Kinder sind vom Mars - Echt! - Lilly Fröhlich - E-Book

Kinder sind vom Mars - Echt! E-Book

Lilly Fröhlich

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Beschreibung

Was ist schlimmer: Eine Großkatze oder ein Pubertierender? Die Frage meiner Mutter ist nicht ganz unberechtigt, denn einen Pubertierenden kann ich nicht in der Babyklappe unterbringen, eine Großkatze sehr wohl im Gehege. Allerdings ist eine schreiende Dreijährige auf dem Boden eines Supermarktes auch nicht zu verachten, wenn sie versucht, der liebenden Mutter das Puppen- und Süßwarenangebot schmackhaft zu machen. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass sie ein kleiner Alien ist, der nur zufällig so aussieht wie ich. In jedem Fall aber ist das Leben mit Kindern NICHT langweilig, wenngleich manchmal recht peinlich. Da sollte man doch glauben, dass es reicht, sie großzuziehen. Aber nein, das Universum muss einen auch noch auf Überlebensexpedition schicken, wo Krokodile und andere lästige Begebenheiten auf einen warten. Manchmal frage ich mich, was ich dieses Mal falsch gemacht habe, um SO eine Rechnung zu bekommen! Da muss man wirklich Nerven wie Drahtseile spinnen!

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Supermarktfreuden

Entlarvt

Der Bindi

Endlich im Kindergarten

Schock am Nachmittag

Luxushotel ›Susannah‹

Neuzugang mit Folgen

Ungewöhnliche Verhaftung.

Die Liste der unliebsamen Dinge

Der Unfall

Der Absturz

Besuch von Tante Kroko

Die Rettung

Herzlicher Empfang

Oh Schreck, das zaubert keine Maschine weg!

Ist es zuende, wenn alles gut ist?

Supermarktfreuden

»Was ist gefährlicher, eine Großkatze oder ein Pubertierender?« Fragend mustern mich die Adleraugen meiner Mutter.

(Ich bin mir nicht sicher.

Erwartet sie ernsthaft eine Antwort darauf?

Ich meine, klar, ich bin mittlerweile auch stolze, zweifache Mama, aber Emma steuert gerade mal auf ihren vierten Geburtstag zu und Tiberius ist acht Monate alt.

Woher soll ich also wissen, worauf sie hinaus will?

Und meine Pubertät zählt nicht.

Hierzu fehlt mir die nötige Objektivität.)

»Keine Ahnung«, sage ich also.

»Du weißt es nicht? Dann will ich dir eine kleine Anekdote von dem angenommenen Kind deines Bruders erzählen.« Meine Mutter holt TIEF Luft und ich WEISS, JETZT folgt die Empörungsgeschichte des Jahrhunderts!

(Da meine Mutter ihre Geschichte auf Deutsch zum Besten gibt, brabbelt sie munter drauflos, denn in diesem australischen Supermarkt XXL versteht uns ohnehin keine Sau.

Ich lasse sie also gewähren und arbeite dabei langsam meinen Einkaufszettel ab, immer mit einem halben Ohr bei ihrer Geschichte.

Ich WEISS, dass mein Bruder nicht nur seine Unterweltsbraut geheiratet, sondern auch noch ihre Brut mit übernommen hat.

[Im Ernst, was soll auch bitte schön dabei herauskommen, wenn sich Mrs Devil höchstpersönlich fortpflanzt?

Die Frage meiner Mutter nach der Gefährlichkeit ihres pubertierendes {Stief-}Enkelkindes erstaunt mich daher überhaupt nicht.])

»Der Dustin ist kaum vierzehn, da rennt er doch glatt los und kauft sich eine Shisha…«

(JAAA!

Meine allerliebste Erzfeindin aus Schulzeiten und angetraute Schwägerin Annette [sie musste von all den Milliarden Typen auf diesem Erdball ja ausgerechnet MEINEN Bruder William angeln UND auch noch ehelichen!] hat ihren ältesten Sohn ernsthaft ›Dustin‹ genannt!

Ohne Witz!

Ich meine, JEDES Kind WEISS, dass dieser Name automatisch einen erfolglosen Lebenslauf vorhersagt und übersetzt irgendwas zwischen einem ›Staubkorn‹ und einem Klumpen ›Dreck‹ bedeutet.

Mit diesem Namen KANN niemand glücklich und erfolgreich werden!

Darüber sind sich die Herren der Wissenschaft einig. Es gibt einfach Namen, die wählt man nicht, wenn man seinen Kindern eine sorglose Zukunft gönnt.

Die Standesämter dieser Welt sollten eine Liste mit Namen herausgeben, die Erfolglosigkeit nach sich ziehen und aus diesem Grund verboten sind!

Zum Schutz aller zukünftigen Namensträger. Und zwar so deutlich, dass auch die Flachbremsen unter den Menschen ihren Kindern keine Namen wie ›Joghurt‹, ›Popo‹ oder ›Satan‹ geben WOLLEN.

[Ehrlich, diese Namensanträge kann man googeln! Empfehle ich aber nur Menschen mit Nerven aus Stahl!]

Ist ein anständiger Name nicht eines der Grundrechte?

Immerhin betrifft es die Würde des Menschen.

Gehört dazu nicht auch ein Name, den andere Menschen respektieren und NICHT in den Dreck ziehen können?

Schließlich möchte jeder unversehrt alt werden.

Auf jedem abstrusen Namensantrag sollte eine Warnung vom Standesamt stehen: ›Achtung, diese Namen können schädlich für den Träger sein‹.

Aber nein, selbst Standesbeamte sollten regelmäßig den Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte nachweisen müssen, wenn ich lese, dass Menschen in Deutschland ihre Kinder tatsächlich und ernsthaft ›Pumuckl‹, ›Schneewittchen‹ oder ›Tarzan‹ nennen durften.

Was ging da in den Köpfen der Sachbearbeiter vor sich?

Hatten die gerade Sex auf dem Schreibtisch und sind dabei versehentlich mit dem Hintern auf das Stempelkissen gekommen, so dass die verrückten Eltern nur noch die Unterschrift fälschen mussten?

{Also, wenn meine Mutter mich ernsthaft ›Cinderella‹, ›Fanta‹ oder ›Pepsi‹ genannt hätte, dann hätte ich ihr wohl das Märchenbuch um die Ohren gehauen und ihr anschließend das Ganze mit dem klebrigen Limozeug und den Federn ihres Kopfkissens garniert.}]

Also, wo waren wir stehengeblieben?

Ja, genau, bei meiner durchgeknallten Schwägerin und meinem angeheirateten Neffe, der schon alleine wegen seiner Mutter nicht zu beneiden ist.

Armer Junge!)

»Wie konnte Annette ihren Sohn bloß ›Dustin‹ nennen?

Wissen Eltern denn nicht, was sie ihren Sprösslingen antun?«, unterbreche ich meine Mutter. »Da ist es doch kein Wunder, dass der Kerl nur Mist baut. Ist bei dem Namen quasi vorprogrammiert.«

Eine der beiden Augenbrauen meiner Mutter (ja, sie hat wirklich nur zwei, wobei ich schon so manches Mal dachte, eine dritte gesehen zu haben) wandert gefährlich in die Höhe. »Wie kommst du bloß auf so einen Blödsinn? Was hat ein NAME mit dem Charakter eines Menschen zu tun? Wir sind doch nicht bei Wilhelm Tell.«

»Was hat denn DER jetzt mit der Sache zu tun?

Hatte der nicht irgendeinen Apfel auf dem Kopf?«

»Was redest du da, Kind? Wilhelm Tell hat ›Max und Moritz‹ geschrieben. Diese Rotzlöffel, die wirklich so enden mussten, weil sie NUR Mist verzapft hatten.« Fassungslos über meine (angebliche) Dummheit schüttelt meine Mutter den Kopf.

»Und ich dachte, der Wilhelm hat einen ›Busch‹ im Namen.«

Meine Mutter schnauft empört.

Ich schweige.

Wir gehen weiter.

»Warum hat Annette ihre Söhne eigentlich nicht Max und Moritz genannt? Hätte irgendwie besser gepasst.«

»Michel aus Lönneberga hätte genauso gut gepasst, meine Liebe. Der kleine verzogene Braten hatte auch nur Blödsinn im Kopf.«

»Stimmt, aber der war wenigstens noch sympathisch.«

»War er nicht.«

»Was hat unser Dustin denn jetzt angestellt?«, lenke ich das Gespräch wieder auf das Ausgangsthema zurück.

»Ja, also…das war so…«

Ich blicke mich um.

Es dauert ein wenig, bis ich den großen Schokoladenberg entdecke.

(Der einzige Grund, weshalb ich UNBEDINGT hierher wollte. Sie haben SCHOKOLADE im Angebot! Allerdings sind wir in einem der größten Supermärkte von ganz Australien. Es ist mein zweiter Besuch hier und ich fühle mich wie in einem Ameisenberg, in dem eigentlich nur die Mitarbeiter schuften und schwitzen sollten und nicht die Kunden, weil sie sich die Füße wund laufen und um die Angebote kloppen müssen.)

Meine Mutter räuspert ihren Frosch weg und fährt fort: »…der junge Mr Johnson, leider trägt er ja mittlerweile MEINEN Nachnamen, zieht also los und kauft sich in einem Laden für Hanfprodukte irgendwelche Giftmischungen für sein Pfeifendingsbums. Die wendet er so unüberlegt an, dass dieses Wasser-Rauch-Dingsbums, diese Shisha, mit einem RIESENknall in unserem Keller EX-PLODIERT.«

(An der Art und Weise, WIE meine Mutter unseren Nachnamen im Zusammenhang mit den Kindern von Annette ausspricht, erkenne ich nach fünfunddreißig Jahren Mutter-Tochter-Erfahrungen GENAU, dass sie ÜBERHAUPT NICHT damit einverstanden ist, dass mein Bruder die Kinder seiner Unterweltsbraut einbenannt hat.[Ich habe mich da vollumfänglich informiert und William hat mir an einem feuchten Weinabend ALLES über den Vorgang der ›Einbenennung‹ erzählt.

{Für alle, die davon noch nie gehört haben, hier die Kurzfassung:

Nach der Eheschließung des neuen Patchworkpaares können die gebrauchten Kinder, die ein Partner mit in die Ehe bringt, tatsächlich ›einbenannt‹ werden. So tragen die Mitglieder dieser Patchworkfamilie ALLE denselben Nachnamen und man erspart sich im täglichen Allerlei {{vor allem in Schulangelegenheiten}} peinliche Nachfragen, warum die Mutter anders heißt, als ihre Kinder, ohne dass der soziale Vater die Kinder seiner Partnerin adoptieren muss.}

Und genau DAS hat William zum Leidwesen meiner Mutter getan. Und nun heißen Dustin und Johannes eben ›Johnson‹ mit Nachnamen. Und jeder, der meine Eltern im Ort kennt {was bei einem Zahnarztehepaar nicht allzu schwierig ist}weiß jetzt, wen sie angehen müssen, wenn die kleinen Gören etwas ausgefressen haben.]

Meine Mutter hält also mit ihrem Namen den Kopf dafür hin, weil alle mit dem [nackten] Finger auf sie zeigen.

Zumindest glaubt sie das.

Und machen wir uns nix vor!

Menschen LIEBEN es, über andere herzuziehen.

Schadenfreude ist das neue Botox der Menschheit!

Ich kenne kaum einen Menschen [mit Ausnahme meiner Wenigkeit], der nicht einen ›Heidenspaß‹ [jaaa, der Heide hatte Spaß, sonst hieße es ja ›Christenspaß‹] daran hat, über andere herzuziehen, damit er sich selbst besser fühlt.

[Warum wären die TV-Sendungen, in denen irgendwelche Idioten Maden und Spinneneier fressen müssen, sonst so beliebt?

Na klar, weil sich die ganze Welt darüber schlapp lacht, wenn die Typen so bescheuert sind und dem Gekreuche des Dschungels einen Gute-Nacht-Kuss geben, nur um sich zum goldenen Löffel der Nation zu machen.]

Und Schadenfreudige müssen nicht einmal Annette oder Merle heißen, die beiden Oberschnepfen der Lästermäuler schlechthin!

Nicht umsonst und aus Dumdiedeldei haben die ›Ärzte‹ ein Lied herausgebracht mit dem selbsterklärenden Titel und Songtext ›Lass die Leute reden‹. Sehr aufschlussreich und überhaupt nicht aus der Luft gegriffen.

Aber warum sind die Menschen so?

›Weil die Menschen eben so sind‹, sagt mein Vater immer.

Unsere Gesellschaft wird immer verrückter und unsozialer. Herzlichkeit beginnt vor der eigenen Haustür.

[Und wenn sie fehlt?

Besen schnappen und saubermachen.])

»Das Kinderzimmer sah aus!«, fährt meine Mutter aufgebracht fort. »UNBEWOHNBAR, sage ich dir…«

»Wieso? Ich dachte, die Shisha ist im Keller explodiert.

Wohnt der Junge etwa im KELLER?«, frage ich perplex.

(Vielleicht sollte ich doch mit mehr als einem halben Ohr zuhören.

Macht sich irgendwie besser, um ALLE Zusammenhänge zu verstehen.)

»Du hörst mir ECHT NIE zu, was? Natürlich wohnen die alle im Keller. Eigentlich wollte sich William schon VOR JAHREN eine eigene Wohnung gesucht haben, haben dann gefiel es ihnen so gut bei uns, dass sie geblieben sind. William hat das Kellergeschoss KOMPLETT ausgebaut. Rate mal, warum wir so oft hier sind! Dein Bruder und seine Monsterfamilie NERVEN TIERISCH.«

»Auch das muss mir irgendwie entfallen sein«, sage ich kleinlaut vor mich hinmurmelnd.

(Vielleicht sollte ICH meinem Bruder eine neue Bleibe suchen, damit er meine Eltern nicht ständig nach Australien jagt!)

»Wie dem auch sei, auf jeden Fall musste dein Vater die Feuerwehr rufen, die mit einem Spezialkommando und Gasmasken die chemischen Überreste entsorgt haben.

Hast du ‘ne Ahnung, was das gekostet hat?«, kreischt meine Mutter so laut, dass sich einige Shoppingwütige empört umdrehen.

(Es ist jetzt nicht so, dass es bei meinen Eltern zwei Arme trifft [eher zwei Geizkragen], aber ich kann verstehen, dass man kein Geld für so einen Müll ausgeben möchte.)

»Und Dustin war unverletzt?«

»Nee. Wenn dein Vater nicht so schnell reagiert hätte, würde der Junge jetzt aussehen wie dieses Monster vom ›Phantom der Oper‹. Überall hatte der Junge Verbrennungen. ÜBERALL! Der hat ganze drei Wochen in Boberg gelegen, in dieser Klinik für Brandopfer.« Voller Empörung wirft meine Mutter ein paar Nudelpackungen mit solcher Wucht in den Einkaufswagen, dass es ein Wunder ist, dass sie heil bleiben.

»Da lobe ich mir eure hübschen Großkatzenhyb-hyb-wasauch-immer. Die sind HARMLOS im Gegensatz zu diesem ungezogenen, pubertierenden Flegel. Wie DER mit seiner Mutter redet! Unglaublich! Und so was schimpft sich JOHNSON!« Kopfschüttelnd grabscht meine Mutter ins Regal mit der Tomatensoße und wirft auch diese Packungen achtlos in den Korb.

(Zum Glück sind das Tetrapacks und keine Gläser! Sie ist offenbar auf 380!)

Leider schreckt sie Tiberius auf, der bis eben friedlich im Land der Träume in seiner Autoschale auf dem Einkaufswagen schaukelte.

Jetzt verzieht er weinerlich den Mund.

Schnell reiche ich ihm ein Kuscheltierschaf und lasse es laut ›mähen‹.

»GroßkatzenHYBRIDE heißt das, Mama«, sage ich laut und deutlich. »Wir haben sozusagen Mischlinge.«

(Offenbar liegt unser miserables Gedächtnis in der Familie! Genauso wie ich mir die Namen meiner Neffen nicht merken kann, kann sie sich die Bezeichnungen für unsere Hybriden nicht merken!

Der Zirkus, den Frederico nach Emmas Geburt gegründet und mit allerlei fremdartigen Tieren bestückt hat, ist mit seinen exotischen Tieren eine wahre Goldgrube.

Obwohl die Tiere in [weitläufiger]Gefangenschaft leben, rennen uns die Schaulustigen die Bude ein. Mittlerweile haben wir aus der Schaffarm meiner Nebeneltern schon eine Art Zoo-Zirkus-Kombination gemacht, denn die Tiere brauchen ordentliche Schlafplätze und viel, sehr viel Auslauf.

Und so hausen unsere Raubkatzen neben den Schafweiden.

[Und kein Schaf ist bisher durch den Zaun gezogen worden, auch wenn meine Mutter ständig danach fragt. Aber da die Tiere gut und regelmäßig gefüttert werden, müssen sie sich ihr Futter nicht anderweitig besorgen.]

Abgesehen von vier Hybriden, also einem Jaglion, einem Töwen, einem Liger und einem Leotig haben wir auch noch zwei weiße Elefanten, Tauben und Perlhühner [ich WEISS, die sind dagegen unspektakulär], Pferde und neuerdings auch Schlangen und eine Schlangebeschwörerin.

Letztere lebt natürlich NICHT in unseren Gehegen!

[Und nein, ich habe keinen Sprachfehler und leide auch nicht unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. Unsere Großkatzen sind Mischungen aus verschieden Raubkatzen.

Leo, unser Leotig, ist eine Kreuzung aus einem männlichen Leoparden und einer Tigerlady.

Sana, unsere Ligerdame, ist eine Kreuzung aus einem männlichen Löwen und einer Tigerdame, sie sieht eher unscheinbar aus, wie ein Löwenweibchen mit leichter Tigermusterung.

Sandro, unser imposanter Töwe, eine Kreuzung aus einem männlichen Tiger und einer Löwendame, sieht phantastisch aus mit seiner Löwenmähne und dem gestreiften Tigerfell.

Aber am allerschönsten ist Jana, unser Jaglion. Sie ist eine Mischung aus einem männlichen Jaguar und einem weiblichen Löwen. Sie hat fast schwarzes Fell mit dunklen Flecken, die so eng aneinandergereiht sind, dass es fast schon gestreift aussieht. Ihre großen grünen Augen sind so voller Wärme, dass ich den ganzen Tag lang mit ihr kuscheln könnte.

[Aber natürlich hat Frederico das strengstens verboten.]

Unsere Hybride rufen natürlich auch in Australien die Tierschützer auf den Plan.

[Oder solche, die sich dafür halten.]

Unsere Tiere sind, man glaubt es kaum, alle natürlich entstanden, weil man sie achtlos in ein Gehege gesteckt hat.

[Absichtlich oder versehentlich oder einfach, weil man nicht daran glaubte, dass sie sich fortpflanzen würden.]

Und exakt an dieser Stelle muss ich meiner Mutter wohl oder übel Recht geben: Unsere Großkatzen sind DEFINITIV harmloser als ein Pubertierender, der mit seinen Experimenten die halbe Nachbarschaft in die Luft sprengt.

Ich kann mich nicht erinnern, wann unsere Tiere in die Verlegenheit gekommen sein dürften, eine Shisha zu benutzen.

Auch fressen sie weder ihre Pfleger noch irgendwelche Kinder.

Und außer ein bisschen Gebrüll kam noch keine patzige Bemerkung von den Kätzchen.)

»Selbst euren komischen, neuen Schlangen würde ich mehr Verstand zutrauen als diesem Jungen«, platzt meine Mutter heraus. Sie schließt ihren Vortrag mit einem naserümpfenden Schnaufen ab und widmet sich wieder ihrem Einkaufszettel.

(Dalia, unsere indische Schlangenbeschwörerin, hat vier riesengroße Schlangen mitgebracht. Eine gelb-weiße Albinopython, eine bräunliche Tigerpython, eine Anakonda und eine Abgottschlange, auch besser bekannt unter dem Namen der ›Boa constrictor‹.

[Natürlich habe ich nach unserem Neuzugang sofort meine geliebte Suchmaschine gefragt und herausgefunden, dass schon die Mexikaner die ABGOTTschlange als Abgesandte der Götter verehrten, daher vermutlich auch der Name.]

Also alles ›harmlose‹ Würgeschlangen im Vergleich zu forschenden Jugendlichen, wenn man meiner Mutter Glauben schenken darf.)

»Da bin ich aber froh, dass William die letzten drei Jahre weder die Zeit noch das Geld hatte, um uns mit seiner lieben Familie besuchen zu kommen«, sage ich erleichtert lachend.

Meine Mutter bleibt kurz stehen, errötet heftig und schiebt schließlich den Einkaufswagen weiter.

(Und spätestens JETZT WEISS ich GENAU, dass sie mir etwas verheimlicht.

Sie wird ihm doch wohl kein Flugticket besorgt haben, in der Hoffnung, dass er sein warmes Mama-Nest verlässt und hier abtaucht, oder?

[OMG!!!

Das würde ich ihr glatt zutrauen!])

»Du wolltest noch etwas sagen, Mama?« Während ich meiner Mutter auffordernd Löcher in den Rücken starre, fängt Emma an, an meiner Hand zu zerren.

»Puppen, Mama! Sieh mal, PUPPEN!«

(OH NEIN, wie können die so gedankenlos sein und PUPPEN in einem Supermarkt zum Verkauf anbieten?

Wissen die denn nicht, dass das der Tod eines jeden mütterlichen Geldbeutels [oder Geduldfadens] ist?

Das ist ECHT noch grausamer als die Massen an Bonbons, die vor allem immer in der Kassenzone aufgebaut sind.)

»Toll, Emma! Aber du hast schon eine Million Puppen zuhause. Lass uns weitergehen!«

(Aber Emma denkt gar nicht daran.

Sie will nicht weitergehen.

Sie will SHOPPEN.

Und zwar DIESE Puppen.

Das Tolle an den Puppen im Supermarkt ist, die haben irgendetwas, was ihre Puppen zuhause NICHT haben. Ein Kleid, eine schicke Haarfrisur oder sagenhafte Lackschuhe.)

»Emma, du hast genug Puppen und dein Geburtstag ist erst wieder im nächsten Jahr.«

(Ich sollte mir dringend überlegen, ob ich nicht das allseits beliebte Taschengeld einführe.

Geht das schon bei Dreijährigen?)

Ich hocke mich vor meine Tochter, die mich mit großen Kulleraugen betrachtet. »Ich habe jetzt keine Lust, Geld für die hundertste Puppe auszugeben. Du weißt ja schon gar nicht mehr, wo du die noch alle hinsetzen sollst. Und wenn du eine Woche lang mit ihnen gespielt hast, liegen sie nur wieder in der Ecke herum. Die interessieren dich dann schon gar nicht mehr.«

Emma nickt, während sich ihre Augen langsam mit Tränen füllen. »Doooooch.«

(Natürlich.

Hatte ich mit einer anderen Antwort gerechnet?

Wie töricht von mir!)

»Und wo soll die hundertste Puppe hingesetzt werden?«

(Falsche Frage!

DEFINITIV total die falsche Frage!

Natürlich hat ein jedes Kind auf so eine Frage auch die passende Antwort!)

Emma legt einen Finger an ihre Lippen und legt los. Sie zählt mir fünfzigtausend Plätze im Haus auf, die noch nicht mit ihren Puppen bepflastert sind.

(Oje, was soll ich dagegen noch anbringen?

Ich muss mir schnell etwas anderes einfallen lassen.)

»Wenn wir sooo viel Platz im Haus haben, dann kann ich ja Dalias Schlangen noch bei uns unterbringen. Die spielen nämlich auch gerne mit Puppen.«

(Manchmal habe ich ECHT geniale Einfälle!

[Und NATÜRLICH meine ich das NICHT ernst.

ICH will auch keine Schlangen im Haus haben, aber das weiß mein Fräulein Tochter ja nicht.])

Das blanke Entsetzen steht im Gesicht meiner Tochter.

»Susannah!« Meine Mutter ist empört. »Was ist das denn jetzt wieder für eine Masche? Sag deiner Tochter einfach klipp und klar, dass es heute keine Puppe gibt, aber bedrohe sie nicht mit euren Schlangen. Ich dachte, du hast bessere Erziehungsmethoden drauf.«

(Ja, das denke ich auch manchmal, aber dann kommt der kleine Satan auf meiner Schulter zu Wort und haut die unmöglichsten Dinger raus!

Echt!

Ich bin absolut unschuldig.)

Nun blickt Emma zwischen meiner Mutter und mir hin und her, grübelnd, wie sie einen von uns jetzt ins Boot holen kann.

(Ich WEISS, ich bin ein jämmerlicher Diskutator mit noch schlimmeren Ideen, gerade wenn es darum geht, meiner Tochter irgendein Hirngespinst AUSZUREDEN.

Und jaaa, ich WEISS, dass meine Mutter Recht hat. Das war definitiv ein GANZ schlechter Versuch, sie von den Puppen wegzubringen.)

Emmas Unterlippe zittert schon. »Schlangen spielen mit Puppen?«

(Sie ist nicht sonderlich begeistert von unseren Neuzugängen.

Irgendwie scheint sie in einem früheren Leben von einer Schlange gebissen worden zu sein. Sie macht einen ZIEMLICH großen Bogen um die Tiere, obwohl sie sich sonst alles krallt, was nicht bei drei auf den Bäumen sitzt.

Und selbst Dalia meidet sie, auch wenn diese sich nur um die Tiere kümmert, sich aber nicht selbst in eine Schlange verwandeln kann.)

»Okay, schlechter Versuch. Natürlich bleiben die Schlangen bei Dalia im Terrarium. Wir nehmen sie NICHT mit zu uns ins Haus. Aber diese Puppen hier auch nicht. Die haben mir gerade zugeflüstert, dass sie auf eine Puppenmama warten, die noch nicht so viele Puppen zuhause hat.« Ich stehe wieder auf und ziehe meine Tochter hinter mir her.

Im Vorbeilaufen schnappt sie sich die nächstbeste Puppe und wirft sie in hohem Bogen in den Einkaufswagen.

Ich beschließe, so zu tun, als wenn ich nichts bemerkt habe und werde den Neuzuwachs spätestens an der Kasse aussortieren.

Wir kommen exakt bis zum Bonbongang.

Was für ein Paradies für jeden Zuckerjunkie!

Und genau in Emmas Kopfhöhe liegen bunte Bonbons mit lächelnden Puppengesichtern.

»Emma, Zucker macht böse. Du brauchst nur ein Geschichtsbuch aufzuschlagen und schon kannst du sehen, WER alles Zucker gegessen hat«, sagt meine Mutter und versucht das Augenmerk ihrer Enkeltochter auf den nächsten Gang zu lenken, in dem es allerlei Brotsorten gibt. »Hitler mochte Zucker.«

»Mama!«

(Und DIE Erklärung war jetzt kindgerechter als mein jämmerlicher Schlangenversuch?

Zucker macht böse und sieh dir all die üblen Kriegsfanatiker an? Hitler mochte Zucker?

Was jawohl zu beweisen wäre!

MEINE Mutter hat ja Nerven!

Die ist ja noch ungeschickter als ich.

[Wie hat sie MICH bloß so vernünftig hingekriegt?

Oder bin ich gar nicht vernünftig und alle tun nur so freundlich, weil sie Klein-Doofi-Susannah nicht vor den Kopf stoßen wollen?

OMG!

Das sollte ich dringend überprüfen!

Aber wen frage ich da am besten?

Frederico?

Nee, schlechte Idee. Sonst fällt ihm noch auf, dass er eine dusselige Kuh geheiratet hat.

Nick?

Ja, der ist perfekt.])

»Bonbons!«

»Nein, mein Schatz, die nehmen wir heute nicht mit.«

Emma holt TIEF Luft und lässt sich dann theatralisch auf den Boden fallen, wo sie lauthals losheult.

(Ich würde gerne behaupten, dass mir das Wesen auf dem Fußboden des Supermarktes vollkommen unbekannt ist.

Irgendein Alien, das mich nur ZUFÄLLIG ›Mama‹ nennt, weil es die Bezeichnung so toll findet.

[Aber die Ähnlichkeit lässt sich beim besten Willen nicht leugnen und so gucken auch schon die ersten Einkaufsjäger pikiert in unsere Richtung.])

»Nun TU endlich was!« Genervt verdreht meine Mutter die Augen und deutet auf das Ding, das laut schreiend den halben Supermarkt alarmiert.

»Und was?«

(Nein, ich tue nicht nur so, als sei ich ratlos, ich BIN ratlos.

Erst wollte sie die Puppen haben, jetzt hat Madame Shoppingelfe auch noch Bonbons entdeckt, die nicht nur quietschgrün und lila sind und eine rosa Füllung haben [und alles, was rosa ist, gehört automatisch der kleinen Lady {zumindest hätte sie das gerne}], sondern auch noch in HERZFORM sind.

Mit Puppengesicht-Aufdruck.

Wahnsinn!

Wie versucht nun also ein dreijähriger Trotzkopf seinen blonden Lockenkopf durchzusetzen?

Zugegeben, sie sieht bezaubernd aus mit ihren süßen blonden Ringellöckchen. So bezaubernd, dass man ihr kaum einen Wunsch abschlagen kann.

[Woher sie diese Locken hat, ist mir allerdings ein Rätsel, denn ich habe so glattes Haar, als würde ich es jeden Morgen BÜGELN.

Ich hatte irgendwann einmal scherzhaft geäußert, ihre Locken kämen vom Postboten.

Da meine Mutter diesen Witz jedoch überhaupt nicht komisch fand, änderte ich den Kurs und behauptete, die Haare seien das Erbstück des Postboten, der meine Mutter gepoppt hat und die Locken würden sich immer erst in der übernächsten Generation weitervererben.

DAS fand sie SO WAS VON unmöglich, dass sie drei Tage lang in eisernes Schweigen verfiel.

Natürlich hatte sie damals nix mit dem Postboten, sondern was mit dem Vater meines Ex-Verflossenen. Nur um ein Haar bin ich gerade noch darum herumgekommen, Inzucht zu betreiben, als dessen Sohn, Jonas McSchnauf&Schmatz mich aus- und im Drei-Minuten-Takt VERführte.

Wenn ich ehrlich bin, WEISS ich jedoch, dass Emma ihren Lockenkopf von Frederico hat, der sein Haar allerdings so kurz geschnitten hält, dass die Wellen gar nicht erst ins Lockenstadium geraten können. Vermutlich würde mein Göttergatte sonst aussehen wie Frodo!

Ohne Fell auf den Füßen, natürlich.])

Das rosa Kleidchen mit den kleinen, bezaubernden Elfen darauf, welches Emma gerade mit dem Dreck des Supermarktfußbodens besudelt, habe ich in einer Boutique in Adelaide entdeckt. Natürlich war ich bei Haigh’s, um meinen monatlichen Schokoladenbestand aufzufüllen.

Und da sah ich es: Den absoluten Modetraum!

(Zumindest war es das, bevor sie es dem riffeligen, verdreckten Boden ausgesetzt hat!

[Es ist nicht so, dass ich meine Tochter verhätschele und mein hart verdientes Geld nur für die Einkleidung unserer Prinzessin verschleudere, aber an DEM Kleid kam ich einfach nicht vorbei.

Zum Glück ist Emmas Großmutter, Rebecca Valentino, noch verrückter als ich und lässt sich von ihrer Schwester sogar Kindermode aus Mailand schicken, so dass ich nicht allzu oft in die Verlegenheit komme, bei den Kinderklamotten zu stöbern.])

»Was würde dein Mann jetzt tun?«

(Hat meine Mutter das gerade eben ernsthaft gefragt?

Sie, DIE Erziehungsexpertin schlechthin, die bereits zwei Kinder großgezogen hat [mich als Erstgeborene und meinen jüngeren Bruder William], weiß NICHT, was man mit einer Dreijährigen macht, die schreiend und tobend im Supermarkt liegt und versucht, ihren Kopf durchzusetzen?

Ich bin fassungslos.

Echt!

Aber gehen wir ihrer Frage einmal nach…was würde Frederico tun?

Vermutlich würde er sie auf seine starken Arme heben und sie so lange durchkitzeln, bis sie vor Lachen schreit.

Oder er würde sie aus dem Supermarkt raustragen und im Auto mit dem Anschnallgurt fesseln, bis ich fertig mit dem Einkaufen bin.

Ich schätze allerdings, das sind momentan KEINE Optionen, die für mich in Frage kommen.)

»Emma, steh auf! Wir wollen weiter einkaufen und dann noch bei Oma und Opa eine Pizza essen. Wenn du noch länger hier liegenbleibst, ist die Pizza kalt oder Opa hat sie schon alleine aufgegessen.«

(Ich hätte auch ›Eis‹ sagen können, aber das habe ich absichtlich nicht erwähnt, um ihr Erpressungsmanöver nicht auch noch zu unterstützen.)

»Genau Emma, und dann essen wir ein RIESENGROSSES Eis«, wirft meine Mutter noch in die Waagschale.

(Super, Mama, danke!

DAS war genau das Mittel, welches ich NICHT einsetzen wollte.)

Genervt schnaufe ich sie an.

»Was?« Meine Mutter erwidert meinen Blick voller Empörung. »Immerhin war ICH erfolgreich. Sie hat aufgehört zu schreien.«

»Oh ja, total erfolgreich. Eine riesengroße Belohnung für das erpresserische Verhalten meines trotzigen Früchtchens. Und wenn sie das nächste Mal ihren Kopf durchsetzen will, dann schreit sie halb Adelaide zusammen, bis sie ein Eis bekommt. Tolle Idee, Mama.«

(Aber dann ist die Verursacherin namens ›Oma Johnson‹ schätzungsweise WEIT weg in Deutschland und ich darf mir überlegen, wie ich DAS wieder ausbügele.)

»Jetzt ist es zu spät. Ich habe ihr bereits das Eis versprochen.« Meine Mutter hilft ihrer Enkeltochter auf die Beine und wischt ihr die (falschen) Tränen von den Pausbäckchen.

Während meine Mutter die kleine Patschehand schnappt, wirft Emma einen Blick zurück auf mich und grinst triumphierend.

(Na, warte, du kleiner Braten!

Beim nächsten Einkauf lasse ich deine Oma zuhause und dann bin ICH der Boss.

Moi!!!

Deine Oma ist nämlich zum Glück nur zu Besuch und ganz bald wieder weg.

[Hoffentlich.])

Die schaulustige Menge um uns herum hat sich aufgelöst und wir setzen unseren Einkauf fort.

An der Kasse wartet jedoch schon die nächste Prüfung auf uns: Ein schmaler Gang, der vollgestopft mit Süßigkeiten zur Kassiererin führt.

Die vielen, bunten Riegel sind sogar so toll angeordnet, dass mein kleiner Sohn es schafft, sie mit einem gekonnten Babygrabscher in Sekundenschnelle aus dem Regal zu reißen.

(DAS haben sich die Herren der Schöpfung wirklich toll ausgedacht.

Ich meine, JEDER muss an diesem Warenlager der Verführung vorbei, der seine Waren bezahlen will [und zu der ehrlichen Sorte gehöre ich leider auch].

NATÜRLICH gibt es auch in Australien mittlerweile süßwarenfreie Kassen, doch ärgerlich ist es, wenn diese GESCHLOSSEN sind.)

Brav halte ich vor drei Kunden an, die diesen Gang verstopfen, so dass wir unmittelbar im überteuerten Naschparadies festhängen.

(Ich meine, JEDER weiß doch, dass die Süßwaren an der Kasse als letzter Anker TEURER sind als die Süßwaren in den Süßwarengängen.

Und während man seelenruhig und völlig entspannt an der Kasse darauf wartet, abkassiert zu werden [oder eben wie ich total unentspannt, weil ich ständig dabei bin, die kleinen Babygreiflinge davon abzuhalten, das Regal mit Gewalt leerzufegen], gleiten die Augenpaare [JAA, bei Außerirdischen können das auch durchaus mal fünf Augen sein] über die süße Verführung und so denkt man sich: ›Hm. Heute schon genascht? Nee. Ach, da könnte ich doch mal zugreifen. Ist doch nur ein miniklitzekleiner Schokoriegel.‹

Und schwupps, liegen die Riegel im Einkaufskorb oder gleich auf dem Band.)

Ein geschulter Blick verrät mir sofort, dass die bunten Bonbons und Schokoladenriegel ausgerechnet in Emma’s Rumpf- und Kopfhöhe aufgestapelt sind, so dass sie gar keine andere Chance hat, woanders hinzugucken.

Meine Mutter fängt an, unsere Beute auf das Laufband zu legen, während Emma das freundliche Kinderangebot checkt.

Wie ein Profi fahren ihre kleinen Finger über die Auslagen, tasten jede Versuchung ab, bis sie sich schließlich für einen Schokoladenriegel entscheidet, auf dem eine barbieähnliche Puppe aufgedruckt ist.

(Niemand soll jetzt sagen, dass ich meine Tochter zur Schokolade verführt habe, nur weil in meinen Adern Schokolade fließt.

{Hatte ich erwähnt, dass ich in meinem vorherigen Leben hundertprozentig eine wahnsinnig talentierte Hexe war, die die Kraft der Schokolade entdeckte? Ich konnte also gar nix anderes werden, als Schokoholic!}

Ich wette, ich musste Emma gar nicht erst zur Schokolade verführen, weil in ihren Adern bereits seit der Befruchtung ihrer Eizelle Schokolade fließt.

Das ist reine Vererbungslehre.

Schließlich habe ich sie neun Monate in mir ausgebrütet und über den schokoladigen Mutterkuchen mit schokoladiger Nahrung versorgt.

Ich denke allerdings, sie wird auch noch zusätzlich von den bunten Bildern verführt, die auf der Verpackung auf ihre Opfer lauern. Und da sie schon keine Puppe bekommen hat [die muss ich jetzt gleich heimlich aussortieren], muss nun der Riegel mit dem Puppengesicht herhalten.)

Tiberius, Emmas acht Monate alter Bruder, wirft sein Kuscheltierschaf weg und erfordert meine ganze Aufmerksamkeit beim Herunterreißen des Sortiments. So verpasse ich, wie Emma den Riegel aufreißt und anfängt, den Inhalt genüsslich in sich hineinzustopfen, bis meine Mutter entsetzt aufschreit: »EMMA! NEIN, LASS DAS!« Mit der Empörung des Jahrhunderts entreißt meine Mutter meiner Tochter den angebissenen Schokoriegel und wirft mir einen Blick zu, der mich eigentlich in die Knie hätte zwingen müssen.

(NATÜRLICH ist es MEINE Schuld, dass Emma nicht widerstehen konnte und ich sie NICHT von der Zuckersünde abgehalten habe.

ICH habe ja auch die Supermarktbosse gezwungen, diese scheiß Riegel so anzuordnen, dass selbst Kleinstkinder und Babys sie vollkommen entrückt durch die Gegend pfeffern, damit die Mütter mehr damit beschäftigt sind, sie wieder einzusammeln in der Hoffnung, dass wenigstens die Hälfte davon noch heil und zu verkaufen ist!

Und natürlich bemerken die überforderten Mütter gar nicht, dass die zweite Hälfte der Sprösslinge bereits der Sünde verfallen ist und vor Bezahlung der Ware ihre Beißerchen schon in dem Riegel versenkt haben.)

Augenblicklich ertönt ein Gekreische, das nicht nur mir die Schuhe auszieht, sondern auch Tiberius Mitgefühl weckt und so schreien plötzlich zwei Kinder.

Eins aus Empörung und das Zweite, weil das erste schreit.

Und ich stehe genau dazwischen und muss mir in Sekundenschnelle überlegen, wie ich am diplomatischsten reagiere.

Wenn ich Emma einen neuen Riegel in die Hand drücke (den Angebissenen hat meine Mutter bereits mit einem Schwung in den Mülleimer der Kassiererin geworfen, wobei sie den entsetzten Blick der Verkäuferin KOMPLETT ignoriert hat), hat meine Tochter ihren Willen durchgesetzt und meine Mutter flippt aus; gebe ich NICHT nach, schreien beide Kinder weiter, aber Emma hätte ihren Willen NICHT durchgesetzt. Erziehungstechnisch wäre letzteres schlauer.

(OMG!!!

Warum sagt einem niemand, dass Kindererziehung SO SCHWIERIG ist?

Wieso lernt man diesen Mist NICHT in der Schule?

Ich finde, die Herren der Schulschöpfung sollten sich mal ganz dringend überlegen, ob sie nicht das Fach ›Erziehungskunde‹ einführen möchten!

Wäre ja auch in ihrem Interesse, oder?

Und die Herren der Supermarktschöpfung sollten rücksichtsvoller mit den Gefühlen der Mütter umgehen, die dort einkaufen MÜSSEN, um ihre Familien zu versorgen.

[WAS würde Nick jetzt tun?

WAS???

Gott, ich wünschte, er wäre jetzt hier!

Nick hat zwar selbst keine Kinder, da sich dies als Mann vom anderen Ufer als eher schwierig gestaltet, aber als ehemaliger Babysitter von halb Hamburg hat er die meiste Erfahrung von uns – und definitiv das beste Händchen!])

»Wie ich sehe, wird hier die HILFE von ONKEL NICK benötigt«, ertönt eine laute Männerstimme hinter uns und bringt meine Tochter sofort zum Schweigen. Auch Tiberius hält erschrocken die Schnute.

»NICK!«, ruft Emma und klatscht begeistert in die Hände.

(Ich vermute, sie sieht gerade ihren Riegel wieder auf sich zukommen.)

»NICK!«, rufe ich.

(Erleichtert, dass das Universum so schnell Schützenhilfe schickt.)

»DICH schickt der Himmel! Was machst DU denn hier?«

»Einkaufen. Auch Archäologen haben zwischendurch mal Hunger.« Er beugt sich etwas dichter zu mir herüber.

»Und dieser gigantische Supermarkt hat jawohl ALLES, was das Herz begehrt.« Er strafft seinen Rücken und lächelt in die Runde.

Emma reißt sich von Omas Hand los, schnappt sich im Vorbeilaufen einen neuen quietschpinken Riegel mit Puppenlockbild und fliegt ihrem Patenonkel in die Arme.

»Oh, was hast du denn da Feines ergattert?«, flüstert er ihr leise ins Ohr.

Emma hält ihren dicken Zeigefinger vor die Knutschelippen und spuckt Nick beim ›Leisepusten‹ voll ins Gesicht.

»Pssssssst! Oma ist da!«

Nick hält tapfer durch, wischt nicht einen einzigen Sabbertropfen von den Wangen und grinst stattdessen. »Dann leg das Ding mal UNAUFFÄLLIG in meinen Korb. Ich bezahle es und stecke es dir dann wieder zu.«

(Als liebende [und äußerst erleichterte] Mutter grinse ich und schweige.)

Emma drückt Nick einen recht feuchten Kuss auf die Wange, späht über seine Schulter und lässt den Riegel tatsächlich in den Einkaufswagen von Nick plumpsen.

Dann kneift sie beide Augen zusammen, zeigt mir die Lachgrübchen in ihren dicken Pausbäckchen und strahlt mit sämtlichen Milchzähnen, die sie bereits hart erkämpft hat.

(Dieses beidäugige Zwinkern ist mir durchaus bekannt.

DAS macht sie IMMER, wenn sie irgendetwas haben will und WEISS, dass sie dafür jemanden um den Finger wickeln muss.

Oder bereits gewickelt hat.

Aber ich bin heute nachsichtig.

Nick ist schließlich ihr Patenonkel.

DER darf sie verwöhnen.

Für die strenge Erziehung bin ICH zuständig.

Leider.

[Aber meine Rache als Oma wird SÜSS sein!

Wenn Emma später Kinder hat, werde ich sie mit Puppen und Schokolade vollstopfen und fünfzigtausend Orte in ihren Gefilden nennen, wo das alles noch Platz hat.])

Ich tue also so, als hätte ich nichts bemerkt und bezahle meine Waren, die meine Mutter fleißig nach dem Abscannen in den Einkaufskorb räumt.

»Wir wollten noch eine Pizza essen gehen. Kommst du mit?«, frage ich Nick.

Nick schaut auf seine Armbanduhr. »Ich habe eigentlich nicht so viel Zeit…«

»Dann wollen wir Herrn Lampe auch nicht aufhalten«, bemerkt meiner Mutter eine Spur zu bissig.

Ich drehe mich leicht von ihr weg, um eine Grimasse schneiden zu können.

»Mama, warum guckst du so böse?«

(Hatte ich erwähnt, dass Emma außergewöhnlich sprachtalentiert ist für ihre drei Jahre?

Und hatte ich auch erwähnt, dass Kinder KEIN Wahrheitsserum benötigen, weil der Sachbearbeiter im Universum bei den Teppichbeißern ohnehin schon Veritas-Hormone im Blut ÜBERDOSIERT hat?)

Ich spüre, wie mein Gesicht anfängt zu brennen.

»Ich gucke doch nicht BÖSE«, sage ich theatralisch zu meiner Tochter und stupse ihr auf die Nase.

»Wie guckt die Mama denn?«, fragt nun meine aufmerksam gewordene Mutter und lächelt ihre Enkeltochter verschwörerisch an.

Emma strahlt. »So!« Sie rollt mit den Augen und verzieht ihr Gesicht schließlich zu einer grollenden Trollmaske.

Ich lächele bescheiden. »DAS ist jawohl ETWAS übertrieben, meine Liebe!«, sage ich, schwer bemüht, die aufkommende Wut zu unterdrücken.

(Mann, warum bringen einen Kinder aber auch immer in peinlichste Schwierigkeiten?)

»Zu dumm, wenn einen die eigene Tochter in die Pfanne haut, was?« Nun ist es meine Mutter, die mich boshaft anlächelt. Sie dreht sich weg und schiebt den Einkaufswagen entschlossen Richtung Ausgang.

»Weißt du, was man mit Verrätern macht?«, frage ich Emma scheinheilig lächelnd.

Emma lächelt unschuldig zurück.

(Vermutlich weiß sie nicht einmal, was ein ›Verräter‹ ist.)

Ich schnappe mir den pinken Schokoriegel und bevor Nick den bezahlen kann, werfe ich ihn geschickt ins Regal zurück.

Emma bläht voller Empörung die Backen auf. »Das ist meiner!«

»Gewesen, Schätzchen! Verrate das nächste Mal die Mama nicht und die Zuckerwelt gehört dir.«

(So, JETZT habe ich es ihr aber gezeigt!)

Verärgert mache ich auf dem Absatz kehrt und stürze meiner Mutter hinterher, die Tiberius zusammen mit dem Kinderwagen in die Menschenmenge geschoben hat und nun irgendwo abhandenkommt.

»WARTE! MAMA!«, rufe ich ihr hinterher, doch es kommt keine Reaktion und WEG ist sie.

(Wenn sie Tiberius nicht auf dem Einkaufswagen schieben würde, hätte ich sie mit den Lebensmitteln ziehen lassen, aber nun hat sie mein kostbarstes Gut geladen.

Mist!!!)

Hier stehe ich nun, hin und hergerissen, in der Gegend herum.

Hinter mir steht Emma mit Nick an der Kasse (und ich sehe gerade noch, wie der andere Verräter meiner kleinen Verräterin den knallpinken Riegel in die Hosentasche schiebt) und vor mir turnt irgendwo meine Mutter mit Tiberius herum.

(Wie war das noch bei Salomon?

Da rangeln doch zwei Frauen um das lebende Kind und die ECHTE Mutter gibt schließlich nach, damit ihrem Kind nichts geschieht.

HIER habe ich allerdings ZWEI lebende Kinder für die ich mich entscheiden muss.

SEUFZ!!!

Oh Mann, ausgerechnet heute müssen eine Million Bürger Australiens hier einkaufen gehen. Es ist SO gerappelt voll, dass der Supermarkt die Kunden sogar nur noch etappenweise in Gruppen hereinlässt. Das ist ja schlimmer als in Schweden!)

»Nick! Kommst du mit?« Hastig suche ich meine Mutter, während ich auf die Antwort warte.

»Okay. Warte!« Nick bezahlt, setzt Emma in den Einkaufswagen und eilt zu mir. »Wir sind abfahrbereit.«

»Super, dann lass uns zum Parkplatz gehen! Meine Mutter ist schon draußen.«

(Ich hoffe, meine Mutter weiß noch, wo unser Auto steht.

[In der Regel hat sie den schlechtesten Orientierungssinn, der mir je unter die Nase gekommen ist.] Aber ich hoffe, heute befindet sie sich im Ausnahmezustand.)

»Wo parkst du?«, frage ich Nick hektisch und quetsche mich zwischen den Neuankömmlingen durch, die vor dem Eingang des Riesensupermarktes Schlange stehen.

»Reihe Zwanzig.«

»Gut, wir stehen in Reihe Neunzehn.« Gemeinsam laufen wir den heißen Asphaltweg entlang, während ich nach meiner Mutter suche.

»Mann, wo steckt sie bloß?«

»Deine Mutter hatte schon immer ein Talent dafür, vom rechten Weg abzukommen«, sagt Nick leise grunzend.

»Sehr schön doppeldeutig. Wenn ich nicht so nervös wäre wegen Tiberius, würde ich jetzt auch über deinen Witz lachen«, erwidere ich und suche noch immer panisch die Wege ab. Weder von meiner Mutter, noch von meinem zweiten Sprössling ist die geringste Spur zu sehen.

Wir erreichen Nicks Auto.

Nick verlädt seinen Einkauf und bringt den Wagen weg.

Ich nehme Emma an die Hand und gemeinsam gehen wir zu unserem Auto.

(Wer ist NICHT da?

Natürlich.

MEINE Mutter.)

Stöhnend breche ich fast zusammen.

»Hast du dein Handy dabei?«, fragt Nick mit einer plötzlichen Eingebung.

(HANDY!

Super Idee!)

Fahrig krame ich in meiner Tasche herum.

(In der längst schon kein Chi mehr fließt.

Ich muss das olle Ding DRINGEND aufräumen!)

Endlich finde ich das Handy und wähle die Nummer meiner Mutter.

Emma zieht meine Hand zu sich. »Was ist das?«, fragt sie und tatscht auf den Teufel, der auf dem Display eine hässliche Fratze zieht.

(Gute Güte, ich habe gar nicht mehr daran gedacht, das Kontaktbild meiner Mutter zu ändern.

Auf meinem Handy wackelt schon seit Jahren ein boshaft lachender Teufel und winkt mir mit seiner roten Klaue zu.)

»Das ist…«

(Schnell Susannah, überleg dir was Spektakuläres!)

»…ein…«

»…roter Schlumpf«, versucht mir Nick aus der Patsche zu helfen, doch Emma schüttelt den Kopf. »Nee. Das ist kein Schlumpf!« Tränen schießen ihr in die Augen. »DIE sind LIIIIEEEB!«

(Zufälligerweise ist Emma ein absoluter Schlumpf-Fan und sie kennt ALLE Mitglieder dieser blauen Spezies.)

»Das ist ein altes Foto von Gargamels Katze Azrael«, sage ich, erleichtert, weil mir endlich eine doofe Ausrede eingefallen ist.

Nun zieht Emma das Handy noch weiter zu sich herunter, so dass ich gezwungen bin, den Lautsprecher anzuschalten.

»Nee. Keine Katze. Das ist nicht Azrael. Das ist HÄSSLIIIIICH!!!«

»Ist es nicht?« Ich entziehe ihr das Handy und schaue es prüfend an. »Dann haben die mich reingelegt, Schweinehunde! Die haben mir gesagt, das ist die Katze von diesem Bösling«, sage ich mit gespielter Entrüstung, plustere meine Backen auf und mache große Augen. Wie ein Spion schaue ich mich nach allen Seiten um.

Emma macht es mir nach.

Dann winkt sie mich zu sich herunter.

Ich bücke mich und warte auf das, was kommt. »Wer hat dich EINGELEGT, Mama?«

(Es ist nicht so, dass man mich wie ein Gürkchen EINLEGEN könnte, aber manchmal ist es doch herrlich, was die Kinder so rausposaunen.

Um der Angelegenheit aber den nötigen Ernst zu widmen, unterdrücke ich einen Lacher.)

»Na, DIE…« Ich reiße meine Augen noch weiter auf und lege verschwörerisch einen Finger auf die Lippen. »Die haben gesagt, das ist Azrael. Aber in Wirklichkeit sieht das Ding aus wie der Teufel höchstpersönlich.«

Emma scheint das Spiel Spaß zu machen und so hat sie Omas Kontaktbild zum Glück ganz schnell wieder vergessen.

(So mein Irrglaube!)

Ich schaue mich um, ob auch keine Elefantenohren in der Nähe sind, um uns zu belauschen. »Die AUSSERIRDISCHEN», sage ich im halben Flüsterton mit verstellter Stimme, »die haben mich reingelegt.«

(Da ich Emma bereits ein [selbstgeschriebenes] Märchen von Rumpelstilzchen vorgelesen habe, der in Wirklichkeit aus einer fremden Galaxie kommt, wo er so ein Außenseiter war, dass er beschloss, auf die Erde zu reisen, WEISS sie NATÜRLICH, was Aliens sind!

Und so reißt sie die Augen auf und schaut sogleich in den Himmel.)

Nick tätschelt ihre Schulter. »Keine Angst, Süße, Captain Kirk passt auf dich auf. Und nun lass uns deinen Bruder suchen, damit wir zu Mr Spock gehen und Pizza sowie Eis abstauben können.« Nick lächelt mich an. »Leutnant Uhura, können wir unsere Mission beenden?«

»Meint er dich, Mama?« Verwundert steckt sich Emma einen Finger in den Mund und lutscht darauf herum.

Nick grinst. »Klar. Oder warum glaubst du, heißt du Emma NYOTA Valentino?«

»Ich heiße nur Emma. Ich bin ein ganz normaler Mensch«, erwidert Emma empört.

»Genau, Captain Kirk, Emma ist ein ganz normaler Mensch.« Ich lache leise, dann beuge ich mich zu Emma herunter. »Schätzchen, Mama und Papa haben dir zwei Vornamen gegeben. Du heißt Emma UND Nyota.«

»Nee, ich heiße nur Emma.«

»Du heißt Emma Nyota.«

»Warum?« Zwei große, blaue Kinderaugen schauen mich fragend an.

(Tja, was erzählt man seinem Kind, warum EIN Name nicht gereicht hat?

Die Frage ist ja nicht ganz unberechtigt, oder?)

»Weißt du, Emma, oft können sich Mamas und Papas nicht entscheiden. Ich fand beide Namen schön und somit hast du halt zwei Vornamen«, versuche ich zu erklären.

»Und Papa?«

»Papa heißt nur Frederico.«

»Und du?«

»Ich heiße nur Susannah.«

Emma schüttelt den Kopf. »Nee, heißt du nich‘.«

Überrascht richte ich mich wieder auf, lasse meine Adleraugen im Eiltempo über den Parkplatz gleiten und widme meine Aufmerksamkeit wieder meiner Tochter. »Wie heiße ich dann?«

»DU«, demonstrativ zottelt sie an meinem Kleid herum, »heißt MAMA!«

Nick bestätigt ihre Aussage mit einem heftigen Kopfnicken. »Genau, Mama! Du heißt MAMA! Susannah MAMA Valentino.«

Emma schüttelt den Kopf und haut Nick auf den Oberschenkel. »Nee, das is‘ nich‘ DEINE Mama! Nur MEINE Mama.«

»Siehst du, Captain Kirk! Ich bin nur IHRE Mama.«

»Schön«, sagt Nick und klatscht in die Hände, »nachdem wir die Namensfrage auch geklärt haben, könnten wir vielleicht klären, ob deine Mutter auf Azraels Telefonanfrage reagiert.«

Ich starre auf das Telefon, das längst keine Verbindung mehr sucht.

(Oje, das habe ich total vergessen.)

Ich wähle erneut die Nummer meiner Mutter und reiße das Handy in die Höhe, damit meine Tochter gar nicht erst wieder an die Teufelsfratze erinnert wird.

Es tutet, doch niemand geht ran.

(Super!

Wozu haben Mütter eigentlich ein modernes Kommunikationsmittel, wenn sie es entweder NIE hören oder es STÄNDIG ausgeschaltet haben?)

»Okay, ich schlage vor, wir lassen deine Mutter ausrufen.«

Zu dritt gehen wir zurück zum Supermarkt und bitten den Ordner, eine Durchsage zu starten.

Wenige Augenblicke später ertönt eine weibliche Stimme über die Lautsprecher des gesamten Parkplatzes: »Mrs Ilse Johnson wird gebeten, zu ihrer Familie auf Parkplatz Zehn Reihe Neunzehn zu kommen.«

Das Ganze wird dreimal wiederholt, so dass sichergestellt ist, dass auch meine Mutter diese Ansage NICHT überhört.

Fünf Minuten später erreicht eine vollkommen verschwitzte Frau Mitte Fünfzig mit einem schreienden Baby Parkplatz Zehn Reihe Neunzehn.

»DAS IST JA MAL WIEDER TYPISCH, SUSANNAH!«

Es folgt ein Japsen der besonderen Art.

(Was genau ist jetzt typisch?)

»DU verpieselst dich mit DIESEM…«, sie deutet mit der Hand auf Nick. In Anbetracht ihrer äusserst interessiert lauschenden Enkeltochter jedoch sucht sie nach einem kinderfreundlichen Wort, »NICK, und ICH darf dich dann suchen mit einem schreienden Baby. Und um dem Fass noch die Krone aufzusetzen, lässt du mich wie eine Dreijährige ausrufen.« Meine Mutter KOCHT vor Wut.

»Vielleicht hättest du dir dann entweder den Parkplatz merken, auf uns warten oder zumindest dein Handy anschalten sollen«, erwidere ich angefressen.

Eilig schnappe ich mir den Lütten und hole das verschwitzte Ding aus dem Autositz heraus.

Tiberius ist KLATSCHNASS geschrien.

Grumpfend überlasse ich es meiner Mutter, den Einkauf ins Auto zu laden und ziehe meinen acht Monate alten Sohn um.

Entlarvt

Nach unserem pannenreichen Einkauf, fahren wir zur Pizzeria, wo Frederico uns schon freudig erwartet.

»Da ist ja mein Schatz! ENDLICH», sagt er lachend zu Emma, der noch ein Schokoladenrest vom Verräter-Riegel am Mund klebt.

Er wirft mir einen fragenden Blick zu. Als meine Mutter außer Hörweite ist, beugt er sich zu mir. »Alles in Ordnung, Schatz? Du siehst leicht gestresst aus.«

Ich winke ab. »Ja. Jetzt schon.«

Frederico verdreht die Augen. »Erzähl es mir besser nicht.

Ich glaube, ich will das gar nicht wissen.« Seufzend holt er die Kühlsachen aus dem Kofferraum, um sie im Kühlhaus des Restaurants zwischenzulagern.

»Und du, mein Schatz, hattest Schokolade?«, wendet er sich an Emma.

»Papa, ich bin kein Schatz. Ich bin ein ganz normaler Mensch«, quatscht Emma drauf los.

»Da hörst du es, PAPA!«, sage ich grinsend. »Emma ist kein Schatz.« Ich hieve Tiberius mitsamt tonnenschwerem Kindersitz vom Beifahrersitz und stelle ihn ächzend auf einen Stuhl.

»Mann, die Autoindustrie ist doch ECHT NICHT von gestern, oder? Einflussreich und erfinderisch. Warum sind die NICHT in der Lage, einen leichten, TRAGBAREN Babysitz zu bauen, den Frauen auch tragen können, ohne sich gleich ‘nen Rückenschaden zu holen?«

»Du solltest einen Antrag stellen, Schatz«, sagt Frederico lachend und gibt mir einen Kuss. »Warum hat euer Einkauf eigentlich so lange gedauert? Musstet ihr etwa draußen in der kilometerlangen Schlange als zigste Kunden anstehen, bis ihr in den Supermarkt reingehen konntet?«, fragt er so leise, dass meine Mutter ihn nicht hören kann.

Ich verdrehe die Augen. »Nee, meine Mutter ist mit dem Einkaufswagen und Tiberius vorausgestürmt und hat dann unser Auto nicht mehr gefunden. Da sie wie eine Achtzigjährige vollkommen orientierungslos auf dem Parkplatz herumgeirrt ist, musste ich zurück zum Sicherheitsdienst laufen und sie wie ein Kleinkind ausrufen lassen.«

»Oma hat sich verlaufen«, fasst Emma meinen ellenlangen Vortrag kurz und bündig zusammen. »Du, Papa?«

»Ja, mein Schatz?«

»In Mamas Handy ist Oma ein Teufel. Mama sagt, das ist Azrael. Aber das ist nicht Azrael. Ich kenne Gargamels Katze. Die Aliens haben Mama das falsche Bild verkauft.« Die Kleine hält verschwörerisch einen Finger auf die Lippen und zeigt in den Himmel, dann baut sie sich selbstbewusst breitbeinig vor ihrem Papa auf.

»Was, in Gottes Namen, hast du denn für ein schreckliches Kontaktbild von mir, wenn deine Tochter behauptet, es sieht aus wie der TEUFEL?«, quakt meine Mutter dazwischen.

»Herr im Himmel, musst du dich so anschleichen?«

»Naja, wie ich dich kenne, hast du das unvorteilhafteste Foto von mir genommen, das du finden konntest. Aber nur, weil es dir egal ist, wie DU aussiehst, muss es mir ja noch lange nicht egal sein, wie ICH aussehe.« Meine Mutter zückt ihr Handy und drückt ein paar Tasten. »Ich schicke dir jetzt ein ordentliches Foto vom Fotografen.

Das hat mich ganze einhundert Euro gekostet. Aber da sehe ich wenigstens ordentlich aus. Speichere das bitte ab!«

»Natürlich, Mama.«

Mein Handy klingelt.

»ACHTUNG, ACHTUNG, der Anrufer ist ein gesuchter Verbrecher! ACHTUNG, ACHTUNG…«, tönt es aus meinem Handy.

(SCHEISSE!

Das ist der Klingelton für meine Mutter!

Aus einer Sektlaune heraus, hatte ich verschiedene Klingeltöne ausprobiert und muss irgendwie bei dem kleben geblieben sein.

Ich gehe da jetzt besser NICHT ran.)

»Willst du nicht ans Telefon gehen?«, fragt mich Nick ganz überrascht.

»Nein, wieso?«

»Es klingelt.«

»Wirklich?« Ich stelle mich doof, in der Hoffnung, dass meine Mutter gleich aufgibt.

»Nun geh schon ran!«, fordert mich meine Mutter auf und versucht, auf das Display zu gucken. »Wieso hast du überhaupt so einen dämlichen Klingelton, Susannah? Ist das etwa ein Klingelton für MEINE Nummer? Hältst du mich für eine Verbrecherin? Was habe ich nur in deiner Erziehung falsch gemacht?«

»Mama, rede nicht so einen Blödsinn. Natürlich bist du keine Verbrecherin. Ich habe neulich ein paar Klingeltöne ausprobiert und muss vergessen haben, sie zu ändern«, antworte ich fast ein wenig patzig.

Frederico dreht sich grinsend weg.

(ER kennt das ›Foto‹ meiner Mutter.

UND den Klingelton.)

»NONNA! NONNO!«

Mit ausgestreckten Armen rennt Emma auf Fredericos Eltern zu und begrüßt sie überschwänglich.

Mein Handy verstummt.

(Meine Mutter hat aufgegeben.

Vorerst.)

Nachdem sich alle begrüßt haben, setzen wir uns im Hinterhof an den Familientisch und studieren die Karte.

Mein Handy lege ich griffbereit auf den Tisch.

Emma, die bereits auf Opas Arm in der Küche verschwunden ist, lässt sich nicht mehr blicken.

Unterdessen nimmt Frederico unsere Essenswünsche entgegen, während ich Tiberius nach der schweißtreibenden Einkaufsaktion ein paar Schlückchen tierisches Eiweiß verpasse.

»Sag bloß, du stillst ihn IMMER noch! Findest du nicht, er sollte langsam mal feste Nahrung und Wasser bekommen? Er ist doch schon mehr als acht Monate alt. Da kriegt der Ärmste ja einen seelischen Schaden, wenn er jetzt noch an Muttis Titti hängen muss«, sagt meine Mutter im blubbernden Karpfenton.

»Warum? Tiberius bekommt doch keinen Schaden, wenn ich ihn im ersten Lebensjahr stille.« Ich stelle mich absichtlich doof.

»Da sind doch Schadstoffe in der Milch und bei so einem großen Kind ist es sehr fragwürdig, ob er nicht später Bindungsprobleme bekommt, und das nur, weil du so egoistisch warst und ihn zu lange gestillt hast«, setzt meine Mutter zur Erklärung an.

Ich traue meinen Ohren kaum.

»Es gibt Studien, die belegen, dass Muttermilch KEINE Schadstoffe enthält. Und die Milch besteht ja auch nicht von heute auf morgen aus Wasser, nur weil mein Körper länger Milch produziert als das sonst üblich ist.«

(›Mamamuh‹ ist doch noch die beste Nahrung, die es gibt.

Und da auch ich ein Säugetier bin, wie ich bereits bei Emma in Erfahrung bringen konnte, ist mein Sohn damit wirklich AUSREICHEND ernährt.)

»Dein Sohn hat ja sogar schon Zähne…«, murrt meine Mutter weiter.

(Stimmt.

Zweieinhalb miniklitzekleine Zähne.

Nicht wirklich üppig, um das erste saftige Steak zu verputzen, oder?

ICH könnte damit auf jeden Fall nur schwer kauen.)

»Die Eskimos stillen ihre Kinder bis sie sieben sind«, wirft Nick ein.

»Sieht meine Tochter aus wie ein Eskimo?«, erwidert meine Mutter reichlich genervt.

»Machen wir uns doch nichts vor. Es ist doch keine biologische oder medizinische Frage, wie lange das Kind an der Brust trinkt, sondern eine kulturelle. Die meisten westlichen Mütter haben doch bereits nach wenigen Wochen die Nase voll vom Stillen«, sagt Nick.

Meine Mutter verdreht die Augen. »Na, da spricht ja der Experte. Wie viele Kinder hast du denn schon gestillt?«

Nick mustert mich auffällig. Bevor er jedoch antworten kann, taucht Luigi mit Emma und Frederico auf.

Emma ist von oben bis unten mit Mehl vollgeschmiert, steuert zielstrebig auf meine Mutter zu und klatscht ihr einen Teigrest an die Wange.

»IIIIGITT, KIND! Was, in Gottes Namen, ist das?«

»Das ist leckerer Pizzateig, Oma. Ess mal!«

»Gott, nein, bloß nicht.«

»Omaaaaa, wer ist Gott?«

(Yeah!

Die Frage lässt sämtliche mit Hefeteig bestückten Gesichtsmuskeln meiner Mutter erschlaffen.

WER ist Gott?

Jetzt bin ich auf die Antwort gespannt.)

»Das erklärt dir deine Mutter«, antwortet meine Mutter und lächelt mir boshaft zu.

»Ich kann nicht. Ich stille gerade. Außerdem hast DU von Gott gesprochen, also musst DU es Emma auch erklären!«

Emma nickt bekräftigend.

(Brave Tochter!)

Frederico stellt jedem von uns einen riesigen Teller mit frischer, selbstgemachter, italienischer Pizza vor die Nase.

Ein Traum!

(Ich frage mich allerdings, wie man vier riesengroße MEGAteller mit Pizza auf einmal tragen kann, ohne dass die Arme abbrechen.

Ich meine, ich WEISS ja, dass mein Göttergatte ECHT stark ist, aber beim Kellnern fallen mir regelmäßig die Augen aus dem Kopf.

[Wenn ICH das Zeug tragen müsste, würden mir wahrscheinlich schon bei einem Teller die Arme abfallen!

Und heil würde ich das Zeug schon gar nicht von A nach B kriegen.])

»Willst du mir etwa sagen, dass dein Gehirn beim Stillen ausgeschaltet ist, Susanna?«, fragt meine Mutter patzig.

»Genau. Stillende Mütter haben Auszeit.«

Emma zieht an Oma Ilses Ärmel. »Du Oma, was ist denn jetzt Gott?«

»Ja, Oma, wer oder was ist Gott?«, wiederhole ich die Frage meiner Tochter und lache leise vor mich hin.

»Das ist ein Mann, der im Himmel sitzt und aufpasst, dass du brav und artig bist…«, beginnt meine Mutter stotternd.

»Und wenn du nicht lieb bist, dann bestraft er dich.«

(Oh nee, nicht DIE Variante vom bösen Onkel Gott!)

Emma bekommt immer größere Augen und schaut schließlich ängstlich in den Himmel.

(Bisher hat sie dort nur Aliens vermutet.

Aber ein alter, rachsüchtiger Mann, der auf ihre Missetaten achtet, ist noch ein Zacken gefährlicher.)

»Ich habe Schokolade gegessen«, gesteht sie ihrer Oma leise, als könnte der böse Onkel Gott sie da oben im Himmel hören.

»Das solltest du nicht tun, Emma. Dann macht der liebe Gott deine Zähne kaputt.«