufen. Also ging Packer einfach weiter und versuchte dabei, jede schnelle Bewegung zu vermeiden.

Kokina musterte den grünen Bambuspflock, in seiner Miene lag ein Ausdruck von Erstaunen.

»Gediegen«, meinte er.

»Dein Name ist Big Kokina?«

»Hm.«

»Für mich siehst du gar nicht wie ein Big Kokina aus.«

Die Kleine zwischen Kokinas Pranken hörte auf zu zappeln. War das Angst in ihrem Blick, oder bloß Staunen?

Phong Packer, der Sicherheitschef des »Park Central«, war kurz nach Mitternacht von der Rezeption angerufen worden. Gäste im Ostflügel hatten die verzweifelten Schreie einer Frau gehört, das Splittern von Glas, das Krachen von Möbeln.

Jetzt stand er der Ursache des Spektakels gegenüber: Big Kokina, ein russischer Ex-Catcher mit Wohnsitz in Dallas, Texas, der es in der amerikanischen Wrestling-Liga zum Helden gebracht hatte und in seinen besten Tagen verehrt worden war wie einst Hulk Hogan, die Legende.

Nachmittags beim Einchecken hatte Packer ihn beobachtet, was er zu sehen kriegte, war ein Typ der Schwarzenegger-Baureihe mit blank geputzten Cowboystiefeln in einem Hawaiihemd, das über dem Bauch ziemlich spannte. Sein Fu-Manchu-Bärtchen gewährte ihm gewisse mildernde Umstände.

Am Abend eröffnete Big Kokina als Ehrengast mit demStartschuss die Bremer Sixdays, was immerhin eine anständig honorierte Beschäftigung war für einen ehemaligen Weltmeister, der zwar immer noch gut im Saft stand, aber seine Karriere, seine Konten und seine drei Ehen mit Kokain und Prostituierten gründlich ruiniert hatte.

Überall auf dem Boden der Suite glitzerten die Scherben einer Whiskyflasche. Lagavulin. Torfgeschmack. Sechzehn Jahre alt. Gegen die Wand geworfen.Schade drum.

Neben dem umgeworfenen Flachbildschirm lag eine zertrümmerte Vase. Die gelben Tulpen schwammen in einer Wasserpfütze auf dem Parkett.

Kokina stieß das Mädchen aufs Sofa – es war ganz still geworden –, und in null Komma nichts hatte er ein Bowiemesser in der Hand.

Du meine Güte, dachte Packer, kein Scheiß, ein Messer. Wo kam das denn her?

Die glänzende Schlangenzunge der Klinge schnellte durch die Luft.

Phong Packer, sehen wir ihn uns an:

- 1,90 Meter groß, muskulös

- kurze, schwarze Haare

- braune Augen

- schwarzer Anzug

- graues T-Shirt

- bequeme Sneakers, sauber geputzt

- rechts kein Ohrläppchen mehr.

Was man nicht sah: Packers Leben hatte bereits mehr traurige Kapitel als das Alte Testament, und Big Kokina legte es darauf an, ein weiteres Kapitel hinzuzufügen.

»Kein Grund, sich die Nacht wegen eines Mädchens zu verderben«, sagte Packer.

»Ich hab’s nicht gern, wenn man mir reinpfuscht«,entgegnete Kokina mit tonloser Stimme, als würde er die Sätze vom Blatt ablesen.»Die kleine Hexe hat meine Brieftasche und meine Rolex in der Hand, als ich aus dem Bad komme, und dann will sie mir auch noch eins mit der Flasche überziehen.Soll ich ihr das etwa durchgehen lassen?«

Der Whisky, den er intus hatte, ließ seine Silben ordentlich stolpern.

Kokina hielt das Messer wie ein Kenner, die Klinge neben der rechten Taille, mit der Spitze nach oben. Nur Anfänger versuchen einen Gegner mit einem Stich von oben nach unten anzugreifen.

Er war ein wirklich mächtiger Kerl mit ziemlich großen Händen, einer, den man ernst nehmen musste.

Aber Packers Hände waren größer.

»Folgendes«, sagte Packer, »du kannst es dir aussuchen: Entweder breche ich dir den Arm, oder du hast eine Kniescheibe, um die du dich kümmern musst.So was kann dauern.«

Ganz hinten aus Kokinas Kehle kam ein Geräusch wie aus einem Würfelbecher.

»Ähem.«

Vielleicht hatte er ja ein Fragezeichen ans Ende gesetzt, aber Packer hatte keins gehört.

»Ähem? Was ist ›Ähem‹? Mongolisch oder was?«, sagte Packer, jetzt gereizt.

Kokina legte eine lange Pause ein. Es machte den Eindruck, als würde er in seinem Kopf schwere Möbelstücke hin und her rücken.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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