Kann Töten erlaubt sein? - Marc Lindemann - E-Book

Kann Töten erlaubt sein? E-Book

Marc Lindemann

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Beschreibung

"Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten." Dieser Satz von Angela Merkel zum Tod Osama bin Ladens provozierte einen Aufschrei in Deutschland. Die gezielte Tötung eines Menschen mit staatlicher Legitimation löst Unbehagen aus. Doch was ist, wenn man dadurch ein Menschenleben retten kann? Der ehemalige Nachrichtenoffizier Marc Lindemann geht der Frage nach, unter welchen Umständen die Tötung eines Menschen von Staats wegen gerechtfertigt sein kann. In anderen Ländern, etwa den USA, werden Drohnen eingesetzt, um Menschen zu töten, ohne die eigenen Streitkräfte in Gefahr zu bringen. Diese Automatisierung des Krieges sorgt dafür, dass die Einsätze für Soldaten abstrakt werden: Ein Pilot sitzt in den USA am Bildschirm und steuert eine Drohne in Afghanistan. Marc Lindemann versucht eine genaue Abwägung der moralischen und ethischen Dimension dieser komplexen Thematik. Ein kluges Buch über eine schwierige Frage.

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Marc Lindemann

Kann Töten erlaubt sein?

Ein Soldat auf der Suche nach Antworten

Econ

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ISBN 978-3-8437-0418-2

© der deutschsprachigen Ausgabe

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2013

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung,

Verbreitung, Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich

verfolgt werden.

eBook: LVD GmbH, Berlin

Meine eigenen Urteile sind seit der Veröffentlichung meines Buches »Just and Unjust Wars« 1977 ziemlich beständig. Doch ich habe meine Meinung oder die Gewichtung meiner Argumente zu ein paar Dingen geändert. Konfrontiert mit der schieren Anzahl der letzten Greuel – den Massakern und ethnischen Säuberungen in Bosnien und im ­Kosovo, in Ruanda, im Sudan, in Sierra Leone, im Kongo und in Liberia, in Osttimor und davor in Kambodscha und Bangladesch –, wurde ich langsam williger, nach militärischer Intervention zu rufen.

Michael Walzer, Arguing about War

Prolog

Die Drohnen kommen – auch nach Deutschland. Die Verei­nigten Staaten setzen sie bereits seit Jahren in ihren Kriegen und zur Jagd auf Terroristen ein; ein Großteil der Führungsriege al-­Qaidas wurde damit getötet. Selten hat ein neues Waffensystem bei vielen Menschen solches Unbehagen ausgelöst, wie es die ferngesteuerten Kampfflieger tun. Und schon bald soll auch die Bundeswehr mit diesen Hightech-Systemen ausgerüstet werden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte dazu: »Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten. Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen.« Aber auf wen soll eine solche – dann deutsche – Rakete eigentlich abgeschossen werden? Und wer gibt den Befehl dafür: der Minister selbst, die Bundeskanzlerin oder ein diensthabender Offizier?

Bewaffnete Drohnen sind eine Antwort auf den heutigen Krieg, der längst seine Grenzen verloren hat. Gleichzeitig revo­lutionieren sie ihn, weil sie dafür gemacht sind, einzelne Personen zu identifizieren und zu töten, ohne auch nur einen Schritt auf das Schlachtfeld setzen zu müssen. Sie ziehen den Gegner aus der fernen Sicht des Frontsoldaten hin ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Wir können zu Hause am Bildschirm verfolgen, wen wir töten, und immer öfter kennen wir sogar Namen und Gesichter. Es stimmt: Drohnen unterscheiden sich in ihrer Wirkung nicht von anderen Waffen – sie töten, wenn jemand den Auslöser drückt. Doch in der Art, wie sie dies tun, nehmen sie dem Sterben die Anonymität. Der Krieg wird persönlicher, als er es je zuvor war. Aber befinden wir uns überhaupt im Krieg?

Die Technik zwingt uns, nun zu tun, was wir schon längst hätten tun sollen: Wir müssen unser Verhältnis zur militärischen Gewalt neu bewerten. Wir müssen klären, wie wir auf die Bedrohungen unserer Zeit reagieren wollen und was wir im Dienst des Gewaltverzichts zu akzeptieren bereit sind. Als die Bundeswehr 2002 nach Afghanistan geschickt wurde, sprach niemand von Krieg. Es sollte ein Land aufgebaut werden, das andere zerstört hatten. Plötzlich aber waren auch deutsche Soldaten in schwere Gefechte verwickelt, und die politische Lebenslüge vom »Friedenseinsatz« zerbrach. Mit dem Angriff auf die Tanklaster von Kundus im September 2009 wurde spätestens offenbar, was in Deutschland lange verleugnet wurde: Auch unsere Soldaten töten. Aber wollten wir das je wieder?

Die Anschaffung bewaffneter Drohnen wirft zweifelsfrei neue Fragen auf: Enthemmen sie das Töten von Gegnern, weil das Risiko für die eigenen Soldaten verschwindet? Sind sie der Einstieg in eine Sicherheitspolitik, die weltweit Jagd auf Terroristen macht? Die Politik wird sich einer breiten gesellschaftlichen Diskussion stellen müssen. Doch schon in die amerikanischen Drohneneinsätze gegen mutmaßliche Terroristen in Pakistan, Jemen oder Somalia ist die Bundesrepublik Deutschland weit mehr involviert, als offiziell zugegeben wird. Deutschland ko­­ope­riert mit den USA eng auf geheimdienstlicher Ebene: In­formationen, die deutsche Behörden in der Terrorabwehr gewinnen, werden an Amerikaner weitergeleitet. Führen sie zur Tötung eines Terrorverdächtigen, tragen auch wir Verantwortung dafür. Im Afghanistaneinsatz wirken deutsche Soldaten sogar direkt an der Erstellung von Ziellisten mit, auf denen Taliban-Kommandeure und al-Qaida-Führer zur Tötung freigegeben werden.

Der Einsatz am Hindukusch wird bald zu Ende sein, doch im Nahen Osten und in Afrika warten schon neue Einsatzgebiete auf deutsche Beteiligung. Ob wir uns zukünftig an einem multinationalen Einsatzkontingent mit Bodentruppen beteiligen werden oder Drohnen zur Bekämpfung von Terroristen und Aufständischen schicken: Wir sollten endlich die Frage klären, wann die deutsche Außenpolitik auch mit Waffengewalt durchgesetzt werden soll. Wann darf Töten erlaubt sein?

Gezielte Tötungen im Krieg gegen den Terror

Tod eines Internet-Islamisten

Als sich der kleine Konvoi am Morgen des 30. September 2011 auf den Weg nach Südosten machte, war das Schicksal seiner Insassen bereits besiegelt. Eigentlich war es das schon, als die kleine Gruppe aus der Tür des Hauses in der nordjemenitischen Provinz al-Dschauf trat. Denn der ummauerte Gebäudekomplex in dem Örtchen Khasfah wurde bereits seit Monaten durch amerikanische Satelliten und Aufklärungsflugzeuge überwacht. Die Treffen im Hof, die Fahrzeugbewegungen, wer kam und wer ging: Alles wurde genau beobachtet und akribisch ausgewertet. Die Bewohner des Gebäudes bekamen von alldem nichts mit. Wie auch? Die Späher flogen außerhalb jedweder Sicht- und Hörweite. Zwar wussten die Überwachten sehr genau, dass man hinter ihnen her war, und sie kannten auch den Grund dafür, doch vermittelte ihnen die Abgeschiedenheit dieser Region mit der Zeit ein leidliches Gefühl der Sicherheit. Denn da oben, unweit der saudischen Grenze, war Stammesgebiet, ihr Gebiet.

Die Landschaft ist der Orient eines Karl May: idyllisch und unerschlossen, warm und gleichzeitig wehrhaft. Windschiefe Lehmhäuser mit weißgekalkten Fensterumrandungen schmiegen sich an steil aufragende Felswände, die nach Südwesten hin zu stattlichen Gebirgszügen werden. Dazwischen die grobstei­nigen Geröllmäander, jene berühmten Wadis, die höchstens einmal im Jahr Wasser führen und in der trockenen Zeit die fehlenden Straßen ersetzen. Fremde haben keine Chance, unentdeckt zu bleiben. Wenn sich etwas bewegt, wird das sofort bemerkt und gemeldet. Selbst die autoritäre Zentralregierung aus Sanaa kann sich in diesem Teil des Landes nur mit Hilfe ihres Militärs durchsetzen. Die ganze Region wird durch ein komplexes Gerüst aus Abhängigkeiten und Loyalität zusammengehalten, das jeden mit jedem verbindet. So entsteht ein soziales Gefüge, das in anderen Teilen der Welt seit Jahrhunderten der Vergangenheit angehört. In sich ist dieses System stimmig und konsequent, für die Gemeinschaft vielleicht sogar die einzige Möglichkeit zu überleben, doch bei genauerem Hinsehen offenbart es seinen archaischen Charakter und seine innewohnende Brutalität. Denn zugleich ist es ein gut kombiniertes Wehrsystem: Feinde werden auf Abstand gehalten, Gästen hingegen bietet es Versorgung und Schutz.

Ein solcher Gast, ein im US-Bundesstaat New Mexico geborener Mann mit arabischen Wurzeln, der bereits seit vielen Jahren jene Obhut der Clans und Stämme genoss, trat am Morgen des 30. September vor die Tür des überwachten Gebäudes. Sein Name: Anwar al-Awlaki, ein Führungsmitglied al-Qaidas, auch bekannt als »bin Laden des Internets«.

Seit Monaten hatte er das Haus nicht verlassen – aus gutem Grund. Der Vierzigjährige war bereits im Mai desselben Jahres auf eine Weise gewarnt worden, die er unmöglich missverstehen konnte: dem Versuch, ihn mit einer Drohne zu töten. Damals verfehlte die Rakete nur knapp ihr Ziel und schlug auf der Ladefläche seines Pick-ups ein; im brennenden Fahrzeug konnte er gerade noch entkommen. Er kannte also sein Risiko und handelte deshalb meist sehr vorsichtig. Warum er an jenem Tag dennoch ins Freie trat, bleibt unklar. Ein Clantreffen ist denkbar, möglicherweise eine Zusammenkunft zur Planung neuer Projekte und Strategien, vielleicht aber auch nur eine Hochzeitseinladung bei Verwandten oder noch schlichter: einfach einmal das Haus verlassen, um den mild-warmen Septembertag in den Gebirgsausläufern an der alten Weihrauchstraße zu genießen. Wer sich über Monate verstecken muss, wird schließlich auch als bekennender Asket auf eine harte Prüfung gestellt – das Risiko zu relativieren wäre daher nur allzu menschlich.

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