Keine Angst vor dem Erröten - Doris Wolf - E-Book

Keine Angst vor dem Erröten E-Book

Doris Wolf

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Beschreibung

Erröten ist eigentlich eine ganz normale menschliche Reaktion wie Lachen oder Weinen. In peinlichen Situationen kennt sie fast jeder. Und doch kann das Erröten zu einem großen, ja sogar lebensbedrohlichen Problem werden. In der Fachsprache wird die Furcht vor dem Erröten als Erythrophobie bezeichnet. Die Zahl der Betroffen lässt sich nur schwer schätzen. Wer unter dem Erröten leidet, versucht, es vor anderen zu ver¬bergen, denn das Erröten wird als Schwäche, als peinlich und entwürdigend angesehen. Alle Gedanken und Aktivitäten kreisen darum, das Erröten zu vermeiden. Dem Berufswunsch wird deshalb erst gar nicht entsprochen, Karrierechancen werden nicht wahrgenommen, betriebliche Anforderun¬gen wie direkter Kundenkontakt oder mündliche Berichterstattung werden nicht erfüllt. Mütter können ihre Kinder nicht zum Spielplatz, Einkaufen oder zu sozialen Aktivitäten begleiten. Partnerschaftskrisen treten auf, weil die Betroffenen den Kontakt zu Freunden und Bekannten meiden. Viele Betroffene leiden unter Einsamkeit, weil sie sich nicht zutrauen, eine Part¬nerschaft einzugehen. Um die Angst abzuschwächen und den Alltagsverpflichtungen nachkommen zu können, nehmen Betroffene häufig Beruhigungsmittel oder trinken sich Mut an. Andere legen ein dickes Make-up auf, hüllen sich in Schals oder versuchen durch Willenskraft Herr ihres Errötens zu werden. Am Ende stehen häufig eine Suchtmittelabhängigkeit, schwere Depressionen oder gar Selbstmordgedanken. Bisher gab es auf dem deutschen Markt keinen Ratgeber, der sich dieses Themas annahm. Die Psychotherapeutin und Angstexpertin Dr. Doris Wolf vermittelt nun Betroffenen in ihrem Ratgeber psychologische, hochwirksame Strategien zur Selbsthilfe. Sie zeigt, welche körperlichen und seelischen Faktoren das Erröten bewirken und wie man Schritt für Schritt die Angst und die mit dem Erröten ver¬knüpfte körperliche Anspannung abbauen kann. Darüber hinaus lernt der Leser, wie er seine negativen Einstellungen überwinden, sein Selbst-vertrauen stärken und seine Meidung aufgeben kann. Jeder Mensch ist in der Lage, die Furcht vor dem Erröten zu überwinden. Spontaneität und entspannte Kommunikation können wieder Bestandteile seines Lebens werden.

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Seitenzahl: 156

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DR. DORIS WOLF

Keine Angst vor demErröten

Die Angst vor dem Rotwerden überwinden und gelassen im Mittelpunkt stehen

Nicht mehr unter dem Erröten leiden.

Die Angst vorm Rotwerden überwinden.

PAL Verlagsgesellschaft mbH

Seit über 35 Jahren der Verlag für praktisch anwendbare Lebenshilfen erfahrener Psychotherapeuten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, abrufbar im Internet über http://dnb.d-nb.de

© PAL Verlagsgesellschaft, München

www.palverlag.de

eISBN 978-3-923614-80-6

8. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

Bild Umschlag: © Jacek Fulawka – stock.adobe.com

Dr. Doris Wolf arbeitet seit über 35 Jahren zusammen mit ihrem Partner und Kollegen Dr. Rolf Merkle als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Die Internetseite der Autorin: www.doriswolf.de

Die Ratschläge dieses Buches sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig geprüft. Autorin und Verlag können jedoch keine Garantie geben und schließen jede Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus. Dieser Ratgeber ersetzt keine therapeutische Behandlung.

Covergestaltung: Karin Etzold

Gesamtgestaltung: Grafik und Druck digital K. P. GmbH, München

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil IDas Rotwerden verstehen

1Es war einmal ein kleines Mädchen

2Erröten – eine ganz normale menschliche Reaktion?!

3Rotwerden ist nicht gleich Rotwerden?

4Warum gerade ich?

5Das Rotwerden ist von uns selbst veranlasst

6Es wäre schrecklich, wenn

7Zur Veränderung entschieden?

Teil IIStrategien der Bewältigung

8Ich verstehe, weshalb ich mich so fühle und verhalte!

9Ich fühle meine Anspannung – und lasse sie los!

10Ich bin jetzt rot – na und!

11Was soll schon passieren, wenn ich rot werde!

12Ich bin in Ordnung, so wie ich bin!

13Ich will es, ich kann es und ich tue es!

Schlusswort

Kostenlose Hilfen im Internet

Einleitung

„Wenn ich nur nicht immer gleich rot werden würde.“ Diesen Stoßseufzer höre ich von vielen Klienten. In unzähligen Leserbriefen haben mir Betroffene ihr Leid geklagt. Sie würden nahezu jedes andere Symptom und Leiden aushalten, nur um nicht mehr „als leuchtender Wimpel“ oder „Glühwürmchen“ umherlaufen zu müssen. Sie würden lieber schmerzhafte Magenkrämpfe oder heftige Kopfschmerzen ertragen, schwitzen oder frieren, kurzum mit allen Symptomen tauschen, die unsichtbar oder wenigstens weniger auffällig sind.

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser auch unter dem Rotwerden leiden, dann hat es Sie sicher große Überwindung gekostet, dieses Buch überhaupt in die Hand zu nehmen. Vielleicht haben Sie sich erst durch einen Blick ringsum überzeugt, ob kein anderer Kunde im Geschäft sieht, dass Sie ausgerechnet dieses Buch in die Hand nehmen. Höchstwahrscheinlich haben Sie die Röte auch in sich aufsteigen gespürt, als Sie zur Kasse gingen, um das Buch zu bezahlen. Vielleicht bekamen Sie dieses Buch auch von einem lieben Freund geschenkt, der es gut mit Ihnen meinte, und Sie haben mit Rotwerden reagiert, weil Sie sich bei einer Schwäche ertappt fühlten. Oder aber Sie haben das Buch über einen Versandhändler bestellt, um dem Risiko des Rotwerdens gleich ganz aus dem Weg zu gehen.

Ich kann diese Vorgehensweise gut verstehen. Sie ist nur naheliegend und folgerichtig, wenn man das Rotwerden als einen schlimmen Makel ansieht und darunter leidet. Deshalb haben Sie erst einmal ein ganz dickes Lob verdient, dass Sie sich dennoch an dieses Thema heranwagen. Dies ist der richtige und einzige Weg, wie Sie Ihr Rotwerden abbauen können. Alter und zunehmende Reife bewirken nur in den seltensten Fällen eine Besserung.

Ich spreche an dieser Stelle nicht nur als Therapeutin, sondern auch als Betroffene. Jahrelang habe ich unter meinem Rotwerden gelitten. Auch heute noch taucht es ab und zu auf, doch es gelingt ihm nicht mehr, mich so stark zu verunsichern und mich minderwertig fühlen zu lassen. Es flößt mir heute keine Angst mehr ein und blockiert mich nicht mehr in meinem Handeln. Ich habe mit ihm Frieden geschlossen.

Und das, liebe Leserin, lieber Leser, können Sie auch erreichen. Sie müssen nicht länger Opfer Ihres Errötens sein. Sie haben weit mehr Macht über Ihren Körper und Ihre Gefühle, als Sie denken. Sie haben zahlreiche Möglichkeiten, Ihre Furcht vor dem Erröten zu überwinden. Sie sind nicht der Sklave Ihres Körpers. Sie müssen nicht bis an Ihr Lebensende unter dem Erröten leiden. Jetzt im Augenblick haben Sie höchstwahrscheinlich keine andere Wahlmöglichkeit, als rot zu werden und sich hilflos zu fühlen. Sie können jedoch neue Einflussmöglichkeiten lernen. Den ersten Schritt sind Sie schon gegangen. Sie haben sich eingestanden, dass Sie im Augenblick ein Problem haben. Etwas läuft in Ihrem Leben nicht so, wie Sie es sich vorstellen. Ihr Rotwerden behindert Sie in Ihrem Alltag. Jetzt können wir uns zusammen das Problem näher betrachten und schauen, wie Sie es lösen können. Statt dass das Erröten Sie kontrolliert, können Sie lernen, Ihr Erröten zu kontrollieren. Es lohnt sich, packen wir es an!

Was Sie in diesem Buch erwartet

In Teil I dieses Buches werden wir zusammen die Hintergründe und Ursachen des Rotwerdens betrachten. Sie erfahren etwas über die Zusammenhänge zwischen Ihren körperlichen Reaktionen und Ihren Gedankenprozessen und haben so schon die Hälfte auf dem Weg zu neuer Lebensfreude und mehr Spontaneität zurückgelegt. Um die Zusammenhänge zu verdeutlichen, lasse ich immer wieder Betroffene zu Wort kommen. Am Ende jedes Kapitels habe ich Ihnen die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Teil II beginnt mit einem Fragebogen, der Ihnen dabei hilft, Ihr Rotwerden besser zu verstehen und einzuordnen. Danach werde ich Ihnen die neuesten und wirkungsvollsten Techniken aufzeigen, mit deren Hilfe Sie Ihre Furcht vor dem Erröten, Ihre Verzweiflung über das Erröten, Ihr Vermeidungsverhalten aufgeben und Ihre innere Anspannung abbauen können. Sie können aus diesen Strategien diejenigen auswählen, die Ihnen am meisten zusagen und die Sie für Ihre Veränderung einsetzen möchten.

Was Sie nicht erwarten können

Ich weiß, dass es Ihr innigster Wunsch ist, für alle Zeiten niemals mehr zu erröten.

„Ich glaube, wenn ich das nicht hätte, wäre meine Welt wieder in Ordnung.“ „Ich glaube, dass meine ganze Lustlosigkeit auf das Leben mit diesem Problem beseitigt wäre.“

Das kann ich Ihnen nicht anbieten und das wäre auch unverantwortlich, denn das Erröten erfüllt durchaus auch eine hilfreiche Funktion (das werden Sie später sehen). „Nie mehr rot werden“ – ist eine unrealistische Erwartung, denn jeder Mensch besitzt die Fähigkeit zu erröten, so lange, bis er stirbt.

Was Sie jedoch hundertprozentig steuern können und was ich Ihnen versprechen kann, ist,

•dass es für Sie nicht mehr peinlich ist, zu erröten.

•dass Sie die Furcht vor dem Erröten abbauen können.

•dass Sie Ihre Rückzugstendenzen und Ihr Vermeidungsverhalten aufgeben können.

•dass Sie Ihre Selbstverurteilung wegen des Errötens einstellen können.

•dass Sie Ihre Verzweiflung und die Depressionen überwinden können.

•dass Sie Ihre körperliche Anspannung reduzieren können.

Wie Sie am besten vorgehen

Lesen Sie das Buch zunächst einmal im Schnelldurchlauf, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen und Ihre Neugierde zu befriedigen. Dann beginnen Sie nochmals von vorne und arbeiten sich Kapitel für Kapitel voran. Streichen Sie an, was für Sie persönlich besonders wichtig ist. Legen Sie sich ein Tagebuch zu, in dem Sie die schriftlichen Aufgaben erledigen und alles niederschreiben, was für Sie von Bedeutung ist. Auch wenn dies nach sehr viel Arbeit und ein bisschen wie die Rückkehr zur Schule klingen mag, lohnt sich Ihr Einsatz. Auf die Zukunft gesehen, kostet es Sie wesentlich weniger Energie, sich für einen befristeten Zeitraum darauf zu konzentrieren, einen neuen Umgang mit dem Erröten zu erarbeiten, als Ihr gesamtes Leben lang mit der Furcht vor dem Erröten umherlaufen zu müssen.

Ich versichere Ihnen, dass das Rotwerden nicht automatisch bedeuten muss, sich zu ängstigen, zu blockieren, zu schämen und zu leiden. Ist dies nicht eine lohnenswerte und hoffnungsvolle Perspektive?

Ich möchte in diesem Buch sowohl Leserinnen als auch Leser ansprechen. Der Einfachheit und Lesbarkeit halber benutze ich jedoch nur die männlichen Formen: der andere, der Versager etc.

Teil IDas Rotwerden verstehen

1Es war einmal ein kleines Mädchen …

Es war einmal ein kleines Mädchen. Es lebte unbeschwert und guter Dinge, bis es im Alter von neun Jahren von seinem Klassenlehrer an die Tafel gerufen wurde. Es sollte eine Rechenaufgabe lösen. Es stand vor der Tafel und nichts, aber auch gar nichts von all dem, was es am Tag zuvor zuhause gelernt hatte, fiel ihm ein. Es wollte am liebsten im Boden versinken. Alle Augen der Mitschüler schienen es anzustarren, und es traute sich nicht, sich umzudrehen. Ja, es vermeinte sogar, ein hämisches Grinsen auf den Gesichtern seiner Mitschülerinnen zu sehen, obwohl es sie gar nicht anschaute. Es wollte so gerne jedem zeigen, dass es die Aufgabe verstanden hatte – und jetzt ging überhaupt nichts. Es wusste überhaupt nicht mehr, wie die Aufgabe überhaupt lautete. Je länger es vor der Tafel stand, desto weniger konnte es sich auf die Rechenaufgabe besinnen. Der Kopf war leer und es konnte nur noch das Rauschen und Pochen des Blutes hören. Der Lehrer sagte: „Ja, das wird ja wohl nichts mehr mit dir. Da schaut sie euch an, nicht einmal diese einfache Aufgabe kann sie lösen.“

Das kleine Mädchen fühlte, wie das Blut immer mehr in seinen Kopf stieg. Dass ein Mensch soviel Blut haben konnte. Es hatte den Eindruck, jetzt gleich würde der Kopf zerplatzen. Es konnte kein Wort herausbringen und wünschte sich nur, tot umzufallen. Schließlich konnte es nur noch daran denken, dass jetzt alle sahen, wie rot sein Kopf war. Gedanken schossen wild durch seinen Kopf: „Oh Gott! Wie peinlich!“ Nicht allein, dass es die Aufgabe nicht lösen konnte, nein, es musste auch noch jeder sehen, dass ihm das so viel ausmachte! Das kleine Mädchen ging schließlich auf seinen Platz zurück, den Kopf tief gesenkt, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Alles ging mechanisch, es wäre am liebsten aus seinem Körper gesprungen und hätte jedem erzählt, dass der Körper gar nicht zu ihm gehörte.

Auf seinem Platz angekommen wollte es von niemandem angesprochen werden. Es wollte kein Mitleid, denn das würde seine Schwäche ja noch mehr betonen. Es hatte den Eindruck, ganz allein auf der Welt zu sein, und dass es nie mehr fröhlich werden könnte. Immer wieder musste es sich vorstellen, wie dumm es an der Tafel gestanden hatte. Was ihm am meisten ausmachte, war, dass jeder hatte sehen können, wie unsicher und schwach es sich gefühlt hatte. Fortan war aus dem fröhlichen und unbeschwerten Mädchen ein unsicheres Mädchen geworden. Es ging morgens mit dem Gedanken zur Schule: Hoffentlich musst du heute nicht an die Tafel. Bestimmt wirst du wieder rot.

Unglücklicherweise waren in der Klasse noch zwei Mitschülerinnen, die den gleichen Vornamen hatten. Immer wenn der Lehrer eines der anderen Mädchen aufrief, zuckte es deshalb zusammen und das Blut stieg ihm in den Kopf. Es hatte den Eindruck, jeder würde das Rauschen des Blutes hören. Musste es vor der Klasse vorlesen oder wurde aufgerufen, um eine Frage zu beantworten, so wurde es wieder rot. In seiner Not probierte es alles aus, was das Rotwerden verhindern könnte. Zunächst fasste es den festen Vorsatz, am nächsten Tag nicht mehr rot zu werden. Doch das half nichts. Dann wiederholte es auf dem Schulweg immer wieder „Hoffentlich werde ich nicht rot.“ Die ganze Sache wurde immer schlimmer. Wenn die Eltern nicht gewesen wären, wäre es am liebsten gar nicht mehr in die Schule gegangen. Vor der versammelten Klasse zu turnen, zu singen oder ein Gedicht aufzusagen, das waren Horrorsituationen für das kleine Mädchen. Vor diesen Ereignissen konnte es am Abend zuvor schon nicht einschlafen, denn es sah sich immer wieder vor der Klasse stehen, mit rotem Kopf und unfähig, seine Aufgabe zu erfüllen.

Ach, es fühlte sich so schutzlos den anderen ausgeliefert. Andere hatten es gut. Nicht, dass die anderen alle keine Probleme mit dem Vorsingen gehabt hätten, manche stotterten oder erwischten den Ton nicht richtig, aber so einen roten Ballon wie das kleine Mädchen bekam keine einzige Mitschülerin. Noch schlimmer wurde alles, wenn eine der Schulkameradinnen es trösten wollte: „Du brauchst doch nicht rot werden.“ Dann fühlte es sich, als ob man ihm geradewegs in eine Wunde gestochen hätte. Dann wurde alles doppelt schlimm. Sein Kopf wurde, wenn es überhaupt noch eine Steigerung gab, noch röter. Es konnte dann überhaupt nicht mehr richtig zuhören, was das andere Mädchen sagte. Im Boden versinken und unsichtbar werden, ohnmächtig werden oder tot umfallen, das wünschte es sich dann nur noch. Doch der Himmel war unbarmherzig, nichts dergleichen passierte. Es musste den Blick der anderen aushalten, konnte nur schamvoll nach unten schauen.

Manchmal gelang es ihm wenigstens, die anderen durch Themenwechsel von sich abzulenken oder so zu tun, als ob es unter der Schulbank etwas suchte. Dann ging die Röte schneller wieder weg. Mit der Zeit zog sich das Mädchen immer mehr von seinen Schulkameradinnen zurück, verlor seine Spontaneität und Neugierde. Als allererstes schoss ihm immer der hemmende Gedanke in den Kopf: Was ist, wenn ich rot werde? Das könnte ich nicht ertragen. Und dann sagte es die Einladung zum Geburtstag ab, vermied es, sich in der Schule zu melden, auch wenn es die Antwort auf eine Frage wusste usw. Es sah nur eine einzige Lösung für sein Problem: all die Ereignisse, so gut es eben ging, zu vermeiden, in denen es jemals rot geworden war. Auch verzweifelte Gebete am Abend unter der Bettdecke halfen nichts. Selbst der liebe Gott hatte es verlassen. Sein größter Wunsch war es, eines Tages mit der Gewissheit aufzuwachen, nie mehr rot zu werden. Es wünschte sich inständig: „Wenn es doch eine Fee gäbe, die mir mein Rotwerden wegnehmen könnte …“

Dieses kleine Mädchen war ich selbst. Und diese Geschichte hat auch ein Happy End. Ich musste nicht auf eine Fee warten, die mir mein Rotwerden wegzauberte. Ich selbst hatte bereits als kleines Mädchen in mir alle Fähigkeiten, mich von meinen seelischen Qualen zu befreien. Ich hatte sie nur noch nicht benutzt, weil mir niemand sagte, dass und wie ich sie einsetzen konnte. Ich musste erst erwachsen werden und lernen, meine Fähigkeiten zu nutzen, um mich zu „erlösen“. All das, was mir geholfen hat und noch zusätzlich viele neue psychologische Strategien, werde ich in diesem Buch an Sie weitergeben.

Auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sind innerlich schon perfekt auf die Veränderung vorbereitet. Das Handwerkszeug liegt schon bereit. Ich werde Ihnen in diesem Buch zeigen, wie Sie sich Ihre Fähigkeiten zunutze machen können. Ich bin hundertprozentig sicher, dass Sie die Fähigkeit haben, Ihr Rotwerden und die damit verbundenen unangenehmen Gefühle zu beeinflussen. Ich weiß, dass Sie mir das im Augenblick nicht glauben können. Und das ist in Ordnung, denn Sie haben sicher, ebenso wie das kleine Mädchen, schon viele Versuche unternommen, Ihren Körper besser in Griff zu bekommen. Alle Versuche führten wahrscheinlich zu mehr oder weniger großem Misserfolg, denn sonst würden Sie jetzt nicht in meinem Buch nach weiteren Hilfestellungen suchen.

Mir bleibt jetzt die Aufgabe, gegen diese enttäuschenden Erfahrungen, die Sie mir erzählen könnten, anzukämpfen. Einigen wir uns also darauf: Sie haben bisher eine Menge negativer Erfahrungen damit gesammelt, Ihr Rotwerden zu beeinflussen. Ich habe bisher eine ganze Menge positiver Erfahrungen mit meinem Rotwerden und dem Rotwerden meiner Klienten gesammelt. Lassen Sie es uns auf einen Versuch ankommen und vertrauen Sie mir. Am Ende des Buches werden Sie auf jeden Fall nicht schlechter dastehen als im Augenblick, aber möglicherweise viel gewonnen haben. Lassen Sie uns mit den Vorbereitungen beginnen.

Bevor ich Ihnen zeigen möchte, wie Sie Ihr Rotwerden und die Furcht vor dem Rotwerden beeinflussen können, müssen wir uns zunächst eingehend mit seinen Ursachen beschäftigen.

Sie können Ihr Rotwerdenbeeinflussen –auch wenn Sie bisher glaubten,sein Opfer zu sein.

2Erröten – eine ganz normale menschliche Reaktion?!

Alle Menschen besitzen die Fähigkeit, rot zu werden. Warum nicht alle erröten beziehungsweise die Röte nicht bei allen sichtbar wird, werden wir in Kapitel 4 besprechen. Im Grunde genommen ist das Rotwerden eine ganz natürliche Reaktion unseres Körpers. Erröten ist eine ebenso normale Reaktion wie lachen oder weinen. Und doch kann das Erröten mit Furcht, Verzweiflung, Selbsthass und Depressionen verknüpft sein. Schon der bloße Gedanke daran führt bei vielen Menschen zu Schweißausbrüchen und Panikgefühlen und bringt ihr Leben total durcheinander. Weshalb dies so ist, werden Sie in den nächsten Kapiteln erfahren. Jetzt wollen wir uns erst einmal mit dem alltäglichen Erröten – so wie es jeder kennt – befassen. Unser Körper kann in den unterschiedlichsten Situationen mit dem Erröten reagieren:

•Erröten als Folge körperlicher Aktivität:

Bei körperlicher Anstrengung ist es den meisten Menschen vertraut. Manche heißen das Erröten sogar willkommen, weil es für sie ein Anzeichen guter Durchblutung ist. Es dient ihnen als Hinweis, sich intensiv körperlich betätigt zu haben.

•Erröten als Begleiterscheinung einer körperlichen Erkrankung:

Fieber geht häufig mit einem roten Kopf einher. Eine Funktionsstörung der Schilddrüse, sowie des Herz-Kreislauf-Systems kommen ebenfalls als Ursachen in Frage. Manche Menschen erröten auch infolge einer Allergie auf chemische Substanzen, auf Nahrungsmittel, Pollen, Hausstaub oder Wohnraumgifte. Wenn Sie bei sich solche Ursachen vermuten, sollten Sie dies ärztlich abklären lassen.

•Erröten infolge einer Medikamenteneinnahme und erregungssteigernder Mittel:

So können die Einnahme blutdrucksenkender Mittel (Kalziumantagonisten), sowie Kaffee, Tee oder Cola einen roten Kopf hervorrufen.

•Erröten infolge einer Veränderung des Atemrhythmus:

Wenn man die Luft anhält oder sehr schnell atmet, kommt es zum Erröten.

•Erröten in heißen Räumen, bei intensiver Sonneneinstrahlung und in der Sauna

•Erröten infolge von Alkoholkonsum:

Alkohol führt zu einer Blutdruckveränderung, Beschleunigung der Atmung und einem Anstieg der Hauttemperatur.

•Erröten als Begleiterscheinung von Gefühlen wie Freude, Aufregung, Scham, Wut und Angst:

Körper und Seele arbeiten Hand in Hand. Jede Veränderung in unseren Gefühlen schlägt sich auch in unserem Körper nieder. Umgekehrt, wenn wir wahrnehmen, dass sich unser Körper verändert, wir beispielsweise rot werden, kann sich dies wiederum auf unsere Gefühle auswirken. Wir verspüren Angst oder Wut über unser Rotwerden. Viele Menschen reagieren, wenn sie sich freuen, ängstigen, schämen oder ärgern mit einem Erröten.

Schon als Kind wurde ich rot, wenn ich mich freute, ängstigte oder mich von anderen in die Ecke gedrängt fühlte.

Das Zusammenspiel zwischen Körper und Seele können wir uns folgendermaßen vorstellen: Zunächst nehmen wir mit unseren Sinnen etwas in unserer Umwelt oder in unserem Körper wahr. Dann bewerten wir diese Wahrnehmung blitzschnell und meist automatisch. Wir bewerten sie anhand unserer vergangenen Erfahrungen und unserem Wissen danach, ob sie positiv oder negativ für uns ist. Als Folge dieser Bewertung empfinden wir positive oder negative Gefühle, unser Körper reagiert und wir verhalten uns in einer bestimmten Art und Weise.

Diese Funktionsweise unseres Organismus, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten sich gegenseitig beeinflussen, ist uns angeboren. Bewerten wir ein Ereignis als positiv, verspüren wir positive Gefühle (Freude, Liebe, Begeisterung, Zufriedenheit). Wir werden hierdurch bestärkt, dieses Ereignis wieder herbeizuführen und unser Verhalten zu wiederholen. Eine negative Bewertung bewirkt negative Gefühle (Wut, Angst, Traurigkeit). Diese haben zur Folge, dass wir die Situation verändern oder in Zukunft vermeiden wollen.