Käseglück - Marlene Kelnreiter - E-Book

Käseglück E-Book

Marlene Kelnreiter

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Beschreibung

Durch Almwiesen streifen, in Molke eintauchen, Käse selber machen Käse und Milchprodukte selbst herstellen? Easy cheesy. Dafür brauchst du keinen Sommer auf der Alm zu verbringen, und auch das Melken kannst du anderen überlassen. Denn die meisten Zutaten für die Käse-Ekstase lagern bereits in deiner Küche. Marlene Kelnreiter zeigt dir, wie du den Kochlöffel richtig schwingst, deinen alten Joghurtbecher zur Käseform upcyclest und aus welcher Milch die feinsten Produkte entstehen. Von Käse-Basics über vegane Fermentationswunder bis hin zur richtigen Lagerung – jetzt heißt es nur noch: weiß sehen und Käse machen! Topf, Herd, Kochlöffel – welcome to the milky way! Um selbst Käse herzustellen, brauchst du keine speziellen Werkzeuge. Denn die Küchenutensilien, die du bereits zuhause hast, genügen für die ersten Käserei-Versuche vollkommen: Dabei musst du zwar vielleicht – wie auf einer Alm – manchmal improvisieren, aber irgendeine passende Lösung gibt es immer. Also, Manege frei, Schränke auf! Dein Hauptwerkzeug sind ohnehin deine Hände und das Wissen, wie du die richtige Temperatur misst und welche hygienische Vorsorgemaßnahmen du treffen solltest, damit aus deinen Milchträumen kein Worst Käs scenario wird. Zum Drüberstreuen und je nach Geschmack braucht es dann nur noch Zutaten wie Salz, Kräuter und Gewürze. Wenn du das Grundprinzip einmal draufhast, sind die Möglichkeiten und vor allem die Geschmackserlebnisse endlos. Step by Step in den Käsehimmel Mit den simplen Schritt-für-Schritt-Anleitungen in diesem Buch hast du den Käse-Dreh schnell raus. Denn hier lernst du alles über Käsebruch, Ausrühren, Einlaben, Trocknen und Reifen. Und dann heißt es nur noch ausprobieren, experimentieren und natürlich verkosten – egal ob du auf Frischkäse abfährst, lieber Ayran nippst, dir dick Butter aufs Brot schmieren willst oder mehr der reife Bergkäse-Typ bist – bei dieser Auswahl wirst du garantiert fündig: von Mascarpone, Mozzarella, Feta über Halloumi, Blau-, Weiß- und Rotschimmelkäse bis hin zu Gouda, Tilsiter und Ricotta – let's cheese it! Das heißt, sobald du es schaffst, dich von Marlene Kelnreiters Fernweh-weckenden Almgeschichten und den fantastischen Bildern loszureißen – so schön war Käsemachen noch nie.   - Easy cheesy Käse machen: Mach deine Küche zur Käserei – die meisten Zutaten dafür hast du wahrscheinlich schon zuhause. Was es beim Rühren, Fermentieren und Reifen zu beachten gibt, erfährst du in den einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen. - Milde Ziege, wilde Kuh: Ganz egal, welches Käseherz in dir schlummert, du hast die Wahl – von Frischkäse über Hartkäse, Paneer, Burrata über Schimmelkäse bis hin zu Joghurt. Mach, was dir schmeckt. In über 40 Rezepten finden alle angehenden Milch-Fermentistas ihr Käseglück. - Ciao City, hallo Almleben: Marlene Kelnreiter hat die Stadtglut gegen Natur, Tiere und Käsekeller getauscht. Davon erzählt sie in ihren Almgeschichten. Begleitet wird das Ganze von Fotos, die Lust auf frische Luft, anpacken und eintauchen machen – so schön einfach, das Käsemachen. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 172

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Alles Käse, oder was?

DAS INHALTSVERZEICHNIS

ALMGESCHICHTEN: DAS PORZELLANVIEH

Sinn und Sinnlichkeit

Nicht Fisch und nicht Fleisch

Begreif das doch endlich

Warum eigentlich Alm, Almmilch und Almkäse?

Mach bloß keinen Käse beim Käsemachen

Das Almleben ist kein Butterbrot

Wie in Käfige eingesperrte Vögel

Das erste Mal

* Sauberes Käsen und Psychohygiene

NICHT AUF DER ALM, SONDERN ZUHAUSE KÄSEN

Kleines Plädoyer fürs selber Käsemachen

* Wie der Käse auf die Welt kam

Die Grundausstattung für angehende Käser*innen

• Der Milchtopf

• Der Herd

• Das Thermometer

• Das Bruchmesser

• Der Schneebesen

• Der Kochlöffel

• Der Schöpflöffel

• Die Käseform

• Die Käsepresse

• Das Käsetuch

• Das Sieb

• Die Küchenwaage

• Das Abtropfgitter

• Die Hände

• Die Reifekammer

Sauber macht lustig

EASY CHEESY KÄSE MACHEN: DIE ZUTATEN

Die Milch

• Kleiner Lobgesang auf die Milch

• Kleiner Tauchgang durch die Milch

• Kuhmilch

• Ziegenmilch

• Schafmilch

• Sonstige Milch

• Pflanzendrink

* Go, get milk! Rohmilch, pasteurisierte und sonstige Milch

Zutaten für die Milchverarbeitung

• Säurewecker: Die Basis des Käses

• Lab: Die Macht der Enzyme

* Von der Milch zum Käse: Die Fermentation

• Salz: Schmeckt, reguliert, verschließt

• Kräuter und Gewürze: Eine köstliche Einmischung

• Wasser

• Calciumchlorid

• Lysozym

• Lakenzusätze

* Käse vegan: Von Vrischkäse, Matschepatsche und Fermentationswundern

DICKLEGEN, SCHNEIDEN, AUSRÜHREN: SCHRITT-FÜR-SCHRITT-ANLEITUNG ZUR KÄSE-EKSTASE

1. Wärmen

2. Säuern

3. Einlaben

4. Festigkeitsprobe

5. Schneiden

6. Ausrühren

7. Abfüllen

8. Pressen und Abtropfen

9. Wenden

10. Salzen

11. Trocknen

12. Reifen

* Käse-Troubleshooting: Erste Hilfe

MILDE ZIEGE, WILDE KUH, SANFTE MUH: DIE REZEPTE

Zum Geleit: Hinweise für angehende Milch-Alchemist*innen

MILCHPRODUKTE

• Dickmilch

• Kefir

• Joghurt

• Joghurt nach griechischer Art

• Labneh

• Ayran

• Sauerrahm (Saure Sahne) / Crème fraîche

• Mascarpone

• Skyr

• Butter

• Süßrahmbutter

• Sauerrahmbutter

• Buttermilch

• Butterschmalz

FRISCHKÄSE

• Topfen (Quark)

• Sauermilchtopfen (Sauermilchquark)

• Süßmilchtopfen (Süßmilchquark)

• Frischkäse schnell

• Frischkäse langsam

• Doppelrahm-Frischkäse

• Hüttenkäse

• Hüttenkäse schnell

• Hüttenkäse langsam

• Mozzarella

• Mozzarella schnell

• Mozzarella langsam

• Stracciatella-Käse

• Burrata

• Feta

SAUERMILCHKÄSE

• Korbkäse

• Kochkäse

• Schmelzkäse

GRILLKÄSE

• Halloumi

• Paneer

ZIEGENKÄSE

• Ziegen-Frischkäse schnell

• Ziegen-Frischkäse langsam

• Ziegen-Weichkäse

WEICHKÄSE

• Weißschimmelkäse

• Blauschimmelkäse

• Rotschmierkäse

SCHNITTKÄSE

• Käse à la Tilsiter

• Käse à la Gouda

• Käse à la Edamer

HARTKÄSE

• Bergkäse

• Käse à la Cheddar

• Käse à la Emmentaler

MOLKEKÄSE

• Ricotta

• Sig

* Käse lagern und genießen: Tipps zu Verortung, Verpackung und Verspeisung

ANHANG: MACH DEIN KÄSEWISSEN HALTBAR

Käse-ABC: Glossar

Weiterführende Literatur

Bezugsquellen

Internetadressen

PROLOG

 

 

Im Bach rauschen noch Schneekristalle davon,

der Sommer steht schon in tausend Gräsern,

lehnt mit geschlossenen Augen am Fels.

Die Sonne hängt träge in Blüten und

wird energisch gezupft,

fließt durch die Kuh hindurch,

und im Milchfluss wieder heraus,

und durch meine Hände, und dann,

dann bringe ich den Sommer zum Gerinnen.

Die Milch wird dick gelegt und

der Sommertag gerät ins Stocken.

Der Berg, das Wetter, die Wiese,

das Tier, die Milch, der Mensch.

In Laiben verdichtet bündle ich

das Momentum und halt es fest.

Die Zeit ist stehengeblieben,

der Almsommer jahrtausendealt,

der Gipfel reine Plattentektonik,

das Meer schon lange ausgetrocknet.

Ich streiche mit den Fingerspitzen den Abdruck einer

Muschel entlang und möchte mir alles einverleiben.

Ich ziehe immer wieder in die Berge.

ALMGESCHICHTEN: DAS PORZELLANVIEH

Sinn und Sinnlichkeit

Jahrelang beiße ich morgens die Zähne zusammen, male die Lippen an, und gehe aus dem einen Haus hinaus, um in ein anderes hineinzugehen. Dort setze ich meinen Körper an einen Schreibtisch, hefte meinen Blick auf einen Bildschirm und lege meine Fingerspitzen auf eine Tastatur. Möchtest du vielleicht auch noch einen Kaffee haben? Der Drucker zieht die Kuverts immer wieder falsch herum ein, also fluche ich. Oder fluche ich, weil ich gerade dabei bin, meine Lebenszeit in unsinnlichen Innenräumen zu verbringen, um in einem fragwürdigen System eine vermeintlich fraglose Rolle einzunehmen? Können wir kurz mal lüften? Wie bekommen andere das nur so scheinbar unbekümmert hin? Ich bewundere allgemein gültige Normen und bezweifle die Alternativlosigkeit. Hast du Zeit für einen kurzen Call? Ich schalte die Tageslichtlampe ein, rolle in ihrem Schein den Kopf gegen die Nackenverspannung, sitze in Meetings und gebe mich engagiert, bin ein atmendes Trugbild. Ich habe trockene Augen und creme mir die Hände ein, und erwarte nicht, dass das eine zur Lösung des anderen führt.

Abends trete ich auf die Straße und werfe einen Blick nach oben, wo ein rosé gefärbtes Band vom Himmel zeugt. Wäre dieser Tag also auch mal wieder über die Welt hinweggezogen, ohne dass ich wirklich Teil davon gewesen wäre. Ich schluchze. Ok. Ich übertreibe. Aber so kann das nun mal nicht weitergehen. Schließlich habe ich nur dieses eine Leben auf dieser prächtigen Erde.

Nicht Fisch und nicht Fleisch

Ich träume gerne, gut und lange. Von einem Sommer auf der Alm träume ich schon als Jugendliche. Ich wachse irgendwo im Nirgendwo auf, genauer gesagt zwischen einer Siedlung auf einem Hügel (wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen) und der nächstgelegenen Kleinstadt (wo ich meinen Schulfreund*innen guten Morgen sage). Und zwischendrin denke ich bald mal: nah! Ich würde mein Leben nicht an Orten verbringen, die weder Fisch noch Fleisch sind. Ich würde an intensiven, extremen, aufregenden Orten ein intensives, extremes, aufregendes Leben führen. Und dafür kommen mir eigentlich nur zwei Möglichkeiten in den Sinn: entweder New York City oder eben die Alm.

Und während sich das mit New York beruflich sogar vorübergehend ergibt, bleibt das mit der Alm so eine Sache. Weil, wie vereint man einen Almsommer und ein Angestelltenverhältnis? Und würde die alpine Wirklichkeit überhaupt mit meinem sehnsuchtsvollen Traum und seinen komplexen Anhängseln mithalten können? Eben. Also träume ich lieber in gehörigem Sicherheitsabstand weiter vor mich hin. Und genieße einfach das Gefühl, potenziell ein übervolles Leben haben zu können: Schließlich weiß ich, dass es da etwas gibt, was ich „eigentlich wirklich gerne machen wollen würde“.

Aber irgendwann kommt dann immer dieser eine Punkt, und an dem hatte ich dann wirklich genug von mir selbst. Ich wollte nicht länger Paradebeispiel für ein klassisches Träumelinchen sein, oder wie ein ängstliches Kaninchen mit bebenden Nüstern in den dunklen Ecken des Konjunktivs hocken. Ich wollte endlich die Ärmel hochkrempeln und mal ein paar Träume verwirklichen. Und so tat ich den ersten Schritt: und ging ins Internet1.

Begreif das doch endlich

Überfallen von der Lust, mich an der Materie zu versuchen. Bis die Funken sprühen, weil der Draht zwischen draußen und drinnen so glimmend und singend.

Und dann stehe ich zum ersten Mal in einem Käsekeller, und dann ziehe ich zum ersten Mal einen Käselaib vom Holzbrett, und dann tauche ich zum ersten Mal eine Käsebürste in eine Salzlake, und dann „schmiere“ ich zum ersten Mal einen Käse. Und dann denke ich: „Wow!“ Und außerdem: „Ich möchte bitte nie mehr an einem Computer arbeiten, sondern nur noch inmitten all dieser Materie.“ Ja, das ist jetzt vielleicht wieder ein bisschen übertrieben, aber so oder so ähnlich war es.

Während meines ersten Almsommers habe ich jedenfalls so einiges begriffen. Nicht nur hunderte Käselaibe, die täglich zu pflegen und dafür in die Hand zu nehmen waren. Ich habe mit meinen Händen im Käsebruch gewühlt, oder sie in dicke Gummihandschuhe gesteckt und in Laugenfässer getaucht. Ich habe Käsenetze und Harfen und Kessi (Noch nie gehört? Schlage nach im Käse-ABC auf Seite 160) und Thermometer begriffen. Heugabeln und Milchkannen. Pfifferlinge und Blaubeeren. Steine und Moos. Kühe und Katzen.

Eigentlich ermöglicht einem der Greifsinn ja schon in den ersten Lebensmonaten, die Umgebung auf ihre Tatsächlichkeit hin zu begreifen, und sich mit dem eigenen Dasein darin zu orientieren. Und obwohl ich schon lange kein Baby mehr war, war der Effekt dieses handwerklichen Sommers inmitten der Natur ein ähnlicher: Durch das Angreifen der Materie und das Eingreifen in sie wurde mir vieles erst so richtig bewusst. Nicht nur, was die Außenwelt angeht, sondern auch die Innenwelt – und wie das alles miteinander zusammenhängt, oder eben nicht. Es wurde alles ein wenig eindeutiger, auch ich selbst.

Meine beste Freundin, die mich für ein paar Tage besucht hatte, attestierte mir bei ihrer Abreise, dass ich hier oben ein wenig vom Porzellanpüppchen zum Porzellanvieh mutiert sei. Und ich befand für mich, nun auf dem richtigen Weg zu sein.

Warum eigentlich Alm, Almmilch und Almkäse?

Die Wimpern der Molke-Schweine so weißblond, dass sie mich an Schweden erinnern. Ich nenne also jedes einzelne Björn.

Was ich nun seit einigen Jahren mache, das machen die Bäuer*innen mit ihrem Vieh schon seit einigen Jahrhunderten: Sie ziehen über den Sommer in die Berge. Warum? Die Flächen im Tal können so zwischenzeitlich anders genutzt werden – zum Beispiel, um Heuvorräte für den Winter anzulegen. Die Tiere kommen durch das saftige Futter und die viele Bewegung fitter ins Tal zurück (die Senner*innen ebenso), durchs Abgrasen pflegen sie ganz nebenbei die Landschaft und durchs Kacken tragen sie zur alpinen Biodiversität bei. Kurz gesagt, es handelt sich um eine 90–120 Tage lange Win-win-win-win-Situation.

Wenn das Vieh dann den lieben langen Sommertag auf den Almwiesen steht und mit den Kuhglocken idyllisch durch die Landschaft bimmelt, kommt die Naschkatze in der Kuh auf ihre Kosten: und zupft nur die Gräser und Kräuter, die ihr am besten schmecken. Und das Futter, das die Kuh frisst, ist wiederum ausschlaggebend für die Milch- und Käsequalität. Dass der Almkäse so besonders gut schmeckt ist nichts, was man sich – verklärt ins Bergpanorama blickend – einreden würde, das ist auch nachweisbar. So haben etwa die ätherischen Öle aus Wiesenkräutern in Form von chemischen Verbindungen namens Terpene einen starken Einfluss auf Geruch und Geschmack der Milch – und verleihen je nach Almwiese jedem Almkäse seinen ganz eigenen aromatischen Charakter.

Wird diese hochwertige Milch Sommertag für Sommertag direkt auf der Alm verarbeitet, spricht man von Almkäse. Und nicht von Bergkäse, womit man den Käse bezeichnet, der ganzjährig von in Bergregionen beheimateten Käsereien hergestellt wird.

Die Bäuer*innen oder Hirt*innen bringen die frische Milch zu den Senner*innen, die umgehend und in Handarbeit feinen Käse herstellen. Die Produktionswege sind kurz, die Milchqualität ist hoch, die Wertschöpfung für die Bäuer*innen interessant.

Früher lag die Milchverarbeitung meist in Frauenhand, und jede Bauernfamilie erledigte diese Arbeit selbst. Später baute man dann – oft in Form von Genossenschaften – Almkäsereien und engagierte eine*n Senner*in: So konnte die Milch einfach täglich abgeliefert und zum Ende des Sommers der entsprechende Käseanteil abgeholt werden. Eine Tradition, die in vielen Almregionen immer noch sehr lebendig ist – und sehr viel Arbeit macht.

Mach bloß keinen Käse beim Käsemachen

Ich habe meinen Sommerwohnsitz bezogen, und freue mich, meine temporäre Anschrift bekannt zu geben. Sie lautet: am Myzelien-Riff.

Mit diesen Worten verabschiedete mich ein Freund in meinen ersten Almsommer, aber ich kicherte das dem Abschied innewohnende Gebot nach Vorsicht einfach nur nervös weg. Weil, was sollte schon schiefgehen: Ein erfahrener Senn würde mir den Herstellungsprozess zeigen, und ich würde diesen dann einfach sorgfältig nacharbeiten. Schließlich gibt es auch im Fall des Käsemachens „Rezepturen“, und das Ganze schien mir ähnlich zu sein wie, ähm, Teig anzurühren und Pfannkuchen daraus zu backen. So in der Art. Zum Glück hielt das dünne Eis, auf das ich mich mit dieser naiven Einschätzung einer unerfahrenen Großstädterin begab. Aber wenn ich darauf zurückblicke, mit welcher Nonchalance ich da plötzlich für tonnenweise Almmilch verantwortlich war, dann muss ich sagen: Puh! Glück gehabt!

Denn: Milch ist ein sensibler Rohstoff, und in sich eine Art geschlossenes System. Nur wenn dieses intakt ist, können während der Reifezeit im Käse jene Ab- und Umbauprozesse stattfinden, die am Ende zu einem köstlichen Ergebnis führen. Kommen unerwünschte Keime ins Spiel – und die sind vom Stall über die Melkanlage bis zur Käserei überall – sabotieren diese schnell mal den Reifungsprozess. Der Käse reift dann nicht, sondern wird schlecht und gegebenenfalls gesundheitlich bedenklich. Dann muss er im schlimmsten Fall entsorgt oder an die Schweine verfüttert werden. Erste Lektion also: Immer alles schön sauber halten!

Welchen Käse man beim Käsemachen sonst noch so machen kann? Sogenannte Fabrikationsfehler. Sprich, man bringt Unordnung in die präzise Komposition aus Temperatur und Zeit, und hat es am Ende mit einem Käseteig zu tun, der nicht schön zusammenwächst – apropos Pfannkuchen: Im Fachjargon spricht man dabei doch tatsächlich vom „Zusammenbacken“. Der Käse bekommt dann sortenuntypische Risse und Löcher, die zwar bedenkenlos verspeist werden können, aber schön aussehen tut das halt nicht. Und für Menschen, die Ahnung von der Materie haben, sind derartige „Käsefehler“ Indiz dafür, dass der*die Käser*in in der Handwerkskunst des Käsens eventuell doch nicht ganz so firm ist.

Das soll nun aber nicht abschreckend wirken, im Gegenteil: Solange du der heiligen Dreifaltigkeit von Sauberkeit, Genauigkeit und Sorgsamkeit aufrichtig Folge leistest, kannst du beim Käsemachen schon mal sehr wenig Käse machen. Und ein cheesy Happy End ist dann selbst für die naivsten Käse-Neulinge in Sicht.

Das Almleben ist kein Butterbrot

Das Leben angepackt, und die Holzbretter und Käselaibe und Hühnerpopos.

Einmal passe ich nicht auf die Dicklegung der Milch, sondern auf 150 Schafe und 50 Rinder auf. Und dann sitze ich da Mitte August in einer gut geheizten Stube, während draußen Schneeregen auf Weiden klatscht, Kühe unsagbar deprimiert die Köpfe hängen lassen, meine Hütte im Nebel versinkt und sich ein schweres Gefühl absurder Einsamkeit über mich stülpt.

Diese Nebeltage werden zu einer der existentielleren Erfahrungen auf der Alm, an denen ich der Natur und mir selbst völlig ausgesetzt bin. Innerstes, Dunkleres wühlt sich aus verdrängten Ecken hervor und steigt die umliegenden Berghänge hinauf, nur um von da mit voller Wucht wieder auf mich herabzudonnern. Nichts und niemand ist da, um die Schwere ein wenig zu lichten. Ja gut, mit Zirbenschnaps könnte ich es versuchen, aber dann gehe ich doch besser an die frische Luft. Sie riecht nach Schnee.

Draußen schlittere ich über rutschiges Terrain, denke ärgerlich: „Warum sitze ich jetzt eigentlich nicht ganz normal und gemütlich in einem Büro?!“, und versuche, die bei Schlechtwetter gerne ins Sperrgebiet wandernden Schafe zurückzuholen. Doch die glotzen nur, denken sich ihren Teil und fressen weiter unbekümmert das den Kühen zugedachte Futter. Weinen könnte ich! Sowieso schon wegen allem, aber jetzt auch noch angesichts meines Versagens als Hirtin, veranschaulicht durch diese störrische Herde mit vielen Regentropfen in den weißen Zotteln.

Aber irgendwann folgt auf den Regen auch wieder Sonnenschein, und dann ist es hier oben oftmals genau so, wie ich mir das erträume: Durchs Schwarzbeerenfeld kullern, die ganze Sommererde vor Schönheit nicht packen können, mit Kälbern kuscheln, gähnende Kühe hinterm Nutellabrot wähnen, fantastische Träume unter einem ebensolchen Sternenhimmel, Kakao mit Rum und Sternschnuppen, Sonnenbaden zwischen Kuhleibern, dann in den See glotzen, ein Schaf, das sich während eines Telefonats mit dem Bauern eng ans Bein drückt, zischende Magnesium-Drinks an der warmen Hauswand, Nackerpatzl-Freiheit beim Outdoor-Duschen, weiße Schafwimpern, die sich genussvoll schließen, von einem Schmetterling umtanzt werden, ein Butterbrot zum Morgenkaffee – all diese kleinen und dabei so prachtvollen Momente, sie machen mich so voll.

Wie in Käfige eingesperrte Vögel

Mit Schnappatmung klettere ich auf den nächstgelegenen Grat. Der Hirt verwechselt mich aus der Ferne mit einer ausgebüxten Ziege.

„Und weißt du was?“, fragt in Folge 362 die ausgestreckt in der Blumenwiese liegende Heidi den in die Sonne blinzelnden Ziegenpeter, „die fühlen sich da alle doch tatsächlich wohl. Sie leben in großen Räumen, wie in Käfige eingesperrte Vögel, und die Fenster sind immer zu!“

„Das gibt’s doch nicht!“, wundert sich ein staunender Peter. Und auch ich erahnte an diesem Fernsehnachmittag meiner Kindheit erstmals die ob ihrer Unnatürlichkeit grotesken Seiten des Stadtlebens. Heidi und Peter taten dann wieder das, was sie am besten konnten – nämlich leicht hysterisch lachend und scheinbar schwerelos in den Bergen herumspringen. Und in mir pflanzte sich währenddessen eventuell der Wunsch ein, meine Sommer einmal genau so verbringen zu wollen wie die beiden.

Während sich Straßenbeläge und Häuserwände langsam aufheizen, Innenräume immer stickiger, Menschen immer schwitzender und Freibäder immer voller werden, führe ich innerlich staunende Monologe mit dem Peter, verfolge gebannt die Wetterprognosen für das Alpengebiet und inspiziere diverse Almhütten-Webcams auf Grüntöne.

Je wärmer die Stadt, desto ungeduldiger die Käserin. Aber es sind nicht nur die Temperaturen, aus denen ich mal wieder rauskommen möchte. Es sind auch die üblichen Räume des Alltags. Ob Wochentage, U-Bahn-Tickets, Büros, Freizeit, Kinosäle, Rechnungen, Gegensprechanlagen, Speisekarten, Gehsteige oder Fahrradspuren. Dort oben gibt und braucht es davon monatelang nichts. Ich blicke ins Tal hinunter und staune über die allgemein gültigen Konstrukte, innerhalb derer man sich geeinigt hat, auf selbstverständliche Art und Weise zu leben. Während aus den Felsmassiven Gestein poltert, brechen auch die Konzepte des Alltags weg von mir. Ich falle aus den üblichen Verortungen und Zuschreibungen heraus und ins summende Gras, und zwischen mir und dem Feuerball ist dann alles möglich, eigentlich.

Das erste Mal

Ängstlich übers Käsekessi gebeugt stehen und hoffen, dass die 600 Liter Milch darin jetzt auch wirklich geronnen sind. Wenig überzeugend und viel zu leise „Ho!“ sagen und beten, dass die drei auf mich zu galoppierenden schottischen Hochlandrinder doch noch abbremsen. Den ersten Käselaib der Saison aufschneiden, Angst haben, dass einem Maden entgegenkommen oder man jemanden stört, der drin sitzt und einfach nur in Ruhe lesen will. „Hopp, Hopp, Schweinsgalopp“ rufen und verzweifelt mit einem Supermarktsackerl rascheln, um eine Schafherde mit über 100 Tieren den Rosskogel hochzutreiben. Während sie an mir vorbeiziehen, bleibt das eine oder andere Schaf kurz stehen, schaut mich an, zieht unter den Wolllocken vermutlich die Stirn kraus, sagt: „Mäh“, und denkt in Wahrheit aber wohl: „Macht die das etwa zum ersten Mal?“

„Ja!“, mähe ich zurück!

Ich könnte es mir einfacher machen, indem ich jeden Sommer auf die gleiche Alm ziehe. Und ich schließe nicht aus, eines Tages einen Ort zu finden, an den ich immer wieder zurückkehre. Aber bis dahin fröne ich anstelle von Wiederholungen den neuen Erfahrungen.

Auch wenn es oftmals nur bedingt Spaß macht, sich immer wieder wie eine Mischkulanz aus Zauberlehrling und Elefant im Porzellanladen zu fühlen. Die Unsicherheit und Ungeschicklichkeit, die mit den ersten noch nicht geübten Handgriffen in einer neuen Arbeitsumgebung einhergehen, sind irritierend und anstrengend. Und dann wollen da ja auch noch fremde Landschaften ausgekundschaftet, Tiere und Menschen ins Gefühl gekriegt und das eigene Selbst in der noch unvertrauten Umgebung kennengelernt werden. Da muss man phasenweise schon ein wenig durchbeißen, dranbleiben, sich in steile Lernkurven lehnen und nicht aufgeben wollen.

Am Ende passiert dann immer etwas vom Schönsten: Ich krieg die Dinge ins Gefühl. Und damit auch mich selbst und die Welt, in der ich bin, ein bisschen mehr als vorher. Spätestens zum Almabtrieb werfe ich zufriedene und dankbare Blicke in die bergige Gegend. Und fühle neben meiner neu erworbenen Oberarmmuskulatur auch eine Art von Stolz. Beides vergeht allerdings schnell und lange wieder, bevor der nächste Almsommer anbricht.

Den Aufbau von Muskulatur kann ich mit diesem Buch nicht aufrichtig versprechen. Dafür aber neu erworbenes und durch Erfahrung angeeignetes Wissen, und schlussendlich vielleicht doch eine Art von Stolz. Nämlich dann, wenn du zum ersten Mal Milch in Käse verwandelt hast und diesen in Händen hältst – oder noch besser: dir in den Mund steckst. Ist aber nun aller Anfang schwer, oder wohnt jedem Anfang ein Zauber inne? Finden wir es heraus!

SAUBERES KÄSEN UND PSYCHOHYGIENE

Du kannst im Wald baden, ins Yogastudio laufen, in den asiatischen Ashram fliegen, den Jakobsweg rauf und runter marschieren oder die Achtsamkeits-Apps aufs Handy laden. Um sich selbst in konzentrierter Form abseits des alltäglichen Getriebes zu begegnen, führen viele Wege zur Arbeit am Selbst. Einer davon wäre die 100 Tage lange, pausen- und gnadenlose Kür namens Almsommer. Ist die Zeit da oben auch eine Art Therapie? Verändert sie einen oder etwas, und wenn ja, wie?

Abgesehen von den intensiven Naturerfahrungen dort oben, deren Schönheit im Laufe des Sommers in jede Pore meines Seins sickert, bringt vor allem die Arbeit über den Körper so etwas wie einen therapeutischen Effekt mit sich. Und damit meine ich jetzt keinen physiotherapeutischen, auch wenn körperlich stets rasche Fortschritte zu verbuchen sind. Wissen diverse Muskelpartien in den ersten Sommertagen noch nicht so recht, wie ihnen geschieht, so verstehen sie schnell: Muskulatur wird aufgebaut, mein Körper wird kräftiger, kommt in Schwung und läuft bald wie geschmiert. Bis auf den einen oder anderen tagesverfassungsabhängigen Müdigkeitseinbruch scheint es, als würde konstante Bewegung vermehrt Energie erzeugen und anfangs sehr Schweres – wie etwa volle Milchkannen – mit der Zeit leichter.

Und so klinke ich meinen Körper von Morgendämmerung zu Morgendämmerung immer geschmeidiger in den Arbeitsfluss ein. In dessen Abläufen nimmt er bald selbstverständlich seinen Platz ein, und ist in diesem Tätigsein fest verankert: Die Hände sind konstant beschäftigt, die Füße wissen um den nächsten Schritt, die Haut ist ummantelt von Wasserdampf und Werkzeugen.