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Das Böse kommt in die Stadt, und mit den Kindern fängt es an… Port, New Hampshire. Am Strand wird eine unbekannte Leiche angespült. Ein Obdachloser wird von beängstigenden Visionen heimgesucht. Ein Schüler folgt einem seltsamen Licht auf dem Friedhof und beginnt kurz darauf, sich zu verändern. Als das Grauen um sich greift, taumelt die Küstenstadt in den Ausnahmezustand. Die Menschen scheinen plötzlich von grausamen fremden Gedanken beseelt und tun sich gegenseitig unaussprechliche Dinge an. Doch wer - oder vielmehr was - ist für diese Fälle spontaner Besessenheit verantwortlich, und wer zieht wirklich die Fäden hinter den Kulissen des scheinbar beschaulichen Küstenstädtchens? Als der dauerkiffende Dämonen-Detektiv Jake Sloburn in den Fall verwickelt wird, ist die Situation bereits weitestgehen außer Kontrolle geraten. Wird Jake Sloburn der Sache auf den Grund gehen können, bevor der gierige Abgrund alle Einwohner von Port verschlingt? Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar dieses furchteinflößenden Horror-Thrillers von Bestseller-Autor L.C. Frey, denn er wird sie um den Verstand bringen! Die Handlung dieses Jake Sloburn-Romans ist in sich abgeschlossen, die anderen Bände der Reihe sind zum Verständnis nicht nötig!
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Ricky ist ein Außenseiter und nicht sehr beliebt an seiner Schule. Die Jungs verprügeln ihn regelmäßig und seine Angebetete möchte nichts mit ihm zu tun haben. Doch plötzlich wendet sich das Blatt und Ricky bekommt die Möglichkeit, zurückzuschlagen. Doch diese Macht hat ihren Preis …
Am Strand von Port, New Hampshire wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden. Schwärme unbekannter Tiere entsteigen dem Meerwasser, seit die Fabrik auf dem Hügel wieder betrieben wird und die Fischer fortgezogen sind. Was hat es mit dem seltsamen Amulett auf sich, dass der angespülte Tote um den Hals trägt?
* * *
Gewidmet meiner Süßen.Wir sind purer Rock'n'Roll!
KINDERSPIELE: Jake Sloburns Zweiter Fall
L.C. Frey
Deutsche Erstveröffentlichung
© 2013 L.C. Frey
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle in diesem Roman beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Website des Autors:
www.LCFrey.de
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Impressum: Alexander Pohl, IDEEKARREE Leipzig, Breitenfelder Str. 66, 04157 Leipzig, E-Mail: [email protected], Tel.: 0341 / 91 888 977
Wer mit dem Teufel essen will, braucht einen langen Löffel.
Mittelalterliches Sprichwort
* * *
Denn darin liegt das Geheimnis der Nacht: dass sie im Grunde endlos ist.
Aus dem Tagebuch von Jake Sloburn
Gott, wieso war er nur so ein selten dämlicher Vollidiot? Sie hatte ihn ausgelacht. Aus-ge-lacht!
Na klar, was hatte er denn auch erwartet? Tiffany Marshner. Das beliebteste Mädchen der Schule. High-Flyer der Cheerleadertruppe, natürlich – und außerdem so schön wie der Sonnenaufgang über dem Himalaya, auch wenn Ricky den noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Ehrlich gesagt bezweifelte er sogar, dass irgend ein blöder Sonnenaufgang mit Tiffany Marshners Schönheit mithalten konnte. Sie war gigantisch, überirdisch, perfekt.
Und er? Nun ja, er war eben Ricky López, dazu gab es nicht besonders viel zu sagen. Nur ein Junge, der sich ein bisschen in die Schulschönheit verguckt hatte. Und es sich heute morgen zur Aufgabe gemacht hatte, sich vor der ganzen Schule zu blamieren. Ricky hatte mal gehört, dass den Mutigen die Welt zu Füßen liegt. Und das schloss ja wohl auch Tiffany Marshner ein.
Die Tatsache, dass eben dieses überirdisch schöne Mädchen Ricky gestern nach einer Kippe gefragt hatte, war ganz offensichtlich als viel mehr als die simple Frage nach einer Zigarette zu interpretieren gewesen. Er hatte natürlich keine, Ricky war Nichtraucher. Aber sie hatte trotzdem »Danke!« gesagt und ihn angelächelt. An-ge-läch-elt. Ein ziemlicher Unterschied zu Aus-ge-lacht, nicht wahr?
Und deshalb hatte Ricky sie heute morgen angesprochen. Hatte seinen Mut zusammen genommen und es einfach getan.
Und sich dabei fast in die Hosen gemacht. Als er in ihre Augen geblickt hatte (Sie waren klar und blau und perfekt wie ein munter plätschernder Gebirgsbach.), waren die Worte, die er sich sorgfältig zurechtgelegt hatte, auf und davongeflattert wie ein Schwarm verschreckter Krähen. Und das, was sie in seinem Kopf zurück gelassen hatten, erinnerte an ein zu Boden gefallenes Scrabble-Spiel. Wenig mehr als sinnloses Gestammel, das irgendwie mit ihm und ihr und einem Kinobesuch in unbestimmter Zukunft zusammenhing. Er hatte ihr die Schachtel Zigaretten hingehalten, die er heute morgen extra gekauft hatte, von seinen kläglichen Ersparnissen. Zusammengekratzt vom Lohn zweier Wochenenden des Zeitungsausfahrens, und dabei rauchte er nicht mal. Peinlich war gar kein Ausdruck.
Nachdem er seine kaum verständliche Botschaft stotternd herausgewürgt hatte, hatte das Lächeln immer noch auf ihren sanft geschwungenen Lippen gelegen, milde und gütig wie das einer Marienstatue. Aber über dem munteren Gebirgsbach in ihren Augen hatte sich eine Eisschicht gebildet.
Sie hatte sich eine Zigarette aus der Schachtel genommen, sie wortlos eingesteckt und ihn anschließend lächelnd zu Staub zermalmt. »Ins Kino? Oh, naja, weißt du ... äh, wie war dein Name nochmal?«
»Ricky.« hatte er gehaucht, ein hässlicher Kratzlaut aus seiner ausgedörrten Kehle. Hätte sich in diesem Moment ein Loch im Boden aufgetan, er wäre mit Freuden hineingesprungen.
»Ja, klar. Ricky.« Ihr Blick ruhte für einen Moment auf ihm und nun lag etwas Anderes darin. Vorfreude. »Also, ... Ricky,« Ihre Mundwinkel hatten verdächtig zu zucken begonnen. »ist ja echt nett, dass du mit mir ausgehen willst und so. Aber...«
Sie hatte diese Pause ganz bewusst gelassen, um ein übertrieben nachdenkliches Gesicht zu ziehen. So als müsse sie sich erst erinnern, warum es völlig ausgeschlossenwar, dass sie beide jemals etwas zusammen unternehmen würden. Er hätte das akzeptieren und gehen sollen. Einfach seine blöde Klappe halten, nicken und sich verziehen. Aber er hatte natürlich nachfragen müssen.
»Was aber, Tiffany?« Kratz, kratz. Röchel, röchel.
Ihre Lippen waren kaum mehr als ein schmaler Strich, während sie zum finalen Stoß ausholte.
»Aber bist du sicher, dass du dir das auch leisten kannst?«
Ihre Freundinnen, Samantha und Angela, welche dem Gespräch aufmerksam gelauscht hatten, konnten sich nicht länger beherrschen, und auch Tiffany Marhsners Mundwinkel schnellten in die Höhe. Die drei waren in schallendes Gelächter ausgebrochen, während sie abgezogen waren und ihn mit hochrotem Kopf mitten auf dem Gang stehen ließen.
Irgendwie hatte er es noch bis in den Waschraum geschafft, wo sich Ricky López in eine der Kabinen eingeschlossen hatte, um – nachzudenken. Na gut, vielleicht hatte er dabei auch ein kleines bisschen geweint. Falls es so war, sah man es ihm jedenfalls nicht mehr an, als er sich in sein Klassenzimmer schlich und den Rest des Tages nach Kräften versuchte, unsichtbar zu sein. Für heute hatte er genug gelernt.
Das war der Lohn, den man erhielt, wenn man seinen Mut zusammennahm.
Zumindest dann, wenn man keinen reichen Vater hatte wie Mike Skolnick, sondern nur eine Ma, die in Mr. Winslows Ye Olde Shoppe arbeitete, dem wahrscheinlich kleinsten Supermarkt der Welt. Mit den wahrscheinlich unterbezahltesten Angestellten nördlich von Mexiko.
Ralph hatte Recht gehabt. Manchmal war es einfach besser, in den Schatten zu warten, und zu hoffen, dass sie einen in Ruhe ließen bis die Schule aus war. Was so in drei, vier Jahren sein würde.
Manchmal war es besser, unsichtbar zu bleiben.
Die Geschichte hatte sich erstaunlich schnell herumgesprochen. Die grinsenden Gesichter der Schüler, denen er auf dem Gang begegnete, ließen keinen Zweifel daran. Die ganze Schule wusste Bescheid. Und das, so wurde Ricky mit Entsetzen klar, bedeutete, dass früher oder später auch Mike Skolnick von der Sache Wind bekommen würde. So war Ricky den ganzen Tag durch die Flure geschlichen, in dem Bewusstsein, dass Mike und seine Kumpel jederzeit hinter der nächsten Ecke lauern konnten, um ihm die Hölle heiß zu machen. Aber Mike war an diesem Vormittag nicht in der Schule aufgetaucht, oder Ricky hatte ihn nicht gesehen.
Und dann hatte sich der bislang mieseste Tag in Ricky López' jungen Leben plötzlich in das totale Gegenteil verwandelt, einfach so.
Er war gerade mit Ralph in eine angeregte Diskussion über die geheime Identität von Captain Beyond vertieft gewesen, dessen Vater nach Ralphs Meinung der zwielichtige Doctor Fang-Tastic vom Planeten Draa'kk sein sollte. Was schon allein deshalb ausgesprochener Quatsch war, weil Draa'kk sich in einer völlig anderen Dimension als Kr’llyand, der Heimatplanet des Captains, befand, wie jeder aufmerksame Leser der Reihe spätestens seit Heft Nummer 43 wusste. Als Ricky gerade zum finalen Schlag seiner Gegenargumentation ausholen wollte, sah er Tiffany. Sie kam direkt auf ihn zu, und diesmal ohne ihre dämlichen Freundinnen.
Ricky hatte auf dem Absatz kehrt gemacht, und sich in Richtung Ausgang verdrückt. Er hatte Ralph einfach mitten im Satz stehen lassen und war in die entgegengesetzte Richtung davon gestiefelt.
»Hey, Ricky, warte doch mal!« – und dann war er doch stehengeblieben. Wollte sie ihn etwa nochmals demütigen, hatte sie noch nicht genug? Und wenn schon, was hatte er denn noch zu verlieren? Er war ja ohnehin bereits der König aller Idioten an der Port High, nicht wahr? Da konnte er genausogut stehen bleiben und es hinnehmen wie ein richtiger … Verlierer.
Er hatte sich umgedreht und da stand sie, lächelte ihn an und war atemberaubend wie eh und je – und nun selbst ein wenig außer Atem, weil sie hinter ihm her gerannt war. »Hey«, hatte sie noch einmal gesagt, leiser diesmal.
Hinter ihm her gerannt war?
»Hey.« hatte Ricky erwidert und sich räuspern müssen. »Hey, Tiffany.« Stets originell und wortgewandt, wie es die Leute vom guten alten Rick gewohnt waren. Ein sprühendes Feuerwerk der Schlagfertigkeit.
»Also, Ricky, ich wollte dir was sagen.« Ricky machte sich innerlich bereit für ihren nächsten verbalen Schlag, sicher würde es wieder ein Brüller werden. Alle Energie auf die Schutzschilde, Mr. Sulu.
Sie atmete ein und sagte: »Also. Es tut mir leid, wegen heute Morgen. Das war gemein, das wollte ich dir nur sagen.«
Ricky starrte sie mit offenem Mund an. Entschuldigte sich Tiffany Marshner da gerade bei ihm?
»Naja, ich schätze, das war irgendwie echt mutig von dir. Wegen dem Kino und so. Ich hätte das mit dem Geld nicht sagen sollen. Kannst ja nichts dafür.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen.
»Sorry?«
Eine Weile hing sie da zwischen ihnen in der Luft, diese wundervolle, feingliedrige Hand mit den perfekt manikürten Fingernägeln. Dann hatte er danach gegriffen, und dabei auf ihre Hand gestarrt, als sei sie ein Trugbild, das sich möglicherweise innerhalb der nächsten Sekunden auflösen würde.
»Gehen wir ein Stück, ja?« hatte sie gesagt und wieder gelächelt.
Ricky nickte und sie gingen.
»Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist«, sagte sie nachdenklich. Wenn sie nachdachte, bekam sie kleine Falten auf der Seite ihrer Nase, fiel Ricky auf. Er fand es umwerfend.
»Kein Problem.« sagte Ricky. Es hatte weltmännisch klingen sollen, aber seine belegte Stimme vereitelte das Unternehmen ein wenig. Sicher war sein Kopf bereits wieder knallrot.
»Cool.« hatte sie gesagt und war stehengeblieben, die Hände in die Seitentaschen ihrer Jacke gestopft. Ihrer ausgesprochen teuren Jacke. Nach einer Pause, die genau die richtige Länge zu haben schien, hatte sie etwas noch viel Unglaublicheres gesagt.
»Also, wenn du willst, können wir ja wirklich mal zusammen ins Kino gehen oder so.«
»Was?« hatte er ausgerufen. Viel zu laut. Viel zu überrascht.
»Weißt du, Ricky, du scheinst ein netter Junge zu sein und, naja … « Sie hatte sich an einen der Metallspinde auf dem Flur gelehnt. Und plötzlich ein bisschen verloren ausgesehen, wie sie da so stand, ohne ihre gackernden Freundinnen. Und ohne Mike Skolnick und seine dämlichen Footballidioten. Sie senkte den Kopf und verriet ihren Schuhspitzen leise ein Geheimnis: »Ich denke, ich würde zur Abwechslung gern mal mit einem netten Jungen ausgehen.«
»Okaaay...« hatte Ricky gedehnt hervorgebracht. Was versuchte sie ihm da zu sagen? War Mike Skolnick denn etwa nicht nett zu ihr? War nicht die gesamte Schule, ja Herrgott, die ganze verdammte Stadt nett zu ihr?
Dann hatte sie ihn wieder angeschaut, forschend, und ein bisschen niedergeschlagen. »Ach so, du meinst, wegen Mike, ja?« Ricky nickte.
»Ach Mike ... weißt du, manchmal glaube ich, er bemerkt mich gar nicht richtig. Als ob ich irgendwie, ich weiß nicht, eine Selbstverständlichkeit für ihn bin. Eine Trophäe, weißt du? Die er sich in eine Vitrine stellt, um damit vor seinen Freunden anzugeben. Wie mit einer seiner Medaillen.« Sie stopfte ihre Hände noch ein wenig fester in die Taschen ihrer Jacke. »Außerdem will er die ganze Zeit nur ... na, du weißt schon.« Jetzt wurde sie ein bisschen rot und grinste schief durch ein paar Haarsträhnen hindurch, die ihr in die Stirn gefallen waren.
»Ich könnte einen richtigen Freund manchmal echt gut gebrauchen.«
»Oh.« war alles, was Ricky dazu einfiel. Es traf die Sache im Kern. War Tiffany Marshner da gerade dabei, ihm ihr Herz auszuschütten? Und lud sie ihn, ganz nebenbei bemerkt, ins Kino ein?
»Also wie steht's, Ricky López?« Plötzlich war sie wieder fröhlich. Ganz die Tiffany Marshner, wie sie die ganze Schule kannte und liebte. Oder vielmehr: zu kennen glaubte. Es war ein wenig beängstigend. »Hast du heute Abend Zeit?« hatte sie gefragt und sich dann elegant von dem Spind abgestoßen. War ihm damit ein paar weitere, kostbare Zentimeter nähergekommen.
Ralph und er hatten eigentlich vorgehabt, heute Abend die neueste Ausgabe des Captain Beyond-Hefts zu lesen, in der Hoffnung, Aufklärung über die gewichtige Frage von Dr. Fang-Tastics Vaterschaft (oder auch nicht!) zu erhalten.
»Klar, Tiffany, ich hab' Zeit.«
»Cool. Um Sieben am Alten Seefriedhof?« Blöde Frage, dachte Ricky. Wer hätte dafür denn keine Zeit gehabt? Tiffany Marshner, heiliger Strohsack! Moment - am alten Friedhof auf dem Potter's Hill? Das war allerdings ein ziemlich ungewöhnlicher Punkt für ein Treffen.
»Klar, das lässt sich machen.« sagte Ricky. Diesmal kam es sogar einigermaßen lässig über seine Lippen. Casanova! Herzensbrecher! Teufelskerl!
»Außer uns wird niemand dort sein, und später können wir ja immer noch ins Kino gehen.« Das hatte seine letzten Zweifel zerstreut. So gesehen, war der halb verfallene Friedhof sogar ein ziemlich romantischer Ort, irgendwie. Dort würde sie jedenfalls niemand stören.
»Okay, ich werd' da sein.«
»Cool«, sagte Tiffany Marshner lächelnd, dann beugte sie sich vor und verpasste Ricky beinahe einen Herzinfarkt. Und einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann war sie davongegangen, die Absätze ihrer Stiefel hatten auf dem Gang geklappert wie die eines Cowboys auf den Dielen eines Western-Saloons. Kurz, bevor sie um die Ecke verschwunden war, hatte sie sich noch mal umgedreht und gesagt:
»Du bist süß, Ricky López.«
Als sie fort war, stand Ricky für einen Moment reglos im Gang und starrte in die Leere, die sie hinterlassen hatte. Dann machte er kehrt und rannte strahlend aus dem Schulgebäude.
Ralph hatte an der Haltestelle auf ihn gewartet, eine einsame, kleine (und deutlich untersetzte) Gestalt. Als Ricky sich ihm näherte, blickte er von seinem Captain Beyond-Heft auf und grinste anzüglich. Offenbar hatte er sie vorhin lange genug belauschen können, bevor er zur Haltestelle gegangen war. Er streckte Ricky seine offene Rechte entgegen, sie klatschten ab und Ralph sagte »Yeah, Mann!«. Es klang ehrlich anerkennend. Dann vertiefte er sich wieder in sein Comicheft. Sie grinsten beide schweigend, bis der Bus kam.
»Oh, Scheiße, Baby, ich habe mich fast bepisst. Das war echt sensationell, ich schwöre es! Der ist dir total auf den Leim gegangen, oh Mann!« rief Mike prustend und umarmte Tiffany. Die hochroten Gesichter der beiden Jungs hinter ihm sprachen ebenfalls Bände. Sie trugen Jeans und identische Jacken wie Mike, Collegejacken mit dem großen, gestickten »P« der Port Buccaneers auf Brust und Rücken.
»Ich schenke dir also nicht genug Aufmerksamkeit, ja?« Mike ließ einen äußerst aufmerksamen Blick über die Rundungen unter Tiffanys Pullover streichen, wie um ihr das Gegenteil zu demonstrieren. »Das könnte ich gleich ändern, weißt du...«, sagte er dann und streckte die Hand nach ihr aus. Tiffany wich auflachend zurück und schlug seine Hand weg. Wenn er ihr noch mal vor den anderen an die Titten fasste, würde sie ihm die Finger brechen.
»Ach Mike. Irgendwie tut er mir fast ein wenig leid.« sagte sie dann.
Mike Skolnicks Blick wurde unvermittelt ernst. »Er hat dich angequatscht, Babe. Das kann ich nicht dulden! Was würde dein Dad dazu sagen?«
Das war ein reichlich unselbständiges Argument für einen so großen Kerl, fand Tiffany, aber ein durchaus zutreffendes. Die Kerle hinter Mike kicherten verstohlen.
»Wahrscheinlich hast du recht, Mike.«
»Na klar hab' ich recht, Baby.« sagte Mike und zog Tiff in seine Arme. Ließ ein wenig die Muskeln unter seiner Jacke spielen. Angeber.
»Ich hab' immer recht.« Sie konnte spüren, dass sich in seiner Hose etwas zu regen begann, als er seine Hände über ihren Hintern gleiten ließ. Tiffany schlug sie kichernd beiseite und entwand sich seinem Griff. Darauf würde Mike noch eine ganze Weile warten müssen. Nein, verbesserte sie sich dann, darauf würde er sogar bis in alle Ewigkeit warten.
Sie griff nach seiner Hand. »Gehen wir, Baby.«
Mikes Freunde liefen hinter ihnen her und machten dabei ihre üblichen Affengeräusche. Es klang ziemlich authentisch, fand Tiffany und war sich ziemlich sicher, dass die beiden ihr unverwandt auf den Hintern glotzten. Sollten sie. Schließlich hatte jeder in Port seine Aufgabe zu erfüllen, wie ihr Vater manchmal sagte. Sogar Mike und seine beiden menschlichen Schimpansen.
So weit oben beim Wald trieb sich Ricky López normalerweise nicht herum. Und auch sonst keiner, soweit er wusste. Zumindest nicht freiwillig, und schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Andererseits war es gerade mal früher Abend, als er mit seinem rot lackierten BMX-Rad den Fuß des Potter's Hill erreichte, auf dessen Kuppe der alte Seefriedhof lag. Er trug seine neuen Jeans. Die, welche ihm seine Ma zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte und die er sonst nur Sonntags anzog, wenn sie zur Kirche gingen oder Tante Maria aus New York zu Besuch kam. Dazu trug er den blauen Kapuzenpullover der New York Giants, der vor Urzeiten einmal einem von Tante Marias Söhnen gehört hatte. Seine Mutter hatte ihn erst am Vorabend gewaschen und er war noch ein wenig klamm, aber das machte nichts, er hielt ihn trotzdem warm. Viel wichtiger, es war sein Glückspulli.
Er hätte gern ein schöneres Rad besessen oder Tiffany mit einem Wagen abgeholt. Und vielleicht gern einen Anzug getragen, oder wenigstens ein weißes Hemd. Allein, er besaß keines dieser Dinge und noch nicht einmal einen Führerschein. Aber heute würde er der Welt beweisen, dass man diese Dinge überhaupt nicht brauchte, um mit Tiffany Marshner auszugehen. Dass es vollauf genügte, ein netter Junge zu sein. Und dass man sich nur trauen musste, ein Mädchen anzusprechen. Ricky grinste und trat noch etwas schneller in die Pedale.
Das war der Lohn, den man erhielt, wenn man seinen Mut zusammennahm.Ganz recht.
Als er oben beim alten Friedhof angekommen war, lehnte Ricky sein Rad gegen die Steinmauer und sah sich um. Niemand war hier, er war der Erste, und gut eine Viertelstunde zu früh. Er war ziemlich aus der Puste und da er Tiffany nicht verschwitzt und außer Atem gegenüber treten wollte, lehnte er sich an die Mauer, atmete ein paar Mal tief durch und betrachtete die untergehende Sonne, welche ihre letzten Strahlen blutrot über den Horizont in seine Richtung sandte. Er blinzelte ihr zu. Es würde Meteorschauer geben, hatte der Wetterfrosch vorhin im Radio verkündet. Sie würden auf der Mauer sitzen und über die ganze Stadt schauen, während es über dem Meer Sternschnuppen regnete. Tiff würde sich an seine Schulter kuscheln (Oh Mist! Er hätte eine Decke mitnehmen sollen, aber dafür war es jetzt zu spät … ) und vielleicht würden sie sogar ein wenig Händchen halten. Dann würde sie sich zu ihm hinüber beugen und ... Ricky schloss genießerisch die Augen.
Als er sie wieder aufmachte, war die Sonne gänzlich im Meer versunken.
Ricky warf einen Blick auf seine Uhr, eine billige Timex mit gerissenem Armband, die er in der Hosentasche mit sich herumtrug. Genau Sieben Uhr. Er schaute die Straße den Hügel hinab. Niemand. Kein Rad und auch kein Wagen, was das betraf. Gar nichts und niemand.
Sie würde nicht kommen, natürlich nicht.Sie hatte ihm ihr Herz ausgeschüttet, ja. Und dann hatte sie es sich anders überlegt.
Er drehte sich zum Friedhof um. Er würde trotzdem noch ein paar Minuten warten. Die Illusion war einfach zu schön - so würde er sie wenigstens noch ein wenig länger genießen können.
Und sich anschließend gleich hinten von den Klippen stürzen, wo er schon mal hier war.
Er kickte einen Stein aus dem Staub vor ihm, der gegen das alte Holztor des Friedhofs knallte. Plock! Fast wie ein einzelnes Klopfen. An dem Tor zum Friedhof hing etwas. Etwas, das da nicht hin gehörte. Also ging Ricky näher, um es sich genauer anzusehen.
Es war ein Herz aus rotem Bastelpapier, auf eine dicke Pappe geklebt und mit bunten Bändern verziert, die es ein wenig wie einen Papierdrachen aussehen ließen. Die Bänder flatterten im Wind und hoben das Pappherz bald hierhin, bald dorthin. Ricky berührte es mit den Fingerspitzen. Sie war hier. Es musste so sein. Und er sollte ihr folgen, auf den Friedhof. Ihr seinen Mut beweisen. Wie ein Ritter in einem Märchen. Sir Lancelot schreitet zur Rettung seiner geliebten Königin! Aber das waren Kindergedanken, Ricky wischte sie fort.
Er lächelte trotzdem ein wenig, als er auf das Tor zum Friedhof zutrat. Und er hatte fast keine Angst dabei.
Er öffnete das Holztor zum Friedhof und natürlich quietschte es. Es war niedriger als die dicke Steinmauer, etwa in Hüfthöhe und erschien daher ziemlich zwecklos zur Abwehr von Eindringlingen, falls es überhaupt dafür gedacht war. Nicht, dass nach Rickys Kenntnis jemals irgendwer versucht hätte, heimlich in den Friedhof einzudringen. Nicht bis gerade eben.
Ricky trat durch das Tor auf den schmalen Pfad, der sich zwischen den Gräbern entlangschlängelte. Die Mauer war an vielen Stellen von den Ranken irgend eines Gebüschs bedeckt, es mochte Efeu sein oder vielleicht Ackerwinde. Die gleiche Pflanze wuchs auch auf den meisten der verfallenen Grabsteine – Erinnerungen an die, welche hier begraben lagen und die doch alle längst vergessen waren. Der raue Wind, der von der See herüber wehte, hatte die Steine über Jahrzehnte glatt geschliffen und die meisten Namen waren kaum noch lesbar. Schon gar nicht in der Dunkelheit.
Zu seiner Rechten stand ein großes Kreuz, dessen harte Konturen sich ehrfurchtgebietend gegen den Nachthimmel erhoben. »In Gedenken an ...mes 'Jim' Marsh... stand darauf. Den Rest konnte Ricky beim besten Willen nicht entziffern. Offenbar ein wichtiger Mann, dieser Jim, wenn sich seine Hinterbliebenen ein solch kolossales Kreuz leisten konnten (Vielleicht hatten sie damit auch nur ihre Freude über sein Ableben zum Ausdruck gebracht.). Wichtig oder nicht, nun war er jedenfalls tot, genau wie seine Anverwandten. Und deren Enkel, falls sie welche gehabt hatten.
Inzwischen war Ricky ein gutes Stück auf den Friedhof vorgedrungen und …
Der Junge sog erschrocken seinen Atem ein, als er das Licht erblickte. Ein milder Schimmer wie von einer einzelnen Kerze und gar nicht weit entfernt, vielleicht zehn Meter oder weniger. Vom Eingang aus hatte er es wegen der Büsche, die davor standen, nicht sehen können, aber nun lugte es durch die flachen Gewächse auf dem Boden vor ihm. Es beleuchtete die Umrisse von etwas, das eine Gruft sein mochte. Tiffany. Dort würde sie auf ihn warten, mitten auf dem Friedhof. Ziemlich mutig für ein Mädchen.
Als die Gestalt zwischen den Grabsteinen aus dem Boden emporwächst, beginnt Ricky panisch zu schreien.
Das Wesen ist kaum mehr als ein schwarzer Schemen, aus dem so etwas wie ein Gesicht hervorlugt. Oder vielmehr sitzt an der Stelle, wo das Gesicht sein müsste, eine grauenhaft verzerrte Fratze, die von innen heraus zu leuchten scheint. Ein Netz grober Einschnitte verunziert das schiefe Gesicht und wirft grässliche Schatten.
Dann tauchte noch eine weitere Gestalt an Rickys linkem Gesichtsfeld auf, die sich ebenfalls rasch auf ihn zubewegt. Nachdem der Junge eine Weile mit schreckgeweiteten Augen dagestanden hat, setzen endlich, und mit unvermittelter Wucht, seine Reflexe ein. Er dreht sich um und beginnt zu rennen. Aber er kommt nicht weit. Aus der Dunkelheit vor ihm wächst eine Faust auf ihn zu und knallt ihm wuchtig auf die Nase. Er hört ein Knacken und ein beißender Schmerz rast seinen Nasenrücken hinauf. Die Wucht des Aufpralls ist so heftig, dass Ricky in das weiche Gras vor einem der Grabsteine geschleudert wird.
Und dann sind sie über ihm. Eine der Gestalten lässt sich schwer auf seinen Brustkorb fallen und sitzt dort, während ihre Knie Rickys Oberarme an den Boden pinnen. Ricky brüllt. Vor seinen Augen tanzen winzige Leuchtpunkte und violette Schlieren, die am Rand dunkler auslaufen. Er sieht kleine, hell schimmernde Sterne, als die Hand erneut auf ihn niedersaust, diesmal ist sie offen und verpasst ihm eine schallende Ohrfeige. Und dann noch eine. Und dann fängt die Gestalt an, zu lachen und die anderen Geister stimmen ein.
Und Ricky beginnt zu begreifen. Der »Geist«, bei dem es sich nur um Mike Skolnick handeln kann, steht auf, wobei sich seine Knie ein weiteres Mal schmerzhaft in Rickys Bizeps bohren. Die drei Gestalten beugen sich über den Jungen und nun sieht er, dass ihre Gesichter nichts als billige Halloween-Masken sind, aus dünnem, weißen Plastik, unter die sie Taschenlampen gesteckt haben. Sie beginnen damit, nach dem Jungen zu treten, bis dieser sich vor Schmerzen windet und zu weinen beginnt. Ricky hasst sich dafür, aber er kann es nicht ändern. Es ist nicht so sehr der Schmerz, das wird ihm später klar werden, sondern vor allem die Demütigung. Das Bewusstsein, wieder einmal verloren zu haben, während die Stärkeren um ihn ständig zu gewinnen scheinen.
Der Geist, der Mike Skolnick ist, nimmt endlich seine lächerliche Maske ab, beugt sich zu Ricky hinab und sagt: »Das ist meine einzige Warnung an dich, du kleine Made. Wenn du Tiff auch nur noch ein einziges Mal anschaust, machen wir dich platt, Mann! PLATT! Hast du das verstanden, du Scheiß-Spic!?« Dann tritt er nochmals in Rickys Seite, der Tritt treibt ihm die Luft aus den Lungen.
»Sag schon, du Pisser! Verstehen wir uns?«
»Ja.« haucht Ricky und schnappt nach Luft, dabei schmeckt er das Blut auf seiner Zunge (Es schmeckt nach Metall, wie wenn man an einem Penny leckt.).
»Das ist gut, Bohnenfresser. Das ist gut.« sagt Mike und holt zu einem weiteren Tritt aus.
Irgendwann waren Mike und seine Freunde mit ihm fertig gewesen und schließlich unter lautem Johlen abgezogen. Ricky hegte den Verdacht, dass sie die an eine Herde Affen erinnernden Geräusche hauptsächlich verursachten, um sich Mut einzuflößen. So, wie er gelegentlich eine besonders fröhliche Melodie zu pfeifen pflegte, wenn er, mit nichts als einer Taschenlampe bewaffnet, in den Keller hinabsteigen musste. Er pfiff dann auch besonders laut. Manchmal half es.
Wenigstens hatten sie ihm die kleine Grabkerze dagelassen. Die steckte in einem Einweckglas und beleuchtete matt die nächtliche Szenerie, was unter anderen Umständen durchaus eine romantische Note gehabt hätte. Ricky schnäuzte sich, und griff im Reflex an seine Nase. Der Schmerz durchzuckte sein Gesicht, aber es war bei weitem nicht so schlimm wie beim ersten Mal. Vielleicht war sie ja doch nicht gebrochen. An seiner Hand klebte etwas Blut. Er schaute an sich hinab. Das Blut war ebenfalls auf seiner Hose und seinem Sweatshirt. Nicht schlimm, das würde Ma wieder auswaschen. Aber sie würde wissen wollen, wie das Blut auf seine Klamotten gekommen war. Auch da würde ihm etwas einfallen. Seine Sonntagshose allerdings war voller Erde und die Naht am rechten Bein war aufgerissen, sodass es jetzt aussah, als trüge Ricky eine halbseitige Schlaghose. Einen halben Hippie, bitte! Nun, das würde Ärger mit Mom geben.
Und wenn schon.
Er wollte gerade aufstehen, als er am Horizont eine einzelne Sternschnuppe sah. Der Meteorit zog einen langen, goldenen Feuerschweif hinter sich her, überquerte den Himmel in einem flachen Winkel um schließlich ins Meer zu stürzen. Ricky stellte sich vor, wie er mit lautem Zischen ins Wasser tauchte und eine mächtige Rauchsäule in den Nachthimmel emporstieg, während der Meteorit langsam auf den Meeresboden hinabsank. Unten würde er sich öffnen wie eine Auster und eine wunderhübsche Meerjungfrau gebären. Na klar, dachte Ricky, und ich bin Sir Lancelot, der Unbesiegbare. Der zufällig gerade mal wieder von ein paar Idioten ordentlich aufs Maul bekommen hat.
Ricky sah eine weitere Sternschnuppe aufblitzen, und dann noch eine. Es wurden immer mehr, und erstaunlicherweise schienen sie den Himmel in alle möglichen Richtungen und Winkeln zu kreuzen, fast wie ein Schwarm aufgeregter Glühwürmchen, und alle schienen das Ende ihrer Bahn vor der Küste von Port zu haben, aber das war sicher eine optische Täuschung. Immer mehr der Sternschnuppen durchzuckten den Himmel und wurden von der fernen Wasseroberfläche gespiegelt, bis sie darin erloschen. Es war wunderschön, überwältigend.
Nach ein paar Minuten war es vorbei, und aus irgend einem Grund fühlte sich Ricky jetzt ein wenig besser. Ihm fiel ein, dass er vor lauter Faszination vergessen hatte, sich etwas zu wünschen, aber das schien ihm gar nicht so schlimm.
Er saß einfach da, schmutzig, blutig und allein. Und er lachte. Er konnte einfach nicht anders. Tiffany Marshner, na klar! Warum hatte er nicht gleich Eheringe mitgebracht? Und eine Kutsche mit vier weißen Schimmeln? Wenigstens mit seinem Porsche hätte er doch vorfahren können!