Karriere - Bettina S. Wiese - E-Book

Karriere E-Book

Bettina S. Wiese

0,0

Beschreibung

Die berufliche Laufbahn ist für die meisten Menschen ein zentraler Aspekt des Lebens. Ein tieferes Verständnis davon, wie sich erfolgreiche und zufriedenstellende Karrieren steuern, ist relevant für Verantwortliche des organisationalen Karrieremanagements, Beratende für berufliche Entwicklung und nicht zuletzt die betroffene Person selbst. Der Band bietet einen wissenschaftlich fundierten und zugleich verständlichen Überblick über zentrale psychologische Konzepte und Mechanismen, die in der Karriereentwicklung eine Rolle spielen. Es werden Lebensphasen beleuchtet, in denen Menschen besonders deutlich Aufgaben der beruflichen Orientierung gegenüberstehen (Jugendalter, Studium, Eintritt in eine neue Organisation). Anhand dreier ausgewählter Personengruppen (Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Fachexpertinnen und -experten, Mütter und Väter) werden Herausforderungen und Möglichkeiten der Karrieregestaltung illustriert. Schließlich wird ein Blick in die Zukunft von Karrieren in einer digitalisierten Welt gewagt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 375

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort zur Buchreihe

Prolog: Was ist Karriere‍(-erfolg)?

Teil I Die Person als Gestalterin ihres beruflichen Weges

1 Die Person als Eigentümerin einer neuen Karriere: Entgrenzte und proteische Karrieren

1.1 Die entgrenzte Karriere (Boundaryless Career)

1.1.1 Missverständnis 1: Mit Entgrenzung ist der Wechsel von einer Organisation in eine andere gemeint

1.1.2 Missverständnis 2: Wir leben in einer Welt grenzenloser Karrieren

1.1.3 Physische und psychische Mobilität

1.1.4 Kompetenzen zur Bewältigung von Grenzüberschreitungen

1.1.5 Sind entgrenzte Karrieren erfolgreiche Karrieren?

1.1.6 Bedeutung entgrenzter Karrieren für die Bindung an eine Organisation

1.2 Die proteische Karriere (Protean Career)

1.2.1 Lernzyklen in proteischen Karrieren

1.2.2 Proteische Karriereorientierung

1.2.3 Proteische Karrieremechanismen

1.2.4 Outcomes einer proteischen Karriere

1.3 Integratives Fazit zu entgrenzten und proteischen Karrieren

2 Interessen, Motive und Fähigkeiten als Richtungsgeber für eine passende Karriere

2.1 Auf die Passung zwischen Person und Umwelt kommt es an

2.1.1 Konzepte der Person-Umwelt-Passung

2.1.2 Die Theorie der Arbeitsangepasstheit nach Dawis und Lofquist

2.2 Ein differenzierterer Blick auf berufsbezogene Bedürfnisse

2.2.1 Grundbedürfnisse im Sinne der Selbstbestimmungstheorie

2.2.2 Die Big-Three der Motive nach McClelland

2.2.3 Ein integratives Modell berufsbezogener motivationaler Orientierungen

3 Die Gestaltung der Karriere aus einer sozial-kognitiven Perspektive

3.1 Die sozial-kognitive Theorie Banduras als Grundlage

3.2 Die sozial-kognitive Karrieretheorie

3.2.1 Sozial-kognitive Determinanten karrierebezogener Interessen, Wahlentscheidungen, Leistung, Zufriedenheit und Karriereselbstmanagement

3.2.2 Bedeutung personenbezogener und kontextueller Hintergrundvariablen

3.2.3 Das Modell zur Beruflichen Laufbahnentwicklung nach Abele

3.2.4 Implikationen für die beratende Intervention

Teil II Berufs- und Organisationseinstieg

4 Berufswahl im Jugendalter

4.1 Definition und Komponenten der beruflichen Exploration im Jugendalter

4.2 Theoretische Verortung von Berufswahl und berufsbezogener Exploration

4.2.1 Berufsfindung im differentialpsychologischen Matching-Ansatz

4.2.2 Berufsfindung als Gegenstand einer langfristig angelegten Laufbahntheorie

4.2.3 Berufsfindung als sozial-kognitive Herausforderung

4.3 Einbettung von Berufswahlentscheidungen in den sozialen Kontext

4.3.1 Einflüsse der Eltern auf das berufliche Explorationsverhalten von Jugendlichen

4.3.2 Unterstützung der beruflichen Exploration durch weitere Akteure bzw. Akteurinnen des unmittelbaren Umfeldes

4.4 Fazit

5 Hochschulstudium

5.1 Studienfachwahl

5.1.1 Studienfachwahl: Einfluss von Interessen und Fähigkeiten

5.1.2 Geschlechtsspezifische Studienfachwahl

5.1.3 Unterstützung bei der Studienfachwahl durch die Hochschule

5.2 Studienzufriedenheit

5.3 Akademische Leistungen im Studium

5.4 Studienabbruch

5.5 Berufliche Zielklärung zur Vorbereitung der Transition ins Berufsleben

5.5.1 Exploration zum Zwecke der beruflichen Zielklärung im Studium

5.5.2 Berufliche Zielklarheit, Einstellungen zum Studium und der Übergang ins Erwerbsleben

5.6 Fazit

6 Organisationale Sozialisation

6.1 Kennzeichen einer erfolgreichen organisationalen Sozialisation

6.2 Aktivitäten und Maßnahmen zur Förderung der organisationalen Sozialisation

6.2.1 Organisationsneulinge als Akteure bzw. Akteurinnen der organisationalen Sozialisation

6.2.2 Betriebliche Maßnahmen zur organisationalen Sozialisation

6.3 Fazit und Ausblick

Teil III Gestaltung von Laufbahnen: Ausgewählte Herausforderungen

7 Karrieren von Nachwuchswissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlerinnen

7.1 Die Wissenschaftslaufbahn: Entgrenzt, proteisch und Ausdruck einer Berufung?

7.1.1 Bezüge zur entgrenzten Karriere (Boundaryless Career)

7.1.2 Bezüge zur proteischen Karriere (Protean Career)

7.1.3 Bezüge zum Konzept von Karriere als Berufung (Calling)

7.2 Die Promotion

7.2.1 Wer entscheidet sich für eine Promotion?

7.2.2 Erfolgreicher Abschluss einer Promotion

7.3 Karriereziele und -wege für die Zeit nach der Promotion

7.3.1 Professur oder eine leitende Position in der Privatwirtschaft?

7.3.2 Postdoc-Phase und die Übernahme einer Professur

7.4 Fazit

8 Strukturierte Laufbahnmodelle als Mittel organisationalen Karrieremanagements

8.1 Beweggründe für die Gestaltung alternativer Laufbahnmodelle

8.2 Formen alternativer Laufbahnen

8.2.1 Fach-/Expertenlaufbahnen

8.2.2 Projektlaufbahnen

8.3 Gestaltungsmerkmale alternativer Laufbahnen

8.4 Förderung der Person-Karriere-Passung durch alternative Laufbahnen

8.5 Fazit und Ausblick

9 Familienbedingte berufliche Auszeiten

9.1 Familienbedingte berufliche Auszeiten bei Müttern

9.1.1 Vorhersage familienbedingter beruflicher Auszeitentscheidungen bei Müttern

9.1.2 Die Bewältigung des beruflichen Wiedereinstiegs

9.2 Väter und familienbedingte berufliche Auszeiten

9.2.1 Vorhersage familienbedingter beruflicher Auszeitentscheidungen bei Vätern

9.2.2 Erleben und Folgen familienbedingter beruflicher Auszeiten bei Vätern

9.3 Die Paarperspektive

9.4 Fazit

10 Blick in die Zukunft: Karrieren in einer digitalisierten Welt

10.1 Werden ganze Berufe und damit Karriereoptionen in der Zukunft verschwinden?

10.2 Neu entstehende Tätigkeitsschwerpunkte und Beschäftigungsformen

10.3 Digitalisierung und ältere Beschäftigte

10.4 Bezug zu Karrieremodellen und Beratungsansätzen

10.5 Fazit

Teil IV Verzeichnisse

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Arbeits-‍, Organisations- und Wirtschaftspsychologie

Herausgegeben von Simone Kauffeld

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/aow-psychologie

Die Autoren

Prof. Dr. Bettina S. Wiese hat seit 2011 den Lehrstuhl für Personal- und Organisationspsychologie an der RWTH Aachen inne. Im Zentrum ihrer Forschung steht die Frage, wie Menschen vorgehen, um ihre Karrieren erfolgreich zu gestalten und im Alltag eine zufriedenstellende Lebensführung in Beruf und Privatleben zu erreichen.

Dr. Christian L. Burk ist Senior Scientist am Lehrstuhl für Personal- und Organisationspsychologie der RWTH Aachen University. Seine Forschungsschwerpunkte sind Assessmentverfahren, berufliche Laufbahnen, berufsbezogene Persönlichkeit sowie Emotionsregulation. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist er seit 2006 Leiter einer personalpsychologischen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt beruflicher Eignungsdiagnostik.

Bettina S. WieseChristian L. Burk

Karriere

Berufliche Entwicklungsprozesse verstehen und gestalten

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-040338-3

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-040339-0epub: ISBN 978-3-17-040340-6

Vorwort zur Buchreihe

Ökonomische, technologische und gesellschaftliche Entwicklungen tragen dazu bei, dass unsere Arbeitswelt sich in einem stetigen Veränderungsprozess befindet. Dies hat Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten des einzelnen arbeitenden Menschen genauso wie auf gesamte Organisationen und größere wirtschaftliche Zusammenhänge.

Die vorliegende Buchreihe soll einen fundierten Einblick in verschiedene Forschungs- und Anwendungsfelder innerhalb der Arbeits-‍, Organisations-‍, Personal- und Wirtschaftspsychologie geben – einem der wichtigsten Bereiche der angewandten Psychologie. Aktuelle, praxisrelevante und an wichtigen Trends orientierten Themen werden vorgestellt und die Reihe dabei sukzessive um neue Bände erweitert.

Die Reihe richtet sich vor allem an Studierende der (Wirtschafts-)‌Psychologie und sich weiterbildende Personen. Durch die fachübergreifende Bedeutung sind die Inhalte der Bücher jedoch auch für Studierende angrenzender Bereiche, wie z. B. der Wirtschaft, Soziologie und Pädagogik von hoher Relevanz. Als besonders interessierte Zielgruppe können bereits erwerbstätige Personen aus dem Personalbereich (z. B. Coaches, Beraterinnen und Berater, Personalentwicklerinnen und Personalentwickler) identifiziert werden, die sich z.B in einem Aufbaustudium weiterbilden. Die konsequente Verbindung von Theorie und Praxis bietet darüber hinaus Führungskräften die Möglichkeit, sich wissenschaftlich fundiert mit praxisrelevanten Themen wie z. B. Kompetenzmanagement in Unternehmen, Coaching, Change Management oder Gesundheit im Arbeitskontext auseinanderzusetzen.

Simone KauffeldBraunschweig, Frühjahr 2021

Prolog1: Was ist Karriere‍(-erfolg)?

In der Forschung bezeichnet Karriere eine längerfristige berufliche Entwicklung. Es geht um Abfolgen verschiedener Positionen, aber auch um die übergreifende subjektive Bewertung der eigenen Entwicklung bzw. die spezifische Bewertung einzelner Aspekte. Da im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch Karriere stark mit hierarchischem Aufstieg verknüpft ist, während im englischen Sprachverständnis Career auch Berufswege ohne Aufstiege umfasst, wird in der deutschsprachigen Literatur bisweilen der Begriff der beruflichen Laufbahn bevorzugt. Ganz so offen wie der englische Begriff »Career« ist der deutsche Laufbahnbegriff allerdings nicht, da er stärker an eine spezifische Profession oder Organisation gebunden ist (vgl. Latzke et al., 2019).

Eng verknüpft mit der Konzeptualisierung von Karriere ist die Frage, wie sich Karriereerfolg (synonym gesprochen Berufs- oder Laufbahnerfolg; Dette et al., 2004; Spurk, 2019) definieren und – im Rahmen der empirischen Forschung – messen lässt. Es lassen sich hier verschiedene Ausdrucksformen des Erfolgs betrachten. In der Literatur wird dabei insbesondere eine Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Indikatoren des Erfolgs getroffen, die alternativ auch extern und intern genannt werden (vgl. Dette et al., 2004; Spurk, 2019). Objektiver Karriereerfolg bezieht sich auf von außen beobachtbare Kriterien, nämlich »objektive Errungenschaften in der Karriere, die sich am Maßstab von Verdienst und hierarchischer Position messen lassen« (übersetzt nach Judge et al., 1995, S. 486). Traditionell gelten entsprechend Gehalt‍(-szuwachs) bzw. finanzielles Gesamteinkommen (z. B. Fixgehalt plus Boni), Beförderungen, erreichte hierarchische Position sowie die Übernahme von Führungsverantwortung und die Anzahl der Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen als Kriterien objektiven Berufserfolgs (vgl. Dette et al., 2004; Ng et al., 2005). Diese haben aber trotz der auf den ersten Blick existierenden Plausibilität in der Forschungspraxis durchaus Schwachstellen. Hier ist vor allem die mangelnde Vergleichbarkeit über Branchen, Professionen und Länder hinweg zu nennen. So ist in manchen Beschäftigungssegmenten (z. B. öffentlicher Dienst) der Gehaltszuwachs überwiegend alters- und erfahrungsgebunden. Auch gibt es Berufe, die trotz einer nur moderaten Entlohnung mit einem relativ hohen gesellschaftlichen Status einhergehen und deren Angehörige schon allein deshalb nicht als erfolglos betrachtet werden können. Vor ähnlichen Problemen steht man auch, wenn Hierarchiestufe, die Anzahl der Beförderungen oder die personelle Führungsspanne als Kriterien herangezogen werden. Um die Beschränkungen von Einzelmaßbetrachtungen zu kompensieren, werden teilweise kombinierte (z. B. Ausbildungsadäquatheit und Gehalt) oder relativierte Messungen (z. B. branchen- oder berufsfeldspezifische Relativierungen des Gehalts) durchgeführt (vgl. zusammenfassend Spurk, 2019).

Eine weitere Schwachstelle externer Kriterien ist konzeptueller Art. In Karrieremodellen, die die Selbstbestimmung in den Vordergrund rücken, scheint es unangemessen, nicht auch das subjektive Erleben und die entsprechende Bewertung durch die Betroffenen miteinzubeziehen. Meta-analytisch ließen sich zwar zwischen klassischen externen und subjektiven (i. S. der internen) Indikatoren von Berufserfolg positive Zusammenhänge feststellen (Dette et al., 2004; Ng et al., 2005), deren nur moderate Höhe und deren teilweise unterschiedliche Vorhersagbarkeit durch verschiedene Arten von Prädiktoren (Ng et al., 2005) sprechen aber zugleich für distinkte konzeptuelle Zugänge.

Subjektiver Karriereerfolg lässt sich definieren als individuelles Gefühl von Erfolg und Zufriedenheit bezüglich der eigenen Karriere (Judge et al., 1995). Es geht um die individuelle Bewertung (vgl. zusammenfassend Spurk, 2019). Dabei kann es sich um eine zusammenfassende Gesamtbewertung im Sinne der Karrierezufriedenheit handeln (z. B. Greenhaus et al., 1990) oder um eine mehrdimensionale Bewertung von Einzelaspekten (erfahrene Anerkennung und Status, Weiterentwicklung etc., z. B. Seibert et al., 2013; Shockley et al., 2016).

Weiterhin lässt sich auf Basis herangezogener Vergleichsmaßstäbe subjektiver Karriereerfolg danach differenzieren, ob es sich um eine selbstbezogene oder fremdbezogene subjektive Bewertung handelt (Heslin, 2003). Im erstgenannten Fall bilden selbstgesetzte Ziele und Ideale den Bezugspunkt (z. B. Wiese & Freund, 2005). Erleben Menschen, dass es ihnen nicht gelingt, Fortschritte in ihren selbstgesetzten beruflichen Zielen zu machen bzw. diese zu realisieren, ist zu erwarten, dass sie dies als persönlichen Misserfolg werten. Persönliche berufliche Ziele können dabei ergebnisorientiert sein (z. B. eine bestimmte Position erreichen) oder prozessorientiert (z. B. berufliches Lernen; vgl. Abele et al., 2002). Seibert und Kraimer (2001) sprechen in diesem Zusammenhang auch von »intrinsischem Erfolg« im Sinne einer Karrierezufriedenheit, die auf einem subjektiven Abgleich zwischen individuellen Zielen und Erwartungen und den inhärenten Faktoren der erlangten Position beruht. Personen nehmen aber auch Vergleiche zu anderen Personen vor. Dem trägt das Konzept des fremdbezogenen subjektiven Berufserfolgs Rechnung. Dabei geht es zunächst einmal um Vergleiche mit konkreten anderen Personen oder einer relevanten Bezugsgruppe (etwa ehemalige Mitstudierende; z. B. Abele & Wiese, 2008). In einem erweiterten Sinne bildet aber auch der Vergleich mit gesellschaftlich etablierten Normen einen fremdgesetzten Bezugsrahmen in Form externer Standards (z. B. Heslin, 2003). Hier sind vor allem altersbezogene gesellschaftliche Erwartungen an das Erreichen bestimmter Schritte im Erwerbsleben zu nennen, aber beispielhaft auch die Erwartung, stets nach einem weiteren Ausbau von Verantwortung streben und insbesondere nach einem Hochschulabschluss eine Führungsposition anvisieren zu sollen. Auch lässt sich wahrgenommene Beschäftigungsfähigkeit(»Employability«; Fugate et al., 2004) als Bestandteil subjektiven Karriereerfolgs betrachten. Nach Dette et al. (2004) lässt sich zusammenfassend auf drei individuelle Bewertungsmaßstäbe rekurrieren, nämlich den Vergleich von Zielen und deren Erreichung, den Vergleich mit anderen Personen und den Vergleich mit bestehenden Normen.

Ganz unabhängig voneinander sind die oben genannten Bewertungsmaßstäbe nicht. So können gesellschaftliche Vorstellungen durchaus auf die karrierebezogenen Zielsetzungen von Personen einwirken (vgl. Dette et al., 2004). Außerdem beziehen sich individuelle Zielsetzungen nicht selten auf objektive Indikatoren (z. B. Entlohnung). Zugleich ist das Spektrum persönlicher Zielsetzungen potentiell sehr viel breiter. Es ist zu erwarten, dass persönliche Ziele mehr oder weniger stark in Beziehung zu den überdauernden beruflichen Motiven einer Person stehen, die interindividuell unterschiedlich ausgeprägt sind und neben objektiven Berufserfolgsstandards auch Aspekte wie das Streben nach Autonomie und Kreativität etc. umfassen können (vgl. z. B. das Modell beruflicher Motive von Burk & Wiese, 2018a). Solch eine Betrachtung lenkt die Aufmerksamkeit schließlich auch auf Wünsche und Bestrebungen, die den weiteren Lebenskontext einer Person betreffen, etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, welche Erwerbstätige ebenfalls zum Maßstab für eine geglückte Entwicklung machen können (aber nicht müssen).

Aus methodischer Sicht dürfte in der psychologischen Karriere‍(erfolgs)‌forschung Einigkeit darüber bestehen, dass es insbesondere längsschnittlicher Designs bedarf und hier prospektive Betrachtungen mit wiederholten Messungen über längere Zeiträume besonders zielführend sind (vgl. Latzke et al., 2019). Aber auch in einer retrospektiven (qualitativen und quantitativen) Betrachtung liegt ein durchaus hohes Erkenntnispotenzial. Beispielhaft sei hier die rückblickende biographische Bewertung von beruflichen Entscheidungen und Prioritätensetzungen angesprochen. Eine solche Betrachtung umfasst dann nicht nur das, was zu objektivem Erfolg und subjektiver Zufriedenheit beigetragen hat, sondern auch das, was im Nachhinein als Fehler betrachtet bzw. bedauert wird (vgl. Byington et al., 2019).

Endnoten

1In seiner ursprünglich publizierten Form wurde in folgendem Artikel versäumt, das vorliegende Buch, welches der Herausgeberin der Buchreihe als unveröffentlichtes Manuskript seit 2022 vorlag, als Quellenangabe anzugeben: Kauffeld, S. & Wittner, B. (2023). Coaching zur beruflichen Orientierung: Du hast die Wahl und suchst deinen Weg. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 30, 383–397.

Teil I Die Person als Gestalterin ihres beruflichen Weges

1 Die Person als Eigentümerin einer neuen Karriere: Entgrenzte und proteische Karrieren

1.1 Die entgrenzte Karriere (Boundaryless Career)

Wenn man sich mit neuen Karriereformen beschäftigt, wird wohl kaum ein Begriff so häufig zitiert wie der der entgrenzten Karriere (Boundaryless Career; Arthur, 1994). Aus dem teilweise etwas oberflächlichen Gebrauch des Begriffs mag erstens das Missverständnis entstehen, das Konzept der entgrenzten Karriere bezöge sich ausschließlich auf Bewegungen über die Grenzen einer Organisation hinweg, behandelte also lediglich das Thema eines Arbeitgeberwechsels vs. Verbleibs. Zweitens mag die geradezu inflationäre Verwendung zu dem Eindruck verleiten, die Entgrenzung von Karrieren sei das entscheidende Beschreibungsmerkmal moderner Karrieren. Zum Einstieg in dieses Thema seien zunächst diese beiden Missverständnisse erläutert, um eine angemessene Einordnung zu gewährleisten.

1.1.1 Missverständnis 1: Mit Entgrenzung ist der Wechsel von einer Organisation in eine andere gemeint

Entstanden ist der Begriff entgrenzter Karrieren aus einer neo-liberalen Perspektive auf den Wandel des (amerikanischen) Arbeitsmarktes. Im Zuge der voranschreitenden Globalisierung des Wettbewerbs kam es in den 1990er Jahren in vielen Industrien zu einem Stellenabbau sowie zu einer Verflachung der Hierarchien und damit in Teilen zu einer Aufkündigung des bestehenden psychologischen Vertrags zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten, u. a. bezogen auf Arbeitsplatzsicherheit im Tausch gegen ein fortwährendes Engagement für einen Arbeitgeber (Arthur & Rousseau, 1996a; Rousseau, 1995). Diese makroökonomischen und institutionellen Verwerfungen mögen das Erfordernis suggerieren, sich ganz von einer traditionellen Karriere zu lösen, die sich durch ein Idealbild einer arbeitslebenslangen Zugehörigkeit zu einer Organisation auszeichnet und sich dem Gegenteil davon zuzuwenden, nämlich einer Karriere, die durch zahlreiche Arbeitgeberwechsel charakterisiert ist. Im Einklang damit lässt sich ein erster Definitionsversuch verstehen, der die entgrenzte Karriere bezeichnete als eine »Abfolge beruflicher Gelegenheiten, die über die Grenzen eines einzelnen Beschäftigungsverhältnisses hinausgehen« (übersetzt nach DeFillippi und Arthur, 1994, S. 307). Mit dem Konzept der entgrenzten Karriere ist jedoch weit mehr als nur dies gemeint. So bezeichnen Arthur und Rousseau (1996b, S. 6) »eine Unabhängigkeit von anstatt einem Verlassen auf traditionelle, organisationale karrierebezogene Vereinbarungen« als den gemeinsamen Nenner. Dem weiter gefassten Verständnis der entgrenzten Karriere verleihen die Autoren in derselben Veröffentlichung mit einer Liste von sechs Aspekten Ausdruck, die sie davon abgedeckt wissen möchten. Diese Aspekte sind in ▸ Textbox 1.1 aufgeführt. Die Mobilität von einem Arbeitgeber zu einem anderen ist nur einer von sechs genannten Schwerpunkten. Vielmehr lassen sich die weiteren Aspekte durchaus auch als Sammlung von Erfahrungen und eine Kompetenzerweiterung bei Verbleib innerhalb einer Organisation verstehen. Grenzen werden somit weiter gefasst verstanden, nämlich als organisationale, beziehungsbezogene, hierarchische, psychische sowie auf Berufs- und Privatleben bezogene (Arthur, 2014).

Textbox 1.1: Schwerpunkte der entgrenzten Karriere nach Arthur und Rousseau (1996b, S. 6; übersetzt).

Sechs Schwerpunkte der entgrenzten Karriere:

1.

Mobilität über die Grenzen eines einzelnen Arbeitgebers hinweg

2.

Bestätigung der eigenen Karriere und der eigenen Marktfähigkeit von Stellen außerhalb der eigenen Organisation

3.

Stützen der Karriere durch externe Netzwerke und Informationen

4.

Aufbrechen traditioneller organisationaler Grenzen (im Sinne der Struktur des Berichtswesens und festgelegter Beförderungen)

5.

Freiwillige Ablehnung sich bietender Karriereoptionen aus persönlichen oder familiären Gründen

6.

Persönliche Vorstellung von einer entgrenzten Zukunft trotz bestehender struktureller Einschränkungen

1.1.2 Missverständnis 2: Wir leben in einer Welt grenzenloser Karrieren

In nicht wenigen Veröffentlichungen der letzten Jahre fällt eine recht normative Perspektive auf entgrenzte Karrieren auf. Eine neue Karriere wird häufig als etwas beschrieben, das in einer grenzenlosen Arbeitswelt stattfindet und in der solche Personen erfolgreich sind, die nach Grenzüberschreitungen streben. Weder das eine noch das andere hält der gegenwärtigen Realität stand.

Weisen Arbeitsmarkzahlen tatsächlich einen Wandel hin zu höherer Mobilität aus? Auf Grundlage der Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) lässt sich für Deutschland in den Jahren von 1984 bis 2010 keineswegs ein deutlicher Anstieg von Stellenwechseln feststellen (Kattenbach et al., 2014). Während externe Arbeitgeberwechsel in überschaubarem Ausmaß anstiegen, verringerte sich das Ausmaß von Mobilität innerhalb von Organisationen deutlich. Dass dies kein spezifisch deutsches Phänomen ist, fasst zudem eine Studie mit ähnlichen Aussagen für die USA, Japan und weiteren Europäischen Ländern zusammen (Rodrigues & Guest, 2010). Wohlgemerkt unterscheiden sich diese Länder traditionell in ihrer durchschnittlichen Verweildauer bei einem Arbeitgeber (USA am kürzesten, Japan am längsten), ein zeitlicher Trend über die vergangenen Jahrzehnte hinweg ist aber kaum zu verzeichnen. Mit Blick auf den wohl populärsten Aspekt der entgrenzten Karriere, den Übertritt organisationaler Grenzen in Form von Arbeitgeberwechseln, lassen Arbeitsmarktzahlen also keinen bahnbrechenden Wandel erkennen.

Richtet man den Blick auf das Innenleben von Personen, stellt sich zudem die Frage, ob das propagierte Boundaryless Mindsettatsächlich ein zunehmendes Phänomen darstellt. Andersherum betrachtet: Gemessen an der weiten Verbreitung der These, dass die traditionelle, d. h. organisationale Karriere tot sei (z. B. Eby et al., 2003), liegen erstaunlich wenige zuverlässige Informationen über den Verbreitungsgrad entgrenzter Karrierevorstellungen bei den betroffenen Berufstätigen vor. Vielmehr lassen sich auch in jüngeren Studien Hinweise darauf finden, dass eine Lossagung von der traditionellen Karriere beileibe nicht die Regel ist. Qualitative Studien mit Interviews mit Managern und Managerinnen in einer beruflichen Übergangsphase (Clarke, 2013) sowie mit diversen Mitarbeitenden einer öffentlichen Organisation (Lips‐Wiersma & Hall, 2007) legen zwar nahe, dass in Zeiten der Veränderung proaktive Verhaltensweisen gefragt sind, alles in allem wird aus den Aussagen der Befragten aber deutlich, dass nach wie vor ein großes Interesse an organisationalen Karrieren und die entsprechende Unterstützung des organisationalen Karrieremanagements besteht. Der fortgesetzt vorherrschende Wunsch, eine Karriere innerhalb einer Organisation zu entwickeln, wird zudem auch von einer Personengruppe geäußert, die allzu gern als Beispiel für sich verändernde Karriereorientierungen herangezogen wird, nämlich von Angehörigen der Generationen X und Y (King, 2003). Weitere Beispiele dafür, dass die Abkehr von einer traditionellen Karriere nicht uneingeschränkt durch das Streben nach einer Grenzüberschreitung veranlasst wird, liefern Studien an Personen, die den Weg aus einer organisationalen Karriere heraus in eine Portfolio-Karriere (Kombination aus mehreren, oft projektorientierten Tätigkeiten für unterschiedliche Arbeitgeber) gegangen sind. Diese gaben zwar einen Zuwachs an Kontrolle und Freiheit an, berichteten aber gleichzeitig von dem Wunsch nach stärkerer Einbindung in eine Organisation (Cohen & Mallon, 1999). Von solchen Karriereformen ist außerdem bekannt, dass nicht ausschließlich Pull-Faktoren zu einem Eintritt in diese verlocken, sondern dass manch eine oder einer Push-Faktoren wahrnimmt, die eine Fortsetzung einer traditionellen Karriere erschweren, weil bspw. Frauen in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie keine ausreichende Flexibilität in organisationalen Strukturen eingeräumt bekommen haben (Mallon, 1998).

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass wir uns im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts keineswegs (bereits) in einer Ära grenzenloser Karrieren befinden. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass Veränderungen sowohl am Arbeitsmarkt als auch in den Köpfen stattfinden. Allerdings wäre es voreilig, traditionellere Strukturen sowie Orientierungen als obsolet zu deklarieren.

1.1.3 Physische und psychische Mobilität

Die bereits in Ursprungszeiten des Konzepts formulierten Schwerpunkte einer entgrenzten Karriere (Arthur & Rousseau, 1996b; ▸ Kap. 1.1.1, ▸ Textbox 1.1) geben Hinweise auf dessen Breite. Vor allem wurde in der Folge zwischen physischer und psychischer Mobilität unterschieden (Sullivan & Arthur, 2006). Unter physischer Mobilität versteht sich das, woran viele von uns als erstes denken, wenn es um entgrenzte Karrieren geht, nämlich sichtbare Bewegungen über Grenzen der ursprünglichen Arbeitstätigkeit hinweg. Neben dem Wechsel des Arbeitgebers lassen sich hierunter aber auch weitere Bewegungen verstehen wie Positionswechsel innerhalb einer Organisation, geografische Wechsel (u. a. Auslandsentsendungen), der Übertritt in andere Branchen, die Anpassung von Beschäftigungsformen (bspw. den Übergang in eine Teilzeitbeschäftigung) sowie Karrieretransitionen vertikaler oder horizontaler Natur. Gerade Schwerpunkt Nr. 6 aus ▸ Kap. 1.1.1, ▸ Textbox 1.1 weist darüber hinaus auf psychische Anteile der Mobilität hin. Hier geht es also um eine subjektive Orientierung gegenüber den oben genannten Bewegungen, also Abwägungen der Person selbst bezüglich der Attraktivität von und den Möglichkeiten für Grenzüberschreitungen (Sullivan & Arthur, 2006). Nach Briscoe et al. (2006) kann ein Mindset der GrenzenlosigkeitEinstellungen gegenüber einer physischen Bewegung einschließen, geht aber darüber hinaus, indem es auch den Enthusiasmus für den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Beziehungen über die Grenzen einer Organisation hinweg betrifft. Mit der von Sullivan und Arthur (2006) angedachten Zweiteilung der entgrenzten Karriere in physische und psychische Anteile ist im Prinzip die Unterscheidung zwischen einer entgrenzten Karriereorientierung auf der einen und einem konkret beobachtbaren entgrenzten Karriereverlauf auf der anderen Seite angelegt. Dementsprechend operationalisieren sich diese beiden Komponenten sehr unterschiedlich.

Was den psychischen Anteil, also die entgrenzte Karriereorientierung anbetrifft, haben Briscoe et al. (2006) ein zweidimensionales Fragebogeninstrument vorgelegt. Die erste Dimension bezieht sich auf die Präferenz für (physische) Mobilität (Beispiel: »Wenn meine Organisation mir eine lebenslange Anstellung böte, würde ich niemals einen Wechsel in eine andere Organisation anstreben«; übersetzt nach Briscoe et al., 2006, S. 46). Die zweite Dimension thematisiert das Boundaryless Mindset (Beispiel: »Es würde mir Freude bereiten, an Projekten mit Personen aus mehreren Organisationen zu arbeiten«). Diese Skala stellt das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Messung entgrenzter Karriereorientierung dar. Berechtigte Kritik geübt sowie eine Erweiterung vorgelegt wurde von Gubler et al. (2014a), schließlich korrespondiert die Skala von Briscoe et al. (2006) nicht mit jedem der sechs Schwerpunkte, die von Arthur und Rousseau (1996b; ▸ Kap. 1.1.1, ▸ Textbox 1.1) formuliert wurden. Bspw. ist der Aspekt, sich bietende Karriereoptionen zugunsten persönlicher Ziele abzulehnen, in der meist eingesetzten Fragebogenversion nicht vertreten. Festzuhalten bleibt daher, dass die meisten bislang veröffentlichten Forschungsergebnisse zur entgrenzten Karriereorientierung keinen besonders großen Differenzierungsgrad in Hinblick auf die Einstellungen von Personen erlauben.

Macht man es sich zur Aufgabe, das Ausmaß einer entgrenzten Karriere in Form des physischen Anteils der Mobilität, also mittels tatsächlichen Karriereverhaltens, zu operationalisieren, wird schnell klar, dass man einer weitaus komplexeren Herausforderung gegenübersteht als schlicht die Anzahl von Arbeitsplatzwechseln auszuzählen. Studien, die eine größere Differenzierung vornehmen, belegen sehr unterschiedliche Auswirkungen verschiedener Arten beruflicher Bewegungen auf Karriereerfolg (vgl. Ng et al., 2007). So erscheint es z. B. wichtig zu beachten, ob es sich um eine freiwillige oder unfreiwillige sowie durch die Organisation oder die Person selbst initiierte Grenzüberschreitung handelt (vgl. Sullivan & Baruch, 2009).

1.1.4 Kompetenzen zur Bewältigung von Grenzüberschreitungen

DeFillippi und Arthur (1994) postulierten drei Kompetenzbereiche, die sie für ein erfolgreiches Handeln in einer entgrenzten Arbeitswelt für zentral halten. Diese lassen sie mit drei Zielen einer modernen Organisation korrespondieren: dem Aufbau und Erhalt einer Kultur, des Wissens sowie von Vernetzung. ▸ Tab. 1.1 fasst die von DeFillippi und Arthur (1994) benannten Kompetenzen zusammen und orientiert sich neben den individuellen Zielen auch an entsprechenden organisationalen Zielen und Maßnahmen.

Tab. 1.1:Kompetenzen in einer entgrenzten Karriere, angelehnt an DeFillippi und Arthur (1994).

Kompetenz nach DeFillippi und Arthur (1994)

Individuelle Ziele

Organisationale Ziele

Korrespondierende Maßnahmen der Organisation

Know-why

Identität, individuelle Sinnhaftigkeit, Karrieremotive

Unternehmenskultur und eine von der Belegschaft geteilte Vision

Sozialisation, Teambuilding, organisationales Karrieremanagement

Know-how

karrierebezogene Fertigkeiten und Fachwissen

Wissen und Leistungsvermögen des Unternehmens

Stellenbeschreibungen, individuelle Leistungsbeurteilung, Personalentwicklung

Know-whom

Einsatz für Networking, Beteiligung an der Kommunikation über Organisationsgrenzen hinweg, Aufbau von Sozialkapital

Zufluss externer Expertise, Aufbau von Reputation, neue Lernmöglichkeiten

interne und externe Beziehungspflege, Mentoringprogramme

Know-why zielt darauf ab, dem Aufbau organisationsunabhängiger aufgabenbezogener und unternehmerischer Kompetenzen einen Sinn zu verleihen. Bezogen auf die zugrundeliegenden persönlichen Merkmale, die einen Beitrag hierzu leisten können, werden Eby et al. (2003) etwas konkreter: Es geht darum, nach einem tieferen Verständnis der eigenen Karriere zu streben (realistische Karriereerwartungen, Wissen um eigene Stärken und Schwächen, Formulierung spezifischer Karriereziele), proaktiv zu sein (Identifikation und Ergreifen von Handlungsgelegenheiten, Durchhaltevermögen bei Rückschlägen) sowie offen für Erfahrungen(neugieriges Ausprobieren, Aufgeschlossenheit). Kow-how meint die Wissenserweiterung im Sinne einer Rücknahme der Spezialisierung und damit Flexibilisierung des Wissens über den Beschäftigungskontext und die spezielle Arbeitsaufgabe hinaus. Maßgeblich sei eine Karrieremotivation, die auf das Ziel ausgerichtet ist, Fähigkeiten aufzubauen, die sich innerhalb und außerhalb der eigenen Organisation nutzen lassen. Know-whom, bezogen auf das Networking, betrifft den inter-organisationalen Austausch mit Fachkollegen bzw. Fachkolleginnen sowie den Austausch über Hierarchien hinweg. Auch hierfür bieten Eby et al. (2003) Möglichkeiten der Operationalisierung an, nämlich Erfahrung mit einer Mentorbeziehung sowie die Größe interner sowie externer Netzwerke.

1.1.5 Sind entgrenzte Karrieren erfolgreiche Karrieren?

Eine einfache Antwort auf diese Frage lässt sich nicht geben. Grund hierfür ist der Facettenreichtum möglicher in Betracht zu ziehender Faktoren, die den Weg von einer entgrenzten Karriereorientierung, über die relevanten Kompetenzen hin zu einem entgrenzten Karriereverlauf beschreiben. ▸ Abb. 1.1 versucht, ein Modell entsprechender Vorhersagen in ihrer Komplexität darzustellen.

Entgrenzte Karriereorientierung

Ausgangspunkt eines solchen Pfadmodells ist das Ausmaß der entgrenzten Karriereorientierung einer Person. Wie in ▸ Kap. 1.1.3 dargestellt, beschränken sich Studien größtenteils auf die Ermittlung zweier Faktoren unter Verwendung des Fragebogens von Briscoe et al. (2006). Hiermit werden somit die Präferenz für physische Mobilität sowie eine recht allgemeine Form des Boundaryless Mindset zurate gezogen, regelmäßig auch lediglich die erste dieser Dimensionen. Einige der ursprünglich von Arthur und Rousseau (1996b) postulierten Schwerpunkte bleiben somit unberücksichtigt. Ein differenziertes Abbild einer entgrenzten Karriereorientierung würde aber auch weitere Facetten operationalisieren, bspw. die Neigung zu geografischen Veränderungen, den Wunsch nach einem Wechsel des Berufs oder Fachs (ohne notwendigerweise organisationale Grenzen zu übertreten) oder den Einbezug persönlicher Beweggründe in Karriereentscheidungen (vgl. Gubler et al., 2014a).

Wenngleich sich eine ausgeprägte entgrenzte Karriereorientierung nicht notwendigerweise in einen von außen sichtbaren, entgrenzten Karrierepfad übersetzt (Briscoe et al., 2006), verfolgt ein Großteil der Studien zur entgrenzten Karriere die vereinfachende Strategie, entgrenzte Karriereorientierungen in einer vergleichsweise allgemeinen Form direkt mit Karriereerfolg in Zusammenhang zu bringen. Zu einer einheitlichen Befundlage führte dieser Forschungsstrang bislang nicht, immerhin zeichnen sich aber differentielle Vorhersagewerte für die beiden Dimensionen der Karriereorientierung ab, die sich zudem unterschiedlich auf Maße des subjektiven und objektiven Karriereerfolgs beziehen lassen. Zur Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Karriereerfolg sei auf die Erläuterungen im Prolog verwiesen. Für die Präferenz für physische Mobilität wurden eher negative Auswirkungen auf den subjektiven Karriereerfolg nachgewiesen (z. B. Enache et al., 2011; Rodrigues et al., 2015; Verbruggen, 2012). Allerdings existieren auch Studien, in denen sich kein entsprechender Zusammenhang finden ließ (z. B. Volmer & Spurk, 2012). Für die Dimension des Boundaryless Mindset blieben bedeutsame Zusammenhänge mit subjektivem Karriereerfolg in den meisten Studien aus.

Bei den hier geschilderten sowie den meisten vergleichbaren Studien ist zu bedenken, dass eine zeitgleiche Erhebung von Prädiktoren (Karriereorientierung) und Outcomes (Karriereerfolg) nur einen Teil der Wahrheit ans Licht befördern kann. Schließlich wäre es nachvollziehbar, dass eine hohe Neigung zur Mobilität in einem frühen Stadium der Entscheidungsfindung mit Unzufriedenheit assoziiert ist. An diesem Punkt stellt sich auch die Frage der Kausalität: Man weiß, dass sich Personen, die mit ihrer derzeitigen Position (aus welchen Gründen auch immer) unzufrieden sind, auf die Suche nach externen Stellenangeboten begeben und gewillt sind, ein vielversprechenderes Angebot auch anzunehmen (Ng et al., 2005). In einer längsschnittlichen Betrachtung mag sich der oben genannte Zusammenhang demzufolge durchaus umkehren, so dass eine frühere physische Mobilitätspräferenz dann einen Anstieg von Karrierezufriedenheit nach tatsächlich vollzogenem Wechsel vorherzusagen vermag.

Auch bezogen auf den objektiven Karriereerfolg lassen Forschungsergebnisse keine eindeutige Aussage zu. Volmer und Spurk (2011) ermittelten immerhin einen positiven Zusammenhang zwischen der Präferenz zur physischen Mobilität (nicht aber des Boundary Mindsets) und dem Einkommen (nicht aber der Anzahl von Beförderungen). Verbruggen (2012) hingegen konnte sowohl für Einkommen als auch Beförderungen einen positiven Zusammenhang mit dem Boundaryless Mindset ermitteln. Hier blieben Zusammenhänge mit der Mobilitätspräferenz aus (Einkommen) oder gingen in die entgegengesetzte Richtung (Beförderungen). Bezogen auf die Karriereorientierung lässt sich die ursprünglich postulierte These, entgrenzte Karrieren mündeten in ein erfolgreicheres und zufriedenstellenderes Berufsleben (z. B. Arthur, 1994), also nicht halten. Neben fehlenden längsschnittlichen Belegen ist hierbei aber zu bedenken, dass ein vollständigerer Pfad von der Karriereorientierung zum Berufserfolg sicher noch relevante Zwischenschritte enthalten dürfte, wie in ▸ Abb. 1.1 angedeutet.

Abb. 1.1:Facettenreiches Pfadmodell für Karriereerfolg in einer entgrenzten Karriere.

Kompetenzen in einer entgrenzten Karriere

Es ist anzunehmen, dass sich entgrenzte Karriereverläufe nicht automatisch aus den oben beschriebenen Neigungen ergeben, sondern der Erwerb bestimmter, begünstigender Kompetenzen zwischengeschaltet ist (vgl. DeFillippi & Arthur, 1994). So wäre es nur nachvollziehbar, dass das pure Interesse am Arbeiten über organisationale Grenzen hinweg zunächst ein recht distaler Faktor für die Vorhersage tatsächlicher interorganisationaler Zusammenarbeit ist, der geschickte Aufbau und Erhalt eines großen Netzwerks ein proximalerer. Aus dem Ansatz der entgrenzten Karriere heraus ist bislang aber noch recht wenig Konkretes darüber zu erfahren, welche Handlungsstrategien zu einer proaktiven Planung der eigenen Karriere führen oder welche Bewältigungsmechanismen hilfreich sind, um den Übertritt in eine nächste Karrierephase bei gegebener Unsicherheit zu meistern (z. B. Baruch & Vardi, 2016).

Die wenigen Studien, die den Zusammenhang zwischen entgrenzten Karrierekompetenzen und Karriereerfolg näher in den Blick nahmen, vermitteln ein recht uneinheitliches Bild insofern, als dass spezifische Kompetenzen unterschiedliche Auswirkungen auf unterschiedliche Erfolgskriterien zu haben scheinen (Eby et al., 2003; Briscoe et al., 2012).

Wir wissen auch noch recht wenig über Faktoren, die die Enge des Zusammenhangs zwischen Karriereorientierung und Kompetenzen möglicherweise moderieren. Eine solche Funktion käme potenziell u. a. Maßnahmen der organisationalen Personalentwicklung zu. Insgesamt ist dieser Bestandteil des Modells entgrenzter Karrieren bislang deutlich unterbelichtet. Andere Ansätze haben bspw. weitaus mehr zum Aufbau von Adaptabilität (z. B. Savickas, 2013) und zur Stärkung karrierebezogener Ressourcen (z. B. Hirschi, 2012) zu sagen.

Verschiedene Kontextfaktoren könnten eine hemmende bzw. förderliche Wirkung auf die tatsächliche Veranlassung von sichtbaren Karrieretransitionen bei gegebener Neigung und gegebenen Kompetenzen besitzen. Sowohl die Möglichkeit eines Wechsels als auch die Aussicht auf positive Auswirkungen eines Wechsels auf den Karriereerfolg und das Wohlbefinden dürften in hohem Maße auch von der Art des Berufs bzw. der Branche abhängig sein. Man denke bspw. an prototypische IT-Berufe, bei denen starker (auch interorganisationaler) Projektbezug vorherrscht und v. a. produktübergreifendes Wissen gefragt ist. Demgegenüber stelle man sich einen biotechnologischen Entwickler bzw. eine biotechnologische Entwicklerin in der Pharmaindustrie vor, der bzw. die sich sehr spezielles Fachwissen für ein bestimmtes Produkt in langwierigen Entwicklungszyklen aneignet. Zudem herrschen von Industriezweig zu Industriezweig ganz unterschiedliche Gepflogenheiten, was die Durchlässigkeit des Arbeitsmarkes anbelangt. Laut Arthur et al. (2005) können sowohl die Arbeitsmarktlage als auch Umstrukturierungen von Organisationen (z. B. Verflachung der Hierarchien) dazu führen, dass eine Beschäftige bzw. ein Beschäftigter die Möglichkeiten für eine inter- oder intraorganisationale Mobilität als hoch einschätzt. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Person sich durch die Erweiterung ihres Wissens über die Belange der gegenwärtigen Arbeitsaufgabe hinaus für andere Aufgaben qualifiziert hat. Dies müsse laut Arthur et al. (2005) nicht unbedingt zu einer faktischen inter-organisationalen Mobilität führen, möglicherweise bilde dies aber die Grundlage zur Nachverhandlung der Beschäftigungssituation im angestammten Unternehmen. Als ein letztes Beispiel für einen moderierenden Faktor wäre der Zugang zu extraorganisationaler Unterstützung zu nennen (Arthur et al., 2005). Die erfolgreiche Umsetzung einer Karrierebewegung kann, neben dem Einfluss intraorganisationaler Unterstützer bzw. Unterstützerinnen (z. B. Kollegen bzw. Kolleginnen, Vorgesetzte), gefördert werden durch Personen, die sich außerhalb der Organisation befinden. Mit der Zuwendung zu extraorganisationalen Netzwerken (z. B. Fachkollegen bzw. Fachkolleginnen, Alumni) eröffnen sich neue persönliche Entwicklungsmöglichkeiten.

Entgrenzte Karriereverläufe

Es existiert eine recht hohe Anzahl von Studien, die die direkte Verknüpfung zwischen entgrenzten Karriereverläufen im Sinne des Ausmaßes von beobachtbarer Mobilität und Karriereerfolg adressierten. In den meisten Fällen fand hier allerdings kein expliziter Rückbezug auf vorauslaufende Karriereorientierungen und/oder Kompetenzen statt, die eine unmittelbare Einordnung in das Konzept der entgrenzten Karrieren erlaubten.

Sichtbares entgrenztes Karriereverhalten lässt sich grob noch einmal unterteilen in interorganisationale Mobilität (Wechsel von einem Arbeitgeber zum anderen), intraorganisationale Veränderungen (Auf- und Abstiege innerhalb der Organisationshierarchie, horizontale Mobilität), berufs- bzw. fachbezogene Übertritte (Änderung der Berufsbezeichnung, Übergang in einen anderen Fachbereich oder eine andere Branche) und geografische Mobilität (z. B. Auslandsentsendungen). Einen Schritt über die Betrachtung der schlichten Anzahl von Bewegungen hinaus gehen zudem vereinzelte Studien, die Karriereverlaufsmuster in den Blick nehmen und es dabei erlauben, Kombinationen aus den oben genannten Kategorien zu berücksichtigen. Bei der Vorhersage von Karriereerfolg sind zudem weitere Differenzierungen des Mobilitätsverhaltens zu vollziehen. So gestalten sich die Beziehungen zwischen Grenzüberschreitungen und Erfolg recht unterschiedlich je nach persönlichem Hintergrund sowie kontextuellen und strukturellen Faktoren (▸ Abb. 1.1).

Einen Überblick über Studien zu entgrenzten Karriereverläufen und ihren Vorhersagewert für Karriereerfolg haben Guan et al. (2019) vorgelegt. Ergebnisse zu den Auswirkungen interorganisationaler Mobilität gestalten sich demnach recht uneinheitlich, maßgeblich beteiligt an Richtung und Ausmaß der Wirkung auf Karriereerfolg erscheinen sowohl personenbezogene als auch kontextuelle Faktoren. Bspw. weisen mehrere Studien für die USA, Deutschland und weitere europäische Länder darauf hin, dass ein Zugewinn an Einkommenin Folge häufigerer Arbeitgeberwechsel für jene Personen größer ist, die sich noch am Anfang ihrer Karriere befinden (z. B. Davia, 2010; Dustmann & Pereira, 2008; Fuller, 2008). Zudem scheinen mitunter Einflussfaktoren wie die Art des Berufs und das Qualifikationsniveau, das Geschlecht und das Ausgangsniveau der Position eine Rolle zu spielen (vgl. Guan et al., 2019). Ein gewichtiger Moderator für die Auswirkungen auf Erfolg ist die Freiwilligkeit des Wechsels. Hierzu liegen zahlreiche Studien für unterschiedliche Länder vor. Längsschnittliche Studien aus deutscher Perspektive deuten auf einen Vorteil freiwilliger gegenüber unfreiwilligen Arbeitsplatzwechseln bzgl. der Gehaltsentwicklung hin (Perez & Sanz, 2005; Schmelzer, 2012). Freiwillige Wechsel erwiesen sich aber nicht in allen Studien als stärker einkommensförderlich als ein Verbleib in derselben Organisation. Latzke et al. (2016) konnten zudem Unterschiede zwischen Berufsgruppen in Hinblick auf Zufriedenheitszuwächse feststellen: am weitaus größten waren diese bei Hochqualifizierten (Management, Spezialisten). Ein Arbeitsplatzwechsel, der über eine vorübergehende Phase der Arbeitslosigkeit führte, erwies sich für die Gehaltsentwicklung als schädlich (Schmelzer, 2012).

Effekte intraorganisationaler Mobilität auf den Erfolg hängen u. a. von der Richtung der Bewegung (Aufwärts- vs. Abwärts- oder Horizontalbewegung) und abermals von der Freiwilligkeit ab. Intraorganisationale Bewegungen erwiesen sich in einer längsschnittlichen Befragung von Rigotti et al. (2014) dann als vorteilhaft für die Karrierezufriedenheit, wenn die empfundene Passung zwischen persönlichen Eigenschaften und der neuen Arbeitsaufgabe anstieg. Interessanterweise zogen in dieser Studie intraorganisationale Aufstiege aber auch negative Konsequenzen nach sich: Vermittelt v. a. durch einen höheren Zeitdruck und stärkere Konflikte zwischen Berufs- und Privatleben, berichteten Personen nach Aufwärtsbewegungen von stärkerer Belastung. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass selbst innerhalb der subjektiven Rekapitulation des eigenen Erfolgs auf unterschiedlichen Teildimensionen durchaus entgegengesetzte Effekte möglich sind.

Mobilität kann zudem daran gemessen werden, inwiefern eine Person den Pfad ihrer ursprünglichen Profession verlässt (Beispiel: ein Maschinenbauingenieur in der Produktion wird zum Programmierer) bzw. einen Branchenwechsel vollzieht. Effekte solcher Bewegungsarten sind weniger gut erforscht und erweisen sich teils als positiv (z. B. in Hinblick auf Arbeitszufriedenheit und Einkommen; Carless & Arnup, 2011), teils als negativ (z. B. weniger langfristige Stellenangebote nach häufigem Branchenwechsel; King et al., 2005).

Eine Studie zu Karriereverläufen von Informatikerinnen und Informatikern von Joseph et al. (2012) kann als Beispiel für den vielversprechenden Ansatz dienen, Verlaufsformen über lange Zeiträume des Berufslebens hinweg in den Blick zu nehmen, statt sich lediglich auf die Anzahl von Karrierewechseln zu konzentrieren. Zwischenzeitliche Wechsel in den Bereich der Informationstechnologie, gefolgt von einer Rückkehr in den Nicht-IT-Bereich, erwiesen sich dann als umso schädlicher für den Gehaltsverlauf, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt im Karriereverlauf stattfanden.

Eine weitere Form von Grenzüberschreitungen, die nicht notwendigerweise mit einem Wechsel der Organisation oder des Berufs verbunden ist, besteht in geografischen Wechseln. Internationale Karrieren entsprächen insbesondere dann einer typischen entgrenzten Karriere, wenn ein Wechsel in ein anderes Land selbstinitiiert erfolgt. Genau diese Fälle zeichnen sich im Durchschnitt aber durch einen Rückgang sowohl des Einkommens als auch interessanter Herausforderungen aus (Tharenou, 2009). Demgegenüber münden organisational veranlasste Auslandsentsendungen eher in einem Anstieg des Karriereerfolgs.

Abb. 1.2:Dreidimensionales Modell organisationalen Commitments.

1.1.6 Bedeutung entgrenzter Karrieren für die Bindung an eine Organisation

Ohne jeden Zweifel zählen das Aufweichen eines psychologischen Vertrags zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten (Rousseau, 1995) sowie das Überschreiten der Grenzen eines einzelnen Beschäftigungsverhältnisses (DeFillippi & Arthur, 1994) zum Kern einer entgrenzten Karriereorientierung. Folgerichtig wurde wiederholt der Zusammenhang zwischen einer entgrenzten Karriereorientierung und dem Ausmaß des organisationalen Commitments untersucht. Zum Verständnis organisationalen Commitments, gemäß dem dreidimensionalen Modell nach Meyer und Allen (1991), sei auf ▸ Abb. 1.2 verwiesen. Vergleichsweise eindeutig sind die Befunde bezüglich der physischen Mobilitätspräferenz: Personen, die eine hohe Neigung zu interorganisationalen Bewegungen angeben, berichten gleichzeitig von einem eher niedrigem organisationalen Commitment (Briscoe & Finkelstein, 2009; Çakmak-Otluoğlu, 2012; Enache et al., 2013). Es ist zudem davon auszugehen, dass die in dieser Facette geäußerte Präferenz für organisationale Wechsel auch in entsprechendes Wechselverhalten mündet (Hom et al., 2012). Komplexer gestaltet sich die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen einem Boundaryless Mindsetund den Facetten organisationalen Commitments. Bezogen auf das kalkulatorische Commitment, d. h. der Sorge, auf Grundlage von Kosten-Nutzen-Abwägungen zu viele Nachteile durch einen organisationalen Wechsel zu erleiden, deuten einige Ergebnisse zwar auf einen negativen Zusammenhang zum Boundaryless Mindset hin (z. B. Briscoe & Finkelstein, 2009; Enache et al., 2013). Im Hinblick auf das affektive Commitment kann sich ein hohes Ausmaß eines Boundaryless Mindsets hingegen auch als förderlich erweisen (z. B. Enache et al., 2013). Positive Effekte sind hierbei aber offensichtlich auf das zusätzliche Vorhandensein günstiger Faktoren angewiesen, z. B. eine werteorientierte Einstellung der Person (Fernandez & Enache, 2008) und/oder organisationale Praktiken zur Förderung der Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Rodrigues et al., 2015).

1.2 Die proteische Karriere (Protean Career)

Eine zentrale Idee der proteischen Karriere (Protean Career; Hall, 1976, 1996) ist die Betrachtung von Bestrebungen und Fähigkeiten einer Person, die eigene Karriereentwicklung eigenverantwortlich und stets von Neuem auf sich verändernde Umstände sowie auf ihre individuellen Werte auszurichten. In seiner Ursprungsarbeit definierte Hall die proteische Karriere als »einen Prozess, den die Person, nicht die Organisation, gestaltet. Sie setzt sich aus allen möglichen Erfahrungen der Person in Ausbildung, Training, Arbeit in unterschiedlichen Organisationen, Veränderungen im beruflichen Umfeld etc. zusammen. Die proteische Karriere ist nicht das, was einer Person innerhalb einer bestimmten Organisation widerfährt.« (übersetzt nach Hall, 1976, S. 201). Damit stellt die proteische Karriere einen Gegenentwurf zum traditionellen Laufbahnverständnis dar, in dem sich Karriereerfolg etwa an einem Aufstieg innerhalb einer Organisation bemessen ließ. An die Stelle von durch die Organisation gesteuerten Belohnungen tritt der individuelle, »psychologische Erfolg« (Mirvis & Hall, 1994). Gemeint ist hiermit die Ausrichtung der Karriere auf das, was vom Individuum als bedeutungsvoll bewertet wird, im Kontrast zu objektiven, von außen kommenden Kriterien wie die hierarchische Position oder das Einkommen (Hall, 2004).

Zum Grundverständnis der proteischen, im Kontrast zur traditionellen Karriere, sei zunächst das Konzept der Lernzyklen vorgestellt. Danach werden wir uns dem Prozess der proteischen Karriere von der proteischen Karriereorientierung, über proteische Karrieremechanismen, bis hin zu Forschungsergebnissen in Hinblick auf die Outcomes einer proteischen Karriere zuwenden.

1.2.1 Lernzyklenin proteischen Karrieren

Die Abkehr von der Vorstellung eines stetigen Anwachsens von Expertise bzw. Leistungsfähigkeit mit den Jahren an Berufserfahrung – und zwar innerhalb einer Organisation und eines Aufgabenbereichs – lässt sich besonders gut entlang des Konzepts der Lernzyklen (Mirvis & Hall, 1994) nachvollziehen. ▸ Abb. 1.3 veranschaulicht, was hiermit gemeint ist. Die Person altert innerhalb einer proteischen Karriere nicht deckungsgleich mit ihrem Lebensalter, sondern setzt durch wiederholte, willentliche Neuausrichtungen auf neue Arbeits- und Lerninhalte ihr Karrierealter zurück. Der Erwerb von Expertise bzw. Leistungsfähigkeit läuft in Zyklen ab, die jeweils ihren Ausgangspunkt in der Exploration neuer Arbeitsaufgaben nehmen. Nach einer zwischenzeitlichen Phase der Erprobung (»Trial« gem. Mirvis & Hall, 1994) schließt sich die Etablierung (»Establishment«) des neu Gelernten im Arbeitsalltag an. Die Lernentwicklung mündet dann in einem mehr oder minder lang andauernden Plateau hohen Expertentums (»Mastery«/»Maintenance«), in dem das erworbene Wissen für komplexe Herausforderungen vorgehalten wird. Für das proteische Konzept entscheidend ist, dass auf diesem Plateau nicht lange verweilt, stattdessen eine Loslösung und die Entdeckung neuer Lernmöglichkeiten in Gang gesetzt wird. Ein nächster Zyklus, neu ausgerichtet auf Erfordernisse einer sich verändernden Arbeit sowie die jüngst hinzugewonnenen Erkenntnisse bzgl. eigener Bedürfnisse, lässt ein neues Karrierealter beginnen. Die Leistungsfähigkeit fällt dabei vorübergehend, in Zeiten der Exploration und des Erprobens, auf ein niedrigeres Niveau zurück. Über mehrere Lernzyklen hinweg verschiebt sich die Leistungsfähigkeit aber i. d. R. weiter nach oben, weil jeder neuerliche Zyklus auf der Reflektion der gesammelten Erfahrungen vorheriger Zyklen aufbaut.

Abb. 1.3:Lernzyklen im Modell der proteischen Karriere in Anlehnung an Mirvis und Hall (1994).

1.2.2 Proteische Karriereorientierung

Den Ausgangspunkt einer erfolgreichen proteischen Karriere stellt die proteische Karriereorientierung dar, d. h. eine Haltung (im Original »Mindset« genannt), in der sich Personen unterscheiden können (▸ Abb. 1.4, links). Eine solche Orientierung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Erstens die Bestrebung zur eigenverantwortlichen Karrieresteuerung (z. B. Hall, 2004), d. h. der Wille, aktiv federführend bei der Gestaltung der eigenen Karriere zu sein. Personen mit hohen Ausprägungen auf dieser Dimension stehen gleichzeitig einer allzu starken externen Kontrolle ihrer Laufbahnentwicklung ablehnend gegenüber. Als zweiten Faktor der proteischen Karriereorientierung ist die intrinsische Werteorientierung zu nennen (z. B. Hall, 2004). Dahinter steht das Bedürfnis, solche Karriereentscheidungen zu treffen, die von individuellen Werthaltungen angetrieben werden (z. B. Briscoe & Hall, 2006). Das Verständnis von Berufserfolg ist intern, im Sinne des obengenannten psychologischen Erfolgs ausgerichtet. Eine vollständige Ausbuchstabierung dessen, welcher Gestalt diese Werte sein können, ist das Konzept bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings schuldig geblieben. Häufig wird in diesem Zusammenhang von Freiheit und persönlichem Wachstum gesprochen (Hall, 2004). Zusammengefasst bildet der erste Faktor die Willenskraft und Handlungsorientierung einer Person ab, der zweite Faktor versieht dieses Streben mit einem Sinn bzw. einer wertebezogenen Priorisierung (Briscoe et al., 2006).

Die einstellungsbezogene Grundlage eines proteischen Karriereprozesses – und damit einer angemessenen Reaktion auf eine sich verändernde Umwelt – bildet hierbei das Zusammentreffen hoher Ausprägungen einer Person in sowohl der Bestrebung nach selbstverantwortlichem Karrieremanagement als auch der Orientierung an intrinsischen Werten. Abweichungen von dieser Konfiguration haben jeweils maladaptive Konsequenzen (Briscoe & Hall, 2006), die in ▸ Abb. 1.5 zusammengefasst sind. Eine niedrige Ausprägung auf beiden Faktoren führt dieser Auffassung nach zu einer abhängigen Karriere, in der eine Person weder werteorientierte Prioritäten setzt noch ihre Karriere eigenverantwortlich gestaltet. Eine reaktive Karriere ist beschrieben durch das vorhandene Streben nach eigenverantwortlichem Karrieremanagement, ohne dass dieses einen sinngebenden Abgleich mit inneren Werten erführe. Als rigide bezeichnen Briscoe und Hall (2006) die Karriereorientierung von Personen, die zwar wertgetrieben sind, denen es aber an der Willenskraft fehlt, sich an die Leistungs- und Lernerfordernisse ihrer Karriere anzupassen.

Abb. 1.4:Der proteische Karriereprozess in Anlehnung an Hall et al. (2018).

Abb. 1.5:Konfiguration zweier Faktoren der proteischen Karriereorientierung, in Anlehnung an Briscoe und Hall (2006).

Die proteische Karriereorientierung stellt die – im Vergleich zu den im Folgeabschnitt erläuterten Karrieremechanismen – bei weitem intensiver erforschte Komponente des proteischen Karriereprozesses dar (▸ Kap. 1.2.4). Das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Erhebung proteischer Karriereorientierung ist die Protean Career Attitudes Scale (PCAS; Briscoe et al., 2006), für die Gasteiger (2007) eine deutsche Übersetzung vorlegte. Der Fragebogen mit 14 Items erlaubt die Bildung zweier Skalenwerte für die Neigung zu selbstverantwortlichem Laufbahnmanagement (Beispiel: »Es hängt letzten Endes von mir selbst ab, meine berufliche Laufbahn voranzutreiben«) sowie Werteorientierung (Beispiel: »Mir ist am wichtigsten, wie ich selbst zu meinem beruflichen Erfolg stehe, und nicht, was andere davon halten«). Empirische Studien deuteten allerdings an, dass die beiden Dimensionen dieses Instruments keine differenzierteren Vorhersagen für karrierebezogene Outcomes erlauben als ein zusammengefasstes Maß (Baruch, 2014; Herrmann et al., 2015). Eine differenzierte, kritische Rekapitulation der zur Verfügung stehenden Instrumente legten Gubler et al. (2014b) vor.

1.2.3 Proteische Karrieremechanismen

Auf der Grundlage einer bestehenden proteischen Karriereorientierung aufbauend, stellen proteische Karrieremechanismen das Bindeglied zu einer erfolgreichen proteischen Karriere dar (▸ Abb. 1.4, Mitte). Gemeint ist hiermit die Ingangsetzung eines proteischen Karriereprozesses mittels sogenannter Metakompetenzen (Hall, 1996), d. h. solcher Kompetenzen, die es einer Person erleichtern, sich andere, spezifischere Fertigkeiten anzueignen. Anfänglich wurden zwei Metakompetenzen formuliert, Identitätsbewusstsein und Adaptabilität. In neueren Schriften kam die karrierebezogene Handlungsfähigkeit hinzu (Hall et al., 2018).

Identitätsbewusstsein bezeichnet eine Metakompetenz in Form eines inneren Kompasses, der die Person auf dem Weg einer selbstverantwortlichen Karrieregestaltung leitet. Bevorteilt sind diesbezüglich Personen, die über ein differenziertes Bewusstsein für ihr berufliches Selbstkonzept verfügen. Dies schließt das Einholen von Feedback und die Ausformung einer akkuraten Selbstwahrnehmung ebenso mit ein wie die Modifikation des Selbstkonzepts, falls hierfür Veranlassung besteht (Hall & Chandler, 2005). Auf dem Weg zu einem subjektiven, d. h.