Kaya - frei und stark: Kaya 7-9 (Sammelband zum Sonderpreis) - Gaby Hauptmann - E-Book

Kaya - frei und stark: Kaya 7-9 (Sammelband zum Sonderpreis) E-Book

Gaby Hauptmann

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Beschreibung

Band 7: Kaya kann es nicht fassen. Sie soll bei einem großen Turnier reiten, weil Jo krank geworden ist, und bei dem Mannschaftsspringen mit Andy antreten. Ausgerechnet mit Andy, den sie so bewundert, und mit dem Jo Deutscher Meister in der Pony-Vielseitigkeit geworden ist! Kayas Gefühle spielen verrückt, sie könnte vor Freude jubeln und hat doch Angst. Wird sie die Herausforderung meistern? Oder wird sie sich blamieren? Und dann muss sie auch noch gegen das Nobelstall-Team aus der Nachbarschaft antreten. In dem reitet Chris, ihre große Liebe. Der hatte sie doch gerade erst zu einem Abend zu zweit eingeladen. Und das war nun mal beim DVD-Film „Keinohrhasen“ und mit Chips und Cola so richtig gemütlich und vielversprechend gewesen. Alles sah doch so gut aus – was, wenn sie nun gegen sein Team gewinnen würde? Wäre er dann beleidigt? Aber Kaya will gewinnen, denn schließlich geht es doch um ihr Team! Band 8: Kaya kommt vom Turnier zurück und spürt, dass die anfängliche Euphorie der Freundinnen über ihren ersten Platz in Neid umschlägt. Wie soll sie sich verhalten? Ihre Freude zugeben? Oder besser nicht? Chris kippt noch Wasser auf die Mühlen, weil er ihre Leistung immer wieder vor allen anderen lobt. In dieses ganze Drama platzt dann auch noch Lina, die junge und schöne Brasilianerin, die ihre Deutschlandreise vorverlegt hat. Lina wirbelt das Leben im Stall mit ihrer unbekümmert-freundlichen Art völlig durcheinander. Als Kaya sie allerdings mit Chris im Heuboden, noch dazu in ihrem Amazonen-Versteck, verschwinden sieht, hält sie es nicht mehr aus und spielt mit äußerst rachsüchtigen Gedanken. Wird es ein Happy End geben? Band 9: Alexas Schwester Kaya muss für ihren Reiterring das monatliche Rundschreiben verfassen. Da ihr nichts einfällt, will Chris ihr helfen – aber Reitlehrerin Claudia ist schneller. Und deren Bericht über Fohlenauktionen schlägt bei den Jugendlichen ein wie eine Bombe: Viele Fohlen wandern im Herbst von den Almen direkt in die Schlachttransporter. Sofort beschließen die Jugendlichen, etwas dagegen zu unternehmen – aber das ist nicht ganz ungefährlich ...

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Für Johanna,

Susi und Martin

»Sie leben eingesperrt in Boxen, sie, die die Weite lieben.

Sie sind einsam hinter Gittern, sie, die Geselligkeit lieben.

Sie beugen sich Trense und Kandare, sie, die die Freiheit lieben.

Sie begegnen unserer Gewalt, sie, die sich nicht wehren können.

Wir sind tief in ihrer Schuld.«

Alle Mädchen hatten sich versammelt und schauten gebannt in die Reithalle. Cindy war sogar extra auf eine leere umgedrehte Sprudelkiste gestiegen, damit sie sich nicht so strecken musste. Die anderen konnten bequem über die zweiflügelige Holztüre sehen, die in die Bahn führte.

»Der kam extra angereist«, flüsterte Kaya und fühlte fast so etwas wie Stolz, obwohl es ja gar nicht um sie ging. In der Bahn stand ein Mann, wie man ihn sich als Reitlehrer nur wünschen konnte – groß und stattlich, mit einer braunen Lederjacke und einer braunen Cordhose. Seine Augen blickten freundlich, das Gesicht war eher rundlich, und seiner Haut sah man an, dass er viel an der frischen Luft sein musste. Und dann war da seine ganz besonders angenehm und kräftig klingende Stimme. Ohne große Mühe drang sie bis in den letzten Winkel und erreichte Jo auch am anderen Ende der Halle, wo sie mit ihrem Pony gerade eine Schulter-vor-Länge einleiten sollte. Es war unglaublich, aber wahr – Jos Trainer war aus Westfalen angereist, um Jo und ihr Pony Andy die ersten Tage hier in ihrer neuen Heimat zu trainieren. Die beiden waren die amtierenden Deutschen Meister in der Pony-Vielseitigkeit, und nachdem Jos Vater wegen seines Berufes in den Süden umziehen musste, stand auch für seine Familie ein Ortswechsel an. Kaya hatte sich wahnsinnig darüber gefreut. Sie hatte Jo bei den German Friendships, einem internationalen Jugendturnier in Herford, kennengelernt und war mächtig von ihr und ihrem Pony beeindruckt. Als Willkommensgruß hatten Kaya und ihre Freundinnen Jo eine ganze Geländestrecke mit Hindernissen gebaut, die sie beim Ausprobieren allerdings gleich mal selbst zerlegt hatten. Trotzdem – Jo hatte sich gewaltig darüber gefreut. Es sei der Wille, der zähle, hatte sie gesagt und gelacht. Und Andy fand die Karotten, die sie ihm zur Begrüßung in die Box gelegt hatten, ebenfalls ganz großartig.

»Das ist so ein edles Pony, schaut mal, wie der geht!«, flüsterte Cindy und zog an einer ihrer roten Korkenzieherlocken.

»Na, wie schon. Wie ein Pony halt«, sagte Minka etwas unwirsch, denn sie besaß mit Luxury Illusion selbst ein hübsches und begabtes Pony und wollte ihren Luxy nicht so schnell entthront sehen. Kaya sagte gar nichts. Sie seufzte bloß kurz. Das war eben eine ganz andere Kategorie. Sie liebte ihren Sir Whitefoot, den ihr ihre Eltern zu Weihnachten geschenkt hatten, aber in diese Klasse würde er nie aufsteigen können. Ihr Sir Whitefoot war ein wildes freches Bürschchen, mutig und voller Bewegungsfreude, aber wie Andy hier vor aller Augen so elegant und locker seine Aufgaben meisterte, das war schon etwas anderes. Und Jo – sie saß ja quasi in ihrem Pferd, nicht auf ihm. Die beiden waren wie verwachsen miteinander.

»Nun gut, jetzt haben wir einen Deutschen Meister im Stall«, brummelte Reni neben ihr. »Jetzt wird unser Stall berühmt, yeah!« Reni war von den fünf Freundinnen körperlich die Kräftigste und auch die Stärkste. Sie spielte nebenher noch Handball und hob auch gern mal beim Schmied die Hufe auf. Reni powerte ständig bei allem, was sie tat, verbrauchte sie mächtig viel Energie, und deshalb hatte sie auch immer Hunger.

»Bloß ist Jo mit 16 Jahren im nächsten Jahr eben aus dem Ponyalter raus und damit auch aus dem Kader«, warf Fritzi ein. Sie dachte immer etwas weiter. Das musste bei ihr in den Genen liegen, ihr Vater war Lehrer.

»Dann kannst du ja nachrücken, du bist schließlich erst 14«, zog Kaya sie auf, schauderte aber trotzdem. Jo ritt im Bundeskader, höher ging es nicht. Sie selbst hatte den Rang der Talentierten Junioren am Ärmel ihres Turnierjacketts, was sie schon mächtig stolz machte. Aber dafür musste sie auch regelmäßig auf Turniere gehen, was sie aber nicht mehr konnte, seitdem sie Dreamy nicht mehr ständig ritt. Möglicherweise würde sie dadurch nun ihre Kaderzugehörigkeit verlieren. Sie wollte gar nicht daran denken.

Andy wechselte gerade im Galopp durch die Länge der Bahn. »Der kann ja sogar fliegende Galoppwechsel«, staunte Cindy und stand plötzlich auf Zehenspitzen auf der Kiste.

»Der muss ein Vermögen gekostet haben«, nickte Minka, die sich von allen am wenigsten beklagen durfte. Ihr Vater fuhr sie mit Luxy regelmäßig zu Turnieren in der Umgebung und auch zu Lehrgängen, wo sie manchmal sogar übernachten durfte.

»Es liegt eben auch am Training und somit auch am Trainer«, sagte eine dunkle Stimme hinter ihnen und Kayas Herz machte einen Sprung. Wenn sie diese Stimme hörte, fuhr ihr jedes Mal sofort ein warmer Schauer durch den ganzen Körper. Chris! Ihre ganz große Liebe! Sie holte einmal tief Luft, bevor sie sich zu ihm umdrehte. Nur nicht aufgeregt erscheinen und vor allem nicht rot werden.

»Ach«, sagte sie, »bist du wegen Jo da oder wegen ihres Trainers?«

Er lächelte sie an und seine blauen Augen katapultierten sie direkt in eine andere Sphäre. Am liebsten hätte sie sofort seine Hand gegriffen und wäre mit ihm verschwunden – oder hätte sich ihm zumindest in die Arme geworfen. Aber zum einen standen ihre Freundinnen um sie herum und zudem durfte er von ihren überschwänglichen Gefühlen ja nichts wissen. Zumindest nicht wirklich.

»Wegen dir«, antwortete er und sofort spürte sie die neugierigen Blicke der Mädchen auf sich gerichtet. Jetzt bekam sie doch einen roten Kopf. Teufel noch mal, sie merkte, wie ihre Ohren heiß wurden. Musste das jetzt sein?

»Wegen mir?«, fragte sie schnell, um von ihrer Gesichtsfarbe abzulenken.

»Ja, meine Mutter hat mal wieder ein Schnäppchen gemacht – zwei Satteldecken zum Preis von einer – sie will wissen, ob du eine für Sir Whitefoot haben magst!«

Das war gelogen. Kaya war das sofort klar. Das Reitsportcenter würde einen Teufel tun! Zwei Satteldecken zum Preis von einer, nie im Leben! Simone Waldmann wollte ihre gute Tat einfach ein bisschen herunterspielen, das war alles.

Trotzdem tat sie so, als ob sie sich freute. »Au ja, wirklich?«, sagte sie und drehte sich nun ganz zu ihm um. »Und wo sind sie?«

»Im Wagen. Kannst dir eine aussuchen!«

Kaya zwinkerte ihren Freundinnen zu und ging dann ganz nah neben Chris durch den Hof. Sir Whitefoot stand in seinem Paddock und schnaubte sofort, als sie um die Ecke bog.

Chris lachte. »Na, den hast du wirklich erobert. Der liebt dich mit Haut und Haaren!«

Fast hätte Kaya »Du wärst mir aber lieber« gesagt, konnte es sich jedoch gerade noch so verkneifen. Und überhaupt wäre das dann Sir Whitefoot gegenüber ungerecht gewesen. Der strengte sich im Vergleich zu Chris wenigstens an. Chris kam nur, wenn seine Mutter ihn schickte – so wie jetzt.

Sie schaute ihn kurz von der Seite an. Allerdings – jetzt war er hier. Jetzt musste sie sich was einfallen lassen.

»Und was läuft bei dir zurzeit so?«, fragte sie, um irgendwie ein Gespräch in Gang zu bringen.

»Meinst du in der Schule? Bei den Pferden? Oder sexuell?«

Das war klar. Jetzt wollte er den coolen 16-Jährigen und welterfahrenen Kerl raushängen lassen.

»Sexuell!«, sagte sie schnell, bekam aber keine Antwort mehr, weil sie schon auf dem Parkplatz angelangt waren, wo Chris’ Mutter gerade aus dem Auto sprang. Simone hatte Jeans und ein grünes Poloshirt an und sah eher wie Chris’ ältere Schwester aus, aber bestimmt nicht wie eine erfolgreiche Juristin.

»Hallo, Kaya. Na, wie geht’s? Lange nicht mehr gesehen!«

Das stimmte nicht ganz, es war erst eine Woche her, aber vielleicht hatte Frau Waldmann das ja vergessen.

Sie riss schwungvoll den Kofferraum auf, holte zwei Schabracken heraus, sagte »Springschabracken« und lächelte dabei.

Das waren beides keine Sonderangebote, sondern die Schabracken aus der neuesten Kollektion, was Kaya sofort klar war. Die eine war dunkelbraun und am hinteren Teil mit einer Krone aus Glitzersteinchen geschmückt.

»Die sieht ja scharf aus«, entfuhr es Kaya und Simone hielt ihr die Decke hin. Das Sonnenlicht spiegelte sich in der Krone und funkelte in allen möglichen Farben. Kaya drehte und wendete die Schabracke und gab sie Simone strahlend zurück. »Cool!«, sagte sie.

Die zweite war dunkelgrün und hatte eine zweifarbige Zierborte. Sie sah nicht so besonders auffallend aus. Kaya war schon klar, was sich Simone beim Kauf gedacht hatte.

»Und wenn ich jetzt die grüne möchte?«, fragte Kaya spitzbübisch und schaute Chris verschmitzt an. »Nimmst du dann die mit der Krone?«

Chris zuckte die Schultern. »Solange mein Pony gewinnt, nehme ich sogar rosa!«

Kaya musste lachen. Chris, so wie er da vor ihr stand, mit Jeans, schwarzem T-Shirt, blonden Surferhaaren und den blauen Augen. Der auf einem rosa herausgebrachten Pony. Zumal Wild Thing ja nun auch keine Schönheitskönigin war – das alles zusammen käme wohl ziemlich absurd rüber.

»Das möchte ich sehen!«, sagte sie und lachte und auch Simone musste lachen.

»Kriegst die passenden rosa Bandagen dazu!«, frotzelte sie.

Kaya hielt die braune Schabracke wieder in die Sonne und bewunderte das Krönchen. »Und ich darf mir die wirklich aussuchen?«, fragte sie noch einmal zweifelnd, denn das hier war wie ein Geburtstagsgeschenk und nicht einfach mal so nebenbei.

Simone nickte. »Sie hat mir einfach gut gefallen. Und deinem Fuchs steht das Dunkelbraun bestimmt sehr gut. Charlotte möchte auf ihrem Pony eine helle Farbe.«

Charlotte war Chris’ kleine Schwester, und Dreamy, ihr Pony, stand ebenfalls im Stall bei Claudia. Chris’ zwei Ponys dagegen waren im Nobelstall der Stadt untergebracht. Dort habe er mehr Trainingsmöglichkeiten, behauptete er.

»Kann ich irgendetwas dafür tun?«, wollte Kaya wissen. »Vielleicht Dreamy bewegen, wenn Sie in die Sommerferien fahren?«

Simone schüttelte nur den Kopf. »Nein, es ist einfach ein Geschenk, liebe Kaya. Einfach so. Du hilfst unserer Charlotte ja ohnehin immer, also mach dir keine Gedanken.« Sie schaute ihren Sohn an. »Und außerdem stellt sich noch die Frage, ob wir in den Sommerferien überhaupt wegkönnen – Lina hat sich angesagt. Sie plant eine Deutschlandreise und wird bei uns ein paar Tage Station machen.« Sie stockte kurz. »Aber bis zu den Sommerferien ist es ja noch eine Weile hin …«

Lina?

»Lina?« Jetzt schaute auch Kaya schräg, dann aber schoss es ihr wie ein Blitz durch den Kopf. Lina! Mist! Lina!

Konnte ein Mensch solche Gefühlsstürze überhaupt aushalten? Eben noch schierer Jubel und jetzt der eiskalte Schreck. Sie spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich und wie ihre Beine wackelig wurden.

»Aber warum das denn?«, fragte sie einigermaßen hilflos. »Was will sie denn hier?«

Das war ja die perfekte Katastrophe! Bei den German Friendships, dem internationalen Jugendturnier in Herford, war Lina die Partnerin von Chris gewesen. Gemeinsam hatten die beiden ein Team gebildet, so wie alle anderen Deutschen mit je einem ausländischen Gast auch. Und das Los hatte Chris Lina zugesprochen, dieses äußerst attraktive Mädchen aus Brasilien. Kaya war damals nach dem Turnier froh gewesen, dass sie diesen Albtraum überstanden hatte – und jetzt sollte er von Neuem beginnen, sollte er sie verfolgen.

Simone hatte die grüne Schabracke in den Wagen zurückgelegt und die Tür bereits wieder geschlossen.

»Und? Was machst du in den Sommerferien?«, fragte sie Kaya.

»Nichts«, sagte sie automatisch. »Ich trainiere ein bisschen mit Sir Whitefoot, und vielleicht kann ich auch zu einem kleinen Turnier mitfahren – mal sehen, was Claudia so vorhat.« Sie konnte das ja nicht alleine bestimmen, sie hatte keinen Pferdehänger. Und ihre Eltern hatten am Wochenende nie Zeit, weil sie das Restaurant nicht einfach alleine lassen konnten. Kaya wurde die ganze Misere bewusst, und sie spürte, wie die Tränen in ihr aufstiegen.

»Ja, gut, dann kannst du mit den beiden doch bestimmt mal ausreiten oder sonst was Schönes unternehmen«, verkündete Simone beschwingt, umarmte Kaya kurz und stieg in ihren Wagen ein. Chris blieb noch kurz neben ihr stehen, aber offensichtlich wusste auch er nicht, wie er reagieren sollte. »Ich ruf dich an«, sagte er, drückte sie kurz am Oberarm, nickte zur Schabracke hin, die Kaya unter den Arm geklemmt hatte, und meinte: »Ihr beide seht damit bestimmt toll aus.« Dann war auch er im Auto verschwunden.

»Ja, bestimmt«, erwiderte sie gedämpft. »Das war eine coole Aktion von deiner Mutter, vielen Dank!«

Sie schaute dem Geländewagen nach, bis er nicht mehr zu sehen war, und stand immer noch an der Straße, als sie Hufgeklapper hinter sich hörte.

»Na, träumst du deinem Prinzen nach?« Es war die rauchige Stimme von Jo. Kaya drehte sich zu ihr um. Jo kam von der Halle herübergeritten, sie wollte nach dem Training noch im Schritt »ausdampfen« lassen, wie sie es immer nannte. Viel Schritt vorher und viel Schritt nachher, erklärte sie jedes Mal. Ein Marathonläufer würde ja auch nicht einfach so losrasen und sich im Ziel direkt ins Gras werfen. Der muss seine Muskeln und Sehnen auch erst warm machen und hinterher entspannen. Und so geht’s beim Reiten auch, sonst wäre der Traum vom gesunden Pferd bald ausgeträumt.

»Ausdampfen lassen?«, fragte Kaya lustlos.

»Ja, ich mach noch einen kleinen Schrittausritt. Magst du mit?«

»Auf dem Gepäckträger?«

Jo lachte. »Quatsch. Ich steige ab, dann spazieren wir einfach.«

Kaya schüttelte den Kopf. »Nein danke. Ich glaube, ich mag jetzt allein sein!«

Jo tätschelte Andys Hals, der feuchte Stellen aufwies. Sie zeigte auf die Schabracke. »Hast du die gerade bekommen?«

»Ja. Zusammen mit der Nachricht, dass Lina im Sommer kommt.«

»Lina?« Jo beugte sich etwas zu ihr herunter.

»Lina. Seine Partnerin aus …!«

»Ah«, Jo unterbrach Kaya und grinste breit. »Der brasilianische Feger. Der mit den schönen Zähnen und dem ungezügelten Temperament!«

Kaya verzog den Mund. »Du sagst es!«

»Und was will die hier?« Andy stand wie ein Denkmal. Kaya kam nicht umhin, ihn zu bewundern. Sir Whitefoot hätte schon längst zur anderen Straßenseite hin gedrängt, zu den Koppeln und zum Reitweg. Andy dagegen stand ruhig am langen Zügel mit gespitzten Ohren, so als ob er mitreden würde.

»Sie macht eine Deutschlandreise und Station bei Waldmanns. Ist das nicht toll?«

»Ja, spitze!« Sie blickten sich beide in die Augen. »Wart’s ab«, beruhigte sie Jo dann. »Die ist sicher absolut harmlos.«

»Harmlos. Genau«, wiederholte Kaya kopfnickend. »Das glaub ich auch!«

»Und bis zu den Sommerferien dauert es ja noch eine Weile, wer weiß, was bis dahin alles passiert!«

»Ja, wer weiß …« Kaya nickte wieder.

»Gut.« Jo deutete mit ihrem Kopf den Reitweg rauf. »Wir gehen dann mal. Bis nachher!«

Kaya klopfte Andy leicht auf die Hinterhand. »Ich gehe nach Hause«, sagte sie, »hab heute keine Lust mehr!«

Sie verstaute die Schabracke, gab Sir Whitefoot eine Rübe zum Abschied und winkte ihren Freundinnen von Weitem zu. »Ich muss heim«, rief sie und sah auch auf die Entfernung, dass die Mädels sich ungläubig anschauten. Sie war sonst immer die Letzte, die heim musste. Und wenn sie es sich jetzt so recht überlegte, müssen musste sie eigentlich nie heim. Ihre Eltern machten ihr ja keine Vorgaben, sie wussten, dass Kaya sowieso immer rechtzeitig kam, weil sie einfach unausgeschlafen war, wenn sie abends zu spät ins Bett ging. Das würde ihr sonst den ganzen nächsten Tag nachhängen.

Oh Mann, was bin ich für ein langweiliger Teenager, dachte sie, als sie sich auf ihr Rad schwang. Ich könnte längst mit Chris gehen, wenn ich nicht immer so höflich zurückhaltend wäre. Wo habe ich das bloß her? Sie grübelte, während sie die Straße hinunterfegte. An ihrem Geburtstag, ja da sah es noch ganz anders aus. Da schmuste er mit ihr im Heu, nachdem sie bei der Geburt der Fohlen geholfen hatten.1 Aber hatte sie etwas daraus gemacht? Am nächsten Tag wollte er mit ihr ins Kino, aber sie konnte nicht, weil der Film erst ab 16 war. Dummerweise hatte ihre Mutter in der Zeitung nachgesehen. Wie ein junges Küken war sie sich vorgekommen – und bingo, danach hat er gar nicht mehr versucht, sie einzuladen. Sie hätte einfach gehen sollen und Mutter Mutter sein lassen, hatte es sich aber nicht getraut.

Ein Wagen nahm ihr die Vorfahrt und sie wäre fast gestürzt. »Idiot!«, schrie sie ihm nach und legte all die Ungerechtigkeit ihrer Welt in dieses Wort. Sicherlich brauchte diese blöde Lina nur wieder mit dem Hintern zu wackeln und er würde dahinschmelzen. Dabei war es doch nur so ein aufgesetztes Getue von der und hatte rein gar nichts mit wirklichen Gefühlen zu tun, so wie bei ihr!

Sie war so sauer, dass sie daran dachte, ihren Kleiderschrank aufzuräumen. Irgendeine sinnvolle Betätigung, bei der sie sich abreagieren konnte, brauchte sie jetzt.

Sie knallte ihr Fahrrad gegen die Hauswand, und es war ihr auch egal, dass es mit dem Vorderrad wegrutsche und auf dem Lenker liegen blieb. Selbst Schuld, dachte sie. Hätte auch stehen bleiben können! Durch das Fenster sah sie, dass ihr Vater schon wieder in der Restaurantküche arbeitete. Dann konnte ihre Mutter auch nicht weit sein. Sollte sie gleich ins Privathaus rübergehen oder sollte sie sich zumindest kurz sehen lassen?

Unentschlossen blieb sie stehen und schaute ihrem Vater zu. In einem kleinen Topf köchelte eine Sauce und eben schöpfte er breite Nudeln ab. Sofort meldete sich ihr Magen. Damit war die Sache klar. Und anschließend ein Eis, dachte sie. Irgendwie fühlte sie sich sofort besser. Und als ob er ihren Blick in seinem Rücken gespürt hätte, drehte sich ihr Vater jetzt um und winkte ihr zu. Sie winkte zurück. Na gut, dachte sie. Dann musste der Schrank eben warten.

Ihr Vater hatte heute richtig gute Laune. Er lächelte ihr entgegen, und Kaya fand wieder einmal, dass er für seine 44 Jahre unglaublich jung aussah. Oder war jung der falsche Ausdruck? Er hatte etwas Jungenhaftes an sich. Vielleicht weil er gern Unsinn machte und vieles nicht so ernst nahm, worüber ihre Mutter sich aufregen konnte. Der Kinobesuch zum Beispiel. Er hätte garantiert nicht in der Zeitung nachspioniert.

»Heute ist die Bude voll«, begrüßte er sie und stellte ihr auch gleich einen Teller auf den kleinen Tisch, an dem sie so gern saß. »Aber am großen Tisch haben sie sich zum Glück auf dasselbe Menü geeinigt, das bedeutet weniger Arbeit und mehr Geld. Ist das nicht toll?« Er zwinkerte ihr zu. »Damit ist die Miete für deinen Sir Whitefoot jedenfalls schon mal gesichert!«

Kaya nickte zufrieden und holte sich Besteck. Ja, auch darin unterschieden sie sich von Chris. Während die Waldmanns viel Geld hatten und sich solchen Luxus wie die edlen Schabracken einfach mal so nebenbei leisten konnten, mussten ihre Eltern noch den Umbau des Restaurants und des Wohnhauses abbezahlen. Dass sie Sir Whitefoot überhaupt bekommen hatte, grenzte schon an ein Wunder – auch wenn es an Weihnachten gewesen war. Und das war jetzt schon über sieben Monate her …

»Worauf hast du Appetit?«, wollte ihr Vater wissen.

»Auf einen großen Teller mit Gemüse und Salat«, kam die Antwort von dort, wo die Schwingtüre zum Restaurant führte. Ihre Mutter war mit einigen aufeinandergestapelten Tellern hereingekommen. »Grüß dich, mein Schatz. Wie war ’s reiten? Und was macht die Schule? Vergiss bitte vor lauter Pferden deine Schulaufgaben nicht. Und Klassenarbeiten schreibt ihr doch bestimmt auch? Gibt’s da was, was ich nicht weiß? Nicht dass ich bei der nächsten Elternversammlung wieder …«

»Karin!«, schnitt Harry ihr das Wort ab und drohte ihr mit dem Kochlöffel. »Lass das arme Kind doch erst mal essen!«

»Na«, sie seufzte und hielt mitten in der Bewegung inne. »Ich sehe schon. Die große Verschwörung ist wieder im Gange. Breite Nudeln und Spickzettel.«

Kaya grinste und auch ihr Vater schnitt eine Grimasse.

»Wenn du wenigstens ein bisschen Salat isst, dann habe ich eine Überraschung für dich!« Karin hatte das Geschirr abgestellt und fuhr sich mit ihren Fingern durch das schwarze Haar. Sie war hübsch, hatte eine sportliche Figur und trug im Service meist dunkle Hosen und helle Blusen. Jetzt verschränkte sie abwartend die Arme und warf Kaya einen herausfordernden Blick zu.

Heute schien wirklich absolut der Tag der Überraschungen zu sein, fand Kaya. Würde sie noch eine ertragen?

»Nur wenn es eine nette Überraschung ist«, sagte sie vorsichtig und fügte noch schnell hinzu: »Und außerdem ist das Erpressung!« »Stimmt!«, erklärte Karin und bedeutete ihrem Mann per Fingerzeig, dass zu den Nudeln noch was Grünes auf den Teller musste.

Kaya schaute misstrauisch. »Und was bitte?«, fragte sie und zog die Nase kraus. Das hatte sie sich aus ihrer Kinderzeit herübergerettet. Wie Mogli im Dschungelbuch.

»Isst du das dann auch?«, wollte Karin wissen und lud silberne Brotkörbe und Schmalztöpfe auf ein Tablett.

»Ja, gut, versprochen!«, kapitulierte Kaya und nickte.

»Also. Eben hat Klemens Nachtigall einen Tisch reserviert. Er kommt mit Jo. Und laut Jo sollst du dich dazusetzen. Jos Mutter kommt auch mit!«

Was sollte sie da? Jos Mutter hatte ein zupackendes Wesen, in ihrer Nähe war ihr nie so ganz wohl zumute, weil sie immer dachte, dass sie sicherlich irgendetwas falsch machte. Jo und ihre Eltern waren schließlich halbe Profis. Wie sonst hätten Jo und Andy Deutscher Meister werden können?

Kaya zögerte.

»Ja, willst du denn nicht?«, fragte ihr Vater, während ihre Mutter mit dem Tablett hinausging.

»Doch, schon.« Sie überlegte. »Ich bin bloß so, so … gar nichts im Vergleich.«

Harry schaute sie kurz an, schob einige Töpfe ein kleines Stück von den Gasflammen weg und setzte sich dann mit einem Teller voller Nudeln und drei Salatblättern in üppiger karamellfarbener Sauce zu ihr.

»Was ist denn los?«, wollte er wissen und schob ihr den Teller vor die Nase. Kaya verzog das Gesicht. Dann holte sie tief Luft und sagte: »Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich habe ich eine Depression!«

»Soso, eine Depression.« Harry schüttelte den Kopf und fasste über den Tisch nach ihrer Hand. »Hat dich dein Pony abgeworfen? Oder hast du eine Arbeit verhagelt? Oder hast du Liebeskummer?«

Kaya zupfte an einem Salatblatt und steckte es sich mit den Fingern in den Mund. »Diese blöde Brasilianerin kommt«, sagte sie kauend. »Die von den German Friendships. Und dann habe ich eine Schabracke geschenkt bekommen. Und der Andy geht so gut, das wird Sir Whitefoot nie schaffen. Und ich kann einfach nicht gut genug reiten. Und überhaupt, alles ist Mist!« Sie leckte sich die Fingerspitzen ab. »Und Chris ist ein Trottel!«

»Ah!«, sagte Harry und nickte ernsthaft. »Das sind alles schwerwiegende Argumente. Gab es heute vielleicht auch ein schönes Erlebnis? Eines, an dem du dich erfreuen kannst?«

Kaya stützte ihr Kinn auf. »Wenn es eines gab, ist es an mir vorbeigegangen. Ich habe es jedenfalls nicht bemerkt!«

»Diese neue Schabracke auch nicht?«

»Die zeigt mir ja bloß, dass wir …«, sie brach mitten im Satz ab. »Ach, nichts.«

»Okay, das ist Weltschmerz«, erklärte ihr Vater. »Das geht vorbei. Wir können dir vielleicht nicht jede neueste Pferdeausstattung kaufen, aber immerhin bekommt dein Sir Whitefoot jeden Tag feinste Bio-Karöttchen aus meiner Küche. Und meinst du nicht, dass ein Pferd das jeder noch so tollen Satteldecke vorzieht?«

Kaya musste lachen. »Ja, das glaube ich allerdings. Besonders Sir Whitefoot, der ist so verfressen, der hing schon mal kopfüber im großen Futterkasten. Da war nur noch sein dickes Hinterteil zu sehen!«

Jetzt lachte sie wirklich. Und ihr Vater auch.

»Na, siehst du«, sagte er. »Und deine Brasilianerin hat bestimmt auch ein dickes Hinterteil, das haben dort nämlich fast alle – und Chris wird das gar nicht gefallen. Und schon geht es dir wieder gut, stimmt’s?«

Das stimmte zwar nicht, Lina war leider extrem gut gebaut, aber die Vorstellung gefiel ihr. Und vielleicht war Lina in den letzten Monaten ja auch aus der Form geraten, schließlich war sie schon über 16. Für den Moment schien der Tag doch noch gut zu enden.

20 Minuten später saß sie draußen an einem runden Tisch, den ihre Mutter für Jo, deren Trainer, deren Mutter und sie hübsch gedeckt hatte. Jos Mutter sprühte vor guter Laune und nahm Kaya sofort das leichte Unbehagen, indem sie kleine Geschichten aus ihrem Reiterleben erzählte. Es machte Kaya wirklich Spaß, ihr zuzuhören. Klemens, der in Westfalen einen eigenen Stall führte und nun mit Jos Umzug eine seiner besten Reiterinnen verlor, war stiller, aber er wirkte so gutmütig und warmherzig, dass sich Kaya neben ihm wohlfühlte. Jo saß derweil grinsend am Tisch und futterte fast das ganze Brot mit dem Griebenschmalz weg.

»Wer trainiert dich denn?«, wollte Klemens plötzlich wissen. Kaya verstand erst nicht, dass er sie meinte, schaute dann aber erstaunt hoch. »Nun, Claudia gibt mir Reitunterricht. Früher, als ich noch ein anderes Pony ritt, das sehr gut sprang, hatte ich noch einen Kadertrainer. Fritz Lang hieß der. Aber Sir Whitefoot ist noch nicht so weit.« Sie zögerte. »Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob er jemals ein richtiges Springpony wird!«

»Ach so? Warum nicht?«, wollte der Trainer wissen und auch Susan, Jos Mutter, hörte jetzt aufmerksam zu.

»Na ja, mit 140 Zentimetern ist er nicht gerade groß!«

»Ja, schon richtig. Aber wenn er gerne springt und Sprungvermögen hat, ist das zumindest am Anfang kein Hindernis!«

Kaya nickte, zuckte dann aber gleich mit den Achseln und sagte: »Er hat mich schon ein paar Mal abgesetzt. Wenn es nicht passt, springt er nicht.«

»Da hat er doch recht. Dann mach es ihm halt passend!« Susan lächelte ihr aufmunternd zu.

»Tja, das ist es doch. Dazu fehlt mir die Erfahrung, ich habe einfach den Blick nicht dafür.« Sie überlegte. »Zumindest nicht richtig. Dreamy hat sich das immer irgendwie passend gemacht. Ich habe vor dem Absprung zwar immer mitgezählt, aber manchmal hab ich mich auch verschätzt – und es hat trotzdem geklappt!«

Susan und Klemens schauten sich an. »»Na, das testen wir morgen doch mal. Hast du Lust?«, wollte Klemens von ihr wissen, und Kaya spürte augenblicklich, wie ihr Herz in die Hose rutschte. Du lieber Himmel. Klemens wollte ihr eine Springstunde geben? Und das vor allen anderen im Stall. Was würde wohl Claudia dazu sagen – und was ihre Freundinnen? Minka zum Beispiel, die mit ihrem Luxy doch viel mehr hergeben würde. Und wenn Sir Whitefoot sie absetzte? Wäre schließlich nicht das erste Mal! Schon bloß der Gedanke trieb ihr die Röte ins Gesicht.

»Ich bin für so was gar nicht gut genug«, wehrte sie ab.

»Dummes Zeug«, wischte Susan ihren Einwand weg. »Jeder fängt mal an. Und jeden Reiter kann man verbessern – auch die großen trainieren täglich und lassen sich noch was sagen. Das hört nie auf.«

Kaya nickte und schaute Jo an.

»Da kommst du bei meiner Mutter an die Richtige«, sagte sie und grinste schon wieder.

»Du musst deinen Sir Whitefoot eben gut vorbereiten«, erklärte Susan und schaute sie eindringlich an. »Gute Pflege, Motivation, Muskelaufbau – all das muss stimmen, dann springt er über Häuser!«

Kaya nickte schon wieder.

»Hast du ordentliche Springgamaschen? Braucht er Vorderzeug?«

»Gamaschen habe ich schon«, sagte sie. »Aber Vorderzeug?« Sie war sich nicht sicher, ob Sir Whitefoot so etwas brauchte.

»Macht nichts«, erklärte Susan schnell. »Wir schauen uns das an, sonst bekommst du was von uns!«

Mein Gott, dachte Kaya, spürte ihren Puls nach oben schnellen und gleichzeitig wurde ihr am ganzen Körper heiß. Das würde sie alles nicht überleben.

»15 Uhr?«, wollte Susan wissen, und Kaya schaute hilfesuchend ihrer Mutter entgegen, die die Vorspeisen brachte.

»Was magst du noch essen?«, fragte sie ihre Tochter mit einem Lächeln im Gesicht.

»Eis«, sagte Klemens. »Ich glaube, sie muss abkühlen.«

Am nächsten Tag war Kaya schon lange vor ihrer ersten Springstunde bei Klemens im Stall. Jetzt galt es. Jetzt musste sie einen super Eindruck hinterlassen. Wenn schon alles schiefgehen würde, dann wenigstens mit einem astrein gepflegten Pony. Sie striegelte Sir Whitefoot doppelt so gründlich wie sonst. Das tat nicht nur ihm gut, sondern ihr auch – zumindest spürte sie, dass die Arbeit ihre Aufregung bremste.

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