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Die Entführung einer jungen Frau in Bad Aibling, gibt der Polizei Rätsel auf. Es ist der vierte Fall dieser Art, innerhalb von 2 Jahren. Tanja wacht in einem Nightclub wieder auf und wird zur Prostitution gezwungen. Sie landet in einem Albtraum aus Drogen, Sex und Gewalt, aber ihren Willen lässt sie nicht brechen. Sie wartet auf den richtigen Moment zur Flucht.
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Seitenzahl: 223
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„Sara Palmer“
ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Bayern.
Im Oktober 2016 erschien ihr erster Roman:
„Albtraum der Knaben – Chronik eines pädophilen Serientäters“, nach einer wahren Begebenheit.
Für 2017 ist ein weiterer Roman in Planung.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
3. Septemberwoche, Kempten (Allgäu)
Montags um neun Uhr zwanzig saß der ehemalige Hauptkommissar Peter Engler in einem Regionalexpress, der ihn von Kempten nach Bad Aibling bringen sollte. Aufgrund der stressfreieren Anfahrt hatte er sich für die Bahn und gegen die Fahrt mit seinem eigenen Pkw entschieden, obwohl er Zugfahrten eigentlich überhaupt nicht mochte. Der Himmel in Kempten war dunkelgrau und wolkenverhangen, als der Zug endlich Fahrt aufnahm. Er blätterte die Allgäuer Zeitung durch, kurz nachdem er die anderen Fahrgäste im Zugabteil kritisch beäugt hatte. Der Zug war um diese Zeit höchstens halb voll, wahrscheinlich, weil erst gestern die Sommerferien geendet hatten, und die Schüler und Pendler längst in den Schulen und an ihren Arbeitsplätzen waren. Er sah über seine Zeitung hinweg, zu der ihm gegenübersitzenden blonden jungen Frau, die fast blitzartig ihren Kopf zur Fensterscheibe drehte, als sie seinen Blick bemerkte. Da alle anderen im Abteil – nur zwei Männer – es auch lieber vorzogen, verkrampft in ihre Tablets oder Handys zu stieren, vertiefte er sich in den Sportteil seiner Zeitung. Seine beiden großen Koffer hatte er über den Gepäckservice der Bahn, schon zwei Tage zuvor von seiner Wohnung abholen lassen, sodass er nur noch eine kleine Umhängetasche mit sich führte die zwischen seinen Beinen lag.
Fünfundvierzig Minuten später – kurz nach Kaufbeuren – sendete er seiner einzigen Tochter Jenny, die in München studierte und wohnte, eine SMS. Seine geliebte Tochter hatte die schrecklichen Ereignisse, die sich in den Allgäuer Alpen vor drei Monaten ereignet hatten, mittlerweile wieder ganz gut verarbeitet und war seit acht Wochen – Gott sei Dank – glücklich liiert. Mit ihrem neuen Freund Alex, hatte sie einen verständnisvollen Mann an ihrer Seite, der sich liebevoll um sie kümmerte. Er arbeitete als Ingenieur bei Audi in Ingolstadt. Kennengelernt hatten sie sich Ende August im Englischen Garten in München, als Alex nach einem Spiel des FC Bayern, etwas später, mit seinem Kumpel Andi, noch einen Biergarten in Schwabing aufsuchte. Seitdem war das junge Paar ein Herz und eine Seele. Hoffentlich noch sehr lange, da seine Jenny in der Vergangenheit mit ihren Beziehungen bisher wenig Glück hatte.
„Wohin sind Sie denn unterwegs?“, riss ihn auf einmal die blonde Dame gegenüber aus seinen Gedanken.
„Nach Bad Aibling, … und Sie?“, fragte er etwas verdutzt.
„Nach Rosenheim, das liegt gleich ums Eck. Da haben wir ja die nächsten zwei Stunden die gleiche Strecke“, bemerkte sie lächelnd.
Erst jetzt musterte er sie etwas genauer; sie war hellblond, hatte lange Beine, die andeuteten, dass sie mindestens Eins fünfundsiebzig war, und vermutlich Anfang dreißig. Seine Tochter war nur unwesentlich jünger, bemerkte er, als bei ihm ein Kribbeln einsetzte, als er ihre große Oberweite ins Visier nahm. Als sie ihn lächelnd und kaugummikauend ansah, roch er, dass sie Raucherin war. Ein kleiner Minuspunkt, den sie aber mit ihren grazillen Beinen und dem naturschönen Gesicht – mit wenig Make-up – wieder locker wettmachte. Ihre langen Beine steckten in einer hautengen Jeans, und der cremefarbene enge Pullover, brachte ihre großen Brüste gekonnt zur Geltung. Erst jetzt wurde ihm wieder bewusst, dass er seit dem Tod seiner Frau vor fünf Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte. Eine traurige Erkenntniss, die seinen Pulsschlag spürbar in die Höhe trieb. Warum nicht etwas flirten? Schließlich hatte er nicht nur den Polizeidienst quittiert, sondern befand sich auf dem Weg zu einer Kur. Wenn nicht jetzt flirten, wann dann? In Kempten ging er so gut wie nie aus. „Machen Sie Urlaub in Rosenheim?“, setzte er deshalb die Unterhaltung munter fort.
„In gewisser Weise, ja“, antwortete sie fast geheimnisvoll und kratzte sich oberhalb ihres rechten Busens. Engler spürte, wie sich in seiner unteren Region etwas aufzurichten begann. Hoffentlich bemerkte es keiner der anderen Anwesenden, die es aber lieber weiter vorzogen, ihre elektronischen Spielzeuge zu befriedigen. Anscheinend waren diese technischen Spielereien bei vielen Leuten heutzutage die bevorzugtere Variante der „modernen“ Unterhaltung.
„Meine Eltern betreiben seit fast zwanzig Jahren, ein kleines Hotel in Rosenheim, ziemlich zentrumsnah“, setzte die Blondine das Gespräch fort, „und ich soll in ein- bis zwei Jahren ihre Nachfolge antreten. Vor fünf Jahren bin ich nur aufgrund einer Urlaubsbekanntschaft nach Kempten gezogen, und jetzt, als die Schweinebacke mich verlassen hat, hält mich dort nichts mehr, nicht mal die schöne Region. Also, zurück zu den Wurzeln, schließlich bin ich eine gebürtige Chiemgauerin.“
„Verstehe“, entgegnete Engler. Vielleicht ließe sich im Vorfeld seiner Kur schon ein Date ausmachen? Aber vermutlich wollte die junge Dame durch die Konversation nur die Zeit der Zugfahrt schneller hinter sich bringen. Abgesehen davon, war er ja schließlich kein George Clooney, sondern nur ein durchschnittlich aussehender, leicht übergewichtiger Mann im verfrühten Seniorenalter. Im Beamtendeutsch „Pensionist“ genannt, das hörte sich doch deutlich besser an.
„Und, Sie? Was führt Sie nach Bad Aibling? Reha oder Kur, nehme ich mal an? Übrigens, ich heiße Katja.“
„Angenehm, Peter. Sie liegen richtig mit Ihrer Annahme, Katja. Ich trete in wenigen Stunden meine vierwöchige Kur in Bad Aibling an.“
Mittlerweile waren sie in Buchloe angekommen, wo kaum jemand aus- aber viele zustiegen, sodass der Zug im Nu gerammelt voll war. Die letzten zwei Plätze ihres Abteils, wurden von einem jungen Paar besetzt, das sich angeregt unterhielt. Vielleicht war die junge Frau nach der Weiterfahrt deshalb nicht mehr so redselig, damit nicht alle durcheinanderredeten, mutmaßte Engler und schlug wieder seine Zeitung auf. Immer wieder warf er aber einen kurzen Blick auf seine blonde Zugbekanntschaft, bis eine gute Stunde später – kurz nach elf – der Zug im Münchner Hauptbahnhof ankam. Fünfundzwanzig Minuten Zeit zum Umstieg in den „Meridian“, der dann Richtung Salzburg weiterfuhr.
„Wir müssen zum Gleis 16“, nahm die blonde Frau wieder das Gespräch auf, und Engler hoffte, dass sie sich wieder zu ihm ins Abteil setzen würde. Sie trug nur eine kleine Handtasche, bestimmt hatte sie schon alles andere, bei ihren Eltern deponiert. Gemütlich schlenderten sie hundertfünfzig Meter auf die andere Seite des Bahnhofes, wo bereits der „Meridian“ wartete. Es war keine Eile geboten, denn der Zug fuhr erst in zwanzig Minuten weiter, und es war kaum was los auf dem Bahnsteig.
„Ich rauch noch eine Zigarette. Teilen wir uns dann wieder ein Abteil, Peter?“
„Klar, ich reserviere einen Platz für Sie. So wie`s aussieht, ist der Zug aber sowieso ziemlich leer. Ich setz mich hier ans Fenster“, meinte er, und deutete mit seiner Hand auf den zweiten Waggon.
Fünfzehn Minuten vergingen bis Englert erneut in das Gesicht der blonden Katja sah, die ihm gegenüber wieder grinsend Platz nahm. Alle anderen Abteile waren spärlich besetzt, und nur das Grölen zweier „Heranwachsender“ war nach der Abfahrt zu hören.
„Da haben anscheinend zwei Jugendliche etwas zu viel getrunken“, mutmaßte Katja bei dem unüberhörbaren Lärm.
„Befürchte ich auch, hoffentlich machen die zwei keinen Ärger“, erwiderte Engler und zog die Stirn in Falten. Kurz darauf kam der Zugbegleiter, und sie hörten, wie er die zwei Jugendlichen ermahnte, doch etwas ruhiger zu sein. Engler beschlich ein dumpfes Gefühl, dass ihn selten trügte, und schob deshalb etwas die Abteiltür auf.
„ … Maul, Alter!“, schallte es aus nur aus wenigen Metern Entfernung zu ihnen. Katja zuckte zusammen und fühlte sich – unübersehbar – zunehmend unwohler.
„Schieb deinen Kadaver weiter, und steck dir deine Tickets in den Arsch“, vernahmen sie die kieksende Stimme eines bestimmt noch nicht volljährigen Jünglings.
Englert erhob sich aus seinem Sitz und spähte einen Spalt aus der Abteiltür. Keine drei Meter weiter, sah er, wie einer der Jugendlichen, den Schaffner – einen Endvierziger mit unübersehbarer Bierwampe – am Hals packte. Der grauhaarige Zugbegleiter stand genau auf Höhe der aufgeschobenen Abteiltür und zitterte wie ein Nackter bei fünf Grad Minus.
„Oh Gott, wir sollten die Bahnpolizei rufen“, meinte eine sichtlich schockierte Katja, die mit ihrem blonden Kopf jetzt neben dem seinigen auftauchte.
„Das dauert zu lange“, meinte Engler, stand energisch auf, und schob die Abteiltür zur Seite.
Der Jugendliche mit kurzrasiertem Schädel, nahm ihn aus dem Augenwinkel wahr, erhöhte aber trotzdem den Druck auf den Schaffner, der immer mehr nach Luft röchelte, aber keinerlei Anstalten machte sich zu wehren.
„Lass den Mann los!“, schrie Englert ihn an, und trat bis auf einen Meter an ihn heran. Jetzt wurde auch der zweite Jugendliche aktiv und erhob sich aus seinem Sitz. Er war spindeldürr und etwa Eins neunzig groß, aber bestimmt noch keine Achtzehn. Er hatte – wie sein Kumpel – eine kahlrasierte Matte und trug buntgemusterte Army-Klamotten, die aber bestimmt nicht von der deutschen Bundeswehr stammten. Oberhalb seiner rechten Augenbraue hatte er eine etwa fünf Zentimeter lange Narbe, die rosig schimmerte. Bestimmt hatten die beiden schon einige Messerstechereien hinter sich, mutmaßte Engler und spannte seinen Körper an. Obwohl er über drei Jahrzehnte als Kommissar hinter sich hatte, war er nur einmal – vor fünfzehn Jahren – in eine nennenswerte Schlägerei verwickelt gewesen, aber nicht während des Dienstes, sondern bei einem abendlichen Besuch auf der Allgäuer Festwoche. Damals ging es gut für ihn aus, aber dieses Mal? Er war bei weitem nicht mehr so kräftig und schnell wie damals.
„Was willst du denn, Opa?“, fragte der zweite Jüngling, ballte seine Faust und baute sich vor ihm auf, während sein Kompagnon, weiter den Hals des Schaffners zudrückte.
„Ich bin Polizist. Hört auf und setzt euch hin, oder wollt ihr in den Knast? Bei Körperverletzung gibt`s einige Jahre Jugendknast, für`s Schwarzfahren nur eine Geldstrafe.“
„Ach, und du glaubst, du könntest uns hier belehren, was richtig ist und was nicht? Du wirst gleich ein Gebiss benötigen, wenn du deinen fetten Arsch nicht sofort wieder in deinen beschissenen Sessel bewegst, Alter! Kapiert?“
Englert war sich jetzt bewusst, dass bei diesen beiden Primitiven, kein gutes Zureden mehr half. Ansatzlos schnellte seine linke Faust vor, die nur als Täuschung ausgelegt war, denn der Junge zog zwar seinen Ellenbogen hoch, war dann aber zu langsam, die rechte Faust von Engler abzuwehren, die wie ein Hammer auf seinen Solarplexus zuschoss und voll traf. Wie vom Blitz getroffen, krümmte er sich zusammen und schnappte verzweifelt nach Luft. Sein „Kamerad“ erkannte sofort, dass sein Kumpel, den „alten Mann“ falsch eingeschätzt hatte, ließ den Schaffner sofort los, und stürzte auf Engler zu. Bevor er sich jedoch auf ihn werfen konnte, krachte etwas in seine Visage. Ein runder Gegenstand aus Chrom landete in seinem Gesicht, genau auf seinen Mund. Englert hörte, wie ein großer Teil seiner Zähne abbrachen. Katja!
Sie hatte mit einem „Knirps“ zugeschlagen, einem zusammengesteckten Regenschirm, der genau auf seiner Mundpartie einschlug. Wahrscheinlich brauchte der Junge jetzt die dritten Zähne, mutmaßte Englert, mit einer gewissen Erleichterung. Der Junge hielt schreiend die Hände an seinen Mund, und spürte zwischen seinen Fingern das Blut und ein halbes Dutzend abgebrochener Zähne. Sein Freund bekam von Englert einen weiteren Schlag als Kinnhaken verpasst, und lag Sekunden später bewegungslos am Boden. Dann war der Spuk vorbei. Ein weiterer Mitreisender hatte das Spektakel kurzzeitig verfolgt, und dann die Notbremse gezogen. Ein weiterer Fahrgast hatte die Polizei verständigt, denn als der Zug kreischend und pfeifend hielt, stürmten fünf Bahnpolizisten mit gezogenen Pistolen in den Zug. Kurz darauf hörte Englert einen Krankenwagen mit lauter Sirene, und schwor sich in diesem Moment, beim nächsten Mal doch lieber wieder mit seinem Auto anzureisen.
Tanja Probst hatte heute ihren freien Tag. Sie war seit fast fünf Jahren, als Physiotherapeutin in der Rehaklinik Wendelstein, in Bad Aibling beschäftigt. Da sie alle vierzehn Tage auch samstags arbeitete, hatte sie dafür als Ausgleich am Montag frei. Auch nicht schlecht, fand sie, das hatte einige Vorteile. Zum Beispiel den, dass sie dann einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen, ohne großen Trubel nachgehen konnte: saunieren in der imposanten Bad Aiblinger Therme. Seit die Therme vor acht Jahren umfangreich modernisiert und vergrößert worden war, kamen die Besucher sogar bis aus München, obwohl die riesige Erdinger Therme, viel näher an der Landeshauptstadt lag. Am Wochenende war die Therme meistens so voll, dass der Trubel und Lärmpegel oft unerträglich war, von der Platznot ganz zu schweigen. Montags waren – vorwiegend – nur Kurgäste und Urlauber in der Sauna, was das Ganze deutlich angenehmer und entspannter machte. Und was gab es Schöneres, als eine schwach frequentierte Saunalandschaft, zum Relaxen und Schwitzen? Und natürlich: viel weniger Gaffer und Spanner, die gab es nämlich – leider – auch. Zumal sie auch ein Blickfang vieler Männer war: durchtrainierter Körper bei Eins sechsundsiebzig Körpergröße, dreiundsechzig gut verteilte Kilos, und eine beträchtliche Oberweite. Ihre – ihrer Meinung nach – zu großen Brüste, störten sie allerdings oft, da sie gern joggte und sich auch häufig in der freien Natur bewegte. Da half auch der beste Sport-BH nichts mehr, um ihre hängenden Brüste zu stabilisieren. Das schwache Bindegebe hatte sie anscheinend von ihrer Mutter geerbt, auch die hatte – bis zu ihrem tragischen Autounfall vor drei Jahren – genau die gleichen „Probleme“ gehabt.
Männer betrachteten das natürlich – meistens – aus einem „lüstern-primitiven“ Blickwinkel. Tanja trug ihr dunkelblondes, schulterlanges Haar als gebundenen Pferdeschwanz, wie immer, wenn sie in die Sauna ging. Vor acht Monaten hatte sie sich dummerweise – ausgerechnet an ihrem Arbeitsplatz – auf eine Affäre eingelassen. Und dann auch noch mit einem von den siebzehn Ärzten die dort beschäftigt sind. Noch dazu mit einem der Orthopäden, der daheim eine Frau und vier kleine Kinder hatte, alle zwischen zwei- und acht Jahren. Aber fürs Fremdgehen waren diese geilen Böcke von Mediziner, (fast) immer zu haben. Zumindest die meisten, oder gar alle? Ständig bekam sie irgendwelche Avancen, langsam kotzte sie diese Scheiße wirklich an. Hoffentlich begegnete ihr hier in der Therme keiner dieser notgeilen Säcke, ansonsten mochte sie ihre Arbeit ja wirklich gerne. Auch ihre Therapeuten-Kollegen waren alle ganz okay. Allerdings waren in ihrem zwanzigköpfigen Team, vierzehn Frauen und nur sechs Männer, aber die waren – bis jetzt – alle handzahm. Gott sei Dank konnte sie sich nach einem – intimen – Treffen, wieder von Dr. Seehofer trennen, obwohl er weitere Versuche startete, aber sie lies ihn Eiskalt abblitzen. Da konnten auch seine Gratis-Einladungen auf irgendwelche karibischen Inseln, sie nicht mehr umstimmen.
An diesem Montag war – wie erwartet – sehr wenig los in der Therme, was Tinas gute Laune noch weiter verbesserte. Zuerst schwamm sie ein paar Runden unter der mondänen Thermenkuppel, bevor sie eine halbe Stunde später durch das Drehkreuz, in die riesige Saunalandschaft ging. Sie zog ihren knallgelben Badeanzug aus, duschte, und ging danach in die Eukalyptussauna, die ideal zum Starten war, da sie nicht so hoch temperiert wird. Als sie die Kabine betrat, grüßte sie eine ältere Dame freundlich, die bestimmt schon um die Achtzig war. Nach zwei Minuten war Tina bereits feuchtwarm, und es tropfte von ihrem ganzen Körper. Kurz darauf verließ die ältere Dame die Kabine, und sie lehnte sich mit ihrem schweißnassen Körper an die Wand hinter ihr. Sie schloss die Augen und döste leicht summend vor sich hin.
„Hallo“, erklang es auf einmal, als sie kurz vor dem Einschlafen war. Sie öffnete ihre Augen, und sah auf den Body eines durchtrainierten, braungebrannten Körpers, dessen wohlgeformter Penis unmittelbar vor ihrem Gesicht baumelte. Sie zuckte leicht zusammen und erwiderte leicht verschämt den Gruß. Tina merkte, dass sie der Typ – vielleicht Anfang dreißig – immer wieder musterte, was sie etwas irritierte, obwohl er ihr gefiel. Sie hatte ihn in der Therme noch nie gesehen, obwohl sie schon seit fast acht Jahren hier regelmäßig verkehrte. Nach zwei Minuten – sie überlegte schon, wann sie die Kabine wieder verlassen sollte – traute er sich dann sie anzusprechen: „Welche Sauna kannst du mir denn für den nächsten Gang empfehlen? Ich bin heute das erste Mal hier.“
Sie musterte ihn zaghaft, bevor sie antwortete. Er war weit über Eins neunzig, hatte glatt rasierten Brust- und Schambereich und dunkles, volles Haar.
„Also, den zweiten Gang mach ich meistens in dem Eisdampfbad, danach geh ich immer in die heißere 90-Grad-Sauna. Draußen ist ein ganz neues Blockhaus, mit Platz für 60 Personen. Dort gibt`s ab 14 Uhr stündlich Aufgüsse. Auswahl gibt’s wirklich genug, zwischendurch schwimm ich auch mal raus und lass mich massieren.“
„Massieren? Von wem?“
„Von den Düsen an der Beckenwand. Die laufen jede halbe Stunde für gut drei Minuten. Der Strahl ist ziemlich stark.“
Amüsiert sah er sie an. Vielleicht war ihr letzter Satz zu zweideutig?
„Darf ich mich dir anschließen? Ich heiße übrigens, Pascal.“
Beim Blick in seine braunen Augen, erwiderte sie lächelnd: „Den ein- oder anderen Gang, können wir schon zusammen machen, aber nicht alle. Ich brauch auch zwischendurch meine Entspannungsphasen, mit viel Ruhe. Einfach dösen und nur Musik hören.“ Schließlich sollte es kein Typ zu leicht bei ihr haben.
„Verstehe“, meinte er lächelnd.
Dann wurde er doch zur Klette, was aber aufgrund seiner netten Art durchaus erträglich war. Nur selten verirrten sich am Montag solch knackige, attraktive Bürschchen hier. Im weiteren Verlauf des Nachmittags, erfuhr sie von ihm, dass er mit seinem Kumpel Axel, eine Woche Urlaub in Rosenheim verbrachte. Über seinen Freund verlor er so gut wie kein Wort, wahrscheinlich mochte der das Schwitzen nicht. Nachdem sie die nächsten drei Stunden – fast ohne Pausen – miteinander verbrachten, was sie eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte, lud sie Pascal zum Abschluss noch zum Essen ins Thermen-Restaurant ein. Dort erzählte er einiges aus seinem Leben, wie zum Beispiel, dass er in der IT-Branche als Administrator arbeitete. Eigentlich keine schlechte Partie, dachte sie sich, und ließ sich schnell für ein Date am Mittwoch überreden. Schließlich hatten nicht alle Mütter so attraktive Söhne. Also, warum dann eine Einladung in ein gutes Restaurant ablehnen? Was danach kam, würde man dann schon sehen. Wie konnte sie auch ahnen, dass das nächste Date ihr Leben entscheidend verändern würde.
Die Situation im Zug hatte sich wieder beruhigt und entspannt. Die Beamten der Bundespolizei hatten einem der beiden jungen Schläger die Handschellen angelegt. Sein Kumpel wurde mit dem Rettungswagen in die nächstgelegene Klinik gefahren, da er die ganze Frontseite seiner Zähne verloren hatte und dazu einiges an Blut. Tanja hatte einen Volltreffer gelandet, was die Polizisten zu Kopfschütteln veranlasste.
„Hätten Sie ihm doch nur die Nase zertrümmert, das wäre günstiger für den Knilch gewesen“, meinte einer der Polizisten sarkastisch, als er die Protokolle des Schaffners und der übrigen Zeugen aufnahm.
Nachdem Katja und Englert ihre Angaben gemacht hatten, nahm der Ex-Kommissar sie zur Seite und meinte: „Danke, Katja. Von den anderen Reisenden wäre vermutlich keiner eingeschritten, die haben sich bestimmt vor lauter Schiss in die Hose gemacht.“ Dann stiegen sie in den nächsten Anschuß-Zug.
„Hoffentlich haben wir diesmal unsere Ruhe“, meinte Katja, als sie in einem leeren Abteil wieder Platz genommen hatten. „Was machen Sie eigentlich beruflich? Sie sind doch noch nicht im Ruhestand, oder?“
„Ich bin, oder besser gesagt war, bei der Kripo in Kempten, Polizist, genauer gesagt, Hauptkommissar.“
„Ach, daher weht der Wind. Deshalb auch die Nahkampferfahrung, oder?“, meinte sie bewundernd.
„Mein letzter Selbstverteidigungskurs ist schon über zehn Jahre her, das Kämpfen habe ich meistens den anderen überlassen. Mir ging`s eher um den armen Zugbegleiter, wer weiß, was die mit dem gemacht hätten.“
„Wir erreichen in Kürze Bad Aibling. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts“, ertönte es durch die Lautsprecher.
„Zeit uns zu verabschieden“, meinte Katja. Sie kramte in der Tasche ihrer Jacke. „Hier, die Adresse unseres Hotels.“ Sie drückte Englert eine Visitenkarte in die Hand. „Schauen Sie doch mal vorbei, am besten abends nach neunzehn Uhr.“
„Mach ich, Tanja. Merci, für ihr couragiertes Auftreten und ihre schlagkräftige Unterstützung!“ Dann hielt der Zug. Er drückte die junge Frau zum Abschied an seine breite Brust, und küsste sie auf die Stirn.
Als Englert aus dem Zug ausstieg, nahm er ein Taxi und fuhr zu dem kleinen Kurhotel Kindl, wo er die nächsten vier Wochen verbringen sollte. Das Hotel wurde seit drei Generationen familiär betrieben und genoss einen exzellenten Rufn, nicht nur vor Ort. Trotz einbrechender Buchungen bei den Bundesweiten Kuraufenthalten seit Mitte der 1990er-Jahre, war das Hotel ganzjährig gut ausgelastet. Das schafften nur wenige Hotels, die bis in die Neunzigerjahre vorwiegend auf Kurgäste spezialisiert waren, und dann völlig neues Gästepotential akquirieren mussten, die auch dazu bereit waren einiges für ihre Gesundheit zu investieren.
Fünf Minuten später setzte ihn der Taxifahrer im Ortsteil Harthausen, unmittelbar vor dem Eingang des Hotels ab. Englert hängte sich seine kleine Tasche um, und schritt zur Rezeption, wo ihn bereits eine korpulente Hotelangestellte mittleren Alters anlächelte. Er stellt sich kurz vor und reichte ihr seine Hand, worauf sie wohlwollend meinte: „Ihr Gepäck ist schon auf Zimmer 18, im 1. Stock, Herr Englert“, und reichte ihm dabei seine Schlüssel. „Das Abendessen ist im Erdgeschoss, Tisch Nr. 7 “, ergänzte sie. Des Weiteren erläuterte sie ihm noch einige Besonderheiten des Hauses, und das er - bei Interesse - einen kleinen Rundgang vor dem Abendessen noch mit dem Chef des Hauses machen konnte. Englert nickte nur knapp und verschwand eilig auf sein Zimmer. Es war fast halb vier, und er beschloss, noch vor dem Rundgang ein kleines Nickerchen zu machen. Er trat ans Fenster, sah kurz auf die Chiemgauer Alpen, zog seine Schuhe aus, stellte sie auf den Balkon, und legte sich danach – bekleidet – auf sein breites Doppelbett. Keine drei Minuten später schnarchte er und hätte beinahe noch das Abendessen verschlafen, wenn ihn die aufmerksame Rezeptionistin nicht kurz vor sieben, wieder aus dem Schlaf geläutet hätte. Scheiße, den Rundgang hatte er schon mal verpennt. Er bedankte sich, stellte sich zügig unter die Dusche, verstaute danach sein Gepäck, und zog sich ein dunkelgrünes Trachtenhemd mit schwarzer Cordhose an. Dazu noch braune Haferlschuhe und fertig war die Abend-Garderobe. Ach ja, eine kurze elektrische Rasur und sein neues Rasierwasser von „Boss“, könnten bestimmt auch nicht schaden. Schließlich wollte er am ersten Abend keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Um 19.30 Uhr trottete er ins Erdgeschoss und spähte nach den Schildern an den Tischen, bis er Nr.7 entdeckte, wo ein Mann und eine Frau schon genüßlich schlemmten und ihn lächelnd musterten.
„Guten Abend, die Herrschaften. Englert, mein Name. Peter Englert.“ Er reichte beiden die Hand und setzte sich. Beide schätzte er auf Anfang sechzig. Zumindest vom Alter passte die Sitz-Konstellation.
„Angenehm“, antwortete der korpulente Mann mit Halbglatze kauend, und taxierte ihn durch seine dicken Brillengläser. Vermutlich war er aufgrund seiner Fettleibigkeit auf Kur, wobei Englert bezweifelte, ob er bei den Mengen auf seinem Teller jemals abnehmen würde.
„Ich bin der Herbert“, meinte der Dicke „und das ist die …“
„Gisela“, ergänzte die Dame mit hochgestecktem Haar, dass unübersehbar, feuerrot gefärbt war. „Freut mich auch. Peter, wenn Sie nichts dagegen haben, können wir uns gern gleich duzen. Das ist unter den Kurgästen hier so üblich“, bemerkte sie mit einem schelmischen Blick auf ihren Nebenmann, der bestätigend mit vollen Backen nickte.
„Klar, gern. Schmeckt`s euch?“, fragte er und warf einen Blick auf ein fünf Meter langes Büffet, das in der Mitte des Raumes platziert war. Die anderen fünfundzwanzig Tische, waren ebenfalls mit zwei- bis vier Personen belegt.
„Leider“, seufzte Herbert Brunner, während er gierig einen Blick auf eine Schale mit Entenfleisch warf, die noch halb gefüllt mit Schenkeln war. „Eigentlich wollte ich in den vier Wochen Aufenthalt hier, mindestens zehn Kilo abnehmen. Jetzt, nach knapp einer Woche, hab ich aber zwei zugenommen. Wo soll das bloß enden?“
Gisela grinste. „Du musst dich mehr unter Kontrolle haben, Herbert. Ich hab dir schon mehrfach gesagt, du sollst „FDH“ machen und mehr Sport treiben. Oder, was meinst du Peter?“
„Absolut korrekt. Ich will auf diesem Weg auch mindestens acht Kilo abnehmen. Deshalb geh ich heut mit gutem Beispiel voran und hol mir nur einen Salatteller.“ Dann stand er auf und lief zum Salatbuffet. Wobei er dann aber doch nicht widerstehen konnte, und sich einen Putenfleischschenkel mit auf den Teller legte. Als er wieder saß, kam die Bedienung und er bestellte ein Erdinger Alkoholfrei.
„Woher kommst du, Peter?“, fragte Herbert und leckte sich dabei den rechten Daumen ab.
„Ich bin aus dem Allgäu, genauer gesagt aus Kempten. Und ihr?“
„Ich komme aus Hannover und Gisela aus Berlin. Also, grob gesagt, sind wir Nordlichter.“
„Ich nicht“, echauffierte sich Gisela. „Ich bin eine gebürtige Berlinerin, wir sind keine Nordlichter! Aber das Allgäu kenn ich auch, ich hab schon mal in Isny Kur gemacht. Da sind wir an einem Regentag, mal zum Einkaufen nach Kempten gefahren. Eine nette, hübsche Stadt. Und die Allgäuer sind ja so gastfreundlich, da fahr ich bestimmt wieder hin. Aber jetzt erstmal Prost, meine Herren.“ Sie hob ihr Sektglas und stieß mit den anderen beiden an.
„Was hast du denn abends immer geplant, Peter?“, fuhr sie fort.
„Keine Ahnung. Habt ihr das Nachtleben schon unsicher gemacht? Was gibt’s denn, wo sich`s auch lohnt hinzugehen?“
„Keine dreihundert Meter von hier, gibts das Tanzcafe Hubertus. Dort waren Herbert und ich schon zweimal. Das hat Niveau und jeden Abend ein anderes Programm. Das heißt, es gibt immer ein anderes Motto und unterschiedliche Musikrichtungen. Heute und morgen ist aber Ruhetag. Wir könnten aber Mittwoch hin, da ist Oldie-Abend. Was meint ihr?“
Herbert Brunner löffelte in seiner Nachspeise und nickte zustimmend. „Das machen wir. Peter, du gehst auch mit, gell? „Gell“ sagt man doch bei euch, statt oder?“
„Korrekt. Klar, geh ich mit, ich will doch sehen, was hier so alles geboten ist.“ Vor allem die Frauenwelt, dachte er insgeheim. Dass er gegen einen „Kurschatten“ nichts einzuwenden hätte, behielt er aber lieber für sich. Sonst würde er dieser Gisela am Tisch, womöglich noch unnötig Hoffnungen machen. Dann doch lieber eine zehn- bis dreißig Jahre jüngere Lady, schließlich war seine Ex-Frau schon ein Jahr älter gewesen als er. Time to change.