Wenn Schuldgefühle zur Qual werden - Doris Wolf - E-Book

Wenn Schuldgefühle zur Qual werden E-Book

Doris Wolf

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schuldgefühle: Jeder kennt sie und fast jeder hat sie. Man kommt nur schwer gegen sie an. Sie können unser Leben zur Hölle machen und uns den inneren Frieden rauben. Sie machen uns manipulierbar und gefügig bis hin zur völligen Selbstaufgabe. Mit quälenden Gedanken wie "Hätte ich doch nur.", "Wie konnte ich nur.", "Ich hätte. sollen" zermürben und lähmen wir uns. Starke Schuldgefühle beeinträchtigen unsere Leistungsfähigkeit, wir verfallen in Depressionen, flüchten in den Alkohol oder nehmen Beruhigungsmittel. Die Psychotherapeutin Doris Wolf zeigt in ihrem Ratgeber, - wie Schuldgefühle entstehen, - wie Sie sich von Ihren quälenden Gedanken und Gefühlen der Schuld befreien können, - wie Sie angemessen mit Fehlern umgehen und aus ihnen lernen können, - wie Sie sich von einem übertrieben großen Verantwortungsgefühl befreien können, - wie Sie wieder Freude empfinden und Ihr Leben genießen können. Wie die Autorin ihr Buch beschreibt: In meiner Praxis begegne ich immer wieder Menschen, die sich heftige Selbstvorwürfe wegen eines aus ihrer Sicht unverzeihlichen Fehlers machen. Ich halte Schuldgefühle dagegen für ebenso überflüssig wie schädlich. Sie haben keinerlei Nutzen, machen Fehler nicht ungeschehen und helfen nur äußerst selten, ein Fehlverhalten zu korrigieren oder zukünftig zu vermeiden. Ein verantwortungsvoller und moralischer Mensch braucht keine Schuldgefühle. Wer sich von seinen quälenden Schuldgefühlen befreien will, der findet in meinem Ratgeber eine Fülle wirkungsvoller Strategien. Schuldgefühle sind einzig und allein das Resultat von Selbstverurteilungen, die wir beim Übertreten erlernter oder selbst aufgestellter moralischer Regeln, Gebote und Normen aussprechen. Wir bewerten uns als schlecht, wenn wir etwas tun, von dem wir glauben, es nicht hätten tun dürfen, oder wenn wir etwas nicht getan haben, von dem wir aber glauben, es hätten tun müssen. Wer seine Schuldgefühle überwinden will, muß aufhören, sich für Fehler zu verurteilen und sich als schlechten Menschen anzusehen. Fehler einzugestehen und zu bereuen ist vernünftig und wichtig - nicht jedoch sich dafür zu verurteilen. Lebensgeschichten vieler meiner Patienten helfen die Strategien zu verdeutlichen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 263

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DR. DORIS WOLF

WennSchuldgefühlezur Qual werden

Selbstvorwürfe ablegen,sich verzeihen lernen

Sich vonSelbstvorwürfen befreien.

Wieder innerenFrieden finden.

PAL Verlagsgesellschaft mbH

Seit 35 Jahren der Verlag für praktisch anwendbare Lebenshilfen erfahrener Psychotherapeuten

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, abrufbar im Internet über http://dnb.d-nb.de

© PAL Verlagsgesellschaft mbH, München

www.palverlag.de

eISBN 978-3-923614-92-9

9. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

Bild Umschlag: © Kwest - stock.adobe.com

Dr. Doris Wolf arbeitet seit über 35 Jahren zusammen mit ihrem Partner und Kollegen Dr. Rolf Merkle als Psychotherapeut in eigener Praxis. Die Internetseite der Autorin: www.doriswolf.de

Die Ratschläge dieses Buches sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig geprüft. Autorin und Verlag können jedoch keine Garantie geben und schließen jede Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus. Dieser Ratgeber ersetzt keine therapeutische Behandlung.

Umschlaggestaltung: Karin Etzold

Gesamtgestaltung: Grafik + Druck digital K.P. GmbH, München

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil IUrsachen und Zusammenhänge

1Die Wurzeln der Schuldgefühle

2Vor- und Nachteile von Schuldgefühlen

3Innere Blockaden, die den Abbau unserer Schuldgefühle behindern

4Grundsätzliche Denkfehler, die wir begehen, wenn wir uns Schuldgefühle machen

5Welche Menschen sind besonders empfänglich für Schuldgefühle?

6Warum Menschen Fehler machen

Teil II:Konkrete Strategien

7Strategien zur Überwindung Ihrer Schuldgefühle

Teil III:Typische Situationen, in denen Schuldgefühle auftreten

8Schuldgefühle und Kindererziehung

9Schuldgefühle und vertraute Menschen

10Schuldgefühle wegen bestimmter Gedanken und Gefühle

11Schuldgefühle und Sexualität

12Schuldgefühle und eigenes Verhalten

13Schuldgefühle und der Tod eines anderen

14Schuldgefühle und Umwelt

15Schuldgefühle und Kirche

16Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse

Schlusswort

Einleitung

Ab heute mache ich alles ohneSchuldgefühle oder ich mache es nicht.

Jens Corssen

Guten Tag, liebe Leserin, lieber Leser,

vielleicht kennen Sie mich schon von dem einen oder anderen meiner Bücher. Wenn nicht, werden wir uns bei diesem Buch näher kennenlernen. Sie werden ein wenig von mir, meinem Leben und meinen Erfahrungen erfahren. Jedes meiner Bücher gibt auch einen Teil von mir wieder und Schuldgefühle sind mir schon von früher Kindheit an vertraut. Auch Sie fühlen sich in irgendeiner Form von diesem Thema angezogen – sei es dass Sie selbst unter Schuldgefühlen leiden oder aber zumindest mehr über die Entstehung und Beeinflussung von Schuldgefühlen erfahren möchten. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die keine Schuldgefühle kennen. Unser Ziel wird es deshalb in diesem Buch auf keinen Fall sein, Schuldgefühle für immer aus unserem Leben zu verbannen. Wir werden immer einmal wieder – zumindest für kurze Zeit – Schuldgefühle verspüren. Ich möchte Ihnen mit diesem Buch mehr Entscheidungsfreiheiten geben bzw. Ihnen überhaupt die Entscheidungsfreiheit über Ihre Schuldgefühle zurückgeben – falls Sie sich Ihren Schuldgefühlen ausgeliefert sehen. Sie werden erfahren, wie Sie sich von lähmenden Schuldgefühlen befreien und sie in Reuegefühle umwandeln können.

Was ich dazu von Ihnen brauche, ist Ihre ganz große Bereitschaft, sich erst einmal meine Gedankengänge anzusehen. Gerade im bezug auf Schuldgefühle müssen wir beide damit rechnen, dass in Ihrem Innern ganz viele „Ja, aber…“-Einwände auftauchen, wenn ich zu Ihnen spreche. Ich kann und werde Ihnen Ihre Schuldgefühle nicht wegnehmen. Ich kann sie Ihnen nicht ausreden und fühle mich auch nicht berufen, darüber zu urteilen, ob Ihre Schuldgefühle berechtigt sind oder nicht. Das ist ganz alleine Ihre Entscheidung. Bitte bleiben Sie bei mir bis zum Ende des Buches und entscheiden Sie dann in aller Ruhe, ob Sie meine Gedanken oder zumindest einen Teil davon auf Ihr Leben übertragen möchten.

Was Sie in diesem Buch erwartet

Ich habe das Buch in drei Teile eingeteilt.

Im ersten Teil wollen wir uns damit befassen, wie Schuldgefühle entstehen, wie wir gewöhnlich mit ihnen umgehen und welche blockierenden Gedanken sich uns bei der Überwindung unserer Schuldgefühle in den Weg stellen. Außerdem gehen wir den Fragen nach, welche grundsätzlichen Denkfehler zu Schuldgefühlen führen und welche Menschen besonders empfänglich für Schuldgefühle sind.

Im zweiten Teil lernen Sie wirksame Strategien kennen, die Sie zur Überwindung Ihrer Schuldgefühle einsetzen können. Darüber hinaus werden Sie auch lernen, wie Sie sich in Zukunft gegen Schuldgefühle wappnen können.

Im dritten Teil schließlich werden Sie an der Lebensgeschichte vieler meiner Klienten teilhaben können. Sie werden typische Situationen miterleben, in denen Menschen mit Schuldgefühlen reagiert haben oder sich noch immer damit quälen. Ferner werde ich Ihnen auch hier für die einzelnen Bereiche wieder Anstöße geben, wie Sie zukünftig Schuldgefühle vermeiden können.

Ganz am Ende des Buches habe ich für Sie die wichtigsten Erkenntnisse nochmals zusammengefasst.

Wie Sie am besten mit diesem Buch umgehen

Lesen Sie dieses Buch am besten erst einmal im Überblick durch, ohne sich intensiv mit den Übungen zu beschäftigen. Dann wissen Sie, was Sie erwartet und ob Sie sich darauf einlassen wollen.

In einem zweiten Durchgang, wenn Sie sich bewusst entschieden haben, an Ihren Schuldgefühlen zu arbeiten, gehen Sie die einzelnen Kapitel systematisch durch. Streichen Sie sich an, was für Sie besonders wichtig ist. Oder schreiben Sie die für Sie persönlich wichtigsten Erkenntnisse heraus. Überhaupt ist es sinnvoll, wenn Sie sich ein Notizbuch zulegen, in dem Sie sich Unklarheiten und Übungen notieren. Sollten Sie sich in einer Psychotherapie befinden oder an einer Selbsthilfegruppe teilnehmen, können Sie auch dort Ihre Einsichten und Einwände diskutieren.

Manchmal ist es gerade dann, wenn man unter Schuldgefühlen leidet so, dass man sich in einen Gedankenkreislauf verrannt hat, aus dem man durch das Lesen eines Buches auch nicht herauskommt. Falls Sie, liebe Leserin, lieber Leser bemerken, dass Sie meinen Ausführungen immer wieder Einwände wie „Ja aber, da muss ich doch Schuldgefühle haben“ oder „Frau Wolf kennt meine schlimmen Gedanken, meine Fehlentscheidung oder mein Fehlverhalten nicht, sonst würde sie nicht so leicht reden“ entgegensetzen, dann möchte ich Sie bitten, einen Therapeuten aufzusuchen. Sie benötigen dann eine stärkere Unterstützung, um sich aus den quälenden Schuldgefühlen zu befreien. Auch ständig wiederkehrende Selbstmordgedanken, über lange Zeit andauernde schwere Depressionen sollten Sie zu einem Psychotherapeuten führen. Im Anhang finden Sie Adressen von Therapeuten, an die Sie sich wenden können.

Teil IUrsachen undZusammenhänge

1Die Wurzeln der Schuldgefühle

In diesem Kapitel ist es unser Ziel zu ergründen, was Schuld- und Reuegefühle auszeichnet und wie sie entstehen. Die meisten von uns glauben zu wissen, weshalb sie Schuldgefühle quälen. Sie sehen die Ursache darin, dass sie Regeln gebrochen oder einen anderen Menschen verletzt haben. Doch warum leiden dann manche Menschen in genau der gleichen Situation nicht unter Schuldgefühlen? Es scheint nur die halbe Wahrheit zu sein.

1.1Was verstehen wir unter Schuld- und Reuegefühlen?

Fallbeispiel: „Ich hätte nicht so egoistisch sein sollen.“

Gerade hat Frau H. den Telefonhörer aufgelegt. Ihre Freundin bat sie, ihr beim Umzug zu helfen. Frau H. hat zwar innerlich mit sich gerungen, der Freundin dann letzlich doch mit der Entschuldigung, dass sie genau an diesem Tag einen dringenden Arzttermin hätte, abgesagt. Jetzt fühlt sie sich elend und voller Schuldgefühle. Sie zermartert sich den Kopf: Sieht eine wirkliche Freundschaft so aus, dass sie die Freundin in einer schwierigen Lage im Stich lässt? Hätten sie nicht doch eigene Interessen zurückstellen und weniger egoistisch sein sollen?

Waren Sie auch schon einmal in einer solchen Situation? Haben Sie sich auch schon einmal schlecht gefühlt, weil Sie einem anderen Menschen den Wunsch auf Hilfe abgeschlagen haben, um eigene Bedürfnisse zu erfüllen? Und hinterher kamen Ihnen dann gehörige Zweifel an der Richtigkeit Ihres Verhaltens? Dann wissen Sie, wie sich Ihre Schuldgefühle bemerkbar machen. Doch zurück zum Ausgangspunkt: Was versteht man denn eigentlich unter Schuld und Schuldgefühlen? In verschiedenen Lexika findet man unter dem Begriff Schuld: „Verpflichtung zu einer Gegenleistung“, „Verantwortung für die Verletzung von Geboten und Pflichten“. Irgendjemand scheint für uns Regeln zu formulieren und zu entscheiden, wann eine Leistung eine Gegenleistung erforderlich macht. Schuld zu haben, hat mit Verantwortung zu tun, der Verantwortung für das eigene Handeln und die Verpflichtung, für das eigene Handeln geradezustehen und einen eventuellen Schaden wiedergutzumachen. In unserer Sprache finden wir Redewendungen wie: „Ich stehe in deiner Schuld.“, „Ich fühle mich frei von Schuld.“, „Ihn trifft keine Schuld.“, „Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“ Um von Schuld einem anderen gegenüber sprechen zu können, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und einem Schaden bestehen, den ein anderer erlitten hat. Je nachdem, wer die Gebote und Pflichten formuliert, folgen der Schuld unterschiedliche Konsequenzen. Übertreten wir die Gesetze unseres Staates, so müssen wir mit Strafe durch den Gesetzgeber rechnen. Wir werden schuldig gesprochen und im Namen des Staates verurteilt. In manchen Ländern besteht die Höchststrafe sogar auch heute noch in der Todesstrafe. Sind wir Mitglied einer kirchlichen Organisation, so sind beispielsweise die zehn Gebote eine Richtschnur, anhand derer unser Verhalten beurteilt wird. In diesem Leben oder zumindest nach unserem Tode erwarten uns dann ebenfalls Konsequenzen, wenn wir ihnen zuwiderhandeln. Ob man schuldig gesprochen wird, hängt auch davon ab, ob zum Zeitpunkt der Verurteilung alle Tatsachen über die Tat bekannt waren und ob das Verhalten zu diesem Zeitpunkt als falsch bewertet wurde. Manches Verhalten stellt sich sogar erst Generationen später als falsch und schädlich heraus.

Schuldgefühle werden definiert als: „Gefühle, jemandem Unrecht getan zu haben“. Sie laufen im Innern von uns ab und sind nicht von außen kontrollierbar. Außerdem setzen sie voraus, dass wir ein Unrechtsbewusstsein haben, Bescheid wissen, was rechtes und unrechtes Verhalten beinhaltet, und erkennen, unrecht gehandelt zu haben. Schuldgefühle werden häufig auch mit der Redewendung „ein schlechtes Gewissen haben“ umschrieben. Schuld und Schuldgefühle müssen nicht zwangsläufig zusammen auftreten. Es gibt Menschen, die fühlen sich für alles und jedes schuldig, obwohl sie keine Schuld trifft. Und es gibt Menschen, beispielsweise manche Kriminelle und Psychopathen, die keinerlei Schuldgefühle verspüren, obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht haben. Sie fühlen sich nicht in die Folgereaktionen ein, die sie beim anderen ausgelöst haben und haben kein Mitgefühl.

Der Unterschied zwischen Schuld- und Reuegefühlen

Viele Menschen setzen Schuld- und Reuegefühle gleich. Doch gibt es zwischen beiden Unterschiede, die ich mit Ihnen im Verlauf des Buches herausarbeiten möchte.

•Wir verspüren Schuldgefühle, wenn wir unser Verhalten als falsch ansehen und uns dafür als schlechten Menschen verurteilen.

•Wir verspüren Reuegefühle, wenn wir unser Verhalten als falsch ansehen, es bedauern, aber uns diesen Fehler verzeihen. Wir fühlen uns für unser Verhalten verantwortlich und suchen nach Wegen der Korrektur, Wiedergutmachung und Vermeidung des Fehlers in der Zukunft. Während Schuldgefühle uns quälen, lähmen, unsere gesamte Energie aufbrauchen können, fühlen wir uns mit Reuegefühlen in der Lage, aktiv zu werden. Wir behalten unsere Selbstachtung.

1.2Wie äußern sich Schuldgefühle?

Schuldgefühle können sich ganz vielfältig äußern. Bei mir melden sie sich beispielsweise durch Magendruck, innere Unruhe, bisweilen Einschlafstörungen und manchmal auch durch ein gesteigertes Verlangen nach Süßem. In der Umgangssprache werden Schuldgefühle auch als „Gewissensbisse“ bezeichnet. Ich finde mit diesem Wort kommt gut die Giftigkeit, das Quälende der Schuldgefühle zum Ausdruck. Schuldgefühle können für einen Menschen so quälend sein, dass er seine Lebensfreude, sein Interesse an der Umwelt vollkommen verliert und sogar Selbstmord begeht. Jeder Mensch hat ganz spezifische Signale, die ihn auf Schuldgefühle aufmerksam machen. Schuldgefühle können sich zeigen:

•in unseren Gefühlen

Wir sind gereizt, mürrisch, wütend, hasserfüllt, ängstlich, resigniert, depressiv, fühlen uns einsam.

•im körperlichen Befinden

Wir sind angespannt, unruhig, wie gelähmt, haben Magenbeschwerden, Schlaf-, Konzentrations-, Merkfähigkeitsstörungen, Durchfall oder Verstopfung, Heißhungerattacken oder Appetitverlust, Herzstechen, niedrigen oder hohen Blutdruck, Atembeschwerden, Kopfschmerzen, einen Kloß im Hals, verspüren ein Nachlassen unseres sexuellen Verlangens usw. Langfristig können sich beispielsweise auch psychosomatische Erkrankungen wie etwa Magengeschwüre, Asthma und Ekzeme entwickeln.

•im Verhalten

Wir verleugnen die Schuld, schieben sie auf andere ab, machen anderen Vorwürfe, ziehen uns von anderen zurück, entschuldigen uns ausschweifend, entwickeln selbstschädigende Verhaltensweisen, beginnen zu trinken, rauchen, überessen, Tabletten zu nehmen, überhäufen uns mit Arbeit, schieben notwendige Arbeiten auf, stürzen uns in Aktivitäten, geiseln uns selbst, entwickeln zwanghafte Verhaltensmuster, nehmen uns im Extremfall das Leben.

Sie merken an dieser Aufzählung, dass es keine typischen Merkmale für Schuldgefühle gibt. Stattdessen schlagen sie sich in unterschiedlichen Gefühlen, Körperreaktionen und Verhaltensweisen nieder. Schuldgefühle sind im Grunde genommen keine richtigen Gefühle wie etwa Angst, Ärger, Trauer oder Freude. Sie sind eher Gedankengänge darüber, etwas falsch gemacht zu haben, die sich dann in Gefühlen und körperlichen Reaktionen äußern. Um so schwieriger ist es deshalb manchmal, Schuldgefühle überhaupt zu erkennen. Manchmal sind wir uns unserer Schuldgefühle gar nicht bewusst. Wir fühlen uns einfach nur schlecht oder stürzen uns ohne Unterlass in Arbeit. Viele Menschen kommen wegen ihrer körperlichen Symptome oder selbstschädigender Verhaltensweisen in Therapie und erst im Laufe von Gesprächen stellt sich heraus, dass die Ursachen in Schuldgefühlen zu suchen sind. Natürlich variieren Schuldgefühle auch in ihrer Stärke und Dauer. Wenn wir einen Geburtstag vergessen haben, werden wir uns vielleicht nur ein paar Minuten mit Schuldgefühlen beschäftigen. Haben wir unsere Mutter im Pflegeheim untergebracht, werden uns die Schuldgefühle möglicherweise bis zum Tod der Mutter begleiten. Wurde durch unsere Schuld ein anderer Mensch bei einem Autounfall schwer verletzt, können uns Schuldgefühle sogar bis zum Selbstmord treiben.

Schuldgefühle in Verbindung mit Depressionen und Zwangsneurosen

Schuldgefühle können auch als Begleiterscheinungen von Depressionen und Zwangserkrankungen auftreten.

a) Menschen, die darunter leiden, sich zwanghaft gedanklich mit etwas beschäftigen oder Handlungen immer wieder ausführen zu müssen, haben viele Einstellungen, die sie für Schuldgefühle empfänglich machen. Beispielsweise fordern sie von sich, alles perfekt zu machen, sich immer nach der strengsten Norm zu richten und ihre Gefühle vollkommen unter Kontrolle zu haben. Sie glauben, dass jegliche fehlerhafte oder unvollkommene Leistung zu einer Katastrophe führen kann und laden sich übertrieben viel Verantwortung für Ereignisse in ihrem Umfeld auf. Verhalten sie sich entgegengesetzt ihrer Forderungen, verspüren sie Schuldgefühle. Sie nehmen sich dann vor, noch mehr Kontrolle über ihr Verhalten auszuüben. Das zwanghafte Verhalten hilft ihnen dabei, ihre Schuldgefühle möglichst gering zu halten. Wenn Sie, lieber Leserin, lieber Leser, unter zwanghaften Gedankengängen oder Verhaltensweisen leiden und Ihre Lebensqualität eingeschränkt ist, dann sollten Sie sich therapeutische Unterstützung holen. Die Verhaltenstherapie hat sich hier als effektive Behandlungsmethode erwiesen.

b) Menschen, die sich schuldig fühlen, werden häufig depressiv. Sie verurteilen sich für ihr Verhalten und sehen sich als minderwertig oder Versager. Gleichzeitig sehen sie keine Chance, ihr Fehlverhalten jemals zu korrigieren.

1.3Wie entwickeln sich unsere Schuldgefühle?

Wir haben uns in diesem Buch zum Ziel gesetzt, zu lernen, Schuldgefühle, die uns quälen, zu überwinden. Hierzu müssen wir zunächst einmal wissen, wie Schuldgefühle entstehen. Erst dann können wir uns Wege überlegen, sie abzulegen oder zumindest abzuschwächen. Die Suche nach den Quellen unserer Schuldgefühle führt uns zurück in unsere Kindheit.

Wir werden nicht mit Schuldgefühlen geboren, sondern nur mit der Fähigkeit, uns Schuldgefühle machen zu können. Wir erlernen die Fähigkeit, in uns Schuldgefühle zu erzeugen, durch unsere Eltern, Lehrer, kirchliche und gesellschaftliche Vertreter. Vielleicht haben Sie als kleines Kind auch Botschaften gehört wie etwa:

•„Mami muss sich schämen mit dir, wenn du nicht danke sagst.“

•„Mami ist ganz traurig, weil du ihr keinen Kuss gibst.“

•„So was macht ein kleiner Junge nicht. Du solltest dich was schämen.“

•„Du bist nicht mehr Papas kleiner Liebling, wenn du jetzt nicht sofort dein Zimmer aufräumst.“

•„Das ist nun der Dank. Wir haben so viel für dich getan, und du verhältst dich so schlecht.“

•„Wegen dir hat Vater die ganze Nacht kein Auge zugetan.“

•„Du bist ein schlechter Junge, deiner Mutter so weh zu tun.“

•„Du bist schuld, wenn ich noch krank werde.“

•„Du bringst mich noch ins Grab.“

•„Dir wird es noch leid tun, dass du so unartig bist.“

•„Brave Kinder sind nicht wütend, lügen nicht, räumen ihre Kleider auf, schlagen nicht, machen sich nicht schmutzig, unterbrechen Erwachsene nicht im Gespräch, machen ihren Eltern keine Sorgen, machen ihren Eltern keine Schande, halten ihre Versprechen usw. und wenn du diese Vorschriften nicht befolgst, bist du böse und dafür zu verurteilen.“

Haben Sie sich einige der Botschaften aus Ihrer Kindheit in Erinnerung rufen können? Wie haben Sie sich damals als Kind gefühlt, als Sie solche Vorwürfe zu hören bekamen? Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mein Bruder und ich solche Vorträge als „Gardinenpredigt“ bezeichneten. Sie haben uns zwar nicht von Unartigkeiten abgehalten, aber wir hatten dann immer ein schlechtes Gewissen, etwas angestellt zu haben. Wir haben uns dann auch darin geübt, „Notlügen“ zu erfinden, um dem Tadel aus dem Weg zu gehen. Wahrscheinlich haben Sie sich nach solchen Vorwürfen auch schuldig gefühlt. Da wir von unseren Eltern gemocht werden wollen und ihnen nicht wehtun wollen, fühlen wir uns schlecht und schuldig. Unsere Eltern setzen Schuldgefühle als ein Mittel zur Erziehung ein. Sie vermitteln uns die Botschaft: „Wenn du nicht tust, was wir wollen, lehnen wir dich ab. Außerdem fühlen wir uns schlecht und du bist schuld daran. Der einzige Weg, unsere Liebe zu gewinnen ist, dass du dich nach unseren Vorstellungen verhältst. Dann bist du auch ein liebes Kind und von deiner Schuld befreit.“ Sie brauchen diese Botschaft noch nicht einmal mit Worten auszudrücken. Es genügt, wenn Papa uns nicht mehr beachtet, Mama nur noch das Nötigste mit uns spricht, mit Leidensmiene umherläuft, uns tadelnde Blicke zuwirft, die Stirn runzelt, uns keinen Gute-Nacht-Kuss gibt oder sich ans Herz fasst, weil sie vor Aufregung keine Luft mehr bekommt. Für nonverbale Signale wie Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung und den Stimmklang sind wir als Kinder sehr empfänglich. Wann immer wir uns abgelehnt fühlen oder bei anderen uns wichtigen Menschen eine negative Reaktion sehen, entsteht in uns der Eindruck, etwas verkehrt gemacht zu haben. So lernen wir schließlich, aus Angst vor der negativen Reaktion der Erwachsenen gar nicht mehr zu tun, was wir uns so sehr wünschen, oder uns zumindest mit Schuldgefühlen zu bestrafen, wenn wir es dennoch tun.

Wir Kinder lernen diese Lektion sehr rasch. Wir lernen: „Tue ich etwas Schlechtes oder Verbotenes, dann bin ich ein schlechter und nicht liebenswerter Mensch und muss mich dafür verurteilen und schämen.“ Da wir noch nicht in der Lage sind, den Worten unserer Eltern kritisch gegenüberzustehen, übernehmen wir das vernichtende Urteil der Eltern. Wir lernen, dass man stets die Wünsche und Erwartungen anderer Menschen erfüllen muss. Tut man das nicht, dann wird man abgelehnt und verurteilt; und wer möchte das schon? Auf diese Weise wachsen die meisten von uns als unsichere und ängstliche Menschen heran, die von der Meinung der Mitmenschen abhängig sind. Sind wir erwachsen, flammen diese Schuldgefühle stets auf, wenn wir glauben, andere Menschen enttäuscht oder verletzt zu haben. Dann kommt die ganze Selbstverurteilungsmaschinerie in Gang. Oder aber wir lernen, uns zwar entgegengesetzt der Regeln oder Erwartungen anderer zu verhalten, aber die Verantwortung dafür abzulehnen. Uns fällt es schwer, Fehler zuzugeben. Immer sind dann die anderen schuld oder das Schicksal, die Umstände …

Bis jetzt können wir uns die Entwicklung von Schuldgefühlen folgendermaßen vorstellen:

1.Das Kind tut etwas.

Eltern sagen: „Das ist falsch. Das darf man nicht. Du tust uns weh. Du bist ein böses Kind. Wir haben dich nicht mehr lieb.“ Eltern drücken mit nonverbalen Signalen Ablehnung und Missbilligung aus.

2.Das Kind lernt die Einstellung.

Ich habe etwas falsches getan, verdiene Strafe, bin ein böses Kind. Ich habe andere verletzt, bin ein schlechtes KInd.

3.Das Kind vermeidet, Falsches zu tun und andere zu verletzen, oder tut es nur noch mit schlechtem Gewissen, bestraft sich mit Schuldgefühlen.

Je wichtiger die Eltern oder andere Bezugspersonen für das Kind sind, umso empfänglicher wird es für Schuldgefühle sein. Mit der Zeit wird das Kind aus Angst vor Ablehnung und Schuldgefühlen sogar zukünftige Verhaltensweisen, die den Geboten der Bezugspersonen widersprechen können, vermeiden. Es wird sich nach den Normen der Eltern ausrichten und nur noch tun, was in den Augen der Eltern richtig ist. Es wird sozusagen dann fremdgesteuert, lernt, nicht mehr auf eigene Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen zu hören. Es verinnerlicht die Wertungen der Eltern und auch wenn die Eltern nicht zugegen sind, wird es sich nach deren Regeln verhalten. Aus der Sicht der Eltern ist dann der Erziehungsprozess abgeschlossen und die Erziehung gelungen: „Das Kind kommt nicht mehr auf dumme Gedanken und wird erwachsen.“ Handelt es dennoch den Vorstellungen der Eltern zuwider, so bestraft es sich mit Schuldgefühlen und Selbstverachtung.

Nun will ich hier keine Schimpfkanonade auf die Eltern loslassen. Die Eltern sind fast immer davon überzeugt, das Beste für ihr Kind zu tun. Sie handeln in bester Absicht, aus ihrem Kind einen reifen, verantwortungsvollen erwachsenen Menschen zu formen. Tatsache ist, wir müssen als Kinder eine Unmenge an Geboten und Regeln lernen, um uns nicht in Lebensgefahr zu bringen, in dieser Gesellschaft integriert zu sein und funktionieren zu können. Außerdem haben die meisten Eltern in der eigenen Kindheit ähnliche Erfahrungen gemacht und ihr Erziehungsverhalten von den eigenen Eltern gelernt. Fatalerweise ist jedoch die Erziehung mit Hilfe von Schuldgefühlen keine effektive geeignete Erziehung. Kinder lernen hierdurch nicht, den Sinn von Regeln und Normen zu verstehen. Sie lernen nicht, dass es besser für sie ist, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Sie lernen lediglich, aus Angst vor den Konsequenzen die Regeln zu befolgen.

Wie erzeugen wir uns als Erwachsene Schuldgefühle?

Nun könnte man meinen: „Wenn wir erst einmal erwachsen sind, dann wird alles anders. Dann bestimmen wir unsere Regeln und Prinzipien selbst und können tun und lassen, was wir wollen.“ Doch leider verläuft der menschliche Lernprozess nicht so. Haben wir erst einmal Regeln und Wertmaßstäbe in unserem Geiste installiert, dann können wir sie nicht einfach löschen. Sie sind erstens so automatisiert, dass wir deren Einfluss häufig gar nicht mehr wahrnehmen. Wir haben nur den Eindruck, dass wir uns gar nicht anders verhalten können, „dass sich das einfach so schickt und gehört“, „dass man das eben so tut“, „dass man halt so reagiert.“ Und zweitens sind wir so an die Befolgung der Regeln gewöhnt, dass wir bei Zuwiderhandlung erst einmal den Eindruck gewinnen, „Unrechtes“ oder „Gefährliches“ zu tun. Dieses Gefühl, etwas Falsches zu tun, erschwert uns dann das Erlernen neuer Verhaltensweisen. So sinnvoll es gewöhnlich ist, auf seine Gefühle zu hören, leiten sie uns an diesem Punkt leider in die Irre. Um uns neue Regeln anzueignen, müssen wir lernen, für eine kurze Zeit nicht auf unser Gefühle zu hören (siehe hierzu 3.3: Die fünf Phasen des Umlernens).

Das ABC der Schuldgefühle

Auch wenn es Ihnen bisher so erzählt wurde und Sie es bisher geglaubt haben: Schuldgefühle sind nicht die logische Folge eines Fehlverhaltens. Unsere Schuldgefühle erzeugen wir uns als Kinder – dann wenn wir uns die Regeln und Vorschriften der Erwachsenen bereits zueigen gemacht haben – und als Erwachsene selbst. Wir selbst sind verantwortlich für sie. Sie brechen nicht über uns herein, sondern sind das Ergebnis negativer Selbstgespräche, die wir führen, wenn wir glauben, an etwas schuld zu sein. Sowohl die Selbstgespräche als auch die Schuldgefühle sind uns manchmal überhaupt nicht mehr bewusst. Wir fühlen uns lediglich depressiv, gereizt, angespannt oder bemerken nur körperliche Beschwerden. Schuldgefühle entstehen wie alle Gefühle nach dem ABC der Gefühle.

Das ABC der Gefühle

A Situation:

Es passiert etwas.

B Selbstgespräch/Bewertung:

Wir bewerten diese Situation als positiv, neutral oder negativ für uns.

C Gefühle und Verhalten:

Wir fühlen und verhalten uns entsprechend unserer Bewertung.

Schuldgefühle entstehen nicht dadurch, dass wir etwas „Schlimmes“ gesagt oder getan haben oder tun werden (A: die Situation). Schuldgefühle entstehen, weil wir uns in Gedanken sagen, dass wir etwas „Schlimmes“ gesagt oder getan haben, was wir nicht hätten sagen oder tun dürfen, und dass wir, weil wir es dennoch tun oder getan haben, schlechte und minderwertige Menschen sind (B: unsere Bewertung). Auch andere können uns keine Schuldgefühle machen, wenn wir es nicht zulassen. Wenn ein anderer uns einen versteckten oder direkten Vorwurf macht und wir uns schuldig fühlen, dann einzig und allein deshalb, weil wir dem anderen beipflichten. Wir sagen uns innerlich: „Er hat recht. Ich hätte das nicht tun oder sagen sollen. Das war nicht recht von mir.“

Auf unsere Schlussfolgerungen kommt es an

Die Gedanken (B), etwas falsch gemacht zu haben, alleine erklären nicht vollständig, weshalb wir Schuldgefühle haben und es uns so schlecht geht. Was ist denn nur so Schlimmes dabei, etwas versäumt oder falsch gemacht zu haben? Was ist so schlimm daran, etwas nicht zu tun, was man tun müsste? Was in aller Welt bewirkt, dass in uns dieses nagende Gefühl entsteht und wir nur schwer aufhören können, uns immer wieder Vorwürfe zu machen? Die Erklärung ist, dass wir in unseren Selbstgesprächen (B) aus unserem Vorwurf noch eine Schlussfolgerung ableiten: „Wir hätten uns nicht so verhalten sollen, und da wir es dennoch getan haben, müssen wir uns verurteilen. Wenn man so etwas tut, dann ist man ein schlechter, ablehnenswerter Mensch.“ Es ist diese vernichtende Schlussfolgerung, die uns solche Probleme macht. Wir müssen also unser Modell davon, wie Schuldgefühle entstehen, noch ergänzen:

A Situation:

Wir tun, sagen, denken oder fühlen etwas.

B Selbstgespräch/Bewertung:

Wir bewerten unser Tun, unsere Gedanken, unsere Worte oder unsere Gefühle als falsch: „Ich hätte das nicht tun/sagen/denken/fühlen dürfen.“ oder „Ich sollte so etwas nicht tun, sagen, denken, oder fühlen.“

… und weil wir etwas getan, gesagt, gedacht oder gefühlt haben, das wir verurteilen, folgern wir daraus:

„Ich bin ein schlechter, ablehnenswerter Mensch.“

C Gefühle und Verhalten:

Wir fühlen uns schuldig, bekommen körperliche Symptome und verhalten uns in einer bestimmten Art und Weise. Dieses Schema trifft auf alle Schuldgefühle und auf alle Menschen zu. Abhängig von der Kultur, der Religion und der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen unterscheiden wir uns nur darin, was wir als gut und schlecht, richtig und falsch ansehen. Die Regeln und Normen, nach denen wir unser Leben gestalten, sind unterschiedlich. Gemeinsam ist uns: Wenn wir unser Verhalten und gleichzeitig uns als Menschen verurteilen, werden wir Schuldgefühle verspüren.

Vielleicht mögen Sie nun einwenden: „Gibt es denn nicht Verhaltensweisen, wegen derer man einfach Schuldgefühle bekommen muss? Situationen, in denen man quasi keine Einflussmöglichkeiten auf seine Gefühle hat?“ Dann möchte ich an dieser Stelle nur kurz auf Ihren Einwand eingehen. In Kapitel 3.1 werden wir uns noch eingehender damit beschäftigen.

Wir haben immer Einflussmöglichkeiten auf unsere Gefühle. Dennoch gibt es sicher Situationen, in denen Sie im Augenblick einfach Schuldgefühle bekommen müssen – weil Sie dort vehement Ihren moralischen Vorstellungen zuwiderhandeln. Sie sind der Meinung, dass dies ein besonders schwerer Verstoss sei, den Sie sich nicht durchgehen lassen können, sondern mit Selbstverurteilung bestrafen müssen. Sie ganz persönlich müssen dann in dieser Situation im Augenblick mit Schuldgefühlen reagieren. Wenn Sie es für richtig und angemessen finden, sich deshalb Schuldgefühle zu machen, dann ist das ja auch in Ordnung. Für die Zukunft können Sie jedoch entscheiden, ob Sie sich weiterhin so behandeln wollen oder nicht. Sie können zu jedem Zeitpunkt entscheiden, Ihre Schuldgefühle aufzugeben und sich zu verzeihen – wann immer Sie glauben, sich genügend Schuldgefühle gemacht zu haben, und wann immer Sie nicht mehr unter ihnen leiden möchten.

Auch den Einwand: „Ist es denn nicht ganz normal, sich Schuldgefühle zu machen?“, höre ich oft von meinen Klienten. Ich antworte dann darauf immer: „Ja, es ist ganz normal, sich Schuldgefühle zu machen, wenn wir unter „normal“ vestehen, dass sich die meisten Menschen Schuldgefühle machen.“ „Normal“ heißt jedoch nicht, dass diese Denkweise gesund und hilfreich für Sie ist.

Was Sie beachten sollten

Sich Schuldgefühle zu machen, bedeutet also immer, sich als Mensch für sein Handeln zu verurteilen. Würden wir lediglich unser Handeln als falsch bewerten, unseren Wert als Mensch also nicht in Frage stellen, dann hätten wir keine Schuldgefühle. Wir hätten dann lediglich das Bewusstsein, etwas Falsches getan zu haben, würden unser Handeln bedauern, uns aber nicht zerfleischen. Wir würden uns lediglich für unser Verhalten und seine Folgen verantwortlich fühlen.

1.4Welche Selbstgespräche führen zu unseren Schuldgefühlen?

Unsere Selbstgespräche, das heißt Bewertungen von dem, was wir tun oder sagen, laufen meist automatisch ab. Deshalb mag es sein, dass Sie jetzt einwenden: „Ich führe keine inneren Selbstgespräche. Meine Schuldgefühle sind da, weil ich mich falsch verhalten habe, und nicht weil ich etwas denke.“ Ich möchte Ihnen recht geben, dass Sie es im Augenblick so erleben, als ob Sie nichts denken. Doch ist es so, dass unser Gehirn in jedem Augenblick unseres bewussten Erlebens die jeweilige Situation automatisch einschätzt. Es prüft, ob sie gefährlich für uns ist oder nicht, ob wir uns richtig verhalten oder nicht. An diesem automatischen Ablauf können wir überhaupt nicht rütteln, wir haben diesbezüglich keine Wahlmöglichkeit. Unser Gehirn ist einfach so konstruiert. Es läuft wie ein Roboter, der seine einmal einprogrammierten Aufgaben ausführt. Unser Gehirn-Programm besteht aus unseren eigenen gespeicherten Erfahrungen und Schlussfolgerungen, aus Erfahrungen, die wir uns angelesen oder von unseren Bezugspersonen abgeschaut haben, und dem, was unsere Eltern und Bezugspersonen uns direkt beigebracht und wir ihnen geglaubt haben. Leider sind wir es nicht gewohnt, auf unsere Gedanken zu achten. Und deshalb erscheint es uns so, als ob Situationen und andere Menschen unsere Gefühle unmittelbar auslösen könnten und wir ihnen hilflos ausgeliefert seien. Prüfen Sie nun einfach einmal nach, ob Ihnen einige der folgenden Gedanken vertraut vorkommen:

•Ich hätte das nicht tun dürfen.

•Ich hätte das nicht sagen dürfen.

•Wie konnte ich nur … Ich hätte mich anders verhalten müssen.

•So ein Fehler hätte mir nicht passieren dürfen.

•Ich hätte das vorher wissen müssen.

•Ich hätte nicht so sorglos sein dürfen.

•Ich hätte mich mehr um sie kümmern müssen.

•Ich hätte daran denken müssen, dass …

•Ich hätte mich nicht so gehenlassen dürfen.

•Ich hätte mehr für meine Kinder dasein müssen.

•Ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen.

•Ich hätte meinen Eltern nicht so viele Sorgen machen dürfen.

•Ich hätte nicht lügen dürfen.

•Ich hätte nicht aus der Haut fahren dürfen.

•Ich hätte nicht so faul die Zeit vergammeln sollen.

•Ich hätte ihn nicht kränken dürfen.

•Ich müsste mehr auf meine Gesundheit achten.

•Ich sollte nicht so häufig Überstunden machen. Meine Familie kommt zu kurz.

•Ich müsste mich mehr um meine Eltern kümmern.

•Ich sollte mehr Rücksicht auf meine Mutter nehmen.

•Ich müsste mehr für notleidende Menschen tun.

•Ich dürfte nicht so egoistisch sein.

Vor jeden dieser Vorwürfe müssen wir noch die Bewertung schreiben: „Das war/ist falsch von mir.“ Hinter jede Äußerung müssen wir noch unsere Schlussfolgerung ergänzen: „Und da ich dies nicht tue/getan habe, bin ich ein schlechter Mensch.“, „Und da ich dies tue, getan habe, bin ich ein schlechter Mensch.“ Sind Ihnen einige der Vorwürfe vertraut? Dann sind Sie bereits Ihren Selbstgesprächen auf der Spur. Sie sind schon die ersten Schritte auf dem Weg der Veränderung gegangen. Wenn nicht, benötigen Sie noch etwas Training in der Selbstbeobachtung Ihrer Gedanken. Fest steht, dass Sie, wann immer Sie sich gefühlsmäßig schlecht fühlen, auch etwas Negatives gedacht haben müssen. Sofern Sie keine körperliche Erkrankung oder Erkrankung des Gehirns haben, kann Ihr Körper nicht eigenmächtig Gefühle erzeugen. Er benötigt hierzu den Auftrag durch Ihr Denken. Bitte bleiben Sie am Ball und suchen Sie wie ein Detektiv nach Ihren automatisch ablaufenden Bewertungen. Es lohnt sich, den Selbstgesprächen auf die Spur zu kommen. Ihre Selbstgespräche bieten Ihnen die Chance, Ihre Gefühle zu beeinflussen.

Es gibt einen Universalschlüssel zu Ihren Schuldgefühlen, den ich Ihnen nun überreichen möchte. Alle Menschen, die sich schuldig fühlen, haben einen gleichartig lautenden Gedankengang:

Wenn Sie Schuldgefühle verspüren, dann werfen Sie sich vor,

•etwas zu tun oder auch nicht zu tun, von dem Sie denken, dass Sie es tun sollten oder nicht tun sollten, zum Beispiel „Ich sollte mich mehr um meine Kinder kümmern.“, „Ich sollte keine Schulden machen.“ oder „Ich sollte weniger Süßigkeiten essen.“

•etwas getan oder gesagt zu haben (aber glauben, nicht hätten tun oder sagen dürfen), zum Beispiel: „Ich hätte ihr nicht sagen sollen, dass mir ihr Geschenk nicht gefällt.“, „Ich hätte meine Eltern nicht belügen sollen.“

•etwas, was Sie versäumt haben, zu tun oder zu sagen (aber glauben, es hätten nicht versäumen zu dürfen) zum Beispiel: „Warum habe ich meinem Vater nicht häufiger gesagt, dass ich ihn liebe. Jetzt ist es zu spät und er ist tot.“

und verurteilen sich dafür.