Käse machen - Sibylle Roth-Marwedel - E-Book

Käse machen E-Book

Sibylle Roth-Marwedel

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Beschreibung

Käse herstellen in der eigenen Küche: Mit diesem Käsebuch wird das möglich. Von schnell gemacht bis monatelang gereift finden Sie hier 40 bestens erprobte Käsekreationen für kleine Mengen aus Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch. Ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Stepfotos für Skyr, Frischkäse, Camembert, Aschekäse, Blauschimmelkäse, Mozzarella, Pecorino und viele mehr, hervorragend erklärt und mit über 500 Fotos und 50 Zeichnungen illustriert. Am Ende jedes Rezepts gibt es eine Kurzanleitung für „Wiederholungs-Käser“. Tauchen Sie ein in die Welt von Dicklegung und Reifung, Rühren und Wenden und lernen Sie mit diesem Buch das Käsemachen von der Pike auf.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 507

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Sibylle Roth-Marwedel und Anja Schnellbeck

KÄSE MACHEN

GRUNDLAGEN, TECHNIKEN UND 40 REZEPTE

INHALT

Käse machen – immer etwas geheimnisvoll

Kostbarer Rohstoff Milch

Hofgeschichte:Auf Hof HimP ganz nah am Tier

Hofgeschichte:Regenerative Landwirtschaft in der Milchschäferei Amalia

Hofgeschichte:Feine Kost aus der Ziegerei

Exkurs:Wundersame Wiederkäuer

Die Milch – ohne sie gibt’s keinen Käse

Die Qualität der Milch

Exkurs:Geniales Kleegras

Welche Milch ist für die Verarbeitung zu Hause geeignet?

Die Hilfe der Natur beim Käsemachen

Die Dicklegung der Milch

Unverwechselbar: Die Eigenschaften einer Käsesorte

Exkurs:Europas Käsetradition

Milch, Kultur, Lab und Salz: von der Milch zum Käse

Damit es Spaß macht: Einstieg in die Praxis

Gerätschaften in der Käseküche

Die Grundtechniken

1Anwärmen

2Kulturzugabe und Säuerung

3Labzugabe und Dicklegung

4Prüfen der Gallerte

5Schneiden des Bruchs

6Rühren im richtigen Tempo

7Molke abschöpfen und Bruch waschen

8Ausrühren und Bruch prüfen

9Abfüllen

10Abtropfen und Durchsäuern

11Wenden, wenden, wenden …

12Pressen für festen Käseteig

13Salzen

14Reifung und Rindenbildung

Raffinierte Zutaten-Variationen für Ihre Käseküche

Exkurs:Hofkäsereien – die Kunst des Milchhandwerks

Käsegeschichte:die Hügelalma aus Kuhmilch

Käsegeschichte:Roggen Blau, der Edelpilzkäse aus Schafmilch

Käsegeschichte:das Goldstück aus Ziegenmilch

Die Rezepturen

Bevor Sie anfangen

Gruppe 1: Joghurt, Kefir und Buttermilch

1Stichfester JoghurtVariante: Joghurt mit Fruchtspiegel

2Gerührter Joghurt

3Abgetropfter JoghurtVariante: Abgetropfte Joghurttörtchen

4Kefir aus der KnolleVariante: Kefir-FrischkäseVariante: Milder Kefir

5Butter und Buttermilch

Gruppe 2: Sauermilch, Quark und Frischkäse

6Dickmilch

7Schwedenmilch

8Skyr

9Quark

10Schichtkäse

11Frischkäse aus Kuhmilch in zwei Varianten

12Frischkäse aus ZiegenmilchBesonderheiten der Ziegenmilch

13Frischkäse aus SchafmilchBesonderheiten der Schafmilch

14Gereifter Frischkäse aus ZiegenmilchVariante: Valencay

15Hüttenkäse mit Lab

16Hüttenkäse mit Zitrone

Gruppe 3: Weichkäse

17Weichkäse Nummer eins

18Crescenza

19Hirtenkäse in Salzlake

20Der RoteVariante: Weichkäse Rot-Weiß

21CamembertVariante 1: Milder CamembertVariante 2: Traditioneller, würziger Camembert

22Aschekäse

23Weiß und Blau

24Bleu de Cuisine – Blauschimmelkäse aus Schafmilch

25Mozzarella

Gruppe 4: Schnitt- und Hartkäse

26Schnittkäse Nummer eins

27Schnittkäse nach Art des Gouda

28Möhrengouda

29Schnittkäse nach Art des Tilsiter

30Tomme

31Pecorino

32Hartkäse

Gruppe 5: Verschiedene Spezialkäse

33Paneer

34Ofenkäse

35Bratkäse Pfannentaler

36Grillkäse

Gruppe 6: Molke

37Sauermolke-Mixgetränke

38Ricotta aus Kuhmilch

39Brunost Karamell

40Brunost herzhaft

Service

Glossar

Bezugsquellen

Zum Weiterlesen

Informationen rund um Milch und Käse

Die Autorinnen

Danke

KÄSE MACHEN – IMMER ETWAS GEHEIMNISVOLL

In der eigenen Küche Käse herstellen und in der eigenen Wohnung Käse reifen – geht das überhaupt? Mit dieser Frage machten wir uns vor zwei Jahren an das Wagnis eines Käsebuches (vorweggenommen: die Antwort ist ja!). Wir verwandelten die Küche in eine Käsewerkstatt und starteten. Jeder Handgriff und jede Erfahrung wurde in Wort und Bild festgehalten. Viele Liter Milch sind dabei geflossen, Kolleginnen und Kollegen wurden stets aufs Neue konsultiert, wir hatten Verkostungen mit und ohne Fachleute, kurz, es war ein großes Abenteuer – und ein gutes. Bekannte, Kolleginnen und Freunde gehen immer noch ans Telefon, wenn wir anrufen, auch die Küche steht noch. Alles gut gelaufen in der Hauskäserei.

Jetzt liegt das Buch vor uns. Seit der Eingangsfrage ist eine Zeit vieler Erfahrungen und einiger Überraschungen vergangen. Das Käsen als Handwerk kennen wir aus beruflicher Erfahrung gut, aber in der Hauskäserei stellen sich andere, neue Fragen, etwa zur Handhabung der Milchmengen, zur Reifung usw. Die Grundlagen aber bleiben gleich: Milch, Kultur, Lab und (meistens) Salz sind die Basiszutaten. Weitere „Zutaten“ sind Erfahrung und Kenntnis der Vorgänge im Käsetopf – damit ist nicht nur die eigene, sondern durchaus die Erfahrung anderer gemeint. Sie fließt in Überlieferung und Tradition mit ein und liegt auch unseren Käserezepten zugrunde (Kapitel 3 ab Seite 147). Wir haben Bewährtes für kleine Mengen abgeändert, ausprobiert und für die Hauskäserei zugeschnitten. Dabei sind fast nur Gerätschaften aus dem Haushalt zum Einsatz gekommen, einzig eine Tropfpipette, einige Käseförmchen und Abtropfmatten haben wir angeschafft.

Was möchten Sie in Ihrer Käseküche erfahren, erleben und kosten?

Worauf haben Sie Appetit? Wie tief möchten Sie in die Materie einsteigen? Soll nächste Woche zum Abendessen mit Freundinnen und Freunden ein feiner Frischkäse auf dem Tisch stehen, den es sonst nirgendwo gibt? Oder sind Sie bereit, sich mit den Herausforderungen der Käsereifung auseinanderzusetzen und einige Wochen abzuwarten, bis Sie das Ergebnis sehen, riechen und schmecken?

Mit den Grundtechniken im zweiten Kapitel kommen Sie diesen Fragen näher (ab Seite 53). Hier geht es um das allgemeine Warum und Wie, den Hintergrund des Käsens – spannend auch für diejenigen von Ihnen, die nicht unbedingt selbst zu Thermometer, Topf und Kelle greifen möchten.

Das Käsemachen hat verschiedene Aspekte.

Aktivität und Beobachtung wechseln einander während des Käsens ab. Einerseits tun wir etwas mit unseren Händen, zum Beispiel beim Schneiden der Gallerte oder Rühren des Bruchs. Andererseits schauen wir uns genau an, was im Käsetopf geschieht, um den nächsten Schritt einzuleiten oder noch eine Weile bis dahin abzuwarten. Das kann manchmal eine kleine Geduldsübung sein. Spätestens aber während der Käse reift – es können immerhin Wochen oder Monate sein – wird die Geduld zur notwendigen Tugend!

Viel Entscheidendes im Käsetopf passiert scheinbar von selbst. Unsichtbare Helfer, die Mikroorganismen, sind aktiv am Werk. Wir dagegen sehen, riechen und schmecken „nur“ das Ergebnis. Das Käsen bleibt damit auch für erfahrene Käserinnen wie uns immer geheimnisvoll, experimentell, überraschend und aufregend.

Begeisterung für die Kunst des Käsemachens – und für das „Drumherum“

Das Vergnügen beim Käsen und die Freude am Erfolg möchten wir mit Ihnen teilen und Sie ermuntern, mit dem Entdecken der kleinen Wunder anzufangen. Ganz einfach gelingt zum Beispiel der Paneer (Rezept 33), für den Sie nichts weiter brauchen als einen kleinen Einkauf im nächsten Supermarkt. Es geht sogar ohne Thermometer.

Dass beim Thema Käse die Wertschätzung für die Milch nicht zu kurz kommen darf, versteht sich von selbst, denn die Käsekunst ist nur mit Landwirtschaft und Tierhaltung zusammen zu denken. Dem kostbaren Rohstoff und seiner Quelle widmen wir das erste Kapitel und beginnen mit den Hofgeschichten – einer Hommage an Kühe, Schafe und Ziegen.

Liebe Büffel,

es war uns aus Zeit- und Platzgründen leider nicht möglich, euch und eure fantastische, sahnige Milch in diesem Buch zu würdigen. Wir entschuldigen uns und bitten euch um Verzeihung! Die Autorinnen

VORWORT VON CHRISTIAN GAZZARIN

Schon mal dran gedacht, selber Käse zu machen? Zunächst braucht es nur etwas Milch, Bakterien und Lab dazu – dann aber kommt das Handwerk. Es ermöglicht eine schier unendliche Anzahl an Variationen von Joghurt, Quark und Frischkäse über Camembert, Tomme und Pecorino bis hin zu Paneer, Brat- und Grillkäse…

Doch wie lässt sich einzig mit einem scheinbar so trivialen Rohstoff wie Milch eine solche Vielfalt von Produkten herstellen? Im Buch offenbart sich die Kunst dieses Handwerks. Durch die Beschreibungen der charakteristischen Handgriffe und Tätigkeiten gewinnt man als angehende Hobby-Käserin und -Käser das Vertrauen, es auch selbst schaffen zu können: Jede und jeder kann sich in der eigenen Küche auf den Weg machen, es zu erlernen und zu praktizieren.

Um den selbstgemachten Käse auch selbstsicher und mit Stolz seinen Freunden und Freundinnen anbieten zu können, braucht es viel Wissen. Es fängt bereits mit dem Wissen um die Milch an, einem lebendigen Wunderstoff, sei es von der Kuh, dem Schaf oder der Ziege. Und hier setzt eine Faszination an, die Lust macht, die Rezepturen allesamt mindestens einmal auszuprobieren.

Selber machen ist von jeher eine Quelle des Glücks – und wer nun mit dieser Milch zusammenarbeitet, fühlt sich bald mit ihr und mit der Welt verbunden und erlebt eine genussvolle Arbeit, die zufrieden macht. Denn „letztlich ist jeder Käse eine kleine eigene Welt für sich“, wie es im Buch so schön heißt.

Christian Gazzarin ist Diplom-Ingenieur für Landwirtschaft und arbeitet am Schweizer Forschungsinstitut Agroscope zu Themen rund um die Wiederkäuerhaltung. Außerdem ist er praktischer Schafhalter und Imker.

KOSTBARER ROHSTOFF MILCH

HOFGESCHICHTE: AUF HOF HIMP GANZ NAH AM TIER

In der Vorgeest, einer ländlichen Region mit sandigen Böden mitten in Schleswig-Holstein, sind Milchkühe zu Hause. Hier liegt Hof HimP, den Kirsten Staben 2016 von ihren Eltern übernommen und auf Bio-Landwirtschaft umgestellt hat. Sie hat ihren Hof umbenannt in Hof HimP, das bedeutet: Hier ist mein Platz. Eine klare Ansage.

ZAUBER, ZWIEBACK, ZEHN UND JUMBO: WIE ZWIEBACK UND JUMBO ZU ZWILLINGEN WURDEN

Zauber, Zwieback, Zehn und Jumbo sind die Namen von vier Schwerenötern, die in ihrem ersten Lebensjahr Hof HimP und seine Umgebung unsicher machten. Dabei sprechen wir nicht etwa von Artisten oder Elefanten, sondern von vier Kälbern aus dem Jahre 2020, einem sogenannten „Z“-Jahr. Das bedeutet, dass alle weiblichen Kälber in diesem Jahr einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben „Z“ bekommen, ein Bullenkalb hingegen darf man nach Belieben taufen – so wurde es „Jumbo“. Die vier Kälber durften bei ihren Müttern aufwachsen und vier ganze Monate in der 50-köpfigen Herde mitlaufen. Nach den ersten Tagen mit der Mutterkuh in einer Einzelbox wurden sie unter dem wachsamen Auge von Betriebsleiterin Kirsten Staben in die große Herde entlassen. Das verursachte weniger Wirbel als erwartet – ein gutes Zeichen, heißt es doch nicht weniger, als dass die Herde entspannt ist und den lebhaften und ungestümen Nachwuchs einfach mal für eine Weile mitnimmt. Allerdings wurde der kleine Jumbo von seiner Mutter, die erstmals ein Kalb bekam, nicht angenommen. Er aber wusste sich schnell zu helfen, lief über zur Mutter von Zwieback und hatte Glück: Sie zog ihn mit auf, als Zwilling von Zwieback.

VON DER MUTTERGEBUNDENEN KÄLBERAUFZUCHT

… handelt die zuvor beschriebene Geschichte. Was sich idyllisch anhört, ist in der Realität ein aufwendiges Verfahren, um den Nachwuchs in der Milchviehherde aufzuziehen. Man braucht viel Platz für die Tiere und Zeit für die Beobachtung – und die Trennungsphase von Mutterkuh und Kalb ist nach einigen Monaten des Miteinanders schmerzlich, sodass diese Zeit gut geplant und gestaltet wird. Auf Hof HimP ist dafür gesorgt, dass Kuh und Kalb nach der Trennung Sicht-, Riech- und Hörkontakt haben – der Laufhof der Kühe liegt gleich neben dem geräumigen Kälberstall. „Einige Tiere haben es schwerer als andere und meckern einige Tage an der Abtrennung zu den Kälbern, doch sie gewöhnen sich daran“, berichtet Kirsten Staben. Insgesamt ist sie zufrieden mit dem Verlauf. Es war das erste Jahr, in dem sie es mit der muttergebundenen Aufzucht versucht hat.

Die Zeit, in der die Kälber mit der Herde mitliefen, war mitunter recht aufregend, denn die Weide neben dem Stall hatte noch keinen kälberfesten Zaun. Also machten sich die vier schon mal auf zu einer Erkundungstour. „Dass sie mehrmals ausgebüxt sind, war kein gutes Management“, sagt die ausgebildete Landwirtin schmunzelnd, „und das wird so ganz bestimmt nicht wieder vorkommen, im nächsten Jahr werden wir die Zäune entsprechend herrichten. Aber ein bisschen Spaß gemacht hat es trotzdem!“

Auf Hof HimP werden die ersten Gehversuche mit der muttergebundenen Aufzucht gemacht. Zunächst ist sie nur im Sommer möglich – die Stallkapazität reicht für die Winterkälber noch nicht aus. Dafür soll durch Umbauten im Stall weiterer Platz geschaffen werden.

„Die Kälber, die von den Müttern aufgezogen wurden, sind kernig, gesund und fit. Robust sind sie auch, denn sie lernen auch im Sozialen mehr, wenn sie mit ihren Müttern in der Herde mitlaufen und mit anderen, älteren Tieren klarkommen müssen. Es ist einfach ein ganz anderes Leben“, erzählt die Betriebsleiterin. Sie freut sich auf den nächsten Sommer und weitere Erfahrungen mit der muttergebundenen Aufzucht.

Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht darf das Kalb mit der Kuh mitlaufen.

BEOBACHTUNG, RUHE UND VIEL WISSEN

Mit den Tieren zu arbeiten, bedeutet, mit ihnen zu leben. Das tägliche Melken strukturiert den Tag und kommt dem Bedürfnis der Kühe nach einem festen Rhythmus entgegen. „Die Tiere haben eine innere Uhr, nach der sie leben. Unser Tagesablauf orientiert sich daran – das tut uns übrigens auch gut!“

Die Basis der landwirtschaftlichen Arbeit auf Hof HimP ist der respektvolle Umgang mit den Tieren. Kirsten Staben nennt das genaue Beobachten und bewusste Wahrnehmen der Tiere die Grundlage des Miteinanders: Was braucht die Kuh, um zu verstehen, was ich erwarte? Braucht sie eventuell etwas Zeit oder – ganz wichtig – mehr Platz und Distanz für sich, um angstfrei mitzumachen? „Tiere sind aufmerksam und lernfähig. Sie sind bereit, mit uns zu kooperieren, wenn wir uns so verhalten, dass sie uns verstehen. Dazu muss man ganz präsent und bei der Sache sein“, berichtet die Betriebsleiterin.

Ein großer, mit Stroh eingestreuter Stall bietet den jungen Tieren eine gesunde und komfortable Umgebung.

Auf Hof HimP wird schon bei den jungen Tieren Vertrauen aufgebaut, indem man sich Zeit für den Kontakt zu den Tieren nimmt. „Das kommt uns später immer wieder zugute, zum Beispiel wenn eine junge Kuh zum ersten Mal in den Melkstand soll. Dort ist die Umgebung neu, die Geräusche sind unbekannt und laut, aber wenn die Färse mich und meine Stimme kennt und mit mir vertraut ist, ist sie weniger ängstlich und schreckhaft. Neues ist für Kühe immer etwas schwer verdaulich. Wir wollen Stress für uns und die Tiere vermeiden und im Umgang mit ihnen langfristig denken und handeln.“

DIREKTVERMARKTUNG

Die Herde auf Hof HimP gehört der Rasse Rotbunt DN an. DN steht für „Doppelnutzung“ und bedeutet, dass die Tiere nicht einseitig auf hohe Milchleistung gezüchtet werden, sondern auch ein gutes Gewicht auf die Waage bringen. Sie sind robust und liefern Milch von hoher Qualität. Vor allem in Schleswig-Holstein wird die Rasse seit Anfang der 1990er-Jahre wieder verstärkt beachtet, um die Vorzüge und Besonderheiten der ursprünglichen, alten „Rotbunten“ zu bewahren.

Daher lohnt es sich, auch die männlichen Tiere auf dem Hof aufzuziehen und direkt zu vermarkten: „Wir möchten die männlichen Kälber auf dem Hof behalten, bis sie etwa zweieinhalb bis drei Jahre alt sind. Direkte Vermarktung stärkt unser Einkommen und wir haben genug Weideland, um alle unsere Jungtiere den ganzen Sommer auf der Weide zu lassen.“ Durch die Zusammenarbeit mit einer regionalen Abnehmerin, die das Fleisch online direkt an Endkunden verkauft, ist ein Anfang für eine Direktvermarktung gemacht. Sie soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Um die Wertschöpfung im Betrieb zu halten, soll langfristig auch die Milch über eine eigene kleine Hofmolkerei selbst vermarktet werden. Ein Neubau dafür befindet sich in Planung.

Die Betriebsleiterin geht neue Wege der Vermarktung, um ihren Hof für die Zukunft gut aufzustellen. „Die gute Qualität unserer Milch soll dazu beitragen, dass ein Kreis von Kunden entsteht, die sich für den Hof interessieren. Wir wollen Transparenz schaffen und unsere Landwirtschaft zeigen.“

Teamwork: Verbundenheit zwischen Mensch und Tier.

HOFGESCHICHTE: REGENERATIVE LANDWIRTSCHAFT IN DER MILCHSCHÄFEREI AMALIA

In Schleswig-Holstein, nicht weit von der Ostseeküste, betreibt Sandra von Pluto ihre Milchschäferei Amalia. Die wachsende Herde von 35 Mutterschafen mit eigener Nachzucht beweidet rund 10 Hektar Grünland. Der besondere Schwerpunkt des kleinen, feinen Hofes liegt im Management: Er wird nach den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft bewirtschaftet.

ANKUNFT IN FAST STOCKDUNKLER NACHT

2018 im Dezember, am sehr frühen Morgen, begann die Geschichte der Milchschäferei mit der Ankunft von 24 aufgeregten jungen Krainer-Steinschaf-Damen an ihrer zukünftigen Schafweide in der Nähe von Lübeck. Sie waren über Nacht im LKW aus Hessen angereist, gemütlich mit Stroh und Heu ausgestattet, und wurden von ihrer neuen Schäferin und einige Helferinnen und Helfern freudig und aufgeregt erwartet.

Beim Öffnen der LKW-Türen schauten 24 Augenpaare in den dunklen Morgen, 48 Ohren stellten sich aufmerksam auf. „Määäh! Määäh!“ tönte es aus dem beleuchteten Fahrzeug. Zaghaft näherten sich die ersten kleine Füße der Schräge des breiten Ausstieges. Alles neu und unbekannt! Aber dann … ein mutiges Schaf wagte den ersten Schritt und tastete sich auf dem rauen Untergrund hinaus auf die Wiese – und die anderen folgten im Galopp. Endlich wieder frei!

LANDSCHAFTSPFLEGE UND DIE ERSTE MILCHSAISON

Im ersten Jahr wurde mit der Herde Landschaftspflege betrieben, nachdem die Stiftung Naturschutz die Koppel im Rahmen des Artenvielfalt-Projekts „Blütenmeer 2020“ mit einer Saatgut-Mischung aus regionalen Gräsern und Blumen eingesät hatte. Das Ziel der Beweidung war, dass die Tiere die Fläche mit ihrem Mist düngen und mit ihren kleinen Füßen den Boden gleichzeitig etwas bearbeiten. So ging es auch in den darauffolgenden Jahren weiter. Dabei sollte die Entwicklung der Fläche beobachtet werden – wie würde sich die Pflanzengesellschaft durch die Beweidung verändern?

Im Frühjahr 2020 startete die erste Melksaison. Joghurtrezepte in verschiedenen Variationen wurden ausprobiert, verkostet und auf dem Wochenmarkt an begeisterte Kunden verkauft.

Immer schön zusammenbleiben!

Bunte Mischung: Eine Krainer-Herde zeigt alle Farben von reinweiß über grau oder braun gefleckt bis zum tiefsten Schwarz.

HOCHWERTIGE LEBENSMITTEL UND SCHAFPATENSCHAFTEN

Ziel der kleinen Landwirtschaft ist es, aus der eigenen Nachzucht auf eine Herde mit 60 bis 80 Mutterschafen aufzustocken und aus der wertvollen Schafmilch Eis und Joghurt herzustellen. Das Lammfleisch wird in Eigenregie vermarktet, ebenso die Felle der Tiere und ihre Wolle als gesponnenes Garn. Die Produkte werden auf dem Wochenmarkt und im Hofcafé mit Laden an Endkunden verkauft. Weiter ausgebaut wird die Vermarktung mit einem Online-Verkauf über die eigene Website.

Vervollständigt wird das Gesamtprojekt durch Schafpatenschaften, die von interessierten Verbrauchern übernommen werden können. Die Paten unterstützen dabei die Milchschäferei mit einem Geldbetrag, für dessen Gegenwert sie in einem vereinbarten Zeitraum Lebensmittel vom Hof erhalten.

KRAINER STEINSCHAFE – EINE EXTENSIVE SCHAFRASSE

Die Julischen Alpen in Slowenien sind die Heimat der Krainer Steinschafe – in dem bergigen Gelände kommt es auf Belastbarkeit und Gesundheit an. Die Tiere sind eher klein und – als Alpenschafe – robust und gut zu Fuß. Im Vergleich zu typischen Milchschafrassen geben sie etwas weniger Milch, etwa 1–1,5 Liter am Tag, sind dafür aber kaum krank und können das ganze Jahr über draußen leben. In ihrer Heimat wird aus der Milch vorwiegend Hartkäse hergestellt.

Der Bestand der Krainer Schafrasse hat sich mittlerweile stabilisiert: Im Jahre 2000 gab es nur rund 70 Tiere in Deutschland, mittlerweile sind es 1300. Die Gesellschaft zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen (GEH) berichtet, dass das Krainer Steinschaf nicht mehr auf der Roten Liste steht.

In der Milchschäferei Amalia werden die Schafe ganzjährig draußen gehalten. Nach Bedarf wird im Winter Heu zugefüttert, auf Kraftfutter wird verzichtet. Die Krainer kommen damit gut klar – sie decken ihren Energiebedarf aus dem Weidefutter.

Wie alle Schafe sind die Krainer in erster Linie Fluchttiere und daher tendenziell ängstlich. Ihr Zuhause und ihre Sicherheit finden sie in der Herde. Dennoch haben einzelne Tiere durchaus individuelle Charaktereigenschaften, sodass sich ein selbstbewusstes Schaf dem Hütehund schon einmal entschlossen entgegenstellt – eine Bewährungsprobe für beide! Wer hat hier die besseren Nerven? Insgesamt sind die Krainer jedoch ausgesprochen handzahm, zutraulich und neugierig – einfach liebenswert und „gut zu haben“.

MANAGEMENT NACH DEN PRINZIPIEN DER REGENERATIVEN LANDWIRTSCHAFT

Hauptziel der Regenerativen Landwirtschaft ist der Humusaufbau im Boden. Der Boden wird niemals gewendet (gepflügt), sodass seine natürliche Schichtung und Struktur erhalten bleibt. Dadurch wird eine ungestörte Aktivität der Bodenorganismen gefördert sowie die Fähigkeit der Bodens, Wasser zu speichern. Der Boden trägt ständig eine Pflanzendecke, um ein Austrocknen oder eine Erosion durch Wetterextreme zu verhindern. Auch in trockenen oder klimatisch wenig günstigen Lagen wird auf diese Weise der Humusaufbau gestärkt und dadurch Kohlenstoff im Boden gespeichert. Weitere Merkmale sind der Verzicht auf synthetische Düngung und den Einsatz von Pestiziden. Die ganzjährige Weidehaltung ist dem Ziehen großer Herden in freier Wildbahn nachempfunden: Auf eine kurze, intensive Zeit der Beweidung folgt eine lange Ruhezeit der Fläche, in welcher sich Boden und Pflanzen regenerieren. Gemäht wird die Fläche nicht. Überständiges Gras, das nicht mehr schmeckt, wird durch die Tiere oberflächlich in den Boden eingetreten, wo es dann durch die Bodenlebewesen zerlegt und schließlich dem Kohlenstoffkreislauf der Natur wieder zugeführt wird. Diese Art der Weidehaltung nennt man Holistic Management.

Interview mit Sandra von Pluto

FRAGE Was war deine Motivation, die Milchschäferei Amalia zu gründen?

ANTWORT Meine Hauptmotivation war, möglichst nährstoffreiche und gesunde Nahrungsmittel herzustellen. Was einfach klingt, ist aber sehr komplex und ich habe mich zuvor intensiv mit dem Einfluss der Ernährung auf unsere Gesundheit beschäftigt. Ich merkte, dass die Frage nach dem „Was“ nicht ausreicht und wir uns auch fragen müssen, welche Auswirkungen die Art und Weise der Lebensmittelerzeugung auf die Qualität der Nahrungsmittel und auf unsere Umwelt hat. Mit dem Entdecken der Methoden der Regenerativen Landwirtschaft entstand die Idee, eine naturnahe, ganzjährig weidebasierte Milchschäferei aufzubauen. So kann ich mit der Natur arbeiten und nährstoffreiche und gesunde Nahrungsmittel herstellen.

FRAGE Was bedeutet Regenerative Landwirtschaft in deinem Projekt?

ANTWORT Für mich bedeutet es, mit der Natur zu arbeiten, also die Funktion natürlicher Ökosysteme zu fördern. Dazu gehört insbesondere das Bodennahrungsnetz: Nur mit einer Vielfalt von Bakterien, Pilzen, Springschwänzen, Asseln, Regenwürmern etc. funktionieren die Nährstoffkreisläufe, die für die Ernährung der Pflanzen notwendig sind. Ist der Boden gesund, sind es auch die Gräser und Kräuter, die auf der Weide wachsen. Und diese sind wiederum die Grundlage für die Gesundheit meiner Schafe und den einzigartigen Geschmack ihrer Milch.

FRAGE Was ist dir an deinem Projekt besonders wichtig?

ANTWORT Ich habe den Eindruck, dass wir uns beim Thema Landwirtschaft gerade zwischen zwei völlig festgefahrenen Systemen befinden: bio versus konventionell. Dabei ist der Biolandbau längst nicht die Lösung aller Probleme und die konventionelle, nicht bio-zertifizierte Landwirtschaft nicht das grundsätzlich Abzulehnende.

Statt uns in gegenseitigem Konkurrenzdenken und Anfeindungen zu verlieren, sollten wir gemeinsam anfangen, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen: Welche Methoden der Landwirtschaft liefern die nährstoffreichsten Nahrungsmittel und wie erkennen und nutzen wir die natürlichen Symbiosen in der Natur? Was bedeutet überhaupt Nahrungsmittelqualität? Wie erhalten und fördern wir die Qualität der begrenzten natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft? Was sollte geändert werden, um auch im sich wandelnden Klima ausreichend Nahrungsmittel erzeugen zu können? Diese Fragen erfordern ein gemeinsames Umdenken und kein Verharren auf der eigenen Position. Meine Milchschäferei und die Methoden der Regenerativen Landwirtschaft sehe ich als eine Chance, dieses Umdenken weiter in Gang zu setzen.

HOFGESCHICHTE: FEINE KOST AUS DER ZIEGEREI

15 Hektar Land und eine Herde von 90 Muttertieren der Bunten und Weißen Edelziege sind der Grundstock der Ziegerei in Hohenmoor. Der niedersächsische Biobetrieb lebt von den edlen Ziegenprodukten. Die vielseitige Palette aus der hofeigenen Käserei wird ergänzt durch Fleisch, Wurst und Schinken. „Wir haben bisher jedes einzelne unserer Tiere hier vor Ort direkt vermarktet“, erzählt das Betriebsleiterpaar Sophia Traut und Hiob Schmitt stolz.

LETZTES JAHR IM JANUAR

An einem friedlichen Vormittag in der Ziegerei knabberten einige Tiere noch am Frühstücksheu, andere turnten und kletterten schon auf den zweistöckigen Holzpodesten im Laufstall herum – die Welt war in Ordnung.

Dann aber fuhr ein Anhänger mit übriggebliebenen Bio-Weihnachtsbäumen vom Nachbarhof am Laufhof der Ziegerei vor: Alarm! Schon kam die eine oder andere kecke Ziege mit weit nach vorn gestreckten Ohren angelaufen – ja nichts verpassen! Nach und nach wurde ein Baum nach dem anderen aus dem Hänger gezogen und flog in den Laufhof. Der (Weihnachts-)Braten war da, mit Tannenduft. Zügig wurden die 32 Bäume im Stall verteilt, noch zügiger stürzten sich die Tiere auf die Fichten und Tannen – Leckerbissen der Premium-Sorte. Den ganzen Tag währte das Festmahl, zuerst wurden die zarten Nadeln geknabbert, danach die Rinde mit Knacken und Nagen. Am Ende blieben 32 säuberlich geschälte Weihnachtsbäume übrig, der feine Duft von Nadelwald und 90 glückliche Ziegen.

EINE KLARE HALTUNG UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT „FAST VON ALLEIN“

Für Sophia Traut und Hiob Schmitt stand von vornherein fest, dass sie alle Tiere, auch die Böckchen, selbst behalten und aufziehen werden. Sie setzten von Anfang an auf eine Vermarktung über den direkten Verkauf ab Hof und auf Wochenmärkten, so dass es möglich war, ihre Überzeugungen im direkten Kontakt zu kommunizieren. Die Kundinnen und Kunden sollten erfahren, dass es wichtig ist, nicht nur die Milch, sondern auch das Fleisch der männlichen Tiere selbst zu vermarkten – und warum: Die Nachzucht der Ziegen, aus deren Milch die feinen Milchprodukte entstehen, besteht zur Hälfte aus männlichen Lämmern, sodass der Verzehr von Käse natürlicherweise mit dem Konsum von Fleisch einhergeht. Und die Böckchen haben genau wir ihre Schwestern ein Recht auf ihre Mütter und das Aufwachsen in der Herde.

Auch war etwas Engagement erforderlich, die Kundschaft von der Qualität von Ziegenfleisch zu überzeugen. Denn das Fleisch vom Ziegenlamm steht im Ruf, scharf und „bockig“ zu schmecken – ganz zu Unrecht. So hat die Ziegerei in einer benachbarten Bio-Schlachterei und -Metzgerei schmackhafte Produkte herstellen lassen, die sich auf dem Wochenmarkt zum Probieren und Verkosten eignen, etwa verschiedene Wurstvarianten, luftgetrocknete Salami und geräucherten Schinken. Dieser Einsatz hat sich gelohnt: Der Hof bekommt inzwischen zahlreiche Anfragen und kann auch halbe und ganze Zicklein als Frischfleisch vermarkten.

Das Konzept der Vermarktung direkt an die Endkunden hat sich als erfolgreicher Weg herausgestellt, die anfänglich hier investierte Arbeit trägt immer noch Früchte. Die Produkte sind mittlerweile auf sechs Märkten und in rund zehn Lebensmittelgeschäften erhältlich, darüber hinaus bietet eine Reihe von Gastronomiebetrieben die Ziegenmilch-Spezialitäten auf der Karte an. Kein einziger Werbeflyer wurde bislang gedruckt, die Öffentlichkeitsarbeit ist der Ziegerei zugeflogen, von der Regionalzeitung bis hin zum Fernsehteam des NDR mit den „Hofgeschichten“.

Hier reift der Frischkäse „Vulkan“ mit Asche und Geotrichum.

Interview mit Sophia Traut und Hiob Schmitt

FRAGE Sophia und Hiob, was war euer Hintergrund und eure Motivation, einen Ziegenhof mit Hofkäserei zu gründen?

ANTWORT Der Hauptgrund ist, dass Ziegen extrem lustige, schlaue und unterhaltsame Tiere sind! Der Rest ist unsere Passion für die Bio-Landwirtschaft und das Käsereihandwerk.

FRAGE Was war euch von Anfang an besonders wichtig bei eurer Art, die Landwirtschaft zu gestalten und den Hof zu führen?

ANTWORT Unsere Landwirtschaft sollte „rund“ sein und in vielen Bereichen kompromisslos. Zum Beispiel ist unsere Tierhaltung komplett auf Gesundheit und Zufriedenheit ausgerichtet. Und der Hof musste sich tragen, einschließlich der Pacht. Daher war klar, dass wir unsere Produkte hochqualitativ und aus einer sehr guten Milchqualität herstellen werden und dass wir die Preise dafür realistisch kalkulieren müssen. Außerdem kam für uns auf keinen Fall infrage, einen Teil der Jungtiere schon als kleine Lämmer zu verkaufen. Das ist ja leider vor allem für die Böckchen wegen der (noch) fehlenden Vermarktungsstrukturen die gängige Praxis. Also sollte sich die Aufzucht aller Lämmer durch die Vermarktung der Tiere zumindest ohne Verlust rechnen lassen, auch wenn kein Gewinn dabei erwirtschaftet wird. Die Aufzuchtkosten sind ja durch die Milch, die die Lämmer trinken, und durch die Arbeit mit den Lämmern und Jungtieren nicht unerheblich.

FRAGE Was ist euch für die Zukunft eures Hofes besonders wichtig?

ANTWORT Wir haben in den ersten fünf Jahren einen unserer wichtigsten Meilensteine erreicht, nämlich, dass wir alle Lämmer bei uns auf dem Hof aufziehen und vor Ort vermarkten können. Das ist unsere Grundüberzeugung und wir sind damit unserem Verständnis einer vernünftigen, ökologisch und ethisch vertretbaren Landwirtschaft und Tierhaltung nahe gekommen.

Wirtschaftlich sind wir mittlerweile so aufgestellt, dass wir die Landwirtschaft in den nächsten Jahren in die Tiefe weiter entwickeln möchten. Wir wollen auf allen Ebenen in Richtung einer noch besseren Qualität arbeiten. Zum Beispiel werden wir den Stall mit weiteren Klettermöglichkeiten bestücken und damit den Tierkomfort weiterentwickeln.

In der Hofkäserei geht es um die Weiterentwicklung und Stabilisierung der Qualität unserer Milchprodukte. Wir lernen jedes Jahr dazu, beispielsweise die saisonalen Besonderheiten der Milch hier an unserem Standort besser zu verstehen. Außerdem wollen wir unsere Produktpalette erweitern, sowohl bei der Milch als auch beim Fleisch. Und das Thema Verpackung werden wir uns gründlich vornehmen, um immer mehr auf überflüssige und ökologisch unsinnige Materialien zu verzichten. Nicht zuletzt möchten wir jetzt, da die allerersten Jahre geschafft sind, für uns selbst etwas mehr Zeit gewinnen.

WUNDERSAME WIEDERKÄUER

Ein Tag im Leben einer Kuh ist nicht besonders aufregend – er besteht aus Fressen, Wiederkäuen, etwas Schlaf und etwas Interaktion mit Artgenossen. Das Fressen allein nimmt etwa 7 Stunden in Anspruch, im Sommer am liebsten auf der Weide im gemächlichen Gehen, dabei immerzu aufs Neue erspürend, was beim nächsten Schritt Spannendes auf dem Speisezettel steht. Zwischendurch wird das Futter etwa insgesamt 10–13 Stunden lang wiedergekäut, sodass für den Schlaf schließlich nur etwa 3–4 Stunden übrig bleiben. Die vielen Stunden des Wiederkäuens verlaufen ruhig, fast in einer Art Halbschlaf. Die Kuh liegt entspannt und käut ihren Bissen wieder – wenn sie gesund und munter ist, bis zu vierzigmal. Schauen Sie gelegentlich einmal Kühen zu, wenn sie auf der Weide liegen. Beobachten Sie die mahlenden Bewegungen des Unterkiefers und das sanfte Schaukeln des Kopfes und zählen Sie in Ruhe die etwa 40 Kaubewegungen, die zum gesunden Wiederkäuen dazugehören. Genießen Sie es, die Tiere zu beobachten, denn es ist ein wunderbares Erlebnis, meditativ und beruhigend.

In den Vormägen wird die Zellulose aus Heu und Gras durch Bakterien aufgeschlossen.

KÜHE SPINNEN STROH ZU GOLD

Das Magensystem der Wiederkäuer besteht aus vier Mägen: den drei Vormägen und dem Labmagen. Durch diese vier Mägen sind Kühe in der Lage, das Futter mithilfe bakterieller „Mitbewohner“ bestmöglich zu nutzen. Im Pansen, dem ersten der drei Vormägen (Fassungsvermögen mindestens 150 l), sind einige Kilogramm Bakterien enthalten. Diese schließen als sogenannte Vorverdauung den faserigen Anteil (die Zellulose) von Gras, Heu und Stroh chemisch auf. Aus dem zweiten Vormagen, dem Netzmagen, wird der gröbere Teil des Futters über die Speiseröhre wieder ins Maul „hochgeschluckt“; der feiner zerkleinerte Teil gelangt in den dritten Vormagen, den Blättermagen. Dort wird der Nahrungsbrei eingedickt und gelangt schließlich mitsamt den Bakterien in den Labmagen. Hier werden die Futterstoffe durch Magensäure weiter aufgeschlossen, danach geht die Verdauung im Darm weiter. Das Wiederkäuen ist eine wichtige Zwischenstufe beim Verwandeln von pflanzlichen Stoffen in wertvolles tierisches Eiweiß. Es sieht aus, als ob die Kuh sich ausruht, aber ihr Organismus ist dabei höchst aktiv. Die Kuh döst vor sich hin, kaut und schluckt. Kurz danach sehen Sie, wie der nächste Bissen zum Wiederkäuen hochgeschluckt wird und das Ganze wieder von vorne losgeht.

Der Kuhfladen – eine Lebensquelle für Pflanzen und Bodentiere.

DIE MILCH – OHNE SIE GIBT’S KEINEN KÄSE

Milch ist von der Natur als Power-Nahrung für den neugeborenen Nachwuchs der Säugetiere vorgesehen. Die Natur sorgt ausgezeichnet vor – daher ist Milch an Ernährungswert und Vollwertigkeit von kaum einem anderen Nahrungsmittel zu überbieten. Pur und frisch oder verarbeitet und haltbar gemacht ist sie weltweit ein wertvolles Nahrungsmittel.

DIE MILCHBILDUNG

Wollen Sie eine physiologische Höchstleistung bewundern? Dann schauen Sie sich eine Milchkuh an. Mehr als 400 l Blut fließen durch das Euter, um 1 l kostbare Milch entstehen zu lassen. Feinste, hoch spezialisierte Zellstrukturen im Euter sorgen dafür, dass aus den Nahrungssubstanzen die Milch gebildet wird. Sie ist von der Natur für das Kalb gedacht und entsteht erst, nachdem die Kuh zum ersten Mal gekalbt hat. Durch gezielte Züchtung geben Kühe heutzutage sehr viel Milch, weit mehr als ein Kalb braucht. Das gibt es nicht zum Nulltarif – eine Milchkuh leistet enorm viel und braucht bestes Futter und beste Pflege.

Die Nährstoffe aus dem Futter gelangen mit dem Blut ins Euter und werden in Milch umgewandelt.

Das Euter besteht bei der Kuh aus vier vollständig voneinander getrennten Vierteln (bei Schaf und Ziege sind es zwei Hälften). Im oberen Teil enthält jedes Viertel die fein verästelten Alveolen, die das eigentliche Drüsengewebe bilden. In deren äußerster Schicht, den Myoepithelzellen, wird die Milch gebildet. Im unteren Teil des Euterviertels befindet sich die Drüsenzisterne, die sich zwischen den Melkzeiten langsam mit Milch füllt.

Die Zitze verfügt über eine eigene kleine Zisterne. Drüsen- und Zitzenzisterne sind durch eine Verengung so weit getrennt, dass die Milch aus der Zitze nicht zurück in das Eutergewebe strömen kann. Die Verengung und der Schließmuskel unten an der Zitze schützen das Euter vor Keimen, die von außen eindringen könnten.

DIE MILCHINHALTSSTOFFE

Milch ist flüssig – sie besteht zum größten Teil aus Wasser, je nach Tierart zwischen rund 82 und 87 %. Der Rest sind Proteine, Fett, Milchzucker, Mineralstoffe und viele Vitamine. Die Gesamtheit der Inhaltsstoffe nennt man „Trockenmasse“ – ihre Zusammensetzung schwankt im Jahreslauf, denn sie hängt vom Futter der Tiere ab. Im Sommer gibt es insgesamt mehr Milch, dafür enthält sie im Winter mehr Fett. Auch das Wetter und regionale Bedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen das Befinden der Tiere – und damit die Milchbildung. Darüber hinaus spielt die Rasse eine maßgebliche Rolle: Die Milch der kleinen und feingliedrigen Jersey-Kühe beispielsweise hat einen hohen Gehalt an Inhaltsstoffen, besonders Fett, dafür ist die Milchmenge insgesamt geringer.

Im feinen Drüsengewebe des Euters, den Alveolen, wird die Milch gebildet.

Die Milch von Kuh, Ziege, Schaf und Büffel bringt unterschiedliche Mengen an Inhaltsstoffen mit.

Die Menge der Inhaltsstoffe ist maßgeblich für die Ausbeute, also die Menge an Käse, die aus der Milch hergestellt werden kann. Dabei ist die Milch von Schafen Spitzenreiter. Auch sind Schafmilchprodukte durch den hohen Gehalt an Sahne und die Zusammensetzung des Fettes besonders sahnig und cremig.

Das Milcheiweiß: Caseine und Molkenproteine

Der Proteinanteil der Kuhmilch liegt bei etwa 3,2 bis 3,6 % und teilt sich auf in Caseine (80 %) und Molkenproteine (20 %). Letztere verbleiben beim Käsen in der Molke, während sich aus den Caseinen beim Käsen die dickgelegte Milch (Gallerte) bildet, welche die Voraussetzung für die Entstehung von Käse ist.

Die Caseine sind in komplexen Molekülen zusammengelagert, die man als kleine Wunder der Natur bezeichnen kann. Ihre biochemische Struktur ermöglicht ihnen, sich bei der Dicklegung der Milch in einer elastischen und gleichzeitig chemisch stabilen Struktur aneinanderzubinden. Es entsteht die Gallerte, die man sich als ein dreidimensionales Gerüst vorstellen kann (Seite 41), welches mithilfe von Calcium zusammengehalten wird. Aus den Hohlräumen des Gerüstes wird während des Käsens ein Teil der Molke abgeschieden, quasi herausgedrückt, während aus den anderen Bestandteilen der Milch der Käse wird. Bei weichem Käse wird weniger, bei festem Käse mehr Molke abgeschieden.

Die Molkenproteine, immerhin 20 % der Proteine, gehen mit der Molke verloren und bleiben im Käse nicht erhalten. Man kann sie aber durch Erhitzen und Säuern aus der Molke gewinnen wie beim Ricotta (Rezept 38) oder durch Eindicken zu einem eigenen karamellartigen Zweitprodukt einkochen wie beim Brunost (Rezepte 39 und 40).

Auch im Joghurt (Rezepte 1, 2 und 3) bleiben sie erhalten. Hier erhitzt man die Milch am Anfang der Verarbeitung auf > 80 °C, sodass die Molkenproteine chemisch verändert werden und an der Gallertenbildung beteiligt sind.

Große Fettkügelchen und das Homogenisieren

Das Milchfett (Anteil in Kuhmilch: rund 4 %, siehe oben,) findet sich in der Milch in sogenannten Fettkügelchen, die im Vergleich zu den anderen Bestandteilen der Milch sehr groß sind. Sie haben die besondere Eigenschaft, sich in der Milch langsam gegen die Schwerkraft nach oben zu bewegen. So entsteht in einigen Stunden des Stehenlassens auf der Milch eine Sahneschicht: Die Milch „rahmt auf“, sagt man. Heutzutage ist es üblich, die Milch zu homogenisieren: Unter hohem Druck werden die Kügelchen auf einen Bruchteil ihrer Größe zerkleinert, so dass sie gleichmäßig in der Milch verteilt bleiben und nicht nach oben steigen. Das Aufrahmen ist daher nur noch wenig bekannt. Vielmehr hat man sich mittlerweile so sehr an homogenisierte Milch gewöhnt, dass solche Sahnestückchen als ungewohnt oder unangenehm wahrgenommen werden.

Homogenisierte Milch können Sie problemlos für die Hauskäserei verwenden. Wenn Sie allerdings nicht-homogenisierte Milch nehmen, gibt es besondere Leckereien zu entdecken: Beim stichfesten Joghurt wandert die Sahne während des Säuerns langsam nach oben und bildet an der Oberfläche die sogenannte Rahmkrone, eine zart säuerliche, cremige Schicht und ein echtes Qualitätsmerkmal. Und bei Quark oder Frischkäse finden Sie nach der Dicklegung eine dünne cremeweiße Schicht aus Sauerrahm auf der Gallerte, die Sie vorsichtig abnehmen und ausgezeichnet als Crème fraîche in einer Salatsoße oder zum Kochen verwenden können.

Auf einem Joghurt aus nicht homogenisierter Milch bildet sich während des Säuerns an der Oberfläche eine schaumig-cremige Rahmkrone.

Der Fettgehalt der Milch und die Standardisierung

In der modernen Milchwirtschaft ist das sogenannte Standardisieren üblich, das dafür sorgt, dass eine Milch einen festgelegten Fettgehalt aufweist. Dazu wird die Sahne mithilfe einer Zentrifuge zunächst abgetrennt und danach je nach Milchsorte in einer bestimmten Menge, zum Beispiel 1,5 %, wieder hinzugefügt. Aus der restlichen Sahne wird Butter hergestellt oder sie wird für andere Produkte verwendet. „Vollmilch“ ist hierzulande gesetzlich festgelegt als eine Trinkmilch mit einem Fettgehalt von mindestens 3,5 %. In der Molkerei wird dann genau diese Sahnemenge in die zuvor entrahmte Milch zurückgeführt.

Der natürliche Fettgehalt der Milch kann – je nach Jahreszeit, Fütterung und Tierrasse – aber höher liegen. Manche Molkereien stellen Milch mit naturbelassenem Fettgehalt her, die dann schon einmal 4 % Fett oder mehr enthält. Eine solche Milch wird auch entsprechend deklariert und enthält die gesamte Sahne. In der Hauskäserei entstehen aus einer solchen Milch besonders sahnige Produkte.

Milchzucker: Futter für die Kulturen

Etwa 4,8 % der Milch macht der Milchzucker (die Lactose) aus. Von ihr ist häufig die Rede im Zusammenhang mit einer Lactoseintoleranz, von der in unseren Breiten etwa 15 % der Bevölkerung betroffen sind. Infolge einer genetischen Besonderheit kann der Organismus keine Lactase bilden – das Enzym, welches die Lactose aufspaltet. Der Milchzucker gelangt unverdaut in den Darm und löst dort Verdauungsbeschwerden aus.

Ganz anders die Milchsäurebakterien: sie können die Lactose bestens aufspalten und zu Milchsäure umbauen. Daher werden sie beim Käsemachen gezielt als Kulturen in die Milch gegeben. Allerdings bauen sie nur einen Teil der Lactose ab, sodass ein Teil noch im fertigen Käse enthalten ist. Erst im Laufe der Reifung wird die restliche Lactose immer weiter abgebaut. Schließlich ist nach etwa drei Monaten nur noch weniger als 0,1 % Lactose im Käse – ab dieser Menge darf man ihn als lactosefrei bezeichnen.

Klein, aber oho: Mineralstoffe und die Sonderrolle des Calciums

Milch enthält etwa 0,8 % Mineralstoffe (Calcium, Magnesium, Phosphor, Natrium und Kalium) und Spurenelemente (Jod, Zink und Eisen) – ein kleiner, aber wichtiger Bestandteil. In der Ernährung spielen sie eine wichtige Rolle – sie dienen z. B. dem Knochenaufbau und erfüllen wichtige Funktionen im Elektrolythaushalt.

Das Calcium, welches mit rund 125 mg je 100 ml Milch den größten Anteil einnimmt, spielt bei der labbetonten Gerinnung (Seite 41) eine entscheidende Rolle.

Durch seine chemischen Eigenschaften sorgt es für eine stabile Gallerte bei der Dicklegung der Milch und ist somit für die Abscheidung der Molke und die Bildung eines festen Käselaibes grundlegend. Es trägt dazu bei, viel Käse aus der Milch zu bekommen – man nennt das eine hohe Ausbeute.

Beim Käsemachen aus Rohmilch kann das Calcium diese Wirkung am besten entfalten, denn infolge der Pasteurisierung verändert es sich chemisch und ist dann für die Gallertenbildung nicht mehr voll verfügbar. Um dennoch eine stabile Gallerte zu erreichen, wird es bei der Verarbeitung pasteurisierter Milch in der industriellen Käseherstellung routinemäßig in Form von Calciumchlorid (CaCl) am Anfang der Herstellung in die Milch gegeben. Für das Käsemachen im Haushalt wird es in den Käserei-Bedarfsshops vielfach angeboten und empfohlen. Unserer Erfahrung nach ist seine Verwendung in der Hauskäserei nicht erforderlich. Sollten Sie jedoch die Erfahrung machen, dass die Gallerte in Ihrer Hauskäserei nicht so fest wird wie in den Rezepten beschrieben, sprichts nichts dagegen, den Stoff einzusetzen. Richten Sie sich dabei nach den Angaben des Herstellers.

Im Quark oder Frischkäse ist das Calcium durch den stärkeren Säuregrad zur Stabilisierung nicht mehr verfügbar: Es geht bei der Säuerung in die Molke über. Daher ist eine solche (säurebetonte) Gallerte zerbrechlich und zart (Seite 39).

Die Größe der Milchinhaltsstoffe ist außerordentlich verschieden.

DIE QUALITÄT DER MILCH

Laut Duden bedeutet Qualität die „Gesamtheit der charakteristischen Eigenschaften einer Sache“. Eine gute Qualität von Milch, diesem äußerst empfindlichen und rasch veränderlichen Stoff, lässt sich kurz und knapp mit wenigen Merkmalen beschreiben: Sie stammt von gesunden Tieren, sie ist sauber gemolken und sie ist frisch. So einfach ist das. Oder vielleicht doch nicht?

GESUNDE TIERE

Gesunde Tiere gedeihen in einer stressarmen Umgebung – der Stall sollte so gestaltet sein, dass sie sich wohlfühlen. Dazu gehört frische Luft und genügend Licht, ausreichend Platz, um sich zu bewegen – auch unter freiem Himmel. Ein trockener und bequemer Liegeplatz ist ebenso wichtig für das Wohlbefinden wie ausreichend Platz zum Fressen, damit auch rangniedrige Tiere jederzeit zu ihrem Recht kommen. Artgerechtes, frisches Futter und ausreichend Wasser sind nötig, ein ruhiger Umgang gehört dazu, kurzum: Die Tiere müssen in jeder Hinsicht bestens versorgt sein.

SAUBERES MELKEN

Etwa seit den 1950er-Jahren ist das maschinelle Melken in den Industrieländern flächendeckend verbreitet. Diese anspruchsvolle Arbeit erfordert eine Menge Wissen, technisches Verständnis und Sorgfalt – nicht zu vergessen das Einfühlungsvermögen für die empfindlichen Tiere. Das Handmelken spielt in unseren Breiten längst keine Rolle mehr und ist dennoch erwähnenswert: Hätten Sie gedacht, dass es die schonendste und sauberste Art der Milchgewinnung ist? Die Milch gelangt hier direkt aus dem Euter in den Eimer – ohne Leitungen oder Schläuche. Deren gründliche und korrekte Reinigung hat beim maschinellen Melken eine hohe Bedeutung und gehört zu den wichtigen Faktoren einer guten Milchqualität. Der Lohn für diesen Aufwand ist „saubere“, keimarme Milch – ein Qualitätsmerkmal, das den Landwirtinnen und Landwirten von den Molkereien in Form von Zuschlägen finanziell vergütet wird.

Das ist Tierkomfort: Licht, Luft, genügend Platz und gutes Futter.

Milch von gesunden Tieren: der sogenannte Zellgehalt

Alle Zellen im Körper unterliegen einem ständigen Erneuerungsprozess, so auch das Gewebe des Kuheuters. Eine gewisse Anzahl dieser Zellen wird natürlicherweise fortlaufend mit der Milch ausgeschieden und durch neu gebildete Zellen ersetzt. Die Anzahl der ausgeschiedenen Zellen, gemessen in 1 ml Milch, wird „Zellzahl“ oder „Zellgehalt“ genannt und ist für den Landwirt eine wichtige Kennzahl. Sie lässt Rückschlüsse auf eventuelle Stressfaktoren in der Herde zu, vor allem aber zeigt sie den Gesundheitszustand in Bezug auf die Euter an. Die Zellzahl von Rohmilch wird mindestens zweimal monatlich untersucht. Ist sie zu hoch, muss man die Ursachen herausfinden und ihnen nachgehen, sodass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zügig wiederhergestellt werden und die Milchqualität wieder stimmt.

Mikroorganismen aus der Umgebung der Tiere

Wie jeder natürliche Lebensraum enthält auch das Umfeld der Tiere ein charakteristisches Spektrum von Mikroorganismen, die sich in dieser Umgebung wohlfühlen und gedeihen. „Tierassoziierte Keime“ heißen sie in der Fachsprache. Sie sind überall zu finden, wo Milchtiere sich aufhalten: in der Stallluft, auf dem Futter, im Mist, am Haarkleid der Tiere, auf den Händen der Melker usw. Sie gelangen erst beim Melken in die Milch, denn in einem gesunden Euter ist die Milch so gut wie keimfrei.

Hygienisch: Saubere Milchkannen werden zum Austrocknen aufgehängt.

Tritt die Milch aus der Zitze, nimmt sie gleich die ersten Mikroorganismen aus der Umgebung auf. Zu diesen gehören auch die „guten“ Milchsäurebakterien, die in der Käseherstellung aus Rohmilch vorkommen dürfen und sollen. Sie werden vielerorts in der traditionellen Käseherstellung auf der Alp für das tägliche Käsen eigens weiter gezüchtet (siehe Kasten rechts).

Aber auch unerwünschte Keime können in die Milch gelangen und zum Verderben führen oder sogar krank machen. Um ihre Vermehrung stark zu vermindern, wird Rohmilch gleich nach dem Melken gekühlt. Käst man mit Rohmilch, sollte diese frisch verarbeitet werden, möglichst innerhalb von 24 Stunden.

Rohmilchflora: der Ursprung aller Kulturen

Jede Rohmilch enthält natürliche Keime aus der Umgebung der Tiere. Diese kuhassoziierten, „guten“ Rohmilchkeime werden zur Herstellung von Käse und anderen Milchprodukten schon von jeher verwendet. Auf ihrer Basis sind die individuellen Käsesorten der Welt entstanden – sie wurden in der eigenen Käserei aus der vorhandenen Rohmilchflora zu „Kulturen“ gezüchtet (Seite 36), einer ortstypischen Mischung aus verschiedenen Bakterienarten. Das dürfen Sie sich genau so vorstellen, wie es sich anhört: Es gab – bevor Kulturen kommerziell und standardisiert hergestellt wurden – quasi keine zwei gleichen Kulturen und in der Folge ebenso wenig gleichartige Käsesorten. Die käsereieigene Kultur wurde vor Ort entwickelt, immer weiter gezüchtet und gehegt und gepflegt. An andere Käsereien wurde sie nicht weitergegeben, denn sie war Voraussetzung für die Käsequalität und damit für den Verdienst aus der eigenen Milch.

Ähnliches gilt für die Kulturen, die für die Geschmacksbildung der Käse während der Reifung ausschlaggebend sind. Auch sie haben ihren Ursprung in einer bestimmten Region und einem besonderen Umfeld, das für ihre Entwicklung besonders förderlich ist. Berühmtes und weltbekanntes Beispiel dafür sind die Höhlen von Roquefort.

Sirtenkultur: Käsereikultur aus der Molke

„Sirte“ nennt man in der Schweiz die Molke. Einige weltweit beliebte und geschützte Rohmilch-Käsesorten werden auch heute noch mit Kulturen hergestellt, die täglich neu aus ihr gewonnen werden. Dafür wird gegen Ende des Käsens eine kleine Menge Molke aus dem Käsekessel entnommen, einmal kurz auf 60 °C erwärmt und auf 40 °C wieder abgekühlt. Dann hält man die Molke bis zum Käsen am nächsten Morgen warm, beispielsweise in einer Thermoskanne. Die Erhitzung auf 60 °C reduziert unerwünschte Keime, das anschließende Warmhalten bei 40 °C bewirkt, dass sich die erwünschten Kulturen vermehren können: Sie fühlen sich bei dieser Temperatur am wohlsten. Auf diese Weise werden zunächst unerwünschte Bakterien reduziert und im zweiten Schritt die erwünschten Kulturen begünstigt.

Am nächsten Morgen, vor dem Käsen, wird die Kultur gekostet: Es wird geprüft, ob sie gut aussieht, riecht und schmeckt. Auch wird überprüft, ob sie gut gesäuert hat, dazu misst man ihren Säuregrad.

So sind die im Käse wirksamen Kulturen immer eine Mischung aus den neuen Kulturen, welche die frische Rohmilch mitbringt, und den Kulturen aus der Molke des Vortages. Zahlenmäßig sind die über Nacht bebrüteten Mikroorganismen weit im Vorteil.

Welche Zusammensetzung die Kultur genau hat, ist dabei nicht bekannt – und es ist auch nicht nötig, das zu wissen. Das anspruchsvolle Verfahren beruht in erster Linie auf dem Erfahrungswissen und den Kenntnissen der Käser und Käserinnen, moderne Technik wird nicht eingesetzt. Die tägliche Anwendung der Kultur, das ständige Verkosten und Beobachten machen den

Erfolg aus – und höchste Sauberkeit und Sorgfalt. An der eigenen Kultur schätzen die Produzenten einerseits die individuelle Qualität ihrer Käse, andererseits die damit einhergehende Unabhängigkeit von standardisierten Kulturen aus der Industrie.

FRISCHE MILCH HAT DIE BESTE QUALITÄT

„Frisch“ bedeutet, dass die Milch möglichst kurze Zeit bis zur Verarbeitung oder bis zum Verzehr gelagert wird. Beim Melken gelangt die Milch aus dem Euter über das Melkzeug, die Milchleitung und einen Filter in den Milchtank und wird dort gekühlt. Das Kühlen ist für die Erhaltung der Frische essenziell, denn die Veränderungen der Inhaltsstoffe, die nach längerer Zeit schließlich zum Verderben führen, werden stark verlangsamt. Gänzlich verhindert werden sie aber nicht. Beispielsweise verändert sich besonders das Milchfett, wenn die Milch längere Zeit (auch gekühlt) gelagert wird. Dadurch werden Geschmack und Haltbarkeit der Produkte beeinträchtigt, sodass die Milch grundsätzlich möglichst frisch verarbeitet wird – besonders wichtig bei Rohmilch.

Die grundlegenden Faktoren für gute Milchprodukte

Milchgewinnung und -verarbeitung stellen vom Tier bis zum Käse besondere Anforderungen. Folgende Voraussetzungen führen zu guten Produkten:

• Gesunde Tiere → gesunde Milch mit geringem Zellgehalt

• Sauberkeit und Sorgfalt beim Melken → wenig Keime in der Milch

• Kühlung der Milch → ungünstige Bedingungen für vorhandene Keime

• Frische Milch und schnelle Verarbeitung → wenig Zeit für die Vermehrung unerwünschter Bakterien

• Saubere Behälter und Geräte → kein Eintrag von Keimen während der Verarbeitung

• Saubere Hände und Kleidung → kein Eintrag von Keimen durch Personen

• Gesunde Haut oder Handschuhe → kein Eintrag von Hautkeimen durch Wunden

• Gute Qualität der zugefügten Käsereikultur → Vorteil gegenüber unerwünschten Keimen

• Passende Bedingungen für die zugefügten Kulturen → starke Vermehrung der Kulturen, gute Säuerung der Milch

• Gute Säuerung der Milch beim Verarbeiten → Reduzierung unerwünschter Keime

• Kühlung der fertigen Produkte → ungünstige Bedingungen für eine Keimvermehrung

Bei einigen Käsespezialitäten ist es sogar vorgeschrieben, die Milch zweimal täglich zu verarbeiten, frisch nach jeder Melkzeit und ohne vorherige Lagerung und Kühlung (mehr dazu unten im Kasten).

Stadtleben und Haltbarkeit: die Erhitzung der Milch

Unsere städtisch orientierte Lebensweise bringt große Entfernungen zwischen der Produktion und dem Verbrauch der Milch mit sich. In Europa entwickelte sich dies zunehmend im 19. Jahrhundert, sodass das Kühlen und Transportieren der Milch erforderlich wurden. Was heute selbstverständlich ist, war damals nicht denkbar: Automatisches Kühlen von Milch in Tanks war noch nicht möglich. Zeitweise versuchte man, Tiere im städtischen Umfeld zu halten, um vor Ort über Milch zu verfügen – mit wenig Erfolg. Beengte Haltungsbedingungen und mangelhaftes Futter führten zu einer zweifelhaften Milchqualität.

Verarbeitung zu Spitzenkäse zweimal täglich – und zwar ungekühlt!

Nur frische, ungekühlte Rohmilch wird für den norditalienischen Käse Fontina verwendet. Er hat das Qualitätssiegel D.O.P. (Seite 50), welches für die gemeinschaftlich organisierte Vermarktung mit garantierten Preisen die Voraussetzung ist. Hier wird zweimal täglich gekäst – das Kühlen der Milch ist verboten, lange Transportwege sind ausgeschlossen. Die Milch für diesen Käse stammt von der Valdostana, der regionalen Kuhrasse, die nur im Aostatal gehalten wird. Andere Milch ist nicht zugelassen. Die Tiere sind klein, rundlich und robust. Sie gehören zu den sogenannten Zweinutzungsrassen, die nicht einseitig auf Milchleistung gezüchtet werden. Das D.O.P.-Siegel trägt dazu bei, die Valdostana-Rasse zu erhalten und eine klein strukturierte Tierhaltung und regionale Verarbeitung zu unterstützen.

Dass die Milch ganz frisch und nicht gekühlt ist, garantiert die Spitzenqualität und die regionale Besonderheit: Jedes Lagern und Kühlen würde die Milch und somit die Käsequalität beeinträchtigen.

Aus der Milch der Valdostana Pezzata Rossa wird der hochwertige Fontina-Käse hergestellt.

Der Chemiker Louis Pasteur stellte im 19. Jahrhundert fest, dass durch kurzzeitige Erhitzung eines Lebensmittels Keime abgetötet werden – das Pasteurisierungsverfahren war erfunden. 1865 wurde es der Öffentlichkeit präsentiert und ist bis heute eine bewährte Methode, krank machende Keime sicher abzutöten und die Milch bis zu beachtlichen 10 bis 14 Tagen haltbar zu machen.

Bis die Milch vom Bauernhof auf den Frühstückstisch gelangt, dauert es 3–4 Tage.

GENIALES KLEEGRAS

Kleegras bezeichnet eine Mischung aus Rot- und Weißkleearten, die gemeinsam mit verschiedenen Futtergräsern ausgesät wird. Es wird als Hauptfrucht ausgesät oder als Untersaat im Getreide, zum Beispiel unter Roggen. Die Pflanzenmischung dient als Futter für die Tiere, zur Bodenverbesserung und schützt zusätzlich die Hauptfrucht vor allzu viel Unkraut. Das Getreide wird im Sommer mit dem Mähdrescher geerntet, danach kann das Kleegras mit dem Wachsen loslegen. Es wird frisch gemäht im Stall verfüttert oder steht – auch im darauffolgenden Jahr – den Tieren als Weidefutter zur Verfügung. Für die Winterfütterung kann es als Heu oder Silage verwendet werden. Kleegras ist genial – für die Tiere, aber auch für den Boden.

DIE GROSSE PFLANZENFAMILIE DER LEGUMINOSEN

Klee gehört zur Pflanzenfamilie der Leguminosen oder Schmetterlingsblütler, wie auch Erbsen, Bohnen, Linsen, Lupinen und viele, viele andere. Auch Bäume sind unter den Leguminosen zu finden, beispielsweise die Akazie. Die Vertreter dieser Familie leben in Symbiose mit Bodenbakterien, die sich an ihren Wurzeln ansiedeln. Die sogenannten Knöllchenbakterien können Stickstoff aus der Luft in seine mineralische Form umwandeln und ihn so für die Ernährung von Pflanzen zugänglich machen. Damit werden die Pflanzen unabhängig von einer mineralischen Stickstoffdüngung und die Bakterien wiederum erhalten von der Pflanze als „Gegenleistung“ ein geeignetes Lebensumfeld.

Warum aber spielen Knöllchenbakterien eine Rolle in einem Käsebuch? Weil wir von Milch sprechen – und damit von Landwirtschaft und Tierhaltung.

Die Landwirtschaft steht vor der Herausforderung, klimaschädliche Emissionen zu begrenzen, jede Tierhaltung ist in der Pflicht, zur Gesundheit des Bodens und der Vielfalt der biologischen Aktivität zwischen Pflanzen und Bodenorganismen beizutragen. Dabei kann Kleegras eine bedeutende Rolle spielen. Die Bindung von Stickstoff aus der Luft ist eine natürliche, über Jahrmillionen verfeinerte Symbiose zwischen Pflanzen und Bakterien, die durch den Anbau von Leguminosen genutzt werden kann. Der Stickstoff kommt dabei schrittchenweise in den Boden und wird dort ebenso schrittchenweise als Pflanzennahrung aufgenommen. Auf mineralische Stickstoffdüngung kann verzichtet werden, die damit einhergehenden wasser- und klimaschädlichen Begleiterscheinungen fallen weg.

Knöllchenbakterien leben an den Wurzeln von Klee und können Luftstickstoff binden.

Kleegrasflächen, die dicht am Hof liegen, werden mit einem Elektrozaun eingefasst und von der Herde im Sommer beweidet.

GRAS FÜR DIE TIERE – „FEED NO FOOD“

An berufener Stelle wird viel geforscht und geschrieben über den Anteil der Tierhaltung an klimaschädlichen Emissionen. Aber je artgerechter die Haltung (viel auf der Weide, wenig im Stall), desto geringer der Ausstoß von Treibhausgasen. Zudem ist der Mist für die Fruchtbarkeit der Böden ein wichtiger Faktor.

Problematisch wird es, wenn zu viele Tiere je Flächeneinheit gehalten werden und wenn die Weidetiere nicht mit Gras, sondern einem hohen Anteil an Kraftfutter aus Getreide gefüttert werden. Dies könnte auch Menschen ernähren – und wird zu einem beträchtlichen Teil aus entfernten Regionen der Welt importiert. Auf diese Weise wird das Rindersteak tatsächlich zum Klimakiller.

Wir plädieren für eine gesunde Tierhaltung, in der die Stoffkreisläufe der Natur berücksichtigt werden und die einem artgerechten Leben der Tiere so nahe wie möglich kommt. Damit wird sie ökologisch und ethisch vertretbar und beschenkt uns mit natürlichen Lebensmitteln.

WELCHE MILCH IST FÜR DIE VERARBEITUNG ZU HAUSE GEEIGNET?

Milch ist nicht gleich Milch. Die zahlreichen Sorten aus dem Supermarkt sind in der Molkerei auf unterschiedliche Weise vorbehandelt und daher für die Herstellung von Milchprodukten nicht alle gleichermaßen geeignet. Einige davon sind für einen Joghurt durchaus tauglich, für die Herstellung von Quark, Frischkäse oder Käse jedoch nicht. Kommt die Milch frisch vom Bauernhof, stellen sich wieder andere Fragen nach ihrer Eignung für die Verarbeitung: Was ist bei der Verwendung von Rohmilch zu beachten? Und wie werden die Tiere gefüttert?

PASTEURISIERTE MILCH

Beim Pasteurisieren erhitzt man die Milch zum Abtöten von Keimen, die möglicherweise darin enthalten sind. Krank machende Keime werden sicher abgetötet, gänzlich keimfrei ist die Milch jedoch nicht. Daher wird sie im Kühlschrank aufbewahrt. Keimfrei ist nur H-Milch: Sie wurde hoch erhitzt und ist auch ohne Kühlung mehrere Monate haltbar.

Für die Herstellung von Quark, Frischkäse und Käse ist Milch nur dann optimal geeignet, wenn sie nicht über 75 °C erhitzt wurde. Es gibt allerdings auch Milch zu kaufen, die beim Pasteurisieren höher erhitzt wird, je nach Verfahren auf bis zu 135 °C. Achten Sie daher beim Einkauf unbedingt darauf, dass auf der Milchpackung der Zusatz „traditionell hergestellt“ oder „traditionell pasteurisiert“ steht. Dann können Sie sicher sein, dass die Milch nicht höher als 75 °C erhitzt wurde und sich für die Verarbeitung eignet.

Um Quark, Frischkäse und Käse herzustellen, darf die Milch nicht höher als 75 °C erhitzt werden.

Pasteurisierte Milch, welche als „länger haltbar“ oder „länger frisch“ gekennzeichnet ist, sowie H-Milch sind höher als 75 °C erhitzt und daher für die Herstellung von Quark, Frischkäse und Käse nicht geeignet. Achten Sie für die Herstellung dieser Produkte darauf, dass Sie Milch kaufen, die als „traditionell hergestellt“ oder „traditionell pasteurisiert“ gekennzeichnet ist. Für Joghurt sind auch ESL-Milchsorten und H-Milch geeignet.

Die sogenannten ESL-Milchsorten (Seite 27) empfehlen wir für Quark, Frischkäse und Käse nicht, denn sie können nicht ausreichend gut und stabil dickgelegt werden. Für Joghurt hingegen sind diese Milchsorten verwendbar. Das Gleiche gilt für die H-Milch. Sie eignet sich für Joghurt und für das Portionieren (Seite 70) von Kulturen.

Traditionell pasteurisierte Milch

Es gibt zwei traditionelle Pasteurisierungsverfahren: die Kurzzeit- und die Langzeiterhitzung. Bei beiden bleibt die Erhitzungstemperatur unter 75 °C, sodass die so behandelte Milch für die Herstellung von Quark, Frischkäse und Käse geeignet ist.

Traditionell pasteurisierte Milch kann auch verwendet werden, wenn sie homogenisiert ist (Seite 22). Auf die Gallertenbildung und das anschließende Käsen hat dieses Verfahren keinen ausschlaggebenden Einfluss. Das Gleiche gilt für fettreduzierte Milch.

Pasteurisierte Milch von der Milchtankstelle

Milchtankstellen sind Automaten, an denen frische, pasteurisierte Milch in eigene Gefäße abgefüllt werden kann – eine umweltfreundliche und ganz und gar regionale Praxis der Direktvermarktung, bei der die Wertschöpfung aus der Milch auf dem Bauernhof bleibt. Die Automaten stehen an ländlichen Verkaufsstellen und zunehmend in einigen Supermärkten. Hier gibt es traditionell pasteurisierte und ansonsten vollkommen naturbelassene Milch zu kaufen, die weder homogenisiert noch standardisiert ist. Der Landwirt bringt die frisch pasteurisierte und gekühlte Milch am Tag der Herstellung zum Automaten, der etwa alle zwei Tage neu bestückt wird.

Die traditionell pasteurisierte Milch einer Milchtankstelle ist für die Verarbeitung zu Käse sehr gut geeignet.

Die Milch vom Automaten ist vom Tag der Herstellung an gerechnet acht bis zehn Tage haltbar. Fragen Sie nach, wann der Automat mit neuer Milch versehen wird – dann haben Sie die ganz frische und beste Qualität für Ihren Käse.

Rohmilch finden Sie in einer solchen Tankstelle nur, wenn der Automat direkt auf dem Hof steht.

ROHMILCH

Rohmilch ist in Deutschland definiert als „nicht über 40 °C erhitzt“, ansonsten ist die Milch nur gefiltert und gekühlt. In Europa dürfen alle Milchprodukte aus Rohmilch hergestellt werden – mit Ausnahme von Sahne, Süßrahmbutter und Speiseeis. Sie können jederzeit erkennen, ob Rohmilch in einem Produkt enthalten ist: Das Etikett enthält den Hinweis „mit Rohmilch hergestellt“.

Für den Verkauf als Trinkmilch ist Rohmilch streng reglementiert und nur in zwei Formen erlaubt: als Rohmilch ab Hof, also direkt am Ort der Erzeugung zu erwerben, oder abgefüllt als sogenannte Vorzugsmilch im Laden.

Bei der Rohmilch ab Hof ist der Hinweis „Rohmilch – vor dem Verzehr abkochen“ für die Verbraucher und Verbraucherinnen deutlich sichtbar direkt am Ort der Entnahme angebracht. Das kann der Milchautomat sein, der direkt auf dem Hof steht, oder auch der Milchtank, an dem man auf manchen Höfen selbst seine Milch zapfen kann. Durch den Hinweis werden empfindliche Personengruppen geschützt, denen Rohmilch nicht empfohlen wird (siehe dazu Seite 33).

Milchbezeichnungen

→Rohmilch: Milch, die vor der Verarbeitung nicht über 40 °C erwärmt wurde. Davon unabhängig: Bei manchen Käserezepten wird während der Herstellung das Bruch-Molke-Gemisch auf höhere Temperaturen gebracht – der Käse ist dann immer noch ein Rohmilchkäse.

→Thermisierte Milch: Milch, die höher als 40 °C erwärmt wurde, ohne dass die Vorgaben für eine Pasteurisierung erfüllt sind.

→Traditionell pasteurisierte Milch: Milch, die entweder auf 63–65 °C für mindestens 30 Minuten (Langzeit- oder Dauererhitzung) oder auf 72–75 °C für 15–30 Sekunden erhitzt wurde (Kurzzeiterhitzung).

→ESL-Milch: Milch, die durch div. Verfahren (S. 27) haltbar gemacht wird; die Erhitzungstemperatur bleibt dabei unter 135 °C; darf als „pasteurisiert“ bezeichnet werden.

→H-Milch: Milch, die höher als 135 °C erhitzt wurde; keimfrei; ungekühlt haltbar.

Rohmilch ab Hof

Die Rohmilch im Tank auf dem Milchhof kann bis zu vier Melkzeiten „alt“ sein, da die Milch in der Regel alle zwei Tage von der Molkerei abgeholt wird. Wenn Sie Rohmilch verwenden möchten, fragen Sie nach, wann der Milchwagen die Milch abholt – am Tag danach können Sie ganz frische Milch zapfen. Sie können die Rohmilch zu Hause auch selbst thermisieren oder pasteurisieren, bevor Sie sie verwenden (Seite 66).

Falls es in Ihrer Nähe eine Hofkäserei gibt, fragen Sie nach, ob dort Rohmilch verarbeitet wird, oder schauen Sie auf das Etikett der dort hergestellten Produkte (dort ist vermerkt „mit Rohmilch hergestellt“). Die Rohmilch von einem solchen Hof ist auch für Ihre Hauskäserei geeignet. Beachten Sie dabei unsere Tipps und Empfehlungen auf der nächsten Seite.

Rohmilch, die man sich selbst abfüllen kann, gibt es nur auf dem Bauernhof zu kaufen: aus dem Milchtank oder dem Automaten.

Vorzugsmilch

Vorzugsmilch ist eine vollkommen naturbelassene Rohmilch, die direkt am Ort der Erzeugung abgefüllt wird. Sie wird lediglich beim Melken gefiltert und unter 4 °C gekühlt, dann abgefüllt und zur Verkaufsstätte gebracht. Innerhalb von 24 Stunden gelangt sie vom Hof in den Laden. Ihre Deklaration lautet etwa „Rohmilch – zu verbrauchen bis … …“ – dann folgt eine Angabe von maximal 4 Tagen nach der Erzeugung.

Sie wird auf dem Bauernhof so genau kontrolliert wie keine andere. Regelmäßige Besuche durch den Tierarzt gehören ebenso zum strengen Standard wie monatliche mikrobiologische Kontrollen der Milch. Dabei wird jedes einzelne Euterviertel in sogenannten Viertelgemelksproben im Labor unter die Lupe genommen.

Die Königsklasse der Rohmilch: Vorzugsmilch wird am Tag der Erzeugung auf dem Hof abgefüllt

Diese anspruchsvolle Art der Milcherzeugung erfordert fundierte Fachkenntnisse zur Tierhaltung, Tiergesundheit und Hygiene. Sie ist für den Bauernhof durch die Qualitätsanforderungen und die engmaschigen Kontrollen mit hohem Aufwand verbunden. Eine Vorzugsmilch darf man mit gutem Grund als die Königsklasse der Rohmilch bezeichnen - Sie können sie bedenkenlos roh verarbeiten. Beachten Sie dabei auch die Hinweise im folgenden Abschnitt.

Was gilt es zu Hause bei der Verarbeitung von Rohmilch zu beachten?

Stellen Sie einige grundsätzliche Überlegungen an, bevor Sie entscheiden, ob Sie Ihren Käse aus Rohmilch herstellen. Verwenden Sie sie dann, wenn Sie Wert auf die Naturbelassenheit der Milch legen und sich sicher sind, frische und gute Rohmilch zu bekommen.

Tipps und Empfehlungen zur Verarbeitung von Rohmilch

Stichwort

Details

Anfängern und Anfängerinnen …

 … empfehlen wir, erst Erfahrungen mit pasteurisierter Milch zu sammeln.

Wenn Sie selten verarbeiten, …

 … ist pasteurisierte Milch empfehlenswert.

Wenn Sie unsicher sind, …

 … sammeln Sie Erfahrungen mit der Verarbeitung, bis Sie sich auch für Rohmilch sicher genug fühlen.

Ein Hof mit Hofkäserei, …

 … in der Rohmilch verarbeitet wird, ist für den Bezug von Rohmilch besonders empfehlenswert.

Tagesfrische

Stellen Sie sicher, dass die Milch am Verarbeitungstag gemolken ist.

Lange Transportwege…

 … passen nicht zur Rohmilchverarbeitung!

Zügig verarbeiten