Sonst knallt´s! - Matthias Weik - E-Book

Sonst knallt´s! E-Book

Matthias Weik

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Beschreibung

Unsere Wirtschaftsordnung, aber auch unsere politische Landschaft sind völlig aus dem Lot geraten. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, nur noch für den Staat zu schuften und fühlen sich benachteiligt. Die Steuern sprudeln, aber die Infrastruktur verfällt. Unser Bildungssystem: eine chaotische Dauerbaustelle. Eine winzige globale Finanzelite produziert derweil gigantische Blasen illusionären Reichtums. Die Bestsellerautoren erklären, warum wir künftig nicht Leistung, sondern den Konsum besteuern müssen. Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen, Gemeingüter und eine strikte Finanzregulierung sozial gerecht und ökonomisch vernünftig sind. Handeln wir jetzt, bevor es zu spät ist!

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorenTitelImpressumZitatKontaktadressenZukunft 4.0: Teilzeitarbeit – VollzeitrisikoAlle Steuern abschaffen – bis auf eineEin Freibetrag für alleKohlehandel an die Kette!Wir leben längst im Paradies

Über dieses Buch

Unsere Wirtschaftsordnung, aber auch unsere politische Landschaft sind völlig aus dem Lot geraten. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, nur noch für den Staat zu schuften und fühlen sich benachteiligt. Die Steuern sprudeln, aber die Infrastruktur verfällt. Unser Bildungssystem: eine chaotische Dauerbaustelle. Eine winzige globale Finanzelite produziert derweil gigantische Blasen illusionären Reichtums. Die Bestsellerautoren erklären, warum wir künftig nicht Leistung, sondern den Konsum besteuern müssen. Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen, Gemeingüter und eine strikte Finanzregulierung sozial gerecht und ökonomisch vernünftig sind. Handeln wir jetzt, bevor es zu spät ist!

Über die Autoren

Matthias Weik befasst sich seit über zehn Jahren eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Arbeits- und Studienaufenthalte in Südamerika, Asien und Australien ermöglichten ihm tiefe Einblicke in das Wirtschaftsleben fremder Nationen. Parallel zu seiner Tätigkeit für einen deutschen Konzern hat er einen MBA erworben. Seit mehreren Jahren ist der Querdenker als unabhängiger Honorarberater tätig.(Matthias Weik im Bild rechts)

Marc Friedrich studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre und beschäftigte sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Während eines Aufenthalts in Argentinien erlebte er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst mit. In Großbritannien, der Schweiz und den USA sammelte er zahlreiche und wertvolle Arbeitserfahrungen. Gemeinsam mit Matthias Weik hält er Seminare und Fachvorträge bei Unternehmen, Verbänden, an Universitäten und Schulen.(Marc Friedrich im Bild links)

Götz W. Werner, Matthias Weik, Marc Friedrich

SONST KNALLT’S

Warum wir Wirtschaft und Politikradikal neu denken müssen

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Enrik Lauer und Gesine von Prittwitz, Berlin Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille

Grafiken: www.querschuesse.de

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-3994-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

»Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.«

Albert Einstein, Physiker und Nobelpreisträger

Sie haben Fragen, Anregungen oder Kritik? Dann schreiben Sie uns.

Götz Werner

c/o Arthen Kommunikation GmbH

Käppelestr. 8a

76131 Karlsruhe

[email protected]

http://www.unternimm-die-zukunft.de

https://www.facebook.com/goetzwerner/

Marc Friedrich und Matthias Weik

Friedrich & Weik Vermögenssicherung UG

Mühlstraße 90

73547 Lorch

[email protected]

http://www.friedrich-weik.de/

https://www.facebook.com/friedrichundweik/

https://twitter.com/FRIEDRICH_WEIK

»Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute;seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.«

George Bernard Shaw

Zukunft 4.0: Teilzeitarbeit – Vollzeitrisiko

Wie wir mit immer weniger Arbeit immer mehr Wohlstand schaffen. Und warum es den Wohlstand hemmt, wenn wir ihn falsch verteilen.

»Du räumst jetzt sofort dein Zimmer auf. Sonst knallt’s!«

So redeten viele Eltern bis weit in die 1970er-Jahre hinein mit ungezogenen Kindern. Nicht jedem paramilitärischen Appell folgte jene Ohrfeige auf dem Fuß, die angeblich »noch keinem geschadet hat«. Aber es dauerte bis 1980, den Begriff der »elterlichen Gewalt« aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu entfernen und durch den der »elterlichen Sorge« zu ersetzen. Erst seit November 2000 ist Erziehungsberechtigten die Anwendung körperlicher Gewalt verboten. Kinder haben seitdem »ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.« (§ 1631 BGB)

90 Prozent aller Eltern halten das für ein vernünftiges Ideal. Aber immerhin findet noch eine knappe Hälfte von ihnen, es sei verständlich und zulässig, wenn ihnen ab und an »die Hand ausrutscht«. Und 20 Prozent sind hartnäckig autoritär – sie rechtfertigen laut einer Studie des Deutschen Kinderschutzbundes die leichte Watsche oder den »Klaps« auf den Hintern ausdrücklich als sinnvolle erzieherische Maßnahme.

Was das mit der Krise des Kapitalismus zu tun hat? Vermutlich mehr, als man im ersten Moment meinen könnte. Denn auch in der Politik ist in den letzten Jahren eine merkliche Renaissance des Autoritären zu beobachten. Erscheinungen wie den türkischen Möchtegernsultan Recep Tayyip Erdogan oder den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán kann man vor dem Hintergrund demokratischer und ökonomischer Entwicklungsverzögerungen ihrer Heimatländer deuten. Auch bei Russlands Präsident Wladimir Putin würde das funktionieren, wollte man nur seine ungebrochene Popularität im eigenen Reich verstehen. Seine wachsende Fanbase im Westen lässt sich dadurch nicht erklären.

Für die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA gibt es viele Erklärungsansätze. Drei taugen mit Sicherheit nicht: dass es dem Land an demokratischer Tradition fehle; dass es ökonomisch ein Schwellenland sei, dessen Wirtschaft zudem aktuell komplett am Boden liege; und dass Nordamerika real mit einer »Flüchtlingskrise« konfrontiert sei.

Ähnliches gilt für Frankreich, das Mutterland der Demokratie. Gewiss sind die Probleme des Landes nicht klein: übermäßig zentralistische, verkrustete Strukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Gewaltige Staatsschulden, die zweithöchste Staatsquote in der EU, eine Industrieproduktion auf dem Niveau von 1993. Dennoch ist Frankreich die sechstgrößte Exportnation der Welt, seine Chemie- und Pharmaindustrie spielt global ganz vorne mit, französische Unternehmen melden fast genauso viele Patente im Bereich der Hochtechnologie an wie deutsche, bei Luxusgütern haben die Gallier gar einen Weltmarktanteil von 27 Prozent. Und die demografische Entwicklung beim Nachbarn ist weitaus günstiger als bei uns. Im Übrigen hat Frankreich eher wenige Probleme mit aktuellen Migranten, sondern mit einer nahezu komplett gescheiterten Integration der Zuwanderer aus den eigenen Ex-Kolonien. Wenn also Madame Le Pen derzeit mit mehr als einem halben Bein im Élysée-Palast steht, so wird man das ebenso wenig mit akuten Krisen allein erklären können, wie den Wahlerfolg von Geert Wilders in den Niederlanden.

Finanzkrise, Bankenkrise, Eurokrise, Griechenlandkrise? Mit diesen Themen begannen hierzulande im bürgerlichen Spektrum einst die Absetzbewegungen weg von den etablierten Parteien. Nullzinsen und schleichende Entwertung von Ersparnissen? Das macht Menschen mit vier- bis fünfstelligen Rücklagen bei heimischen Geldinstituten verständlicherweise nervöser als solche mit prallen Konten im Ausland. Stagnierende Einkommen und wachsende Jobunsicherheit in weiten Teilen der Mittelschicht? Da kommt man der Wahrheit vermutlich schon näher. Wenngleich zwischen harten Zahlen und deren Deutung sich auch hier große Spielräume auftun. Dauerarbeitslosigkeit, permanent prekäre Lebensverhältnisse und Kinderarmut am unteren Ende der »Einkommenspyramide«? Auch dies liefert sicher Teile des Puzzles. Aber nicht das ganze Bild.

Leider klingen viele Antworten auf derlei Probleme immer einfacher. Und während die Ersten schon wieder wünschen, da müsse es endlich mal knallen, da müsse jemand mit starker Hand »aufräumen«, werden die realen Probleme leider nur komplexer. Und sie verschwinden umso weniger, je lauter das Geschrei wird.

Ach ja: Was ist mit »den Flüchtlingen«? Mit voller Absicht sagen wir dazu nur fünf Sätze. Erstens: Migrationsbewegungen hat es im Verlauf der Geschichte immer wieder gegeben – und wird es immer geben. Zweitens: Migration ist immer ein Symptom für, niemals die Ursache von gesellschaftlichen Problemen und Verwerfungen. Drittens: In einer Welt total globalisierter Finanz- und Warenströme, in der man deren negative wie positive Folgen dank Digitalisierung bis in die letzten Winkel der Erde betrachten kann, darf man sich erst recht nicht wundern, wenn sich irgendwann auch Menschen in Bewegung setzen. Viertens: Die Lösungen für derlei Probleme sind immer komplex, immer langfristig – und sie haben dann wenig mit Einwanderern und viel mit den Zuständen in deren Herkunftsländern (»Bekämpfung von Fluchtursachen vor Ort«) und in den Einwanderungsgesellschaften zu tun. Fünftens: Wenn wir diese Probleme für vorrangig hielten, dann hätten wir darüber ein Buch geschrieben – und nicht über die unseres Erachtens nötige Neuordnung unseres Steuer-, Sozial- und Finanzsystems.

Ohne Zins und Verstand: Bekannte Krisen, weiter köchelnd

Nach der Finanzkrise 2008 wurden Europas Banken mit Billionen von Euros gerettet. Weil sie sich nicht bloß verzockt, sondern sich teilweise auch mit kriminellen Methoden bereichert hatten, mussten sie über 300 Milliarden Euro an Strafgeldern zahlen. Freilich handelte es sich dabei nur um einen Bruchteil ihrer halb legal und illegal erzielten Profite. Leider gehören viele fragwürdige Geschäftspraktiken nach wie vor zum Repertoire der Banken – bloß dass niemand mehr so laut mit ihnen prahlt. Und leider entpuppten sich auch die meisten Versprechungen, nun aber wirklich ernst zu machen mit Bankenaufsicht und Finanzmarktkontrolle, als rhetorische Beruhigungspillen.

Einer der lautesten Prediger wider die »korrupten Eliten«, der neu gewählte US-Präsident Donald Trump, unterschreibt derweil in Serie Dekrete, die die ohnehin bescheidenen Bankenregulierungen seines Vorgängers wieder komplett außer Kraft setzen. Was bei einem Kabinett, in dem allein sechs ehemalige Top-Investmentbanker sitzen, auch keine wirkliche Überraschung ist.

Selbst wenn sie es wollten, hätten die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-amerikanische Federal Reserve Bank inzwischen Schwierigkeiten, die von ihnen ausgelöste Geldflut wieder einzudämmen. Unvorstellbare 1,5 Billionen Euro haben die Notenbanken der Euroländer mit ihren fragwürdigen und wirkungslosen Aufkaufprogrammen in die Märkte gepumpt. Das ist monetäre Planwirtschaft in Reinkultur. Sie führt jede Logik normaler Finanzmärkte ad absurdum.

Derweil werden die Geschäftsbanken das Geld, das sie in Frankfurt für null Prozent bekommen, nach wie vor nicht als Investitionskredite bei Unternehmen los. Denn wer investiert schon, wenn er fürchten muss, seine Produkte nicht loszuwerden. Weil es nur bei ihm Geld regnet, aber nicht bei seinen Kunden bzw. bei den Verbrauchern. Weswegen die ersten Banken Bargeld schon wieder wie zu Opas Zeiten in Safes stopfen. Und andere es ungebrochen in spekulative Zockereien an den Finanz- und Immobilienmärkten stecken.

Während wir diese Zeilen schreiben, reden »die Gläubiger« (EZB, Banken, IWF) wieder einmal mit Griechenland. Wieder sollen Beobachter nachschauen, ob die dortige Regierung auch artig alle angemahnten »Reformen« umsetzt. Dabei ist allen klar, dass das Land ökonomisch ausgeblutet, das griechische Volk am Ende seiner Leidensfähigkeit angekommen und der griechische Staat heute so pleite ist wie beim Euro-Beitritt vor 16 Jahren. Dass 92 Prozent der »Rettungsgelder« gar nicht in Griechenland gelandet sind, sondern bei ausländischen Banken, die glaubten, einem bereits bankrotten Land unter dem Schirm des Euro risikolos weiteres Geld leihen zu können. Dass dafür trotzdem Europas Steuerzahler bürgen, die keinen Cent dieser »griechischen« Schulden je wiedersehen werden. Auf der Hand liegt auch, dass man den Offenbarungseid letztmalig nur noch bis zum Ende des europäischen Superwahljahres 2017 verschieben kann.

Italien ist mit einer Staatsverschuldung von 137 Prozent des BIP ebenfalls nachweislich bankrott. Die Arbeitslosenquote im Land ist die höchste seit Beginn der Datenerhebungen im Jahr 1977, die Industrieproduktion liegt auf dem Niveau von 1985. Dennoch kann sich der Staat dank europäischer Niedrigzinspolitik weiter mit frischem Geld zu Minizinsen versorgen. Anders als Griechenland sogar nach wie vor an den Kapitalmärkten. Das ist volkswirtschaftlicher Irrsinn.

Gleichzeitig enteignet die EZB mit ihrer wahnwitzigen Notenbankpolitik die Sparer. Sei es in Form von Nullzinsen beim Sparkonto, sei es auf dem Umweg über den dramatischen Renditeschwund bei Staatsanleihen, Lebensversicherungen und anderen einst »mündelsicheren« Anlageformen. Was sich da in Luft auflöst? Die Altersrücklagen von ein bis zwei Generationen!

Ebenso treiben Nullzinsen – die uns noch lange erhalten bleiben werden – die vergleichsweise solide wirtschaftenden Genossenschaftsbanken und Sparkassen schleichend in den Ruin. Viele Kommunen müssen bluten, weil ihre tagesaktuellen Bankeinlagen meist so hoch sind, dass für sie Negativzinsen fällig werden. Erfolgreiche Unternehmen, die Teile ihrer Erlöse für künftige Investitionen zurücklegen wollen, werden ebenfalls mit Negativzinsen bestraft. Firmen, die eigentlich bankrottgehen müssten, stützt die EZB, indem sie inzwischen sogar Unternehmensanleihen aus Krisenstaaten aufkauft.

Fazit: Unser Wirtschafts-, Geld- und Finanzsystem ist nachhaltig krank, und es gibt keine Aussicht auf wirkliche Besserung. Trotz Billionen an Euros und Dollars, trotz neuer Gesetze und vieler Krisengipfel wurden die Probleme nicht im Geringsten gelöst, sondern lediglich in die Zukunft verschoben.

Durch ein Übergewicht an Macht bei global agierenden Konzernen, Banken und Lobbyorganisationen ist das ganze System in eine bedrohliche Schieflage geraten. Der freie Markt wurde abserviert, einige wenige bestimmen, wo es langgeht. Manche Firmen sind inzwischen mächtiger als Staaten und genießen Privilegien, von denen andere Unternehmen, geschweige denn die Steuerzahler oder die Verbraucher, nur träumen können. Ganze zehn Konzerne – u. a. Nestlé, der US-Fleischriese Tyson Foods, Mars, Kraft Heinz, Unilever und Danone – beherrschen den weltweiten Lebensmittelmarkt. 10 Prozent der weltweit gelisteten Aktiengesellschaften erwirtschaften 80 Prozent aller Gewinne. Und die 100 größten Unternehmen der USA tragen 46 Prozent zum Bruttosozialprodukt des Landes bei.

Warum das ein Problem ist? Nicht, weil diese Firmen oder deren Eigentümer zu »reich« wären. Es ist ein Problem, weil diese wenigen schlicht nicht mehr wissen, wie sie ihre Berge von Geld sinnvoll in reale wirtschaftliche Aktivitäten, in echte Innovationen investieren sollen. Bildlich gesprochen: Was würde passieren, wenn alle Flüsse eines Kontinents in nur drei oder vier Stauseen eingeleitet würden?

Kürzlich habe ich (MF) aus Spaß in einem exakt hundert Jahre alten Buch geblättert: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus von einem gewissen Wladimir Iljitsch Lenin. Klar: Die Zahlen und Namen stimmen alle nicht mehr. Die »Imperialisten« haben auch keine Kolonien mehr, die sie ganz ohne Umwege ausplündern können. Und Lenins politische Schlussfolgerungen wird man ohnehin nicht teilen wollen. Aber seine Diagnosen, die könnte man mühelos aktualisieren.

Ein Hauptirrtum ist, zu meinen, Geld an sich wäre ein Wert. Aber Geld hat überhaupt keinen Wert. Wert haben nur Güter und Dienstleistungen. Da wir ständig aufs Geld starren, schieben wir einen Geldstau, einen virtuellen Liquiditäts-See vor uns her, bei dem wir so tun, als ob er real wäre. Das offenbart jede Finanzblase, bei der mit betrügerischen Manipulationen Illusionswerte generiert werden, die die Menschen dann als reale Werte betrachten. Und was passiert, wenn alle Menschen gleichzeitig an ihr Geld heranwollen? Das System bricht zusammen.

Mehr noch: Die Finanzkrise selbst war eine einzige Illusion. In Wirklichkeit handelte es sich schlicht um Kreditbetrug! Man lieh Menschen Geld für Ramschimmobilien, die sie sich nicht leisten konnten. Diese faulen Kredite wurden – zusammen mit ein paar werthaltigen – in faule Papiere für reiche Anleger und dumme Bankmanager umgetütet. Als sie geplatzt waren, machte man aus einem Kreditbetrug eine »Finanzkrise« – und flugs wurden aus Tätern Opfer. Jeder Metzger, der frisches mit vergammeltem Hack mischen würde, käme geradewegs ins Gefängnis. Wenn das aber mit Geld, mit »verbrieften« Papieren bewerkstelligt wird, dann darf der Staat einspringen, um angeblich »systemrelevante« Banken vor dem Bankrott zu retten.

Die bedrängte Mittelschicht: Abschied vom Peter-Prinzip

Kurzfristige Krisendiagnose ist das eine. Etwas anderes ist die Frage, welche langfristigen Entwicklungen sich dahinter abspielen. Und worin die neue Attraktivität einfacher Antworten und sich autoritär gebärdender »Anführer« gründet. Die Amerikaner haben ja Donald Trump nicht gewählt, weil sie mehrheitlich fänden, dass der Kohlebergbau in Virginia Amerikas Zukunft sei. Und ebenso wenig treiben allein schon die Programme der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen die französischen Wähler in die Arme von Marine Le Pen.

Im Kern steckt hinter solchen und ähnlichen Phänomenen unseres Erachtens etwas viel Grundsätzlicheres: Die »nivellierte Mittelstandsgesellschaft«, die der Soziologe Helmut Schelsky 1953 mehr beschwor als beschrieb, sie ist in den letzten Dekaden gewaltig ins Rutschen gekommen. Aber was meint das?

Konservative Traditionalisten mögen mit diesem Begriff eher eine Reihe von lebensweltlichen Sinnbildern verbinden. Die klassische Familie aus Vater, Mutter und zwei bis drei Kindern. Er Alleinverdiener, sie Hausfrau. Das Einfamilienhaus mit Vorgarten am Stadtrand. Der gepflegte, aber nicht protzige Mittelklassewagen. Sommerurlaub im Süden, Weihnachtstage bei den Großeltern. Gemeinsames Abendbrot um sieben, Braten mit Klößen am Sonntag. Beliebte Fernsehsendungen hießen nicht umsonst »Einer wird gewinnen« oder »Der Große Preis«. Denn die Kinder sollten es einmal »besser haben als wir«. Das Problem dieser sentimentalischen Mittelschicht: Selbst diejenigen, die von ihr träumen, wissen, dass so heute kaum noch jemand lebt.

Die Mittelschicht der Soziologen und Volkswirte hilft allerdings auch nicht weiter. Definiert man sie über das sogenannte Medianeinkommen, dann ist die Mittelschicht seit Jahrzehnten stabil – und zwar mehr oder weniger in allen westlichen Industrienationen. Dies ist der Betrag, bei dem sich die obere und die untere Hälfte aller Einkommen exakt teilen, derzeit sind das 1 640 Euro netto bei Singles, 3 440 Euro bei einem Paar mit zwei Kindern. Bei einem Einkommen von 80 bis 150 Prozent des Medianeinkommens gehören 50 Prozent aller Menschen zur Mittelschicht. Geht man bis zu 250 Prozent des Medianeinkommens (8 600 Euro netto für eine vierköpfige Familie), sind es vier von fünf. Mit Einzelbefunden – etwa den vergleichsweise moderaten Kaffeepreisen in Treffpunkten der Berliner »Kreativszene« oder den für viele Normalverdiener unerschwinglichen Mieten im gesamten Stadtgebiet Frankfurts oder Münchens – lässt sich dieser Befund wahlweise ein wenig aufhellen oder dramatisieren.

Schwarzmalerei in puncto Mittelschicht funktioniert am besten, wenn man die farblich schrillsten Ausbrüche nach oben als Kontraste setzt. Noch vor 20 Jahren verdiente ein Konzernchef im Schnitt das 45-fache eines durchschnittlichen Angestellten. Heute kassiert er 130-mal so viel wie seine Buchhalter. Der Studie Global Wage zufolge, welche die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) regelmäßig veröffentlicht, verdienen die 10 Prozent der höchstbezahlten Topverdiener derzeit fast so viel wie die untere Hälfte der Arbeitnehmer. Das mag man entsetzlich ungerecht oder auch einfach nur unnötig finden. Am Ende liegt die Sache nicht anders als bei jenem Zehntel der AGs, die 80 Prozent aller Gewinne erwirtschaften: Hier hat eine Handvoll überbezahlter Funktionsträger so viel Geld, dass sie nicht wissen, wohin damit. Weshalb sie es gleichfalls als Spielgeld für andere zur Bank tragen müssen.

Unser Eindruck: Mit derlei Zahlenspielereien landet man meist nur bei akademisch aufgerüsteten Vergleichen aus der Abteilung »mein Auto, mein Haus, mein Boot«. Nach diesem Muster hätten die ersten »Protestwähler« nur Angst um ihr Auto, die letzten schließlich auch Angst um ihr Boot. Schauen wir lieber kurz hinter den Schleier des rein Materiellen. Da müssen unserer Meinung nach die Fragen eher lauten: Was waren die zentralen Versprechen an die Mittelschicht der Nachkriegsgesellschaft? Und: Gelten sie immer noch uneingeschränkt?

Erstes Versprechen: Sozialer Aufstieg ist möglich. Für jeden. Und sowohl mehr Fleiß als auch mehr Bildung ermöglichen diesen Aufstieg nicht nur, sie garantieren ihn beinahe. Wer fleißig arbeitet und sich regelmäßig weiterbildet, kann individuell aufsteigen: im Gehaltsgefüge, in den tief gestaffelten Unternehmens- oder Behördenhierarchien, schließlich auch im sozialen Status. Und wer möglichst große Teile seiner Wohlstandsgewinne in die Bildung seiner Kinder investiert, wird die nächste Generation in die nächsthöhere Umlaufbahn befördern. Dessen Kindern wird es tatsächlich »besser gehen«.

Zweites Versprechen: Sozialer Aufstieg ist endlich, aber im Prinzip eine Einbahnstraße. Solange einem nicht äußere Schicksalsschläge oder selbst verschuldetes Scheitern einen Strich durch die Rechnung machen, bleiben einmal erreichte Einkommensniveaus, einmal erreichte Positionen, ein einmal erreichter Status erhalten. Anders gesagt: Nach wie vor kommen nur sehr wenige ganz nach oben, in der Mitte sind dafür reichlich Pöstchen zu verteilen, und nur wenige fallen auf der Karriereleiter wieder runter. Die bekannteste Managementregel dieser Epoche war das Peter-Prinzip: In jeder Hierarchie wird jeder bis zur Stufe seiner persönlichen Unfähigkeit befördert. Und da bleibt er dann auch – darin liegt der eigentliche, wenn auch nicht explizit formulierte Reiz des Prinzips.