Keiner kann schweigen - Hans-Jürgen Hilbig - E-Book

Keiner kann schweigen E-Book

Hans-Jürgen Hilbig

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Beschreibung

was beginnt wird enden wird enden aber nicht verschwinden

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Seitenzahl: 83

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es gibt eine ordnung

die alles vergisst

nur das leben nicht

es ist die ordnung der wörter

der wörter die machen

dass wir bemerken

wie unaufrichtig die leere sein kann

in die wir starren

wenn wir sie ignorieren

Inhaltsverzeichnis

Franz Kafka

Samuel Beckett

Bruno Schulz

Ernst Jandl

Boris Vian

Alexander Puschkin

Marina Zwetajewa

Else Lasker-Schüler

Peter Esterhazy

Susan Sontag

Michail Bulgakow

Ilse Aichinger

Sylvia Plath

Johann Wolfgang von Goethe

Paul Celan

Sandor Marai

Hilde Domin

Thomas Bernhard

Friedrich Hölderlin

Rainer Maria Rilke

Robert Walser

Octavio Paz

Marcel Proust

Daniil Charms

Peter Kurzeck

Dylan Thomas

Alfred Döblin

Jorge Luis Borges

Wisława Szymborska

Federico Garcia Lorca

Anne Sexton

Libuse Monikova

Alejandra Pizarnik

Danilo Kiš

Gertrude Stein

Christine Lavant

Gabriel Garcia Marquez

Gottfried Benn

Fernando Pessoa

Joseph Brodsky

Julio Cortázar

H.C. Artmann

Fjodor Michailowitsch Dostojewski

René Char

Claude Simon

Anton Tschechow

Marguerite Duras

Inger Christensen

Stefan Zweig

Pablo Neruda

Ossip Mandelstam

Hermann Broch

Andrej Bely

Rolf-Dieter Brinkmann

Roberto Bolaño

Walter Benjamin

Czesław Miłosz

Antonio Tabucchi

Raymond Queneau

Emmanuel Bove

Charles Bukowski

Franziska zu Reventlow

Nâzım Hikmet

Annette von Droste-Hülshoff

James Joyce

Tomas Tranströmer

Luigi Malerba

Italo Calvino

Kurt Schwitters

Zbigniew Herbert

Ugo Riccarelli

Arthur Schnitzler

Wenedikt Jerofejew

Miroslav Krleža

Bogdan Bogdanović

Mehmed Selimović

Tadeusz Różewicz

Bohumil Hrabal

Dezső Kosztolányi

Allen Ginsberg

Ivo Andrić

Aleksandar Tišma

Henri Michaux

Iwan Turgenjew

Eugène Ionesco

Gebrüder Grimm

Lew Nikolajewitsch Tolstoi

E.T.A Hoffmann

Cesare Pavese

Heinrich Heine

Knut Hamsun

Imre Kertész

Charles Baudelaire

Harold Pinter

Clarice Lispector

Nikolai Wassiljewitsch Gogol

Chenjerai Hove

Chinua Achebe

José Saramago

J. D. Salinger

Herman Melville

Virginia Wolf

Doris Lessing

Jurij Mamlejew

Hans Arp

Vladimir Nabokov

Alfred Jarry

Mascha Kaléko

Guillaume Apollinaire

Albert Camus

André Breton

Erich Mühsam

Robert Musil

Aharon Appelfeld

Undine Gruenter

Szilard Borbely

W.C. Williams

Ingeborg Bachmann

Arthur Rimbaud

Franz Kafka

die leere des mondes erstaunte ihn

das meer mit seinen wellen

die schiffe die unter ihm begraben

wurden

die nähe und die schritte die sich

von der nähe entfernten

machten ihn taumeln

er lächelte

bald werde ich wieder auf der bank

sitzen

werde warten auf die nächste nähe

werde spüren was verlangen heißt

und werde schlafen

ohne zu schlafen

werde an meiner nacktheit ersticken

und so sagen

einfach so damit auch das einmal

gesagt wurde

er dachte es wird nie wieder so sein

der gedanke machte ihn nicht einmal traurig

er saß vor der leeren tasse

drückte das buch fest an sich

so wie es vögel an den wintertagen

mit ihrer letzten mahlzeit tun

er schrie

nur kurz

natürlich hatte er angst es könnte

jemand gehört haben

was war los

er saß auf der galerie und sah hinunter

unten kämpften sie um das wohl

der menschheit

sie tanzten und griffen um sich

sie griffen so laut um sich dass er

angst hatte einzuschlafen

es winkte eine

eine die ihn mit einem lächeln strafte

sie legte die decke über ihn

später

als er schon nicht mehr fror

als er erwachte war er eine maus

er zögerte nicht

er rannte ins nächste mäuseloch

er bestand die aufnahmeprüfung

der mäuse

sie gurrten wie zwiebeln wenn sie

traurig sind

er versprach alle gesetze einzuhalten

auch die unmöglichen

demnächst wird er vor einer katze

stehen

er wird sie ansehen

ihr zulächeln und sagen

geh besser

sonst atme ich dich ein

Samuel Beckett

ein mann

sitzt am hafen

in der nähe eine fliege

ich würde die fliege nicht erwähnen

wenn sie nicht dauernd sein gesicht

suchte

er fragte

was hast du

er sprach mit der fliege

sie sah den orten ähnlich

die er verlassen hatte

er erinnerte sich

an dunkle straßen

an hellen schlamm

er erinnerte sich an kulturschaffende die pausenlos überquollen vor

trauriger lebensfreude

er sagte ihr ich hatte geträumt ein

fußballspiel

vfb gießen gegen ich weiß nicht

die ganze welt

vfb führte

durch gute tore

zweizunull

im tor vom vfb stand ein kleines

mädchen

ein hoher ball kam in ihre richtung

sie hatte den ball doch schon festgehalten

sie zögerte und schon rutschte der

ball von ihren händen

ins tor

das kommt vor rief der fachmann

die bälle sind heute glatt

früher waren sie fester und er dachte an die

warmen socken die von der großmutter gestrickt wurden

damals

als alles noch lebte

der erste und der zweite weltkrieg

damals schwamm sein großvater

lange im fluss

sein vater rief krokodile aber er

meinte es nicht so

das kleine mädchen legte den ball

zurecht

sie blickte auf die zeit wie auf eine

urne

sie zitterte nicht

Bruno Schulz

er erinnerte sich

es war wie im märchen

er kam aus dem knast

besuchte einen freund

saß auf einer bank und wurde

von ihr gesehen

deshalb verschwand er

er verschwand weil er angst hatte

angst sie könnte gesehen haben

woher er kam

sein lächeln kroch aus ihm heraus

er floh

floh aus seinem gedanken

es floh auch sein gesicht

was blieb war viel

war der rest und sorgte sich um ihn

er sah sie an einer grünen ampel

stehen

warum ging sie nicht

sie wartete auf ihn

warum auf ihn

er dachte

die meisten bleiben nicht stehen

wenn sie stehenbleiben ist es nur

der anfang

wenn alles beginnt und man

nicht weiß dass der andere

schnarcht oder petzt wenn man

etwas tut

was man nicht tun darf

er war in großer verwirrung

stürzte durch die straßen

ging in kneipen in die hineinzugehen

nicht erlaubt ist

er dachte

wenn ich nur so lange verschwinde

bis ich vergesse

wer ich bin

er stand vor ihr und fragte sie

so lange

bis sie verschwand

sie verschwand wie sie aufgetaucht

war

sie verlor dabei nichts

sie dachte nur

dafür wird man geboren

dass man die straßenseite wechselt

weil auf der anderen seite der liebste geht

Ernst Jandl

wer bist du

bist du

es

ich bin es

du esel

ich bin es doch

bin es immer gewesen

auch als du glaubtest

als du es sagtest

als du auf der toilette warst und

für fünfzig pfennig hinunterspültest

was auch du warst

bist du es

bist du es der du nie warst

der du gerne gewesen wärest

in der sprache der gesunden

in der sprache der schönen

versunken wie ein abendhimmel

immer die grenzen einhaltend

du sprachst mit dem wind

du siehst mit den tränen

wenn du augen hättest

würdest du sie einschließen

du

du bist es doch

der himmel zu kurz

zu kurz für die welt

die welt als empfang

die geräusche der unruhe

du hörst

was die ameisen dir zu sagen haben

hör zu

hör zu

sie reden in dir

Boris Vian

man schneide einen aal um drei

zentimeter länger und durchsuche

seinen blick nach hunger

man gebe etwas dorfmusik in den

topf

man glühe vor liebe

liebe rita

verzeih mir die nacht in der ich von

dir träumte

wir lagen lachend im schnee

wir verführten die angst

wir sangen

es wird alles besser

wenn wir schlafen

ach rita

wir schliefen ja und als ich erwachte

glaubte ich dich sagen zu hören

es regnet in einem städtchen in

bosnien

zwei türen öffnen sich leise

jemand der vergessen hat wie er

heißt

schaut zum fluss und nennt ihn

beim namen

diesen fluss hatte es immer gegeben

als sie fragte

hast du das geträumt und ich antwortete

als würde ich schlafen

rita bist du es

sie war es

sie trank aus meinem suppentopf

sie verzog keine miene als ich lächelte

als sie lächelte dachte ich

so hat weder der erste noch der

zweite weltkrieg gelächelt

Alexander Puschkin

wie weit wollen wir gehen fragte er

seine liebste

sie zeigte auf die spuren

auf die schritte die hinter ihnen lagen

ich habe geschossen, er schüttelte

den kopf

es klang als hätte er sich geirrt und

das

gesagte stünde ihm gar nicht zu

ich habe mich selbst getroffen

meinte der dichter

sie sah ihn an und hätte ihn gerne

umarmt

aber wie

er war ein abwesender flüsterte der

dichter

das habe ich gesehen

er war so beunruhigt dass ich auf

den falschen schieße

und dann hast du

sie sah ihn an

er nickte

dann habe ich auf den falschen geschossen

er stand da und ich dachte

man müsste ihm tränen ins gesicht

tragen

bleiben wir stehen, bat sie

sie hauchte es im ton einer vergesslichen

eine die flieht

eine die immer ein gesicht hat

egal wen sie liebt

Marina Zwetajewa

da geht wer in eine umarmung

es ist nicht wichtig wer

es ist wichtig dass es eine umarmung ist

sie versteckt ihren namen in den

augen

in den augen zweier die es verdient

haben

nicht zu wissen

wer es zusammenhält

jemand hebt die hand

wird mit einem satz gepflegt

sucht nach antworten

auf die es keine fragen gibt

tastet die berührung ab

sucht nach dem sinn

sieht ihre augen und weiß bescheid

Else Lasker-Schüler

sie sitzt auf einem stuhl

es könnte auch ein baum sein

sie sitzt auf einem baum und denkt

es könnte auch ein stuhl sein

in ihr wachsen die stühle und

die bäume

sie lässt sich nicht aus den augen

in ihren kellern verlässt niemand

eine türe

sie versteckt die alten nächte

sie sitzt auf keinem stuhl

in ihr wachsen keine bäume

in ihr ist es still

so still dass man glaubt die

anderen gräber zu hören

die lauschen

ob da jemand schreibt

Peter Esterhazy

es gab einen mann der brannte darauf

er brannte darauf die worte einzuschließen