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Peter Munk hat große Erwartungen ans Leben. Der Job in der Schokoladenfabrik ist sicher, aber auf Dauer zermürbend. Das Leben bei der Mutter bequem, aber auf lange Sicht auch glücklos. Sein Herz schlägt für Lisbeth, die Kunststudentin an der REWE-Kasse, eine heimliche Liebe, die er sich nicht leisten kann. Und sein Puls steigt beim Anblick der großen Villen am Stadtrand und der bunten Werbeplakate in der Fabrik. Dort gehört er hin, zu den anderen, zu denen, die es geschafft haben, ihre Träume zu verwirklichen. Irgendwas muss passieren, denn das, was er sich erhofft, wird er so nicht erreichen – Peter Munk will weiter, und er weiß, dass etwas Besonderes in ihm steckt. Munk kündigt kurz entschlossen den Job, kommt auf mysteriöse Weise zu Geld, und plötzlich steht ihm die Welt offen: große Firma, dickes Auto, Glück im Spiel und bei den Frauen. Munk gerät in schlechte Gesellschaft, die neuen Freunde haben nicht immer die besten Ratschläge und der Erfolg zerrinnt so schnell wie er gekommen ist. Auch eine Reise um die Welt lässt ihn das Glück nicht finden, als bankrotter Mann kehrt er in die Heimatstadt zurück. Dort wartet schon der nächste Verführer auf ihn und das schnelle Geld an der Börse. Es ist ein einsamer und kalter Weg, den Peter Munk gewählt hat, auf dem ihm nicht nur Freunde und Familie abhanden kommen. In Anlehnung an "Das kalte Herz" von Wilhelm Hauff hat Volker Schmidt die ganz unmärchenhafte Entwicklungsgeschichte eines Menschen vom armen Träumer zum herzlosen Unternehmer geschrieben und stellt dabei die Frage nach der Vereinbarkeit von Empathie und Ökonomie in einer konsumorientierten Welt.
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Seitenzahl: 89
Volker Schmidt
Kaltes Herz
Dramatisierung eines frei erfundenen Kriminalfalles
mit auffallender Ähnlichkeit zum Märchen “Das kalte Herz” von Wilhelm Hauff
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Personenverzeichnis
1. Präludium
2. Präludium II
TEIL 1 – Evaluation
3. Im Hirschhof
4. N5
5. Am Morgen
6. Die Schokoladenfabrik
7. Im Hause
8. Der Hirschhof
9. Der Glasmann
10. Mail
11. Martin Diaz
12. Der Vater
TEIL 2 – Investition
13. Aurora Elegie
14. Die Frau mit den Handschuhen
15. Im Bahnhofscafe
TEIL III – Expansion
16. Sinai
17. Wüste
18. Traum
19. Wüste II
20. Im Hirschhof
TEIL IV – Performance
21. Friedrich-Ebert-Straße 26
22. Das kalte Herz
23. Whirlpool
24. St. Tropez
25. Die Elisabeth-Munk-Stiftung
26. Die Übernahme
27. Whisky
28. Epilog
29. Epilog II
Über den Autor
Über das Stück
Impressum
Peter Munk Frau Munk PaulHerr Knapp Lisbeth Glasmännchen Martin Diaz JohannNina KlausDie Frau mit den Handschuhen GroupierDer Mann mit dem karierten Hemd MartenAmeryEine StimmeSvetlana, ein kleines Mädchen Chor/Bericht/Die Anderen
Die Anderen sind jeweils alle anderen. Alle, die gerade nicht in der Szene sind.
ZEITUnbedingt heute
ORTUm den Schwarzwald, wo es brummt vor Geschäftigkeit
CHORwir wissen worüber wir berichten denn wir haben alles schon gesehenaber das konnten wir nicht voraussehendie summe ist immer höher als man sich gedacht hat man addiert ein leben lang und am ende merkt man dass man doch auf manches verzichten hätte sollen dann wäre man jetzt besser drandas leben ist die summe seiner fehler deshalb fällt das mitrechnen so schwer
wir wissen nicht worüber wir berichten uns beschleicht ein grauenwie konnte das passieren hat man es kommen sehen? hat man womöglich gedacht dass es nicht möglich wäre?erst jetzt wo alles so klar vor uns liegt erkennt mandass man sich verschätzt hat wir schätzen unser lebenund verschätzen uns regelmäßigweil wir den schatz zu gut versteckt haben deshalb fällt das mitrechnen so schwer
BERICHTam 13. juni gegen 22 uhr abendserschlägt peter munk mit seinem golfschläger seine frau lisbeth der vorgang der tötung ist ein langwierigerder gegenstand ist zu stumpfum einen raschen exitus herbeizuführender erste schlag ist zwar gut am hinterkopf platziertdoch führt er lediglich dazudass lisbeth vornüber in den spiegelschrank fälltund das glas sogleich über ihr in einem glitzernden regen zusammenstürzt lisbeths kopf ist anscheinend eine harte nusssie trägt nur eine platzwunde davonihr hinterkopf verfärbt sich sofort dunkel blut rinnt an ihren strähnen hinunterals hätte sie sich gerade eine haarpackung einmassiert
lisbeth verliert die orientierung und bewegt sich auf allen vieren richtung bad zu anstatt durch die tür oder das fenster das weite zu suchenwährenddessen schlägt peter munk erneut auf sie ein kann aber diesmal die schläge nicht so genau platzierenin immer kürzeren abständen aber auch immer uneffektiverrasen die schläge auf lisbeths kopf und rücken herunter
lisbeth verkriecht sich hinter der kloschüssel dort kann peter munk sie schlechter erreichen außerdem ist er außer atem und hält kurz inne
diesen moment nutzt lisbeth aus einem fatalen instinkt heraus sich umzuwenden und peter munk anzusehensie denkt oder denkt nicht mehrvielmehr wird sie nur gehofft haben ohne zu denken (denn die hoffnung stirbt ja zuletzt)hofft also, dass ihr blickmit dem sie sooft versucht hat ihren mann liebevoll zu berühren dass ihr blick eine mischung aus hoffen und staunenihr das leben retten könntedass der mensch der da steht ein mensch wäreihr mann ihr mann wäreund seinen irrtum bemerken würde
es ist ein wortloser appellan das herz des anderen
dieser blick geht ins leere dafür trifft peter munk ins volleer plaziert den nächsten schlag direkt in ihr gesicht etwas knackstvielleicht ist es bloß die nase
auf alle fälle ist es jetzt völlig still kein atem gehtlisbeth eingeklemmt zwischen wand und kloschüssel sitzt noch immer aufrecht daihr blick ist leer geworden ob sie tot istkann peter munk nicht sagen
es scheinen einige minuten zu vergehen in denen nichts gedacht wirddann entschließt sich peter munk wir wissen nicht wiesoseine frau in die badewanne zu legener schneidet ihre pulsadern der länge nach aufschließt den abfluss und lässt heißes wasser über sie laufen
während das wasser in die badewanne rauschtund dunkelrote schlieren ihres blutes lisbeths körper umfangen geht peter munk in den salon hinunterund gießt sich ein glas whisky ein die eiswürfel knackener blickt durch die großen terrassenfenster in die dunkelheit des gartenser kann nichts erkennen was da draußen ister kann keine blumen sehen und auch nicht den wald der sich hinter dem kleinen bach den hang hinauf erhebter sieht nur sich selbst in der spiegelung des glasesdas glas scheint sich zu verformen sein spiegelbild aufzulösener blickt durch sich hindurch in eine schwärzedie unendlich ist
zwei tage späteram 15. juni meldet peter munk seine frau als vermisstdaraufhin durchstreifen drei tage lang hundertschaften der polizei die wälder des schwarzwaldesdas dunkel im wald scheint größer als sonst elisabeth munk bleibt unauffindbardie schwärze des waldes hat siefür immer in sich aufgenommmen
Peter Munk dreieinhalb jahre davor. er sieht viel jünger aus, jünger als um die jahre, die vergangen sind. er steht und starrt.
PAULpeter. peter! peter?
PETER MUNKja.
PAULmachst jetzt mit?
PETER MUNKja klar. wobei?
PAULwir wollten spielen.
PETER MUNKich komm schon.
PAULwas machst du hier?
PETER MUNKnichts.
PAULträumst immer.
PETER MUNKich schau nur.
PAULdie da gerade geht.die kleine mit dem süßen arsch?
PETER MUNKja.
PAULdie gefällt dir?kannst gleich vergessen.
PETER MUNKwieso?
DIE ANDERENdie hat schon einen.
PETER MUNKwen?
PAULden sohn vom sieg.der mit der unterwäschefirma.
PETER MUNKder hat doch so ein buttergesicht.
DIE ANDERENaber kohle
PETER MUNKkohle
DIE ANDERENeine menge kohlehat alles gekriegt vom papawill jetzt eine eigene firma aufbauender will das alleine schaffen auf eigenen beinen stehen aber ob er das hinkriegt wenn man sein leben langalles in arsch geschoben bekommen hat
PETER MUNKkohle
PAULja, also vergiss die außerdemdachte du stehst auf die irene vom versand?
PETER MUNKdie hab ich mir abgewöhnt
PAULwie?
PETER MUNKweiß nichtsie lacht über jeden scheiß und ihre fingernägelso billig. und redet ohne ende nur blödsinn
PAUList mir nicht aufgefallen kommst du jetzt?
PETER MUNKna klar. wer spielt?
PAULwir gegen die anderen
PETER MUNKdie anderen?
PAULjadie anderen
DIE ANDERENwer bist’n du eigentlich
PAULder peter munk aus der fabrik mein kollege vom fließband
PETER MUNKschokoladenfabrik
DIE ANDERENfließbandschokoladena lecker berufe gibt’s muss auch seinaufstiegschancen?
PETER MUNKschichtleiter
DIE ANDERENohoich glaub an dich hast du zigaretten?
PETER MUNKich rauch nicht
DIE ANDERENholst du mir welche vom automatendann darfst du mitspielen jeder muss mal
PETER MUNKzigaretten?
PAULlass ihn doch
PETER MUNKist aber weit
DIE ANDERENmit dem auto?
PETER MUNKist kaputt
DIE ANDERENna dann
PETER MUNKich fahr jetzt besser malhab morgen frühschicht und der nächste nachtbus geht gleich
DIE ANDERENfrühschicht alle achtung
PAULbis morgen um sechs
LISBETHich kenn dich doch
PETER MUNKhallo
LISBETHwann geht der nächte?
PETER MUNKnimmst du auch den N5?
LISBETHja
PETER MUNKin zwanzig minuten
LISBETHich kenn dich dochich mag nachtbusse nicht sie stinken nach kotzedie meisten darin sind besoffen oder deprimiert weil sie keine abgekriegt haben und das licht macht die menschen hässlichman könnte doch nie jemanden im nachtbus aufreißen weißt du was ich meine?
PETER MUNKja wahrscheinlich
LISBETHman ist da immer irgendwie opferhätte ich meinen freund im nachtbus kennengelernt wären wir jetzt sicher nicht zusammen
PETER MUNKja wahrscheinlich
LISBETHich kenn dich dochdu gehst doch immer zum rewe einkaufen
PETER MUNKja
LISBETHich sitz da an der kasse aber nur vorübergehend als ferialjobhab dich da schon öfter bedient
PETER MUNKich weiß
LISBETHso was dummes eigentlichman hat immer nur so kurz zeit an der kasseund wenn man mit jemandem reden willfängt man über die dümmsten dinge zu sprechen aneinmal hab ich zu einem motorradfahrer gesagt cooler helmweil er einen helm auf dem kopf hatte ist das nicht bescheuert?
PETER MUNKja
LISBETHich will aber nicht nur schweigenich will nicht nur eine zahl sagen und haben sie eine kundenkarteich fang da immer gespräche andeswegen wäre ich wahrscheinlich gar keine gute kassierin langfristig weil ich den betrieb aufhaltewir dürfen das gar nichtkannst du dir das vorstellenwir dürfen da keine langen unterhaltungen führendu bist da eigentlich nur so eine art menschliches ersatzteil für alle anderen die das machen könntenverstehst du was ich meineaber ich mach’s eh nur diesen sommer lang
PETER MUNKundwas machst nach dem sommer?
LISBETHna weiterstudieren
PETER MUNKach so
LISBETHkunstgeschichte studierst du auch was?
PETER MUNKich –?ja
LISBETHwas?
PETER MUNKbwl
LISBETHahao gott najaauf alle fälle praktischer als kunstgeschichtekann man wenigstens irgendwann geld verdienen
PETER MUNKgenau
LISBETHich hab mir das uneffizienteste studium der welt ausgesucht also lebensplantechnischwo studierst du?
PETER MUNKvielleicht wechsel ich ja auch das studium
LISBETHdas denk ich mir auch jedes jahr dann bleib ich doch dabeiaus prinzip verstehst du?
PETER MUNKmhm
LISBETHwohnst du hier in der nähe?
PETER MUNKda hintenfriedrich-eberts-straße
LISBETHdas ist ja unglaublich wir sind fast nachbarn wohnst du da alleine?
PETER MUNKja. hab da ein hausmit garten. und pool
LISBETHwowich würd gerne ausziehen weg von meinen eltern mein freund will aber nicht hält mich auf distanzder baut gerade eine firma auf zuviel stress sagt er deshalb mach ich diese ferienjobs damit ich ausziehen kann irgendwann selbstständig unabhängigauf eigenen füßen
PETER MUNKja
LISBETHich wohn Nr. 26du kannst ja mal vorbeikommen
PETER MUNKja
pause
LISBETHnajajetzt könnte echt mal der bus kommen
PETER MUNKja
LISBETHwillst du mir ein taxi zahlen?
FRAU MUNKpeter! peter! peter?
PETER MUNKich bin doch hier
FRAU MUNKaber was –
PETER MUNKnichts
FRAU MUNKdu musst doch –
PETER MUNKwas?
FRAU MUNKdu musst doch los!
PETER MUNKwie spät ist es?
FRAU MUNKschon spät die arbeit –
PETER MUNKgleich mama gleich
FRAU MUNK