Kapitalfehler - Matthias Weik - E-Book

Kapitalfehler E-Book

Matthias Weik

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Beschreibung

Kriminelle Spekulanten und ahnungslose Politiker haben ein nachhaltiges Wirtschaften verdrängt. Der Mensch ist in den Hintergrund geraten und wir mussten erkennen: Finanzkapitalismus ist schlicht und einfach schlechter Kapitalismus. In ihrem neuen Buch erklären die Bestsellerautoren allgemein verständlich, wie ein vernünftiger Kapitalismus wirklich funktionieren kann und sie scheuen sich nicht Fehlentwicklungen, die verbrecherischen Banken sowie die wahren Abzocker klar zu benennen. Denn nur wenn sich jetzt etwas ändert, können wir unser Geld retten.


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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autoren

Titel

Impressum

Rechtlicher Hinweis

Zitat

1 Antizyklische Kapitalmarktkontrolle – Warum die Marktwirtschaft vor dem Finanzkapitalismus geschützt werden muss

Warnsignale: Krisen ohne Ende

Warum Finanzkapitalismus einfach nur schlechter Kapitalismus ist

Intermezzo: Eurovision Crisis Contest – Island 10 Punkte – Griechenland 0 Punkte

Islands Wirtschaft: Von Zockern schockgefroren

Griechenlands Wirtschaft: Nicht wettbewerbsfähig. Den Rest haben Griechenlands Eliten ruiniert

Warum Island alles richtig gemacht hat und Griechenland alles falsch. Eine Anleitung für die Zukunft

2 »Geh’n Sie mit der Konjunktur!« – Warum es uns regelmäßig schlecht geht

Vom Urteil zum Untergang: Eine kleine Begriffsgeschichte der Krise

Was Angebot und Nachfrage regeln – und was leider nicht

Über Marktgleichgewichte und ökonomische Schwerkräfte

Alle sieben Jahre wieder: Warum gibt es überhaupt Wirtschaftskrisen?

3 Wenn der Treibstoff knapp wird – Über Nikolai Kondratjew, Joseph Schumpeter und die »langen Wellen der Konjunktur«

I Der dampfende Kondratjew – mit Kohle

II Der rollende Kondratjew – mit Stahl

III Der elektrische Kondratjew – mit Plastik

IV Der automobile Kondratjew – mit Antenne

V Der digitale Kondratjew – auch mit Internetanschluss

4 Die Kapitalisten in der Zirkuskuppel, ratlos – Auf der Suche nach dem nächsten »großen Ding«

Kleiner Exkurs zur Ökonomie von Knappheit und Endlichkeit

Rückblick: Die »langen Zyklen« im Schnelldurchlauf

Zukunft zum Ankreuzen?

Der Strom kommt aus der Steckdose. Aber wie kommt er künftig da rein?

Die Zukunft der Wasseraufbereitung

5 Trampelpfad und Masterplan – Über gelenktes, ungelenktes und falsch gelenktes Wirtschaften

Die langen Zyklen von Investition und Spekulation

Was ist ein gutes Unternehmen?

Über Brücken und andere Gemeingüter

Der Ressourcenfluch: Warum sind die rohstoffreichsten Länder die korruptesten?

Fallstudie: Katar versus Norwegen

Staatliche Planwirtschaft funktioniert nicht

Was können Märkte regeln?

Absolut freie Wirtschaft funktioniert nicht

6 Nur für bare Münze – Warum Geld erst herausgeschlagen werden musste

Wer hat eigentlich das Geld erfunden?

Warum es »die Marktwirtschaft« erst seit 250 Jahren gibt

Fiktive Waren: Arbeit, Boden, Geld

Vom ›Kredit‹ der Götter zum Geld

7 Schuldknechtschaft für alle

Wer vergibt Kredite? Die Magie der Geldschöpfung aus dem Nichts

Woher kommen Schulden, und warum gibt es sie?

Wem gehört die Welt? Die Kontrolleure des physischen Reichtums

Profiteure des globalen Raubtierkapitalismus

Billigwahn – macht viele arm und ganz wenige reich

Kapitale Fehler – und Vorschläge zu ihrer Behebung

8 Krebs im Wirtschaftsleben – Leistungslose Einkommen machen uns krank

Gastbeitrag von Prof. Dr. Christian Kreiß, Hochschule Aalen

Unsichtbare Zahlungsströme: Wer zahlt an wen?

Machtkonzentration und soziale Krebsbildung

Was tun?

Danksagung

Glossar

Anmerkungen

Register

Über dieses Buch

Kriminelle Spekulanten und ahnungslose Politiker haben ein nachhaltiges Wirtschaften verdrängt. Der Mensch ist in den Hintergrund geraten und wir mussten erkennen: Finanzkapitalismus ist schlicht und einfach schlechter Kapitalismus. In Kapitalfehler erklärt das Bestsellerduo Weik/Friedrich allgemein verständlich, wie ein vernünftiger Kapitalismus wirklich funktionieren kann, und es scheut sich nicht, Fehlentwicklungen, die verbrecherischen Banken sowie die wahren Abzocker klar zu benennen. Denn nur wenn sich jetzt etwas ändert, können wir unser Geld retten.

Über die Autoren

Marc Friedrich studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre und beschäftigte sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Während eines Aufenthalts in Argentinien erlebte er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst mit. In Großbritannien, der Schweiz und den USA sammelte er zahlreiche und wertvolle Arbeitserfahrungen. Gemeinsam mit Matthias Weik hält er Seminare und Fachvorträge bei Unternehmen, Verbänden, an Universitäten und Schulen.

Matthias Weik befasst sich seit über zehn Jahren eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Arbeits- und Studienaufenthalte in Südamerika, Asien und Australien ermöglichten ihm tiefe Einblicke in das Wirtschaftsleben fremder Nationen. Parallel zu seiner Tätigkeit für einen deutschen Konzern hat er einen MBA erworben. Seit mehreren Jahren ist der Querdenker als unabhängiger Honorarberater tätig.

Matthias Weik & Marc Friedrich

KAPITAL FEHLER

Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Copyright © 2016 by Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Enrik Lauer und Gesine von Prittwitz, Berlin

Umschlaggestaltung: Christina Hucke, www.christinahucke.de

Umschlagmotiv: © shutterstock/sabri deniz kizil

E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-7325-2366-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Haftungsausschluss

Jede Person ist selbstverständlich für ihre private Vermögensverwaltung und Geldanlage selbst verantwortlich. Über spezifische Finanzprodukte muss sich folglich jeder Anleger in Eigenregie informieren. Die Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Schäden, welche durch falsche Schlussfolgerungen aus den Hinweisen in diesem Buch entstanden sind. Die Informationen basieren auf tief greifender Recherche – nichtsdestotrotz können Fehler auftreten. Die Autoren schließen Haftungsansprüche jeglicher Art aus.

Redaktionsschluss: 5. April 2017

Wir haben Berge von überflüssigem Bedarf angehäuft. Ständig müssen wir kaufen, wegwerfen, kaufen … Es ist unser Leben, das wir verschwenden. Denn wenn wir etwas kaufen, bezahlen wir nicht mit Geld. Wir bezahlen mit unserer Lebenszeit, die wir aufwenden mussten, um dieses Geld zu verdienen. Der Unterschied ist: Leben lässt sich nicht kaufen. Es vergeht einfach. Und es ist schrecklich, dein Leben zu verschwenden, indem du deine Freiheit verlierst.

José Mujica – Blumenzüchter und Ehemaliger Präsident von Uruguay.

»Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.«

Aldous Huxley

1 Antizyklische Kapitalmarktkontrolle Warum die Marktwirtschaft vor dem Finanzkapitalismus geschützt werden muss

In unseren ersten zwei Büchern – Der größte Raubzug der Geschichte (2012) und Der Crash ist die Lösung (2014) – haben wir uns detailliert mit den Ursachen und Folgen jener Finanzkrise auseinandergesetzt, die 2008 die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben hat. Die Folgen dieser Krise wirken bis heute nach, ihre Ursachen sind bis heute weder vollständig verstanden, geschweige denn behoben worden. Wir könnten das auf fortgesetzt bösen Willen bei den Akteuren und auf komplette Unfähigkeit der Politik zurückführen. Und mit derlei Polemik könnten wir bei Vorträgen, auf Podien und in Talkshows sicher auch weiterhin punkten. Zumal wir mehr denn je davon überzeugt sind, dass nicht nur wir in Deutschland ein massives Elitenproblem haben.

Doch erstens wäre das zu einfach. Es gab (und gibt immer noch!) kriminelle Machenschaften in der Finanzbranche. Aber die Wirtschaft wird nicht von Gangstern beherrscht. Die Politik traut sich an dringend nötige Regulierungen der Finanzmärkte bis heute nicht heran– nicht zuletzt, weil viele Staaten bis an die Halskrause verschuldet und damit abhängig von den Dealern ihrer Anleihen sind. Aber in den Parlamenten, Ministerien und Regierungen sitzen nicht nur willfährige Lobbyisten und wirtschaftspolitische Ignoranten. Ergo: Es muss auch tiefer liegende Ursachen für die verbreitete Ratlosigkeit und Mutlosigkeit in Wirtschaft und Politik geben.

Zweitens wollten wir uns nicht nur im Erfolg unserer Bücher sonnen. Wir haben uns auch Argumente von Kritikern zu Herzen genommen, die uns unter anderem einen Hang zu tagesaktueller Faktensammelwut und oberflächlicher Krisendiagnose, im Gegenzug einen Mangel an vertiefter Krisenanalyse vorgeworfen haben. In diesem Buch gehen wir darum ganz anders vor als in unseren ersten beiden. Grundsätzlicher. Und streckenweise auch etwas theoretischer. Unser Ziel: Möglichst gut lesbar verständlich zu machen, wie die Marktwirtschaft und der Kapitalismus (das ist keineswegs dasselbe!) nicht nur in Einführungsveranstaltungen von VWL-Professoren, sondern tatsächlich funktionieren; wie und warum Marktwirtschaft und Kapitalismus großen Teilen der Menschheit in den letzten 250 Jahren enormen Wohlstand gebracht haben; warum sie aber bis heute daran scheitern, diesen Wohlstand sowohl global als auch nachhaltig fair zu verteilen. Vor allem aber wollten wir selbst genauer verstehen, warum der Kapitalismus periodisch seine Fähigkeit zu technischer und sozialer Innovation, zur Mehrung von Versorgungssicherheit, Alltagskomfort und Lebensqualität, Wohlstand und sozialer Sicherheit verliert – und zu einem System mutiert, in dem nur noch die Interessen von ein paar Dutzend globalen Konzernen, einer immer kleineren Zahl von Superreichen und einer von der Realwirtschaft fast vollständig abgeschotteten Finanzelite zählen.

Zur Gewinnung diesbezüglicher Erkenntnisse widmen wir uns als Erstes einer Frage, die sowohl Anhänger als auch Kritiker des Kapitalismus schon früh beschäftigt hat: Warum kommt es in diesem Wirtschaftssystem regelmäßig zu Krisen? Warum verläuft das Auf und Ab namens ›Konjunktur‹ bisweilen so heftig? Und lassen sich diese Wechselbäder irgendwie mildern oder gar verhindern?

Daran anschließend beschäftigen wir uns recht ausführlich mit einem leider schon sehr viel weniger beachteten Phänomen: jenen »langen Wellen der Konjunktur«, die der Ökonom Joseph Schumpeter in den 1940er-Jahren zu Ehren ihres russischen Entdeckers »Kondratjew-Zyklen« getauft hat. Da diese Zyklen sich meist über zwei Generationen erstrecken, sprengen sie die Zeithorizonte von Tagesgeschäft und Wahlperioden – erst recht in Zeiten, in denen bezahlte Manager anstelle privat haftender Unternehmer alle paar Jahre die Wirtspflanze wechseln und zwischendurch nur noch auf Quartalszahlen und Jahresboni schauen.

Im fünften und sechsten Kapitel versuchen wir die zahllosen Fallstricke von Regulierungen, Lenkungen und Liberalisierungen verschiedener ›Märkte‹ zu entwirren. Indem wir etwa fragen, was eigentlich genau auf welchen Märkten gehandelt wird. Warum auch die moderne Marktwirtschaft in weiten Teilen eine Planwirtschaft ist. Warum einige wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Daseins besser gar nicht – oder wenn, dann nur unter sehr genau festgelegten Bedingungen – durch Angebot und Nachfrage geregelt werden sollten. Indem wir höflich nachfragen, ob das Markttreiben wirklich so tief in der Natur des Menschen verwurzelt ist, wie es die Mehrheit der Ökonomen suggeriert. Ob jenes Geld, das ja angeblich die Welt regiert, tatsächlich zur Beförderung von Handel und Wandel ›erfunden‹ wurde. Schließlich: Warum ausgerechnet die ›Finanzmärkte‹ am Ende des Tages die ineffizientesten Märkte sind.

Im Schlusskapitel untersuchen wir, warum Banker und Börsianer in ihren heute kaum noch abzählbaren Kostümen von Kapital, Kredit und Kreditabsicherung von allen ›Wirtschaftssubjekten‹ am schnellsten und am verlässlichsten volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Unsere Kernthese hier: Anders als es die Verfechter unregulierter Finanzmärkte behaupten, sorgen diese gerade nicht dafür, dass Kapital an die volks- oder gar weltwirtschaftlich besten, an die dem allgemeinen Wohlstand förderlichsten Stellen transportiert wird. Denn bei genauerem Hinsehen beobachten die Finanzmärkte die Realwirtschaft kaum. Besser gesagt: An einigen Stellen beobachten sie sie zwar wenigstens noch indirekt – vor allem über die Kurse von Unternehmensanteilen. Doch zu weit über 90 Prozent beobachten die Akteure an den Finanzmärkten sich nur gegenseitig.

Das ist schon deshalb von Übel, weil in kaum einer Herde das Herdenverhalten ausgeprägter ist, als in der kleinen Herde der Anlageakrobaten. Und es ist von Übel, weil die wichtigste Einnahmequelle der dort tätigen Individuen leider nicht Investitionserfolge, ja nicht einmal Arbitragegewinne sind, sondern Prämien und Provisionen. Die aber gibt es nicht nur für erfolgreiches Handeln, sondern viel zu häufig schon für Handeln an sich.

Warnsignale: Krisen ohne Ende

Wie befürchtet, hat sich seit dem Erscheinen unseres zweiten Buches Der Crash ist die Lösung im Mai 2014 nichts nachhaltig in der Finanzwelt zum Besseren gewendet. Ganz im Gegenteil: Warnsignale, wohin man schaut. Die Gesamtsituation eskaliert weiter, und viele unserer damals abgegebenen, oftmals angezweifelten Prognosen sind heute leider bittere Realität. Der Zug rast unvermindert mit Volldampf in Richtung Abgrund. Dass die Geschwindigkeit gedrosselt oder gar die Notbremse gezogen wird, ist nicht in Sicht.

Nach wie vor wird auf globaler Ebene versucht, Schulden mit Schulden zu bezahlen, was weder nachhaltig ist, noch auf Dauer funktioniert. Verzweifelt bekämpfen die Notenbanken die Krise mit historisch niedrigen Zinsen – also mit einer Flut von billigem Geld. Mit dem Ziel, das Geldkarussell am Laufen zu halten, pumpen Staaten und Notenbanken weiterhin Hunderte von Milliarden in ein völlig marodes Finanzsystem. Die Notenbanken, die Brandstifter und Feuerwehr in einem sind, verkennen dabei, dass es gerade die niedrigen Zinsen gewesen sind, die die letzte Krise mit verursacht haben. Durch eine aus dem Ruder gelaufene irrsinnige Notenbankpolitik wurden die Aktienmärkte global enorm aufgebläht. Abermals entstehen durch das viele billige Geld Blasen an den Immobilien-, Aktien- und Anleihenmärkten. Inzwischen sind die Märkte dermaßen abhängig vom billigen Geld, dass sich niemand mehr traut, ihnen die Droge Geld zu entziehen.

Wie krank das Finanzsystem ist, beweist auch ein absurdes Vorkommnis in der Schweiz: Neben fantastischer Natur und erstklassigem Käse haben die Eidgenossen, besser gesagt: die Credit Suisse (CS), die Magie für sich entdeckt. Bekanntlich müssen die Banken seit der Finanzkrise 2008 ihren Eigenkapitalanteil erhöhen. Die CS entschied sich dafür, sich selbst Eigenkapital zu schaffen, und zwar aus dem Nichts. Offenbar frei nach dem Motto: »Wenn wir Geld aus dem Nichts schöpfen können, warum nicht auch Eigenkapital?«. Der Zaubertrick funktionierte folgendermaßen: Die CS vergab an arabische Investoren einen Kredit in Höhe von umgerechnet rund 9 Milliarden Euro. Dafür mussten lediglich zwei Buchungen in der Bilanz vorgenommen werden: Auf der Aktivseite wurde der Betrag als »Forderung« eingestellt, auf der Passivseite wurde eine »Kundeneinlage« in gleicher Höhe verbucht. Die Bank konnte sicher sein, dass die arabischen Investoren das Geld nicht abrufen werden, weil diese sich verpflichtet hatten, dafür neu geschaffene Vorzugsaktien der CS zu erwerben. Zu diesem Zweck war lediglich eine weitere Buchung nötig, unter Kennern »Passivtausch« genannt: Die Kundeneinlage wurde umgebucht in die Position »Eigenkapital«.1 So einfach funktionierte diese äußerst fragwürdige Aktion.

Vielleicht wäre dies ja auch eine Option für unseren Branchenprimus mit kriminellen Neigungen – die krisengeschüttelte Deutsche Bank? Nachdem die Bank im Januar 2016 an oberster Stelle verkündet hatte, dass das Haus solvent sei, bildete sich über unseren Köpfen so manches Fragezeichen. Als dann auch noch unser Finanzminister Wolfgang Schäuble sich zur Deutschen Bank beruhigend äußerte, gingen bei uns alle Alarmglocken an. Die letzte Bank, die ihre Solvenz rechtfertigen musste, war ein Institut namens Lehman Brothers … Wir sind nach wie vor fest davon überzeugt, dass es die Deutsche Bank in ihrer jetzigen Form in Zukunft nicht mehr geben wird. Aufgrund ihrer Größe ist eine Pleite ausgeschlossen. Da es unwahrscheinlich ist, dass irgendein Konkurrent eine Bank mit knapp 7.800 laufenden Verfahren an der Backe und einem Derivate-Portfolio außerhalb der Bilanz im Volumen von über 40 Billionen Euro (das 15-Fache des deutschen BIP) übernehmen wird, dürfte es wohl auf eine Verstaatlichung hinauslaufen.

Die globale Berg- und Talfahrt an den Börsen zu Beginn des Jahres 2016 ist nur ein weiteres Menetekel. Innerhalb von nur wenigen Wochen wurden die Anstiege der vergangenen Jahre an den Aktienmärkten der Welt radikal ausradiert. In Deutschland war es den »Magiern« der Notenbank gelungen, den Deutschen Aktienindex (DAX) bis auf über 12 000 Punkte zu zaubern. Die Frage, ob das nachhaltig ist, hat sich offensichtlich im Jubelsturm steigender Kursgewinne kaum einer gestellt. Unbezweifelbar ist jedoch, dass in der Geschichte der Menschheit noch niemals eine Krise mit Gelddrucken nachhaltig gelöst wurde. Schon allein aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die kommenden Jahre nicht besser werden. Nein, mehr noch: Die künftigen Entwicklungen werden alles Bisherige übertreffen. Wir wollen hier nicht schwarzmalen. Weder Pessimismus, noch übertriebener Optimismus sind angebracht. Es ist Zeit für Realismus! Machen Sie sich selbst ein Bild, ob wir so weitermachen können wie bisher, oder ob grundlegende Veränderungen nicht überfällig sind. Entscheidend wird unserer Ansicht nach das Jahr 2017 werden.

Deutschland: Von der »schwarzen Null« zur Altersarmut

Wir sind Fußballweltmeister und Handballeuropameister, wir haben eine Rekordbeschäftigungsquote, noch nie waren mehr Menschen in Lohn und Brot, Rekordsteuereinnahmen und eine »schwarze Null« im Bundeshaushalt, über die sich unser Finanzminister Wolfgang Schäuble sehr freut. Dementsprechend häufig reden die Politiker und die Medien von einem Job- und Konjunkturboom, sogar davon, dass Deutschland »heiß laufen« würde. Betrachten wir die Fakten, dann haben wir freilich keinen Grund zum Jubeln, denn die Qualität der Daten ist fragil und nicht überzeugend. Nach wie vor zahlen internationale Konzerne in Deutschland kaum Steuern – dank Steueroasen, die teilweise mitten in Europa oder sogar in der EU liegen. Auch bei uns geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in Deutschland 2015 um 1,7 Prozent.2 Ob man hier von einem Konjunkturboom und »heiß laufen« sprechen kann, halten wir für fraglich. Die chinesische Wirtschaft ist im gleichen Zeitraum um das Vierfache gewachsen; nämlich ›nur‹ um 6,9 Prozent – so wenig wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.3 Spätestens jetzt stellt sich wohl die Frage, wer oder was heiß läuft und wer oder was nicht?

Schlagzeilen wie »Deutschland erlebt binnenwirtschaftliche Blüte«, »Wegen guter Beschäftigungslage steigen die Löhne« oder »Jobs gibt’s in Hülle und Fülle« können nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles im Argen liegt. Zwar entstehen immer mehr Jobs – die Arbeitslosigkeit liegt mit 2,63 Millionen auf einem 24-Jahres-Tief. Doch dummerweise zieht die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen nicht mit. Dies bedeutet, die Masse der neuen Jobs sind prekäre Arbeitsverhältnisse. Trotzdem werden nur 52,2 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsempfänger als arbeitslos gezählt; was heißt: Die offiziellen Statistiken sind mehr als geschönt.

Immer mehr Menschen in Deutschland können von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben. Im Niedriglohnsektor arbeiten über acht Millionen Menschen in Voll- und Teilzeit. Womit dieser seit 1991 um 139 Prozent angeschwollen ist, während die wichtigen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs, die die Renten finanzieren, um über 10,5 Prozent zurückgegangen sind.4 Da Niedriglohnarbeiter nichts in die Rentenkasse einbezahlen können, ist Altersarmut in großem Stil vorprogrammiert. Es wird eine Altersarmutswelle auf uns zukommen, die auch der Exportweltmeister Deutschland nichtzu stemmen vermag! Die Millionen jungen Menschen, die in Südeuropa arbeitslos sind, kommen erschwerend hinzu. Unvermindert feiert Wolfgang Schäuble seine »schwarze Null«. Dass sie vor allem aufgrund der Niedrigzinsphase möglich ist, lässt er lieber außen vor. Abgesehen davon bedeutet die »schwarze Null« nichts anderes, als dass wir alle diese durch die Nullzinsphase mitfinanzieren und Vater Staat lediglich genau so viel Geld ausgibt, wie er einnimmt – unser tägliches Brot also. Des Weiteren sagen die schwarze Null und das kontinuierlich steigende Bruttosozialprodukt (BSP) relativ wenig über den Gesamtzustand unseres Landes aus: Weder über die Verteilung des Wohlstands oder die Lebensqualität, noch über das Glück und die Zufriedenheit der Deutschen.

Europa: Wie aus einem Traum ein Albtraum wird

Fassungslos hat uns gemacht, dass die EU Griechenland ein drittes Rettungspaket gewährt hat. Nachdem die Therapie der Euro-Rettungspolitik bereits zwei Mal versagt hat, wird dem Land nun zum dritten Mal dieselbe bittere Medizin verabreicht. Wir sagen voraus: Auch dieses Mal wird sie nicht die erhoffte Wirkung haben. Vielmehr gehen wir von weiteren teuren und absolut sinnfreien »Rettungspaketen« auf unser aller Kosten aus. Die fatalen gesellschaftlichen Folgen nicht mit eingerechnet. Nach wie vor halten wir die Griechenlandhilfe für eine Konkursverschleppung in ganz großem Stil. Der radikale politische Wandel in Athen brachte ebenfalls keine Besserung, vielmehr machte er nur deutlich, dass es keinerlei Rolle spielt, wer an der Macht ist – Geld regiert die Welt.

Schon allein deshalb erwarten wir von ›oben‹ keine Änderung. Um die griechischen Bürger und die Geldgeber zu täuschen, werden Nebelkerzen geworfen. Die Troika wurde in »Die Institutionen« umbenannt und der unbequeme Finanzminister Yanis Varoufakis ausgewechselt. Wahlversprechen wurden nicht gehalten und keine Reformen umgesetzt – nichts Neues im Süden also. Frei nach George Orwells Animal Farm: Es sind lediglich beliebig austauschbare Eliten an der Macht. Mehr denn je stellen sich folgende Fragen: Wie lange nimmt die griechische Bevölkerung die fortschreitende Zerstörung ihres Landes noch hin? Und wann zeigen die Menschen in den Geberländern (somit auch wir) ihren Regierungen wegen der immensen Steuergeldverschwendung endlich die rote Karte?

Doch auch in vielen anderen Euro-Staaten, insbesondere im Süden Europas, sieht es alles andere als rosig aus. Die Verschuldung der EU-Staaten steigt weiterhin kontinuierlich, während sich die Arbeitslosenzahlen in Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland nach wie vor auf einem extrem hohen Niveau und die Industrieproduktion auf einem äußerst niedrigen Level befinden. Nichtsdestotrotz können sich Staaten wie beispielsweise Italien oder Spanien immer günstiger verschulden. Das ist volkswirtschaftlicher Irrsinn! Italien kämpft vermehrt mit seinen maroden Banken, weshalb die immense Summe von 350 Milliarden Euro prophylaktisch in eine Bad Bank ausgelagert wurde.5 Gelöst ist das Problem damit nicht – es wurde lediglich in die Zukunft verlagert und auf die Bürger abgewälzt.

Innerhalb der EU arbeitet man stärker denn je gegen- statt miteinander. Über die Zerfallserscheinungen der EU lässt sich nicht mehr hinwegsehen. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie in ihrer jetzigen Form auseinanderfällt. Die EU ist alles andere als eine Gemeinschaft. Egal ob in Griechenland, Polen, Großbritannien, Portugal, Frankreich – überall wird der Wind rauer. Im September 2015 haben die Separatisten die Regionalwahl in Katalonien gewonnen. Inzwischen fordert die linksradikale CUP zivilen Ungehorsam gegenüber der spanischen Zentralregierung; die Bürger sollen die Gesetze aus Madrid missachten. Sollte der Konflikt eskalieren und Spanien auseinanderbrechen, sieht sich die EU mit weitaus drastischeren Problemen konfrontiert als bisher.

Viele Menschen glauben längst nicht mehr den gebetsmühlenartig vorgebrachten Aussagen der großen politischen Parteien, dass alles besser wird. Im Juni 2016 haben sich die Briten für den Austritt aus der EU entschieden und der sogenannte BREXIT hat die Bürokraten in Brüssel eiskalt erwischt. Populisten und Extremisten jeglicher Couleur sind weiterhin überall in Europa auf dem Vormarsch. Wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation in vielenLändern Europas nicht zum Positiven wendet – wovon wir nicht ausgehen –, dürfte die EU eher früher als später implodieren. Sollte die Politik nicht um gehend damit beginnen, die Probleme der Menschen und nicht nur die der Banken zu lösen, ist die Gefahr groß, dass eher früher als später politische Parteien in Europa an die Macht kommen, die sich kein aufrechter Demokrat wünscht.

Leider hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die Chancen schlecht stehen, dass Politiker solch gefährlichen Entwicklungen aktiv entgegensteuern. Im Gegenteil: Durch falsche, nervöse Entscheidungen befeuern sie diese oft noch. Mittlerweile beginnt auch Frankreich, die europäische Wirtschaftsmacht Nummer zwei und eine der Säulen Europas, immer mehr zu wanken. 2017 wird dort ein spannendes Jahr, da der Präsident gewählt wird. Sollte Marine Le Pen vom Front National die Wahl gewinnen, dann wird in Europa nichts mehr so sein, wie es war. Summa summarum – es steht nicht gut um Europa.

Asien: Der Wirtschaftsmotor stottert

Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft des Globus und das Land mit der ältesten Bevölkerung, kommt nach wie vor nicht aus der Krise. Bis heute hat sich das Land nicht von der geplatzten Immobilienblase in den 1990er-Jahren erholt. Ganz im Gegenteil, das desaströse Notenbankexperiment hat nicht funktioniert. Trotz Unsummen an billigem Geld und Negativzinsen ist es der Notenbank nicht gelungen, den Binnenkonsum anzukurbeln – das Land steckt weiterhin in einer Depression. Mittlerweile muss auch der Letzte erkennen, dass Japan mit normaler Fiskalpolitik nicht mehr auf die Beine kommt. Die Exporte brachen im Januar 2016 so stark ein wie zuletzt 2009. Die Verschuldung des Landes beträgt mittlerweile fast 250 Prozent des BIP.6

Die Wirtschaftslokomotive China stottert Anfang 2016 ebenfalls besorgniserregend. Ausgerechnet in jenem Land, das uns aus der Krise herausgezogen hat, sind die Börsenkurse drastisch eingebrochen, und die Wirtschaft schaltet zwei Gänge runter. Teilweise haben sich die Werte der Aktien halbiert. An einigen Tagen musste sogar der Handel wegen drastischer Kursverluste ausgesetzt werden. Für die Anleger bedeutete dies, dass sie weder kaufen noch verkaufen konnten. So viel zum Thema freie Märkte. Obendrein haben sich die chinesischen Banken bei der Kreditvergabe offensichtlich maßlos übernommen. Einige werden die kommenden Verluste nicht überleben. Infolgedessen wird die chinesische Regierung noch drastischer in die Märkte eingreifen müssen, was den Druck auf die chinesische Währung weiter erhöhen wird. Bereits heute wetten große Spekulanten wie George Soros gegen Chinas Währung.7 China hat von 2011 bis 2013 mehr Zement verbraucht als die USA im gesamten 20. Jahrhundert. Dies erklärt auch die immense Immobilienblase in China. Ein zweites Mal wird China die Welt nicht retten. Dafür haben sie selbst zu viele eigene hausgemachte Probleme.

Sowohl der neoliberale Kapitalismus des Westens als auch der chinesische Staatskapitalismus sind antidemokratisch und destruktiv. Beide Systeme kreieren eine Blase nach der anderen! Weltweit haben sich die volkswirtschaftlichen Eckdaten eingetrübt. Eine Rezession kündigt sich an – und die Staaten der Welt bereiten sich auch schon darauf vor …

Finanzielle Repression: Enteignung und Entmündigung

Um die nächsten Krisen aufzufangen, wird die finanzielle Repression gegen die Bürger weltweit ausgeweitet und in Zukunft noch mehr finanzielle Restriktionen fordern. Die Marschrichtung in den letzten Jahren spricht Bände, wohin es geht. Die Zinsen sind bei Null und weit unter der Inflationsrate – so wird der Sparer enteignet. Norwegen, die Schweiz, Dänemark und Japan haben bereits einen Gang höher geschaltet und Negativzinsen installiert. Die Schlinge um Deutschland wird immer enger. Momentan treffen Negativzinsen nur Großkunden, aber irgendwann wird es uns alle treffen. Die solide wirtschaftenden Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Bausparkassen haben aufgrund der Niedrigzinsphase immer größere Probleme. Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden eine lang anhaltende Niedrig- und Nullzinsphase kaum überleben – von den Bausparkassen ganz zu schweigen. Es ist damit zu rechnen, dass die Kosten immer weiter auf die Kunden abgewälzt werden und sich die Kontogebühren erheblich erhöhen.

Unser Schweizer Nachbar hat gezeigt, dass Negativzinsen kein Ding der Unmöglichkeit mehr sind. Aufgrund der Minusverzinsung von Kapital überlegen sich manche Pensionskassen bereits, einen Teil des Rentengeldes nicht auf einem Bankkonto zu belassen, sondern in einem externen Tresor zu lagern. Eine Pensionskasse hat ausgerechnet, dass sie so knapp 25 000 Franken Rentengeld pro 10 Millionen Franken sparen würde. Trotz Kosten für Tresormiete, Geldtransport und weiteren Ausgaben. So einfach ist das aber nicht. Denn die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat bestätigt, dass sie Bargeldhortung zur Umgehung von Negativzinsen nicht gerne sieht. »Die Nationalbank hat deshalb Banken auch schon empfohlen, mit Bargeldnachfragen (…) restriktiv umzugehen.«8 Dieses Beispiel sollte uns nicht nur warnen, es macht überaus deutlich, woher der Wind weht und wohin die Reise gehen soll.

Des einen Leid ist jedoch des anderen Freud. Mittlerweile trägt die Niedrigzinsphase sonderbare Früchte. Während es in Deutschland bereits Null-Prozent-Kredite9 gibt, sind unsere Nachbarn im Norden bereits ein Stück weiter. In Dänemark zahlt eine Bank einer Kundin sogar Geld dafür, dass sie einen Kredit aufnimmt. Die Bank Realkredit Danmark gewährte ihr für einen dreijährigen Kredit Zinsen; fürs Schuldenmachen wurden 0,0172 Prozent gutgeschrieben. Das entspricht etwa einem Euro pro Monat. Hintergrund dieser irrsinnigen Entwicklung ist, dass die Dänische Nationalbank offensichtlich versucht, die Wirtschaft aggressiv anzukurbeln. Nach den Negativzinsen für Spareinlagen, die bei unserem nördlichen Nachbarn nicht selten sind, gibt es jetzt dort sogar Geld für das Schuldenmachen. Spätestens hier sollten wir uns alle an den Kopf fassen.

Laut Bloomberg sind die Immobilienpreise in Dänemark seit 2012 um 40 bis 60 Prozent gestiegen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Immobilienblase platzen wird. Auch bei uns schießen die Immobilienpreise aufgrund der niedrigen Zinsen in immer neue Höhen. So mancher lässt sich von den niedrigen Zinsen anlocken und kauft eine Immobilie, die er sich im Grunde genommen überhaupt nicht leisten kann. So wird die Immobilienblase immer weiter aufgepumpt. Einige werden sich dabei in Zukunft eine blutige Nase holen.

Derzeit wird das Geschrei nach der Abschaffung von Bargeld immer lauter. Erst hieß es noch, die Sparer mit Negativzinsen zum Geldausgeben zu animieren, wozu Bargeld abgeschafft oder zumindest drastisch eingedämmt werden müsse. Egal, ob der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der Havard-Ökonom Kenneth Rogoff, der ehemalige Chef der Weltbank Larry Summers oder Andrew Haldane, Chefökonom der Bank of England – unisono erklären alle plötzlich, dass Kriminalität und Terrorismus durch eine Abschaffung des Bargeldes bekämpft werden könnten. In das gleiche Horn bläst inzwischen auch die Politik, denn sie weiß, dass Menschen in Angst immer die Sicherheit der Freiheit vorziehen. Doch in Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes. Sie wollen uns die Freiheit nehmen und uns gnadenlos in die Abhängigkeit von Banken treiben. Larry Summers und Kenneth Rogoff argumentieren unverhohlen, dass es darum gehe, auch private Ersparnisse mit Negativzinsen für Regierungen ›nutzbar‹ zu machen.10 Deshalb sollte uns allen klar sein, dass uns die Niedrigzinsphase erhalten bleibt. Es ist absehbar, dass die Zinsen sogar noch weiter sinken und die Enteignung durch die Notenbanken weiter fortschreiten wird, um die Kosten der Krisen auf uns alle abzuwälzen und dem System noch ein wenig Leben einzuhauchen …

Damit sich die Bürger dieser Enteignung nicht entziehen können, soll Bargeld in Form von Bargeldzahlungs- und Bargeldabhebungsgrenzen immer weiter eingeschränkt werden. Das alles wird uns in kleinen Dosen verabreicht, damit wir uns langsam an den Schmerz gewöhnen. Der Zugriff auf Geld wird immer weiter erschwert. Ziel ist es, einen Bankensturm zu verhindern und die Sparer für kommende Bankenrettungen in die Pflicht zu nehmen. In Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland gelten bereits Obergrenzen für Bargeldabhebungen, und die Menschen spüren es am eigenen Leib. In Deutschland wird eine Obergrenze in Höhe von 5000 Euro diskutiert. Wir gehen davon aus, dass der Bargeldverkehr in Zukunft massiv beschränkt wird. Auch den 500-Euro-Scheinen ist es ansLeder gegangen. Diese werden sukzessive aus dem Verkehr gezogen, da diese laut EZB-Vizepräsident Constâncio »nicht so dringend« gebraucht werden.

All dies geschieht natürlich nur zu unserer eigenen Sicherheit. Warum die Kriminellen dann aber nicht auf kleinere Euro-Noten ausweichen, kann uns keiner erklären. Lassen Sie sich nicht blenden und hinters Licht führen. Diese Argumentation, dass dadurch Terrorismus, Drogenhandel und Mafia bekämpft werden können, ist lediglich vorgeschoben, um die wahren Beweggründe zu verschleiern. Bargeld ist Freiheit! Die Marschrichtung ist klar: Es geht um Kontrolle, Überwachung und Enteignung. Denn mit der Abschaffung von und der Kontrolle über Bargeld kann man problemlos Negativzinsen einführen, ohne dass sich die Bürger diesen entziehen können. Schweden ist bereits auf dem besten Weg, Bargeld abzuschaffen.11 Wenn das Bargeld begrenzt oder sogar verboten ist und die Negativzinsen in unvorstellbare Höhen steigen, die Banken die Gebühren drastisch erhöhen, dann werden auch die Narren, die heute für die Bargeldabschaffung plädieren, erkennen, dass sie ihre Enteignung selbst unterschrieben haben. Doch dann ist es zu spät. Aus den genannten Gründen ist es essenziell, sich aktiv um sein Vermögen zu kümmern. Wir sind große Verfechter von Sachwerten. Nach wie vor gelten unsere Anlageempfehlungen aus unseren vorherigen Büchern, wenn Sie Ihr Vermögen schützen wollen. Nie war es dringlicher!

Krisen sind gewollt!

Die letzten dreißig Jahre waren geprägt von zyklischen Krisen. Börsencrash 1987, Asienkrise, Russlandkrise, Staatsbankrott Argentinien, Dotcom-Blase, Zusammenbruch des Neuen Marktes, Immobilienkrise … Krise bedeutet Krankheit. Wenn also immer wieder Krisen aufbrechen, ist dies ein Zeichen, dass unser System offensichtlich schwer krank ist. Dass die Krisen immer umfassender und heftiger werden, sollte uns warnen und die Alarmstufe Rot auslösen. Der Zustand des Krisenpatienten wird immer bedrohlicher und eine Rettung immer unwahrscheinlicher.

Allen großen Krisen folgte ein Paradigmenwechsel. Vom Liberalismus zu Keynes und von Keynes zum Neoliberalismus. Immer? Nein, 2008 war alles anders. Nach dem Finanzcrash wurde Grundlegendes nicht neu überdacht, infrage gestellt, geschweige denn geändert. Obwohl der Neoliberalismus total versagt hat, bleibt man dem gescheiterten Kamikazekurs treu. Warum ist das so? Wir konnten es nicht fassen, bis wir das Puzzle selbst zusammengesetzt hatten. Ein Wandel ist überhaupt nicht gewollt. Noch schlimmer: Krisen sind gewollt und erwünscht.

Betrachten wir die Entwicklung seit 2008 etwas genauer. Der Kapitalismus wurde längst durch Planwirtschaft, insbesondere die der Notenbanken, ersetzt. Notenbanken werden von Menschen geleitet, die keiner von uns je gewählt hat. Sie kaufen Staatsanleihen und sogar Aktien in großem Stil – und beeinflussen so Politik und Wirtschaft. Profiteure der Krisen sind große Finanzinstitute, Hedge Fonds, der IWF und vor allem unsere globale Geldelite. Niemals zuvor ist das Vermögen der Superreichen schneller und stärker gewachsen, nie konnten Staaten sich günstiger ver- und auf Kosten der Bürger entschulden. Die Bürger wurden und werden durch Niedrigzinsen beziehungsweise Negativzinsen enteignet. Banken wurden mit Steuergeldern gerettet und Gesetze im Schnelldurchgang verabschiedet, die unter normalen Umständen nicht hätten realisiert werden können. Neben unserem Wohlstand und unseren Vermögen ist eines der Hauptopfer der Krisen unsere Demokratie und damit unsere Freiheit! Die Politik hebelt die Demokratie Schritt für Schritt aus, und niemand empört sich. Keiner erhebt sich, um unsere hart erkämpften demokratischen Werte und unsere Freiheit zu verteidigen.

Wenn sich Politik und Gesellschaft nicht endlich aus dem Würgegriff der Finanzmärkte befreien, dann werden Marktwirtschaft und Kapitalismus – stets gut gemeinte, von vielen Denkern gut gedachte und im Alltag auch nicht immer nur schlecht umgesetzte soziale ›Erfindungen‹ – endgültig von Förderern zu Totengräbern unseres Wohlstands.

Warum Finanzkapitalismus einfach nur schlechter Kapitalismus ist

Haltlose und zum Teil auch kriminelle Spekulation hat nicht erst seit 2008, sondern über mehrere Dekaden ein nachhaltiges Wirtschaften im Interesse der Menschen verdrängt. Es war eine schleichende, politisch grundsätzlich gewollte Entwicklung, die leider im Einzelnen nicht von allen Akteuren übersehen wurde. Insbesondere die Politik hat sich viel zu lange den Begehrlichkeiten ›der Märkte‹ gebeugt. So konnten sich Banken, Fondsgesellschaften und Börsen von Dienern zu Herren der Ökonomie aufschwingen. Anders gesagt: Das Finanzkapital sticht seit Langem das Produktivkapital – und damit die gesamte reale Wirtschaft der Güter und Dienstleistungen. Unternehmen und Arbeitnehmer, ja ganze Staaten werden von ›Analysten‹ am Nasenring willkürlich gewählter Kennziffern für Profitabilität oder ›finanzielle Solidität‹ durch die Arena der Weltwirtschaft gezogen. Das rein politisch motivierte Experiment einer einheitlichen Währung für (derzeit 19) vollkommen verschieden strukturierte Volkswirtschaften hat die globale Krise dieses Finanzkapitalismus in Europa zusätzlich verschärft.

Am Anfang der Entwicklung, für die in der Politik konservative Ikonen wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher standen, regierte noch das Pathos der Freiheit. Staat, Regierungen und mächtige Interessengruppen sollten Wirtschaftsbürgern und Unternehmen nicht länger vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Freiheit bedeutete vor allem Freihandel. Steuern galten wieder als Raub am hart arbeitenden Individuum. Der Staat als Wirtschaftssubjekt: teuer, langsam, ineffizient und bürokratisch – ein ewiger Bremser auf der Straße des Fortschritts. »There is no such thing as society«, liebte die Eiserne Lady zu verkünden. Wenn man ihn nur ließe, dann würde ›der Markt‹ schon alles richten. Nicht nur die Verteilung von Brötchen oder Autos, auch das Eisenbahn- und das Gesundheitswesen oder die Altersvorsorge. Und der riesige Reichtum der Wenigen? Nun, der würde früher oder später auch zu den Massen ›durchsickern‹. Ja, es gab wirklich mal eine nennenswerte Zahl von Menschen, die das geglaubt. haben. Und auch dass Gier gut sei, meinte nicht nur Gordon Gekko völlig ernst.

Die Privatisierung der britischen Bahn entpuppte sich freilich noch in Thatchers Amtszeit als einer der katastrophalsten Flops der neueren Wirtschaftsgeschichte. Und selbst das in Sachen Sozialstaat notorisch abstinente Amerika hat heute eine allgemeine Krankenversicherung. In der historischen Rückschau auf die Epoche des ›Neoliberalismus‹ kann man jedoch erkennen, dass es deren Verfechter gar nicht so sehr auf die Deregulierung der Waren- und Dienstleistungsmärkte abgesehen hatten; auch nicht auf die Privatisierung möglichst aller wirtschaftlichen Aktivitäten des Staates.

Dereguliert wurden vor allem die Kapitalmärkte. Ironischerweise wurde dieses fatale Projekt eines nahezu unverblümten »Enrichissez-vous« nicht etwa von ›rechts‹, von bekennenden Marktradikalen wie Reagan und Thatcher oder einem konservativen Ordoliberalen wie Kohl, auf die Spitze getrieben, sondern von ›links‹ – vom Demokraten Bill Clinton und von Sozialdemokraten wie Tony Blair und Gerhard Schröder. Die frühen Heroen des ›freien Marktes‹ waren längst in Rente, als New Yorks Wall Street, Londons Canary Wharf oder die Neue Börse im Frankfurter Industriehof, die Herzmuskeln des globalen Finanzkapitalismus, hypertroph zu wachsen begannen – und folglich permanent zur Insuffizienz neigten. Als selbst Pennäler zum Frühstück börse online lasen. Und Derivate mehr Sexappeal hatten als raffinierte Dessous.

Eineinhalb Dekaden später lässt sich klar erkennen, warum die nahezu komplette Deregulierung der Finanz- und Kapitalmärkte ein Irrweg historischen Ausmaßes war. Nicht, weil es ein 82-Millionen-Volk wie die Deutschen nicht ertragen könnte, dass sich die runde Million deutscher Dollarmillionäre keine echten Sorgen machen muss. Selbst den – laut aktueller Forbes-Liste The World’s Billionaires – 1810 Milliardären des Erdballs würde man von Herzen das Beste wünschen. Ließen sie sich doch bequem in manchem Dorf auf der Schwäbischen Alb unterbringen – selbst wenn sie da wohl erst recht Probleme hätten, ihre 6,48 Billionen Dollar Vermögen auf den Kopf zu hauen.12

Das eigentliche Problem ist nicht einmal, dass in den Zockerbuden in Börsen und Bankentürmen neben ausgebufften Finanzprofis zunehmend Blender, Betrüger und kriminelle Spekulanten sitzen. Denn es ist eher eine Deutungsfrage, ob Geld wirklich den Charakter verdirbt. Oder ob es dem Lichte gleicht, das eben auch die Motten anzieht.

Näher kommt man dem eigentlichen Problem schon mit dem Faktum, dass 0,1 Prozent der Weltbevölkerung über 80 Prozent des weltweiten Finanzvermögens besitzen. Dies ist nicht bloß ›ungerecht‹ – was eher ein moralisches (und damit tendenziell unlösbares) Problem wäre. Man muss auch nicht wissen, was genau der »Gini-Koeffizient« ist, um zu erkennen, dass diese schräge Vermögensverteilung vor allem Ursache für eines ist: für eine außerordentlich ineffiziente Allokation von Kapital.

Gewiss, ›die Reichen‹ tun das nicht allein im stillen Kämmerlein, sondern mit Hilfe von Heerscharen von Beratern. Doch wenn weltweit rund neun Millionen Menschen entscheiden, wofür das global verfügbare Kapital investiert wird und wofür nicht, dann hat das nichts mit freien Märkten und mit Wettbewerb zu tun. Im Gegenteil: Finanzkapitalismus ist schlicht und einfach ganz schlechter Kapitalismus! – Warum?

Nun, bekanntlich irrt der Mensch, so lang er strebt. Weshalb es gerade bei der Zuweisung wirtschaftlicher Mittel sinnvoll ist, das Risiko des Irrtums möglichst breit zu streuen. Würden aber etwa die Österreicher im Alleingang entscheiden, in welche Unternehmen sie vier Fünftel des weltweit verfügbaren Vermögens stecken, welchen Staaten sie zu welchen Konditionen Geld leihen wollen und wie sich dadurch die verfügbaren Einkommen auf dem Globus verteilen, dann wäre unsere größte Sorge wohl nicht, dass sich DJ Ötzi & Co. dabei auch privat die Taschen vollstopfen. Unsere größte Sorge müsste sein, dass unsere geschätzten Nachbarn allzu oft aufs falsche Pferd setzen. Seriöser formuliert: Unser heutiger Finanzkapitalismus verteilt das globale Investitionskapital, die Mittel zur Finanzierung aller öffentlichen Güter, sowie die verfügbaren Einkommen auf die denkbar schlechteste Weise.

Denn über neun Zehntel des Geldes auf der Welt kursieren ausschließlich innerhalb des Finanzsektors. Es ist in einem Maße, das selbst Marx sich in seinen kühnsten Albträumen nicht hätte ausmalen können, »Geld heckendes Geld«. Ohne längere Umwege in die Realwirtschaft von Gütern und Dienstleistungen produziert es in der Sphäre reiner Spekulation regelmäßig Klumpenrisiken und Kreditblasen gigantischen Ausmaßes. Gewiss, das macht wenige Reiche auf dem Papier zunächst reicher. Einige geradezu pervers reich. Doch vor allem pervertiert es den gesellschaftlichen Sinn von Reichtum selbst. Alles, wozu Kapitalisten das moderne Kapital einst erfunden hatten.

Kredite? Ohne die hätte kein einziges Pfefferkorn die lange und riskante Reise bis Europa geschafft. Niemand hätte sich eine Stahlfabrik aus dem heimischen Sparstrumpf finanzieren können. Aktiengesellschaften? Sie waren notwendig, um das Kapital für zuvor weder nötige noch mögliche Investitionen in Eisenbahnen oder Stromnetze zusammenzubekommen. Staatsanleihen? Anfangs eine Notlösung von Königen und Kaisern zur Finanzierung ihrer leider wichtigsten gesamtstaatlichen Aufgabe: des Krieges. Erst die moderne Finanzindustrie machte Kredite – nach den Steuern – zur zweitwichtigsten Geldquelle des Staates. Die Staatsanleihe ist nichts anderes als der Schwitzkasten des Kapitals, dem die Politik seit rund vierzig Jahren kaum noch entkommen kann. Warum? Weil auf jeden konservativen Ökonomen, der um zwölf auf die hohe Staatsverschuldung schimpft und um fünf nach zwölf Steuersenkungen fordert, mindestens tausend Banker kommen, die noch dem letzten verzweifelten Finanzminister oder Kämmerer ein Schuldpapier andrehen. Erst die Finanzindustrie kam auch auf die im Grunde abenteuerliche Idee, dass gefälligst jedermann Schulden zum Zwecke des Konsums zu machen habe. Optionsscheine? Derivate aller Art? Man mag es heute kaum noch glauben, aber auch dies waren einst sinnvolle Finanzinstrumente zur Absicherung echter Geschäfte gegen Preis- und Währungsschwankungen. Erst in den späten 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden sie zu den Lieblingsspielzeugen von Finanzmathematikern und Zockern.

Der Kapitalfehler des Kapitalismus besteht unserer – in diesem Buch hoffentlich einigermaßen gut und verständlich begründeten – Meinung darin, dass kaum jemand die langen Wellen und Zyklen dieses Wirtschaftssystems auf dem Sender hat. Dass weder die Mehrheit der Bürger, der Sparer und der normalen Anleger, noch die Mehrheit der Politiker und der Unternehmer wirklich versteht, wann und warum das System in bestimmten Abständen von echten Investitionen und Innovationen auf realwirtschaftlich am Ende zerstörerische Spekulationen umschwenkt. Und warum man die Finanzmärkte gerade dann an die Kandare nehmen muss, wenn die Realwirtschaft nach allgemeiner Einschätzung blüht und gedeiht.

Denn das haben die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre und die Finanzkrisen seit der Jahrtausendwende gemeinsam: Als alle nach Regulierung riefen, war das Kind namens Kapitalismus schon völlig verzogen. Vernünftige Eltern wissen: In der Pubertät bringen Belehrungen und strenge Regelwerke meist nur noch wenig. Nicht anders ist es mit den Grundregeln des ehrbaren Kaufmanns. Man muss sie bereits dann in Gesetze gießen, wenn außer ehrbaren und erfolgreichen Kaufleuten kaum einer auf dem Markt unterwegs ist. Nur so verhindert man nämlich, dass irgendwann auch eine Karriere als Trickbetrüger oder Taschendieb aussichtsreich erscheinen kann.

»Wer anderen etwas vorgedacht

Wird jahrelang erst ausgelacht

Begreift man die Entdeckung endlich

So nennt sie jeder selbstverständlich«

Wilhelm Busch

Intermezzo: Eurovision Crisis Contest Island 10 Punkte – Griechenland 0 Punkte

Wir befinden uns im Jahre 2008 n. Chr. Ganz Europa und der Rest der Welt steht im Bann der Finanzkrise und ist von Bankern besetzt. Alle haben den Widerstand aufgegeben. Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Menschen bevölkertes Inselchen im Atlantik hört nicht auf, dem Finanzsektor die Stirn zu bieten. Was hier wie ein Märchen anmutet, ist keines …

Lassen Sie uns eine Reise quer durch Europa unternehmen, und zwar in das nördliche Island, das Land der Extreme mit Vulkanen, Gletschern, Geysiren und Lava. Zugleich reisen wir an die Grenze Europas im Südosten des Kontinents zum Sorgenkind Griechenland. Wie Sie sehen werden, handelt es sich um eine abenteuerliche Reise in die Extreme, sowohl geografisch, wirtschaftlich als auch politisch.

Island hatte gesunde Staatsfinanzen und eine gute Wirtschaftsstruktur, bestehend aus Landwirtschaft, Fischerei, Dienstleistungen und zunehmend auch Tourismus, bis es durch einen aufgeblähten Finanzsektor in die Krise manövriert wurde. Denn Island hatte ebenfalls den Neoliberalismus gehuldigt, Privatisierungen und Deregulierungen stark vorangetrieben und seine Banken dadurch massiv wachsen lassen. Kurzfristig funktionierte das Programm ganz gut. Man war Mitte der 2000er-Jahre sogar an der Spitze Europas. All das war aber nur eine auf Kredit finanzierte Fata Morgana. Sie endete bitter mit dem Platzen der entstandenen Blase an den Aktien- und Immobilienmärkten sowie dem beinahe Kollaps der Banken, der Währung und des ganzen Landes. Griechenland lebte aufgrund des Euros zu lange über seine Verhältnisse; es wurde durch einen korrupten Staat, ein nicht haltbares Rentensystem und die Banken in die Knie gezwungen. Im Zuge der Finanzkrise stand beiden Ländern das Wasser bis zum Hals. Die Strategien, die Krise zu bewältigen, unterscheiden sich diametral. Auch die Ergebnisse könnten nicht unterschiedlicher sein.

Island traf die internationale Bankenkrise als eines der ersten Länder. Inzwischen geht es dort wieder aufwärts, wohingegen in Griechenland alles immer schlimmer wird. Woran liegt das? Ganz einfach, weil Island – die zweitgrößte Insel Europas – alles anders als Griechenland gemacht hat.

Islands Wirtschaft: Von Zockern schockgefroren

Von hohen Zinsen angelockt, pumpten internationale Banken, Fonds, aber auch Kleinanleger über Jahre hinweg Milliarden in das zumeist deregulierte Bankensystem Islands. Zu Hochzeiten hatten die drei größten Banken des Landes – Glitnir, Landsbanki und Kaupthing – eine Bilanzsumme, die sage und schreibe dem Zehnfachen der Wirtschaftskraft des Landes entsprach.12003 wurden die isländischen Banken privatisiert; fünf Jahre später hatten sie sich bereits in den Ruin gezockt. Langfristig vergebene Kredite wurden kurzfristig refinanziert, ebenso wie es die Hypo Real Estate auch gemacht hat, die ein Milliardenfiasko für die deutschen Steuerzahler gewesen ist. In Island ging das eine Weile gut, und einige wenige profitierten vom Vermögenstransfer. Millionäre wurden Milliardäre, kauften Fußballvereine oder ließen Elton John und den Rapper 50 Cent zu Privatauftritten einfliegen.2 Die ausschweifende Party ging 2007 mit einem Riesenknall zu Ende, und das Geschrei war groß.

Während einerseits die Landeswährung 70 Prozent ihres Wertes verlor, schoss andererseits die Arbeitslosigkeit von 1 Prozent auf 9 Prozent nach oben. Parallel brach der Aktienmarkt um 75 Prozent ein und die Reallöhne gingen um satte 10 Prozent zurück. Das Budgetdefizit des Landes mit 330 000 Einwohnern stieg auf 13,5 Prozent und die Staatsverschuldung auf 130 Prozent des BIP.3 Skandinavische Staaten und der IWF halfen mit einem Notkredit in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar, was 20 Prozent des BIPS entsprach. Das Programm lief im Sommer 2011 aus und wurde als Erfolg gewertet. Bei Krisenbeginn 2007 war Griechenland in Finanzkreisen noch kein Thema. Die Situation dort eskalierte 2010. Trotz dreier Hilfspakete im Volumen von knapp 365 Milliarden (geflossen sind bisher über 240 Milliarden Euro) hat das Land bis heute keine wesentlichen Fortschritte gemacht.4

Griechenlands Wirtschaft: Nicht wettbewerbsfähig. Den Rest haben Griechenlands Eliten ruiniert

Um die wirtschaftlichen Probleme Griechenlands besser zu verstehen, sollte man sich etwas eingehender mit der dortigen Wirtschaft beziehungsweise mit dem beschäftigen, was davon noch übrig geblieben ist.

Auch wenn Griechenland meint, dass Feta, der seit Jahrtausenden aus Schafs- und Ziegenmilch hergestellt wird, ein wichtiger Teil seines kulturellen Erbes ist – lässt sich damit keine Wirtschaftskrise lösen. Würden wir uns dennoch entscheiden, Griechenland durch massenhaften Verzehr von Schafskäse retten zu wollen, dann sollten wir allerdings wissen, woher der Käse überhaupt kommt. Etwa ist der in Deutschland weit verbreitete Schafskäse der Marke »Salakis« in Wirklichkeit kein griechischer Käse. Dieser Feta gehört zu dem weltumspannenden französischen Konzern Lactalis mit global rund 60 000 Mitarbeitern. »Patros« – mit dem schönen Slogan »Genuss auf mediterrane Art« – kommt von der bayerischen Firma Hochland, die ebenfalls mit Griechenland nicht viel am Hut hat. Somit fällt der Fetakäse, um der griechischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen, schon einmal flach. Der berühmte »griechische« Weinbrand Metaxa auch, denn der gehört zum französischen Likörhersteller Rémy Cointreau. Immerhin würden wir durch dessen Genuss unseren französischen Freunden unter die Arme greifen, die ebenfalls Unterstützung benötigen. Und wie sieht es mit dem weltweit beliebten griechischen Olivenöl aus? Nicht viel besser. Im globalen Vergleich ist Griechenland nämlich lediglich ein Fliegengewicht. Allein Spanien produziert dreizehn Mal so viel Olivenöl wie Griechenland.5 Auch einstmals gefragte Produkte wie Tabak, Baumwolle, Zuckerrüben und die Bekleidung, die heute in Niedriglohnländern hergestellt werden, spielen kaum noch eine Rolle.

Tourismus wird Griechenland nicht retten

Fast jeder fünfte Grieche ist in der Tourismusbranche beschäftigt. Mit einem Beschäftigungsverhältnis von 18,2 Prozent ist der Tourismus damit eine der wichtigsten Einnahmequellen Griechenlands. Allein im Jahr 2015 waren 26 Millionen Gäste gekommen, die meisten aus Deutschland. Die Einnahmen stiegen auf 14,5 Milliarden Euro.6 Das sind 7 Prozent des BIP. In Deutschland trägt der Tourismus lediglich 4,7 Prozent zum BIP bei. 7 Prozent klingt auf den ersten Blick erst einmal gut. Wenn 14,5 Milliarden Euro aber 7 Prozent des BIP entsprechen, dann hört sich das schon nicht mehr so vielversprechend an. Im Vergleich dazu summieren sich die 4,7 Prozent Deutschlands auf ordentliche 97 Milliarden Euro. Der Glaube einiger Träumer aus Politik und Wirtschaft, dass der Tourismus Griechenland aus der Misere ziehen könnte, ist falsch. Auch wenn der Tourismus im Wandel ist – weg von der 1-3-Sterne-Kategorie hin zur 5-Sterne-Luxushotellerie – wird sich die Situation nicht ändern. Dazu ist auch die Neigung immer noch zu groß, den Fiskus zu hintergehen, indem man beispielsweise in Restaurants keine Quittungen ausstellt. Außer Managern, Hotelfachkräften oder Spitzenköchen werden vorrangig billige und oftmals auch ungelernte Servicekräfte beschäftigt. Zudem ist der Tourismus ein saisonales Geschäft; auf den griechischen Inseln etwa machen die meisten Hotels zwischen November und März dicht. Auch die heimische Landwirtschaft wird schwerlich vom Tourismus profitieren. Um die luxuriösen Bedürfnisse der ausländischen Gäste zu befriedigen, sind die Griechen auf Importe angewiesen.

Neben dem Tourismus gilt der Export als Hoffnungsträger für das Wachstum, obwohl er 2014 lediglich 6,6 Prozent zum BIP beitrug. Exportiert werden vor allem Agrar-, Öl-, Raffinerie- und Chemieprodukte.7 Exportfähige Industrie existiert darüber hinaus kaum.8 Die Wirtschaft ist durch kleine und mittelständische Betriebe geprägt. Es gibt nur wenige Großunternehmen im Land. Spitzenreiter ist der Limonadenhersteller Coca-Cola, gefolgt von Hellenic Telecommunications. Auf Platz drei rangiert ein Sportwetten- und Lotterieunternehmen, gefolgt von der National Bank of Greece und von Hellenic Petroleum. Auf Platz sechs befindet sich mit Titan Cement einer der größten Zuschlagstoff- und Zementhersteller weltweit. Den siebten Rang belegt die Firma Duty Free Shops.9 Abgesehen von Hellenic Petroleum und Titan Cement tragen die anderen nicht allzu viel zum Export bei.

Unter der Knute der Troika kommt Griechenland nicht aus der Krise. Alleine 2015 haben über 10 000 Unternehmen ihre Tore endgültig geschlossen, und im Schnitt haben täglich 600 Menschen ihre Arbeit verloren!10 Immer noch dümpelt der saisonbereinigte Industrieoutput auf einem Niveau wie noch im Jahr 1978. Damals allerdings betrugen die griechischen Staatsschulden vergleichsweise geringe 7,3 Milliarden Euro beziehungsweise 22,1 Prozent des nominalen BIPs! Zum Jahreswechsel 2016 waren es über 175 Prozent des nominalen BIPs beziehungsweise 317,1 Milliarden Euro! Die Nettoauslandsschulden bezifferten sich im 2. Quartal 2015 auf beachtliche 225,6 Milliarden Euro!11Mit einem industriellen Output auf dem Stand von 1978 die Schuldenberge von 2016 bekämpfen zu wollen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Selbst wenn viele Politiker in der EU meinen, Griechenland sei mit dem dritten Rettungspaket zu retten. In Wirklichkeit wird das Land wirtschaftlich und sozial zerstört!12 1978, zu der Zeit als die Währung noch Drachme hieß, waren die meisten Griechen in der Landwirtschaft tätig und die Arbeitslosenzahlen niedriger als heute. Ein Skandal: Niemals ging es den Griechen, aber auch den Spaniern, Italienern und Portugiesen schlechter als mit dem Euro.

Warum Island alles richtig gemacht hat und Griechenland alles falsch. Eine Anleitung für die Zukunft

Warum hat Island keine weiteren Hilfspakete benötigt? Was hat der kleine Staat besser und anders gemacht als Griechenland? Könnten wir hier eine Anleitung für die Zukunft finden, wie man Krisen angehen sollte, und wie nicht? Interessanterweise war der zuständige IWF-Mann für beide Länder derselbe Mann – der Däne Poul Mathias Thomsen.13 Wie kann dann das Ergebnis dermaßen auseinander laufen?

Es ist kein Geheimnis, dass das griechische Statistikamt ESYE mit Unterstützung der US-Investmentbank Goldman Sachs seine Statistiken ›aufhübschte‹. Diesbezüglich nahm der IWF kein Blatt vor den Mund, er nannte die ESYE eine »Fälscherwerkstatt«.14 Im Zuge des Skandals wurde eine neue, unabhängige Statistikbehörde installiert, die ELSTAT. Ihr Chef Andreas Georgiou verfolgte das Ziel, die Glaubwürdigkeit in die Institution wiederherzustellen, und ließ die Statistiken nach internationalen Standards erstellen. Was selbstverständlich klingt, war aber gar nicht so einfach, da er auf erheblichen Gegenwind innerhalb der eigenen Behörde und aus der Politik stieß. Das Ganze mündete sogar darin, dass die Staatsanwaltschaft gegen Andreas Georgiou und zwei weitere verantwortliche ELSTAT-Mitarbeiter ermittelte. Die Anklagen wurden zwar größtenteils fallengelassen, aber die Anschuldigungen blieben im Raum. Zermürbt gab Andreas Georgiou im August 2015 den Kampf auf und trat zurück.15 Wieder einmal hatte das alte, korrupte System die Oberhand behalten.

In Island dagegen machte man reinen Tisch. Reformer wurden weder drangsaliert oder schikaniert, noch wurden ihnen Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil. Das Parlament richtete eigens einen unabhängigen Untersuchungsausschuss ein, um die Gründe für die Bankenkrise zu analysieren und jene zu belangen, die die Krise zu verantworten hatten. Um die Bürger schneller entschulden zu können, wurde das Insolvenzrecht auf zwei Jahre verkürzt und Hypotheken wurden abgeschrieben. Nicht zuletzt wurde sehr erfolgreich mit dem IWF kooperiert. Alle Faktoren führten schließlich dazu, dass Island bereits drei Jahre später wieder auf eigenen Beinen stand. Gründe für das schnelle Gesunden Islands: Im Unterschied zu Griechenland musste sich das Land nicht den Befehlen der Troika unterwerfen. Es hat weder die Schicksalswährung Euro, noch ist es Mitglied in der EU.

Im Frühjahr 2015 zog Island sogar seine Kandidatur für eine EU-Mitgliedschaft zurück, die noch unter dem Eindruck der Finanzkrise von der damaligen rot-grünen Regierung beschlossen worden war.16

Islands Lösung: »Let Banks go bankrupt!«

Lasst Banken Pleite gehen! Das sagen nicht nur wir, sondern auch der isländische Präsident Ólafur Ragnar Grímsson, der das Amt seit 1996 bekleidet, und die Isländer gaben ihm Recht. Sie wollten nicht für die skrupellosen Machenschaften einiger Weniger geradestehen und demonstrierten so lange gegen die herrschende liberal-konservative Regierung und deren Verflechtung mit den Finanzbaronen, bis das Land am Rande einer Revolution stand. Unter dem massiven Druck trat die Regierung im Januar 2009 zurück, um die Macht einer rotgrünen Minderheitsregierung zu übergeben, die durch eine reguläre Wahl schließlich bestätigt wurde. Island rettete statt seiner Banken und Politiker seine Bürger und die Demokratie.

Statt sich kaputtzusparen, wurde investiert, um den Binnenkonsum anzuregen. Wichtige Staatsausgaben und Sozialleistungen wurden nicht gekürzt, sondern gestärkt. Drohender Arbeitslosigkeit wurden gezielte Förderungsmaßnahmen und Sozialprogramme entgegengesetzt. Island baute nicht Demokratie ab, sondern die Beteiligung der Bürger aus. Allein drei Volksabstimmungen entschieden über die Frage, ob ausländische Gläubiger auf Kosten der Steuerzahler ausbezahlt werden sollten, oder nicht. Wohlhabende wurden besteuert, hohe Pensionen und Renten der Oberschicht gekürzt und im Gegenzug die Mindestrenten für die ärmere Bevölkerung erhöht. Hier wurde exakt das Gegenteil dessen gemacht, was von Ländern wie Griechenland, Portugal oder Spanien bis heute verlangt wird. Der Erfolg gibt Island recht!

Die Isländer haben ihren Banken und den Bankern die rote Karte gezeigt. Sie werden es kaum glauben – sie wagten sogar etwas schier Unglaubliches: Quasi unantastbare, marode Banken ließ Island einfach pleitegehen. Ja, Sie lesen richtig. Und trotz aller Drohungen und Befürchtungen ist Island nicht im Meer versunken. Die Menschen leben immer noch, und es existieren dort weiterhin Supermärkte, Geld, Arbeit und – auch Banken. Eine weitsichtige, dem Land und den Menschen verpflichtete Politik spannte einen Rettungsschirm über den Bürgern auf. Die isländischen Banken wurden der Finanzmarktaufsicht unterstellt und kontrolliert abgewickelt. Banken und Hedgefonds mussten ihre Forderungen gegen das isländische Bankensystem ausnahmslos abschreiben und im Gegensatz zur EU und den USA lernen sie nun wieder, wie richtiger Kapitalismus funktioniert. Nämlich, dass man für die Konsequenzen seines Handelns haften muss und auch mächtig auf die Nase fallen kann, wenn man überschuldeten Banken Geld leiht. Stringente Kapitalverkehrskontrollen sorgten in Island dafür, eine Kapitalflucht zu vermeiden. Von »golden handshakes« in Millionenhöhe für leitende Bankmanager, Aufsichtsräte, Vorstände oder windige Investoren war keine Rede mehr. Es kam sogar zu Haftbefehlen; 26 Banker wurden zu insgesamt 74 Jahren Gefängnis verurteilt.17

Streng wurden diejenigen verfolgt, die die Finanzkrise verschuldet hatten. Was führt die Regierungen in Europa und den USA dazu, genau das Gegenteil zu tun und Hunderte Milliarden Steuergelder in ein verbrecherisches Bankensystem zu schütten? Noch wurde in Deutschland kein Politiker vor den Kadi gezogen, der durch Deregulierung dem Wahnsinn freien Lauf ließ. Viele dieser Übeltäter leben unbehelligt weiter und amüsieren sich immer noch darüber, dass der Steuerzahler ihnen den Allerwertesten gerettet hat.

Island hat keine sogenannte »Bad Bank«, wie beispielsweise die FSM Wertmanagement, die in Deutschland für die Hypo Real Estate gegründet wurde, um den Finanzschrott zu verschieben, für den der deutsche Steuerzahler noch immer haftet. Stattdessen richtete Island »Good Banks« ausschließlich für das solide Inlandsgeschäft ein. Die neuen Banken wurden verstaatlicht und übernahmen ohne großartige Zwischenfälle das eigentliche Kerngeschäft. Die oftmals fragwürdigen Finanzprodukte sowie das Auslandsgeschäft – inklusive der horrenden Schulden – blieben bei den alten Banken. Diese ließ die Regierung richtigerweise wenig später kollabieren. Nur so konnten Islands Steuerzahler mit einem blauen Auge davonkommen. Blechen mussten die kreditgebenden internationalen Banken, Aktionäre und diejenigen Kleinsparer, die sich in ihrer maßlosen Gier nach Rendite von realitätsfernen Zinsen haben blenden lassen. Unser Mitleid hält sich hier in Grenzen. Denn es gehören immer zwei dazu. Manche erinnern sich gewiss noch daran, dass rund 50 000 deutsche Sparer bei der isländischen Kaupthing Bank ihr Geld angelegt hatten. Als die ausländischen Vertretungen geschlossen wurden und keiner mehr an sein Geld kam, war das Gejammer groß. Das ist natürlich bitter, aber keiner ist gezwungen zu spekulieren. Entschuldigung, aber so funktioniert der richtige Kapitalismus nun einmal – hohe Rendite ist verbunden mit hohem Risiko. Tröstlich war zumindest, dass die deutschen Anleger fairerweise einen Großteil ihrer Einlagen (ohne die versprochenen Zinsen) zurückbekamen, da die Kundeneinlagen bei der Liquidation der Bank vorrangig behandelt wurden. Bei den britischen und den niederländischen Kunden von Icesave (die Onlinetochter der isländischen Bank Landsbankis) sah die Sache allerdings völlig anders aus …

Gelernt haben bis heute viele Sparer nichts. In der Hoffnung auf ein paar Prozent mehr Rendite, verteilen sie ihr Geld weiterhin auf der ganzen Welt. Wer der Einlagensicherung Vertrauen schenkt, wovon wir unbedingt abraten, wird auf der Webseite von »saving global« fündig, wo Finanzinstitute in so sicheren Ländern wie Bulgarien, Kroatien, Tschechien oder Polen ein paar Prozentpünktchen mehr anbieten. Immer gilt: Hohe Rendite bedeutet hohes Risiko. Mittlerweile sollte es nun wirklich jedem bekannt sein: Zu verschenken gibt es nichts – und schon gar nicht in der Finanzbranche.

In Island wurde ein Gesetz verabschiedet, das auch rückwirkend die Vergabe von Fremdwährungskrediten für gesetzwidrig erklärte. Hätte die Regierung das nicht gemacht, wäre die Bevölkerung hoffnungslos überschuldet gewesen. Aufgrund der Abwertung der isländischen Krone um rund 70 Prozent hätte sich jeder Kredit, der in fremden Währungen ausstand, faktisch in seinem Wert verdoppelt. Außerdem wurden ausnahmslos alle ausstehenden Hypothekendarlehen des Privatsektors auf 110 Prozent des Werts der besicherten Immobilie gekappt. Dadurch wurden zahllose Privatinsolvenzen und Zwangsversteigerungen vermieden und der Immobilienmarkt stabilisiert. Statt die Menschen mittels Zwangsräumungen mit Polizeigewalt aus ihren Häusern zu jagen und den Banken die Immobilien zu überantworten, entschied sich Island für einen anderen Weg: Nämlich die Menschen zu retten, und nicht die Banken, wie es im Rest der Welt Usus ist!

Island schnürte ein Hilfspaket für die Bürger, denen es aufgrund der Krise nicht möglich gewesen ist, alte Kredite zu bedienen. Das Land übernahm die fälligen Kredite bis zu 80 Prozent. Das Rettungspaket war nichts anderes als ein Teilschuldenerlass. Ein Viertel der isländischen Bevölkerung profitierte davon. Möglich ist das freilich nur, wenn die Banken in Staatsbesitz sind. Island hat eine Menge richtig gemacht. Nicht nur wir sehen das so, sondern auch der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman.18

In der Eurozone wird Griechenland niemals gesunden