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Die Arbeit untersucht in rechtsvergleichender Weise die Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland und drei weiteren europäischen Ländern. In einem ersten Teil beleuchtet sie die maßgeblichen europäischen Rechtsquellen - einschließlich der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG -, die auf die einzelnen Rechtsordnungen einwirken. Die insgesamt vier Länderberichte beginnen mit einer Betrachtung der nationalen historischen und staatskirchenrechtlichen Voraussetzungen. Auf dieser Grundlage werden dann jeweils die kirchenarbeitsrechtlichen Spannungsfelder der Loyalitätsobliegenheiten, des Kündigungsschutzes und des Diskriminierungsrechts umfassend dargestellt, wobei auch die einschneidenden Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen "Egenberger" und "IR" Berücksichtigung finden; ergänzend wird das kollektive Arbeitsrecht untersucht. Der abschließende dritte Teil arbeitet die Erkenntnisse des Rechtsvergleichs für das deutsche kirchliche Arbeitsrecht sowie die gebotene Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten bei der Anwendung des europäischen Rechts heraus.
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Florian Scholz
Kirchliches Arbeitsrecht in Europa
Rechtliche Rahmenbedingungen der Beschäftigung vonArbeitnehmern durch die Kirchen in Deutschland, England,Österreich und Frankreich unter besonderer Berücksichtigungstaatskirchenrechtlicher Grundlagen
INAUGURAL-DISSERTATIONzur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtedurch die Rechts- und StaatswissenschaftlicheFakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
vorgelegt vonFlorian Scholz aus Köln2020
Dekan: Prof. Dr. Jürgen von HagenErstreferent: Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M.Zweitreferent: Prof. Dr. Raimund WaltermannTag der mündlichen Prüfung: 23.06.2020
Florian Scholz
Rechtliche Rahmenbedingungender Beschäftigung von Arbeitnehmerndurch die Kirchen in Deutschland, England,Österreich und Frankreichunter besonderer Berücksichtigungstaatskirchenrechtlicher Grundlagen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2021Alle Rechte vorbehalten© 2021, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgauwww.lambertus.deUmschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, BollschweilDruck: Franz X. Stückle Druck und Verlag, EttenheimISBN 978-3-7841-3309-6ISBN eBook 978-3-7841-3310-2eISBN 978-3-7841-3418-5
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Teil 1 – Einführung
A. Problemstellung
B. Grundlagen der Untersuchung
I. Terminologie
1. Kirchliches Arbeitsrecht
2. Staatskirchenrecht
a) Staatskirchenrecht?
b) Kirchen und Religionsgemeinschaften
3. Territoriale Reichweite der Länderberichte
a) England
b) Frankreich
II. Methodik
1. Rechtsvergleichender Ansatz
2. Gang der Darstellung der einzelnen Rechtsordnungen
III. Einwirkungen des europäischen Rechts auf das nationale kirchliche Arbeitsrecht
1. Die EMRK und ihr Einfluss auf die nationalen Rechtsordnungen
a) Relevante Grundrechtspositionen kirchlicher Arbeitnehmer
aa) Der Schutz des Privat- und Familienlebens, Art. 8 EMRK
bb) Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Art. 9 EMRK
b) Die durch Art. 9 EMRK vermittelte Rechtsposition der Kirchen
c) Die Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen
aa) Die Eingriffsrechtfertigung
bb) Margin of appreciation – Einschränkung der Kontrolldichte
2. Gemeinschaftsrecht
a) Charta der Grundrechte der Europäischen Union
b) Der im Primärrecht verankerte Schutz des Status der Kirchen – Art. 17 AEUV
aa) Allgemeine Einordnung
bb) Rechtlicher Gehalt des „Kirchenartikels“
(1) „Status“
(2) „Achten“ und „Nichtbeeinträchtigen“
c) Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG
Teil 2 – Länderberichte
A. Deutschland – Ausgangspunkt und Vergleichsmaßstab
I. Die soziale Stellung der Kirchen und ihre Rolle als Arbeitgeber
II. Staatskirchenrechtliche Grundlagen für das kirchliche Arbeitsrecht
1. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts
2. Die Stellung der Kirchen unter dem Grundgesetz
a) Korporative Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG
b) Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV - Fundament des deutschen Staatskirchenrechts
aa) Systematische Einordnung im Grundgesetz
bb) Die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Elemente des Grundgesetzes
(1) Verbot der Staatskirche
(2) Neutralität und Parität
cc) Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
(1) Dogmatische Grundlagen
(2) Schutzbereich
(a) Die Kirchen und ihre Einrichtungen als Träger des Selbstbestimmungsrechts
(b) Ordnen und Verwalten
(c) Die eigenen Angelegenheiten
(3) Schranke – Das „für alle geltende Gesetz“
III. Kirchliches Arbeitsrecht
1. Ausgangspunkte
a) Die Dienstgemeinschaft und ihre ekklesiologischen Grundlagen
aa) Der Begriff der Dienstgemeinschaft
bb) Kritik am Begriff der Dienstgemeinschaft
(1) Begriffshistorie
(2) Fehlende theologische Fundierung
cc) Ekklesiologische Grundlagen
(1) Kirchlicher Dienst als Erfüllung des Sendungsauftrags
(2) Das Priestertum aller Gläubigen
(3) communio-Ekklesiologie
b) Staatliches oder kirchliches Recht?
aa) Normsetzungsbefugnis kircheneigenen Arbeitsrechts?
bb) Vorrang staatlichen Rechts infolge des Abschlusses von Arbeitsverträgen?
cc) Synthese: Staatliches Recht modifiziert nach kirchlichem Selbstverständnis
c) Geltungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts
d) Die kircheneigenen Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts
aa) Katholische Kirche
bb) Evangelische Kirche
2. Individualarbeitsrecht
a) Der vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gewährleistete Schutz
aa) Personalauswahl
bb) Loyalitätsobliegenheiten und Sanktionierung bei deren Verletzung
(1) Grundlagen
(2) Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten
(3) Sanktionierung bei Verstoß gegen eine Loyalitätsobliegenheit
b) Einwirkungen des europäischen Rechts
aa) Konflikt mit der EMRK? Die kirchenarbeitsrechtliche Rechtsprechung des EGMR
(1) Die Rechtssachen „Schüth“, „Obst“ und „Siebenhaar“
(2) Rezeption: „Spannungsverhältnis“ – aber keine „Zeitenwende“
(3) Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts
(4) Ausblick
bb) Auswirkungen der Richtlinie 2000/78/EG
(1) Nationale Umsetzung durch das AGG
(2) Meinungsbild vor den Entscheidungen des EuGH
(a) Personalauswahl
(aa) Restriktive Auslegung
(bb) Kirchenfreundliche Auslegung
(b) Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und Kündigung
(3) Die Rechtsprechung des EuGH
(a) Personalauswahl – Rechtssache „Egenberger“
(b) Konfessionsabhängige Differenzierung bei Loyalitätsobliegenheiten – „Chefarztfall“
(c) Rezeption der Entscheidungen
(d) Folgeentscheidungen des BAG
(aa) Verfahren „Egenberger“
(bb) „Chefarztfall“
(e) Auswirkungen in der Rechtspraxis
(f) „Showdown“ vor dem Bundesverfassungsgericht?
c) Die kircheneigenen Regelungen zum Individualarbeitsrecht
aa) Katholische Kirche
bb) Die „Loyalitätsrichtlinie“ der evangelischen Kirche
3. Kollektives Arbeitsrecht
a) Betriebliche Mitbestimmung
aa) Normierte Exemtion von Mitbestimmung nach staatlichem Recht
(1) Verfassungsrechtliche Fundierung
(2) Reichweite der Ausklammerung
(a) Erzieherische und karitative Betätigung
(b) Zuordnung – „kirchliche“ Einrichtung
bb) Das eigene Mitarbeitervertretungsrecht der Kirchen
(1) Verpflichtung zur Schaffung eines eigenen Mitarbeitervertretungsrechts?
(2) Geltungsgrundlage
(3) Die kirchlichen Regelungen
(a) Katholische Kirche (MAVO)
(b) Evangelische Kirche (MVG-EKD)
b) Tarifvertrags- und Koalitionsrecht
aa) Arbeitskampf und kollektive Regelung von Arbeitsbedingungen
(1) Konfliktlage
(a) Tarifautonomie und Arbeitskampfrecht als Bestandteil der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG
(b) Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
(2) Auflösung des Konflikts
(a) Wechselseitiges Verhältnis der Verfassungsgüter
(aa) Kein absoluter Vorrang der Koalitionsfreiheit
(bb) Kein absoluter Vorrang des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts
(cc) Abwägungsprogramm
(b) Auflösung
(3) Rechtsqualität und Inhaltskontrolle der Regelungen des „Dritten Weges“
(4) Das Arbeitsrechts-Regelungsrecht der Kirchen
(a) Katholische Kirche
(b) Evangelische Kirche
bb) Koalitionsbetätigung
B. Österreich – Parallelen und Spiegelungen
I. Die soziale Stellung der Kirchen und ihre Rolle als Arbeitgeber
II. Staatskirchenrechtliche Grundlagen für das kirchliche Arbeitsrecht
1. Geschichtliche Entwicklung
2. Die Rechtsstellung der Kirchen im österreichischen Verfassungsrecht
a) Grundlagen
b) Leitprinzipien des österreichischen Staatskirchenrechts
c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 15 StGG
aa) Persönlicher Schutzbereich (Normadressat)
(1) Erfordernis der gesetzlichen Anerkennung
(2) Selbständige Einrichtungen der Kirchen
bb) Sachlicher Schutzbereich
(1) Das „selbständige Ordnen und Verwalten“
(2) Der Schutzbereich – die „inneren Angelegenheiten“
cc) Der Gesetzesvorbehalt – die „allgemeinen Staatsgesetze“
III. Kirchliches Arbeitsrecht
1. Ausgangspunkte
a) Rechtsquellen und Grundlagen des österreichischen Arbeitsrechts
b) Verfassungsbezug des kirchlichen Arbeitsrechts
aa) Der kirchliche Dienst als „innere Angelegenheit“
bb) Verschmelzung von staatlicher und kirchlicher Rechtssphäre durch die Begründung von Arbeitsverhältnissen
(1) Geistliche
(2) Laienmitarbeiter
cc) Berücksichtigung der Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
c) Geltungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts
d) Bezugnahme auf die kirchliche Dienstgemeinschaft
e) Kircheneigene Regelungen des Arbeitsrechts
2. § 132 Abs. 4 ArbVG – Einfachgesetzliches Fundament des kirchlichen Arbeitsrechts in Österreich
a) „Tendenzschutz“ im österreichischen Arbeitsrecht
b) Regelungsgehalt und Systematik von § 132 ArbVG
c) Tendenzschutz nach § 132 Abs. 4 ArbVG
aa) Grundlagen
(1) § 132 Abs. 4 ArbVG als Konsequenz von Art. 15 StGG
(2) Erfordernis der „Unmittelbarkeit“?
bb) § 132 Abs. 4 S. 1 ArbVG
(1) Erfasste Einrichtungen
(2) Die Relativklausel der „entgegenstehenden Eigenart“
cc) § 132 Abs. 4 S. 2 ArbVG
3. Individualarbeitsrecht
a) Personalauswahl und Fragerecht des kirchlichen Arbeitgebers
b) Loyalitätsobliegenheiten
aa) Rechtslage im „weltlichen“ Arbeitsrecht
bb) Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Mitarbeiter
c) Kündigung wegen Verstoßes gegen eine Loyalitätsobliegenheit
aa) Allgemeiner Kündigungsschutz, § 105 ArbVG
bb) Sittenwidrigkeit einer Kündigung, § 879 ABGB
d) Einfluss der Richtlinie 2000/78/EG – Das Gleichbehandlungsgesetz
aa) Diskriminierung und Rechtfertigungsmöglichkeiten – Grundlagen
bb) Folgen für die Personalauswahl
cc) Folgen für die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und Kündigung
4. Kollektives Arbeitsrecht
a) Betriebliche Mitbestimmung
aa) Einschränkung durch § 132 Abs. 4 ArbVG
bb) Abschluss von Betriebsvereinbarungen
cc) Eigenes Mitarbeitervertretungsrecht
b) Koalitionsrecht
aa) Kollektivverträge und die Kirchen
bb) Alternativen zum Kollektivvertrag
cc) Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen
dd) Allgemeine gewerkschaftliche Betätigung
IV. Zusammenfassung und Vergleich
1. Staatskirchenrechtliche Grundlagen
2. Grundvoraussetzungen des kirchlichen Arbeitsrechts
3. Kirchliches Individualarbeitsrecht
4. Kirchliches Kollektivarbeitsrecht
5. Fazit
C. England – Staatskirchentum und Common Law als maßgebliche Faktoren?
I. Die soziale Stellung der Kirchen und ihre Rolle als Arbeitgeber
II. Spezifika des englischen Rechtssystems
III. Staatskirchenrechtliche Grundlagen für das kirchliche Arbeitsrecht
1. Geschichtliche Entwicklung
2. Die Stellung der Kirchen im englischen Recht
a) Grundlagen
b) Leitprinzipien
aa) Die anglikanische Kirche (Church of England) als Staatskirche
bb) Neutralität und Gleichheit / Parität
c) Der Rechtsstatus anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften
d) Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
aa) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im englischen Common Law
bb) Der Human Rights Act 1998
(1) Grundlagen
(2) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 9 EMRK im englischen Recht
(3) Die besondere Berücksichtigung der kollektiven Religionsfreiheit – s. 13 HRA
IV. Kirchliches Arbeitsrecht
1. Ausgangspunkte
a) Grundlagen des englischen Arbeitsrechts
b) Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich
aa) Laienmitarbeiter
bb) Geistliche
c) Berücksichtigung kirchlicher Autonomie im staatlichen Arbeitsrecht
aa) Kirchliches Arbeitsrecht als Folge kirchlicher Selbstbestimmung
bb) Modifikationen des weltlichen Arbeitsrechts
cc) Berücksichtigung entgegenstehender Arbeitnehmerrechte
2. Modifikationen des Individualarbeitsrechts
a) Personalauswahl
b) Loyalitätsobliegenheiten
aa) Treuepflichten im weltlichen Arbeitsrecht
bb) Berücksichtigung der kirchlichen Besonderheiten
c) Allgemeiner Kündigungsschutz
aa) Kündigungsschutz im englischen Arbeitsrecht
bb) Kündigung kirchlicher Arbeitsverhältnisse
d) Antidiskriminierungsrecht
aa) Genese der englischen Antidiskriminierungsgesetzgebung
bb) Rechtslage vor Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG
(1) Race Relations Act 1976
(2) Sex Discrimination Act 1975
cc) Rechtsentwicklung infolge der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG
(1) Die Employment Equality Regulations 2003
(a) Employment Equality (Religion or Belief) Regulations 2003
(b) Employment Equality (Sexual Orientation) Regulations 2003
(2) Equality Act 2010
(a) Die Ausnahmeregelungen
aa) Rechtfertigung von Benachteiligungen bezüglich der Religion
bb) Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung bezüglich anderer Merkmale
(b) Fazit
e) Beschäftigung von Personal an kirchlichen Schulen
aa) Das englische Schulwesen und die Rolle der Kirchen
bb) Arbeitsrechtliche Regelungen des SSFA
(1) Voluntary Aided Schools
(2) Voluntary Controlled Schools
cc) Fazit
3. Kollektives Arbeitsrecht
V. Zusammenfassung und Vergleich
1. Kirchliche Selbstbestimmung im Common Law
2. Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts
3. Kirchliches Individualarbeitsrecht
4. Fazit
D. Frankreich – Spielräume im Schatten der Laizität?
I. Die soziale Stellung der Kirchen und ihre Rolle als Arbeitgeber
II. Staatskirchenrechtliche Grundlagen für das kirchliche Arbeitsrecht
1. Geschichtliche Entwicklung des französischen Staatskirchenrechts
2. Die Rechtsstellung der Kirchen
a) Grundlagen
b) Laizität als Leitprinzip des französischen Staatskirchenrechts
aa) Trennung von Staat und Kirche
bb) Neutralität und Parität – Ausdruck der staatlichen Areligiosität
cc) Rechtliche Verfasstheit der Kirchen
dd) Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
III. Kirchliches Arbeitsrecht
1. Ausgangspunkte
a) Rechtsquellen und Grundlagen des französischen Arbeitsrechts
b) Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts
aa) Grundsätze
bb) Beschäftigung innerhalb des kirchlichen Bereichs
(1) Laienmitarbeiter
(2) Angehörige von Orden und religiösen Gemeinschaften
(3) Geistliche
c) Dogmatischer Anknüpfungspunkt des kirchlichen Arbeitsrechts
aa) Einfluss des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts
bb) Lehre vom Tendenzbetrieb
cc) Abschließende Folgerungen
2. Individualarbeitsrecht
a) Grundprinzipien des Arbeitnehmerschutzes
aa) Diskriminierungsverbot des Art. L. 1132-1 CTrav
bb) Grundrechtsschutz
(1) Normative Berücksichtigung in Art. L. 1121-1 CTrav
(2) Schutz des Privatlebens
(3) Zulässigkeit einer Grundrechtsbeeinträchtigung
cc) Verhältnis von Antidiskriminierungsrecht und Grundrechtsschutz
b) Problemfelder des kirchlichen Arbeitsrechts
aa) Bewerbungsprozess
(1) Personalauswahl
(2) Fragerecht
bb) Loyalitätsobliegenheiten
(1) Allgemeine Rechtslage
(a) Loyalitätsobliegenheiten im weltlichen Arbeitsrecht
(b) Das Rechtsinstitut der Betriebsordnung
(2) Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Einrichtungen
(a) Grundlegende Anerkennung erhöhter Anforderungen
(b) Normative Grundlagen
(c) Oktroyierte Abstufung der Anforderungen
(d) Rechtsgrundlage der Loyalitätsobliegenheiten
(aa) Impliziter Vertragsinhalt
(bb) Vertragliche Regelung
(cc) Betriebsordnung
cc) Kündigungsrecht
(1) Allgemeine Rechtslage
(2) Kündigungsrecht in kirchlichen Einrichtungen
(a) Loyalitätsobliegenheitsverstoß als Kündigungsgrund
(b) Frühere Rechtsprechung
(c) Rechtsprechungsänderung in der Angelegenheit Painsecq
3. Kollektives Arbeitsrecht
a) Betriebliche Mitbestimmung
b) Koalitionsrecht
IV. Zusammenfassung und Vergleich
1. Staatskirchenrechtliche Grundlagen
2. Ausgangspunkte des kirchlichen Arbeitsrechts
3. Kirchliches Individualarbeitsrecht
4. Kirchliches Kollektivarbeitsrecht
5. Fazit
Teil 3 – Schlussbetrachtungen
A. Abschließender Gesamtvergleich der Rechtsordnungen
I. Staatskirchenrechtliche Grundentscheidungen als Produkt historischer Wurzeln
II. National determinierter Umfang kirchlicher Selbstbestimmung
III. Kirchliche Selbstbestimmung als Determinante für das kirchliche Arbeitsrecht
IV. Die Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses im Arbeitsrecht
1. Anwendbarkeit des Arbeitsrechts bei der Beschäftigung von Laienmitarbeitern
2. Individualarbeitsrecht
a) Personalauswahl und Fragerecht
b) Loyalitätsobliegenheiten
c) Kündigung anlässlich einer Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten
d) Antidiskriminierungsrecht
3. Kollektivarbeitsrecht
B. Fazit und Ableitungen für das deutsche kirchliche Arbeitsrecht
Literaturverzeichnis
Lebenslauf
Die vorliegende Arbeit wurde vom Promotionsausschuss der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Juni 2020 als Dissertation angenommen.
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. für seine Betreuung und Unterstützung, vor allem aber für seinen Vorschlag, das kirchliche Arbeitsrecht aus rechtsvergleichender Perspektive im Rahmen einer Dissertation zu untersuchen. Ich kann dankbar resümieren, dass sich dieses Thema mit all seinen schillernden Facetten als Glücksfall für mich herausstellte und ich die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit zu keinem Zeitpunkt als Pflichterfüllung empfand. Vielmehr entwickelte sich das Dissertationsprojekt innerhalb kurzer Zeit zu einer echten Herzensangelegenheit. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Raimund Waltermann für die Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Moritz Brinkmann, LL.M. für die Übernahme des Vorsitzes in der Prüfungskommission.
Das Gelingen einer Dissertation wird maßgeblich durch die Begleitumstände bedingt. Besonders hervorheben möchte ich diesbezüglich das von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Muckel geleitete Institut für Religionsrecht an der Universität zu Köln, in dessen Bibliothek ich einen inspirierenden Arbeitsort vorfand und auf einen reichhaltigen Fundus staatskirchenrechtlicher Literatur zurückgreifen durfte. Bedanken möchte ich mich bei den stets hilfsbereiten Institutsmitarbeitern, die mir auch scheinbar unauffindbare Werke zur Verfügung stellten. Ebenso bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeitern der rechtswissenschaftlichen Bibliotheken der Johannes Kepler Universität Linz sowie der Université de Reims Champagne-Ardenne, die mich so freundlich und geduldig während meiner recherchebedingten Auslandsaufenthalte unterstützten.
Mein Dank gebührt auch Frau Rechtsanwältin Isabel Hexel, die mich während meiner promotionsbegleitenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei Oppenhoff & Partner mit spannenden Aufgaben aus der anwaltlichen Praxis versorgte und damit ein willkommenes Gegengewicht zu meiner akademischen Tätigkeit bot.
Herzlich bedanken möchte ich mich zudem bei meinem Mentor in der Kanzlei CMS Hasche Sigle, Herrn Rechtsanwalt Dr. Martin Lützeler, der mir während des sich unerwartet lange hinziehenden Zeitraums der Fertigstellung und Aktualisierung meiner Dissertation den erforderlichen Freiraum gewährte, als ich meine Tätigkeit als Rechtsanwalt bereits begonnen hatte.
Dankbar bin ich darüber hinaus den Herausgebern Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. und Herrn Prof. Dr. Jacob Joussen sowie dem Lambertus-Verlag für die freundliche Aufnahme der Dissertation in die Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht.
Schließlich bleibt festzustellen, dass diese Arbeit ohne den Rückhalt und die Unterstützung durch meine Freunde und Familie nicht möglich gewesen wäre. Danken möchte ich daher insbesondere meinen lieben Eltern, Barbara und Dieter Scholz, die mich vom Anbeginn gefördert und damit die wesentliche Grundlage für meinen persönlichen und beruflichen Lebensweg gelegt haben. Meiner Schwester Katja Scholz bin ich dankbar für die Durchsicht der Dissertation. Dankbar bin ich außerdem Julian Ebenfeld für seine hilfreichen Anregungen außerhalb der juristischen Perspektive während der zahlreichen Gespräche, in denen wir uns über den Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens im Allgemeinen und mein Dissertationsthema ausgetauscht haben.
Mein größter Dank gebührt schließlich meiner Verlobten, Anna Piras. Ohne ihre großzügige Unterstützung in jeder erdenklichen Weise und ihren Rückhalt wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ihr ist dieses Buch gewidmet.
Köln, November 2020Florian Scholz
A
a.A.
andere Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
A.B.
Augsburgischen Bekenntnisses
ABGB
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 1. Januar 1812
ABl. EKD
Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland
Abs.
Absatz
AC
L’année canonique (Zeitschrift), Paris; Appeal Cases
AcP
Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift), Tübingen
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AfkKR
Archiv für katholisches Kirchenrecht (Zeitschrift), Paderborn
a.F.
alte Fassung
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006
AJDA
L’Actualité juridique. Droit Administratif (Zeitschrift), Paris
AL
Ad Legendum (Zeitschrift), Münster
All E.R.
All England Law Reports
Anm.
Anmerkung
AngG
Angestelltengesetz in der Fassung vom 31. Juli 2019
AOG
Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben in der Fassung vom 20. Januar 1934
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift), Tübingen
ArbG
Arbeitsgericht
ArbR
Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift), München
ArbRB
Der Arbeits-Rechtsberater (Zeitschrift), Köln
ArbVG
Arbeitsverfassungsgesetz in der Fassung vom 14. Dezember 1973
ArbZG
Arbeitszeitgesetz in der Fassung vom 6. Juni 1994
ARGG-EKD
Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland
ARRG
Arbeitsrechtsregelungsgesetz
Art.
Artikel
ASGG
Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz in der Fassung vom 7. März 1985
Ass.
Assemblée générale (Generalversammlung)
Ass. nat.
Assemblée nationale (Nationalversammlung)
Ass. plén.
Assemblée plénière (Plenarversammlung)
Aufl.
Auflage
AuR
Arbeit und Recht (Zeitschrift), Köln
B
BAG
Bundesarbeitsgericht
BB
Der Betriebs-Berater (Zeitschrift), Heidelberg
Bd.
Band
BeamtStG
Beamtenstatusgesetz in der Fassung vom 1. April 2009
Beil.
Beilage
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung vom 19. Januar 1972
BetrVG 1952
Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung vom 11. Oktober 1952
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen, amtliche Sammlung, Köln – Berlin
BlStSozArbR
Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift), Neuwied
BNr.
Beschwerdenummer
bspw.
beispielsweise
BPersVG
Bundespersonalvertretungsgesetz in der Fassung vom 15. März 1974
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BT
Bundestag
Bull. civ.
Bulletin civil de la Cour de Cassation (Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Kassationshofs)
BV-G
Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung vom 1. Oktober 1920
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtliche Sammlung, Tübingen
BVerfGG
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung vom 11. August 1993
bzw.
beziehungsweise
C
CA
Cour d’appel (Berufungsgericht)
CC
Conseil constitutionnel (Verfassungsrat)
can.
canon
Cass.
Cassation, Cour de Cassation (Kassationshof)
– ass. plén.
assemblée plénière (Plenarversammlung)
– ch. mixte
chambre mixte (Großer Senat)
– civ.
chambre civile (Zivilkammer)
– soc.
chambre sociale (Sozialkammer)
CE
Conseil d’État (Staatsrat)
Ch.
Chancery Division (Kammer für Wirtschaftssachen) des High Court of Justice
CIC
Codex Iuris Canonici
CLJ
Cambridge Law Journal (Zeitschrift), Cambridge
CSBP
Cahiers sociaux du barreau de Paris (Zeitschrift), Paris
CTrav
Code du travail (Arbeitsgesetzbuch)
D
D.
Recueil Dalloz (1945-1964), Recueil Dalloz Sirey (1965-1996), Recueil Dalloz de doctrine de jurisprudence et de législation (1997-1999), Recueil Dalloz (1999-) (Zeitschrift), Paris
DB
Der Betrieb (Zeitschrift), Düsseldorf
DBO
Dienst- und Besoldungsordnung
ders.
derselbe
DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
dies.
dieselbe
DKKW
Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift), Stuttgart
Dr. ouvrier
Le Droit Ouvrier (Zeitschrift), Montreuil Cedex
Dr. soc.
Droit Social (Zeitschrift), Paris
DrittelbG
Drittelbeteiligungsgesetz in der Fassung vom 18. Mai 2004
Drs.
Drucksache
DS-GVO
Datenschutz-Grundverordnung in der Fassung vom 27. April 2016
E
EccLJ
Ecclesiastical Law Journal (Zeitschrift), Cambridge
ECLR
European Constitutional Law Review (Zeitschrift), Cambridge
ecolex
Ecolex: Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht, Wien
EG
Europäische Gemeinschaft
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 21. September 1994
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EKD
Evangelische Kirche in Deutschland
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention in der Fassung vom 4. November 1950
epd
Evangelischer Pressedienst
ERA
Employment Rights Act 1996
ET
Employment Tribunal
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuR
Zeitschrift Europarecht, Baden-Baden
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift, Kehl am Rhein
EuZA
Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht, München und Frankfurt am Main
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, München
Ev.
Evangelisch
Ev.-Luth.
Evangelisch-Lutherisch
EWCA Civ
England and Wales Court of Appeal (Civil Division)
EWHC
England and Wales High Court
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift), Köln
F
FAS
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
f.
folgende(r)
ff.
fortfolgende(r)
FG
Festgabe
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
G
Gaz. Pal.
La Gazette du Palais (Zeitschrift), Paris
GdS
Gedächtnisschrift
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949
ggf.
gegebenenfalls
GK-BetrVG
Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz
grds.
grundsätzlich
GO-EKD
Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Juli 1948
GrOkathK
Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, verabschiedet von der Deutschen Bischofskonferenz am 22. September 1993
GRCh
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
H
H.B.
Helvetischen Bekenntnisses
h.M.
herrschende Meinung
HC Deb
Hansard House of Commons Parliamentary Debates
HdbKathKR
Handbuch des katholischen Kirchenrechts
HdbStKR
Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland
HRA
Human Rights Act 1998 in der Fassung vom 2. Oktober 2000
Hg.
Herausgeber
hg.
herausgegeben
Halbs.
Halbsatz
HStR
Handbuch des Staatsrechts
I
i.S.d.
im Sinne des
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
ICR
The Industrial Cases Reports
IndLJ
Industrial Law Journal (Zeitschrift), Oxford
IRLR
Industrial Relations Law Reports
J
JA
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift), München
JarbSchG
Jugendarbeitsschutzgesetz in der Fassung vom 12. April 1976
JAS
Journal für Arbeitsrecht und Sozialrecht (Zeitschrift), Wien
JCP
Jurisclasseur périodique; Semaine juridique (Zeitschrift), Paris
– A
– Administrations et Collectivités territoriales
– E
– Entreprise et Affaires
– S
– Sociale
jM
Juris: Die Monatszeitschrift, Saarbrücken
JO déb.
Journal des débats
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Tübingen
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift), München und Frankfurt am Main
JZ
Juristen-Zeitung, Tübingen
K
KB
Law Reports, King’s Bench
KirchE
Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 (Zeitschrift), Köln
KODA
Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts
Kor
Briefe des Paulus an die Korinther
KSchG
Kündigungsschutzgesetz in der Fassung vom 25. August 1969
KSzW
Kölner Schriften zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift), Köln
KuR
Kirche und Recht. Zeitschrift für die kirchliche und staatliche Praxis, Berlin
L
L.
Lois (Gesetzteil [des Code du travail])
LAG
Landesarbeitsgericht
lit.
litera
LT
Law Times Reports
M
m. Anm.
mit Anmerkung von
MAVO
Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung im kirchlichen und karitativen Dienst, beschlossen von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands am 3. März 1971
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift), Köln
MedR
Medizinrecht (Zeitschrift), Heidelberg
MHdB ArbR
Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,
MitBestG
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz), in der Fassung vom 4. Mai 1976
MüKo BGB
Münchener Kommentar zum BGB
MVG-EKD
Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Fassung vom 15. Januar 2010
MVO
Mitarbeitervertretungsordnung
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
N
NJ
Neue Justiz (Zeitschrift), Baden-Baden
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift), München und Frankfurt am Main
No.
numero
Nr.
Nummer
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, München
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, München und Frankfurt am Main
NZA-RR
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht, München und Frankfurt am Main
O
ÖAKR
Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, Freistadt (ab 1999: Österreichisches Archiv für recht und religion (öarr))
öarr
Österreichisches Archiv für Recht & Religion, Freistadt (bis 1999: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht (ÖAKR))
öAT
Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht, München
OJLR
Oxford Journal of Law and Religion (Zeitschrift), Oxford
ÖJZ
Österreichische Juristen-Zeitung, Wien
P
para.
paragraph
PersV
Die Personalvertretung (Zeitschrift), Berlin
PV
Paulskirchenverfassung
Q
QB
Queen’s Bench
R
RdA
Recht der Arbeit, Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts, München
RDP
Revue du droit public (Zeitschrift), Issy-les-Moulineaux
RdW
Österreichisches Recht der Wirtschaft (Zeitschrift), Wien
reg.
regulation
Rev. trim. dr. civ.
Revue trimestrielle de droit civil (Zeitschrift), Paris
RJS
Revue de jurisprudence sociale (Zeitschrift), Levallois-Perret
RL
Richtlinie
Rn.
Randnummer
RRA
Race Relations Act 1976
Rs.
Rechtssache
Rspr.
Rechtsprechung
S
SAE
Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift), Düsseldorf s. siehe; section
S.
Satz; Seite; Siehe
Sch.
Schedule
SDA
Sex Discrimination Act 1975
sog.
sogenannt
Sp.
Spalte
SprAuG
Gesetz über die Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) in der Fassung vom 20. Dezember 1988
SSFA
School Standards and Frameworks Act 1998
StGG
Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder
StZ
Stimmen der Zeit (Zeitschrift), Freiburg
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
T
TA
Tribunal Administratif (Verwaltungsgericht)
TULRCA
Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992
TVG
Tarifvertragsgesetz in der Fassung vom 25. August 1969
TzBfG
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge in der Fassung vom 21. Dezember 2000
U
u.a.
und andere
Uabs.
Unterabsatz
UBC L Rev
University of British Columbia Law Review (Zeitschrift), Vancouver
UKEAT
United Kingdom Employment Appeals Tribunal
UKHL
United Kingdom House of Lords
UKSC
United Kingdom Supreme Court
V
ver.di
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
VerwArch
Verwaltungsarchiv, Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik, Köln – Berlin – Bonn – München
VfGH
Verfassungsgerichtshof
VfSlg
Verfassungssammlung, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes
vgl.
vergleiche
vol.
volume
VVdStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Berlin
W
WLR
Weekly Law Reports
WRV
Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919
Z
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht, Stuttgart
ZAT
Zeitschrift für Arbeitsrecht und Tarifpolitik in Kirche und Caritas, Stuttgart
z.B.
zum Beispiel
ZESAR
Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht, Berlin
ZEuP
Zeitschrift für europäisches Privatrecht, Bad Feilnbach
ZevKR
Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Tübingen
zit.
zitiert
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht, Köln – Berlin – Bonn – München
ZMV
Die Mitarbeitervertretung. Zeitschrift für die Praxis der Mitarbeitervertretung in den Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche, Köln
ZPO
Zivilprozessordnung (Österreich) in der Fassung vom 1. August 1895
ZTR
Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes, München
„Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben,aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen,ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade.“
(Römer 12, 4-6)
Kaum ein Rechtsbereich hat in den vergangenen Jahrzehnten eine derart turbulente Entwicklung vollzogen wie das kirchliche Arbeitsrecht. War ihm zunächst als „Orchideenfach“1 nur die Aufmerksamkeit einer überschaubaren Anzahl von Experten vorbehalten, so verfügt dieser Schnittpunkt von weltlicher und geistlicher Sphäre mittlerweile über eine beachtliche juristische Tradition.2 Zuletzt stand das kirchliche Arbeitsrecht gar im Blickpunkt eines breiten öffentlichen Interesses, etwa durch die Berichterstattung der Tagesschau3 während der besten Sendezeit. Als Ursache dieser Dynamik sind im Wesentlichen zwei Faktoren auszumachen. Der eine ist rechtssoziologischer Natur – und für diese Arbeit von untergeordnetem Interesse –, der andere erwächst aus den Einwirkungen des europäischen Rechts auf das deutsche kirchliche Arbeitsrecht.
Bedeutsam ist zunächst der Befund, dass sich das gegenwärtige Verhältnis von Staat und den Kirchen einem bereits fortgeschrittenen Prozess der Säkularisierung und Individualisierung der Gesellschaft gegenübersieht, was sich unter anderem in einer schwindenden Anerkennung der religiösen Institutionen manifestiert.4 Angesichts dieser sozialen Entwicklung sehen sich die Kirchen einem erhöhten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, ihr Selbstverständnis – das kirchliche Proprium – auch bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer wahren zu können. Der insoweit auf gesellschaftlicher Ebene geführte Diskurs über die Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht wird zudem durch die Tatsache intensiviert, dass den Kirchen in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber in Deutschland eine überragende Bedeutung zukommt.5 Sie betreiben zahlreiche Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen und Beratungsstellen, die lebendiger Ausdruck ihrer karitativen Grundfunktion sind. Das christliche Gebot der Nächstenliebe – „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“6 – findet darin seine alltägliche Verwirklichung. Der weitaus größte Teil der in diesen Einrichtungen Beschäftigten entstammt dem allgemeinen Arbeitsmarkt und ist auf Grundlage privatrechtlicher Arbeitsverträge angestellt.7 Angesichts der Vielzahl kirchlicher Arbeitgeber und Einrichtungen kann die genaue Zahl der kirchlichen Arbeitsverhältnisse kaum ermittelt werden. In den einschlägigen Quellen der letzten Jahre ist zumeist von 1,3 bis 1,4 Millionen Arbeitnehmern die Rede.8
Aus juristischer Perspektive widmet sich dem kirchlichen Arbeitsrecht eine steigende Anzahl von Untersuchungen, da es ungefähr seit der Jahrtausendwende einem destabilisierenden Einfluss des europäischen Rechts ausgesetzt ist. Insoweit hat Lodemann bereits vor einigen Jahren ein „rechtstechnisches Bermudadreieck“ zwischen Bundesverfassungsgericht, EuGH und EGMR ausgemacht.9 Dabei ist das kirchliche Arbeitsrecht unfreiwillig zum Schauplatz für die diffizile Austarierung von verschiedenen Rechten und Rechtsquellen im mehrstufigen europäischen Rechtssystem geworden. In der Konsequenz stellen sich komplexe Fragen, welche Reichweite dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht in diesem „Labyrinth des Mehrebenenrechts“10 zugesprochen werden muss.
In diesem Zusammenhang wird jedoch häufig nicht mehr ausreichend berücksichtigt, dass das kirchliche Arbeitsrecht eine besondere verfassungsrechtliche Prägung aufweist, in der sich die individuellen nationalstaatlichen, historisch gewachsenen Grundentscheidungen zum Verhältnis von Staat und den Kirchen widerspiegeln. Es ist daher als Gradmesser für eine der ganz zentralen Lebensfragen11 des europäischen Kulturraumes anzusehen: Wie weit gewährt der liberale Rechtsstaat kirchliche Freiheit vor staatlicher Ingerenz, ab welchem Punkt sind seine Normen unverrückbare Grenze? Denn soweit die Kirchen Freiheiten bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer beanspruchen wollen, die weltlichen Arbeitgebern nicht zustehen, sind sie darauf angewiesen, dass ihnen der Verfassungsstaat als Konsequenz aus der Glaubensfreiheit auch hinreichende Autonomie auf institutioneller Ebene zur selbständigen Gestaltung und Abwicklung ihrer Angelegenheiten gewährt. Die aus dieser Ausgangslage auftretenden Friktionen haben ihre Auflösung in einem auf staatskirchenrechtlicher Grundlage modifizierten Arbeitsrecht zu finden.
Spätestens seit den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen „Egenberger“12 und „Chefarzt“13 ist aber deutlich geworden, dass die supranationalen legislativen und judikativen Einwirkungen ganz erhebliche tektonische Verschiebungen innerhalb vieler Bereiche des kirchlichen Arbeitsrechts herbeiführen können. Die von der Verfassung vorgegebenen staatskirchenrechtlichen Grundentscheidungen sind der Gefahr ausgesetzt, konterkariert zu werden. Die vor zwanzig Jahren geäußerte Befürchtung von Isensee, das europäische Recht könne als „supranationale Walze“14 über die Besonderheiten des nationalen Staatskirchenrechts hinwegrollen, scheint sich damit zu bestätigen.
Allerdings stehen einer Uniformisierung des kirchlichen Arbeitsrechts im Sinne eines paneuropäischen Standards bedeutende Schutzwälle gegenüber. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts schützt der sogenannte „Kirchenartikel“ Art. 17 Abs. 1 AEUV den jeweiligen Status der Kirchen, den diese in den einzelnen Mitgliedstaaten genießen. Im Kontext der Anwendung der Europäischen Konvention für Menschenrechte ist die vom EGMR entwickelte margin of appreciation als nationaler Beurteilungsspielraum geeignet, die einzelstaatlichen Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.
Auf dieser Grundlage kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich die Grundentscheidungen und Modelle des Staatskirchenrechts innerhalb Europas ganz erheblich unterscheiden.15 Eher kirchenfreundlichen Modellen wie dem deutschen Kooperationssystem stehen Ausgestaltungen laizistisch geprägter Trennung wie zum Beispiel in Frankreich gegenüber. Auf der anderen Seite des Spektrums sind Staat und Kirche in manchen Ländern noch eng verflochten; so besteht etwa in England eine Staatskirche. Es muss vermutet werden, dass sich diese staatskirchenrechtlichen Grundentscheidungen unmittelbar auf die Ausgestaltung des jeweiligen kirchlichen Arbeitsrechts auswirken.
Doch es ist bislang nicht eingehend16 rechtsvergleichend untersucht worden, inwieweit sich das deutsche kirchliche Arbeitsrecht mit der Rechtslage in anderen europäischen Staaten deckt oder unterscheidet. Nur die komparative Analyse verschiedener nationaler Rechtsordnungen einschließlich ihrer jeweiligen Prämissen und Lösungen vermag aber eine Vorstellung von den einzelstaatlichen Besonderheiten und ihren spezifischen Ursachen zu vermitteln. Auf diese Weise kann eine weitere notwendige Ebene zur Reflektion über die Zulässigkeit von Ingerenzen der europäischen rechtlichen Einflüsse gegenüber dem deutschen kirchlichen Arbeitsrecht erschlossen werden.
In diesem Zusammenhang bedarf es insbesondere einer Beantwortung der folgenden Fragen: Gibt es einen spezifisch nationalen Status der Kirchen innerhalb des Arbeitsrechts? Besteht auf dem Gebiet des kirchlichen Arbeitsrechts ein gesamteuropäischer Standard? Und falls nicht, in welchem Maße unterscheidet sich die deutsche Rechtslage von derjenigen der anderen europäischen Länder?
Die Klärung dieser Fragestellungen ist von überragender Bedeutung für eine verständige Anwendung des oben angesprochenen europarechtlichen Instrumentariums zur Wahrung der individuellen Ausprägungen des Staatskirchenrechts innerhalb der EU. Es ist Zeit, den kirchenarbeitsrechtlichen Horizont über die eigenen nationalen Grenzen hinaus zu erweitern.
1Joussen, AL 2015, 19.
2Dies vermag bereits Folgendes zu veranschaulichen: Das Standardwerk von Reinhard Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, ist im Jahr 2019 bereits in der 8. Aufl. erschienen; die Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche haben sich nach 1976 und 1984 im Jahr 2012 bereits zum dritten Mal in Gänze mit dem kirchlichen Arbeitsrecht befasst.
3Tagesschau in der ARD am 11.09.2018 um 20 Uhr zum Urteil des EuGH v. 11.09.2018 – C-68/17.
4Vgl. bereits Isensee, in: FS Listl, 67 (80 f.).
5Siehe dazu auch die kritische Anmerkung des Generalanwalts Tanchev in seinen Schlussanträgen v. 09.11.2017, C-414/16, Rn. 4, zum Vorabentscheidungsverfahren in der Sache „Egenberger“.
6Mt 22,39 (zitiert nach der Lutherübersetzung).
7Vgl. Thiel, Kleines Kompendium zum kirchlichen Arbeitsrecht, 2; Isensee, in: FS Obermayer, 203 (204).
8Vgl. Thüsing, ZTR 2006, 230 (230); Reichold, in: Staat und Religion, 111 (113); Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln, Kirche als Arbeitgeber, 7; Tillmanns, NZA 2013, 178; Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht, Rn. 375; Grabenwarter/Pabel, KuR 2011, 55; Augsberg, SAE 2012, 11 (17); Krönke, ZfA 2013, 241 f.; BAGE 143, 354 (Rn. 214); Ferbeck/Pauken, ArbR 2019, 112.
9Lodemann, Kirchliche Loyalitätspflichten, 194.
10So die pointierte Bezeichnung von Richardi, ZfA 2017, 199 (204).
11Als derartige „Lebensfrage“ bezeichnet Schnizer, ÖAKR 28 (1977), 353, das Verhältnis von Staat und den Kirchen insgesamt.
12EuGH, Urteil v. 17.04.2018 – C-414/16.
13EuGH, Urteil v. 11.09.2018 – C-68/17.
14Isensee, in: FS Listl, 67 (73).
15Statt aller Schmidt, in: Schwarze, Art. 17 AEUV, Rn. 1. Vgl. für einen umfassenden ersten Überblick zum Verhältnis von Staat und Kirche in den einzelnen Ländern der EU Robbers (Hg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union.
16Eine kursorische rechtsvergleichende Darstellung des kirchlichen Arbeitsrechts nahmen bereits vor Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, 327 ff.; Griebel, Die Religionsgesellschaft zwischen Staatsrecht und Europarecht, 277 ff.; ein kurzer Exkurs findet sich auch bei Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, 10 f.; ders., in: FS Rüfner, 901 (901 f. und 911 f.). Zuletzt findet sich ein umfassenderer Rechtsvergleich mit Österreich bei Schäfer, Kirchliches Arbeitsrecht im Wandel, 297 ff.
Vor der Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen bedarf es einer Darstellung der zugrunde gelegten Prämissen. Diese sind einerseits semantischer Natur (I.). Was ist kirchliches Arbeitsrecht im Sinne dieser Darstellung und was nicht? Darüber hinaus ist eine Präzisierung verschiedener Begrifflichkeiten im Zusammenhang des Staatskirchenrechts erforderlich, das als Fundament des kirchlichen Arbeitsrechts von zentraler Bedeutung ist. Sodann werden die methodischen Grundlagen dieser Arbeit beleuchtet (II.). Dies umfasst eine kurze Erörterung der Rahmenbedingungen des hier verfolgten rechtsvergleichenden Ansatzes. Daneben soll die in ihrer Grundstruktur einheitliche Vorgehensweise bei der Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen dargelegt werden. Abschließend sind die für das kirchliche Arbeitsrecht maßgeblichen europäischen Rechtsquellen zu untersuchen (III.).
Der Begriff des kirchlichen Arbeitsrechts ist in gewisser Hinsicht missverständlich.17 Bei unbefangener Betrachtung könnte der Eindruck entstehen, es handele sich dabei vollständig um originäres kirchliches Recht, gänzlich losgelöst von der staatlichen Rechtsordnung. Dieser Schein trügt. Wohl zur Klarstellung hat Richardi seinem Standardwerk auf diesem Gebiet daher den Titel „Arbeitsrecht in der Kirche“18 gegeben. Ausgangspunkt des kirchlichen Arbeitsrechts ist nämlich das staatliche – bzw. „weltliche“ – Arbeitsrecht. Für die katholische Kirche wird dies bereits durch die kirchenrechtliche Bestimmung in can. 1286 Nr. 1 CIC deutlich, wonach deren Vermögensverwalter „bei der Vergabe von Aufträgen auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von den Kirchen überlieferten Grundsätzen zu beachten (haben)“.19 Dies kann zutreffend als Grundansatz für die Anwendung des staatlichen Arbeitsrechts bei der Beschäftigung kirchlicher Arbeitnehmer gesehen werden.20 Daher wird von kirchlichem Arbeitsrecht gesprochen, wenn die Kirchen auf Grundlage der freilich auch ihnen zustehenden Vertragsfreiheit Arbeitnehmer21 durch Arbeitsverträge beschäftigen.
Für die in dieser Arbeit durchzuführende Untersuchung sind von dem Begriff aber diejenigen Dienstverhältnisse nicht umfasst, die nicht dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfen sind. Im Zusammenhang mit der deutschen Rechtslage ist dies insbesondere bei den Geistlichen der Fall, die infolge der den Kirchen eingeräumten Dienstherrenfähigkeit nach kircheneigenem Dienstrecht beschäftigt werden, das an das weltliche Beamtenrecht angelehnt ist.22 Inwieweit den Kirchen innerhalb der anderen zu untersuchenden Rechtsordnungen eine ähnliche Freiheit zugestanden wird – wodurch der Anwendungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts entsprechend eingeschränkt wird – ist im Zusammenhang der jeweiligen Länderberichte zu erörtern.
Es sind aber nicht ausschließlich die als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituierten Kirchen, die als Arbeitgeber im Sinne des kirchlichen Arbeitsrechts infrage kommen. Auch auf die ihnen in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen kann sich der Anwendungsbereich des kirchlichen Arbeitsrechts erstrecken. In Abhängigkeit von der untersuchten Rechtsordnung sind dabei freilich unterschiedliche Wertungen möglich. Universell gilt aber der Grundsatz, dass die Kirchen bzw. die ihnen zuzuordnenden Einrichtungen infolge des Abschlusses eines Arbeitsvertrags grundsätzlich an das staatliche Arbeitsrecht gebunden sind.
Dass in diesen Fällen aber nicht von gewöhnlichem Arbeitsrecht zu sprechen ist, sondern das Attribut „kirchlich“ hinzugefügt wird, deutet eine Abweichung – treffender ausgedrückt: eine Modifikation – der allgemeinen Regelungen an.23 Eine derartige Modifikation ist aus der Sicht der Kirchen wegen der theologischen Fundierung ihrer Tätigkeit erforderlich. Anders als bei weltlichen Arbeitgebern ist bei ihnen in aller Regel kein Gewinnstreben, sondern der Dienst am Menschen im Sinne der christlichen Nächstenliebe (Caritas und Diakonie) Motivation ihres Handelns. Daraus und aus ihrem grundlegenden Selbstverständnis folgt eine spezifische Eigenart des kirchlichen Dienstes, die in Deutschland im Begriff der „kirchlichen Dienstgemeinschaft“24 ihren Niederschlag gefunden hat. Auch in anderen Ländern werden diese Besonderheiten entsprechend anerkannt.25 Daraus folgt aus der Sicht der Kirchen, dass die Begründung, die Durchführung sowie die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse unter möglichst umfassender Berücksichtigung ihres Selbstverständnisses erfolgen sollte. Zwar kann dies zuweilen mit den Grundsätzen des staatlichen Arbeitsrechts und den Grundrechten der Arbeitnehmer konfligieren; doch der Staat muss dieses kirchliche Bedürfnis berücksichtigen, soweit er den Kirchen eine – etwa aus der Verfassung folgende – besondere rechtliche Stellung in Gestalt eines Selbstbestimmungsrechts gewährt. Unter Rückgriff auf diese – je nach dem jeweiligen Staatskirchenrecht unterschiedlich ausgestaltete – kirchliche Autonomie ist unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerrechte die Reichweite der von der Rechtsordnung zugestandenen Modifikationen des Arbeitsrechts zu ermitteln. Daraus wird die unmittelbare verfassungs- bzw. grundrechtliche Prägung des kirchlichen Arbeitsrechts deutlich.
Ein spezifisch kirchliches Arbeitsrecht entsteht daher dann, wenn in Ansehung dieser Gewährleistungen von staatlichem Arbeitsrecht zugunsten der Kirchen abgewichen wird. Diese Abweichung kann in besonderen Fällen auch darin resultieren, dass in Teilbereichen eigenständiges, „echtes“ kirchliches Arbeitsrecht entsteht, wenn der Staat den Kirchen die Ausfüllung eines ihnen zugestandenen Freiraums (ggf. unter bestimmten Bedingungen) überlässt. Dieses eigenständige Recht besteht dann aber nicht isoliert, es wird vielmehr in das grundlegende staatliche Arbeitsrecht implementiert.26
Da das Staatskirchenrecht als Grundlage für das kirchliche Arbeitsrecht eine besondere Relevanz aufweist, ist insbesondere im internationalen Kontext eine kurze Betrachtung dahingehend erforderlich, welchen Prämissen dieser Begriff unterliegt.
Nach einer abstrakten Definition umfasst die Materie „Staatskirchenrecht“ die Gesamtheit aller staatlichen Rechtssätze, die die Beziehungen zwischen dem Staat und den Kirchen regeln.27 Damit wird eine institutionelle Perspektive eingenommen, die sich insbesondere auf die Vereinbarkeit der beiden Größen Staat und Kirche bezieht. Da sich die institutionellen Garantien aber nicht gänzlich von den Rechten der Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft abstrahieren lassen und der Begriff zudem eine kirchenzentristische28 Betrachtung suggeriert, wird zunehmend eine „Vergrundrechtlichung“29 der zugrunde liegenden Fragestellungen angenommen. Dies solle sich in der Bezeichnung des Rechtsgebiets als „Religionsverfassungsrecht“ niederschlagen.30 Unabhängig davon, ob man diese Einwände grundsätzlich ablehnt,31 so ist doch zumindest im Kontext dieser Untersuchung ausschließlich vom Begriff „Staatskirchenrecht“ samt seiner Implikationen Gebrauch zu machen. Dafür lassen sich die folgenden Erwägungen anführen:
Grundlegend gilt, dass sowohl der Begriff des Religionsverfassungsrechts als auch der Begriff des Staatskirchenrechts jeweils einen Teilaspekt des Verhältnisses von Staat und Religion erfasst. Die Begriffe schließen sich daher nicht aus, sondern ergänzen sich.32 Im Zusammenhang des kirchlichen Arbeitsrechts stehen aber die Kirchen als Institution im Mittelpunkt, weniger die individuellen Rechte ihrer einzelnen Mitglieder. Entscheidend ist, welche Freiheiten den Kirchen bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern gewährt werden. Diese Fragestellung ist aus der institutionellen Perspektive zu beurteilen. Zudem ist die begriffliche Fokussierung auf die Kirchen im hier zu untersuchenden Kontext nicht nachteilig, da es ausschließlich auf deren Rechtsstellung ankommt. Dem Begriff Religionsverfassungsrecht mag diesbezüglich grundsätzlich eine „begrüßenswerte Klarstellungsfunktion“33 zukommen, doch ist sie im Zusammenhang dieser Arbeit entbehrlich.
Ebenso steht die Durchführung eines europäischen Rechtsvergleichs einer Verwendung des Begriffs des Staatskirchenrechts nicht entgegen.34 Denn auch in den anderen für diese Darstellung maßgeblichen Rechtsordnungen ist eine entsprechende Terminologie zur Bezeichnung der rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und den Kirchen durchaus geläufig. So wird dieses Rechtsgebiet in Frankreich als droit civil ecclésiastique35 und in England als ecclesiastical law36 bezeichnet. In Österreich wird ohnehin traditionell die Bezeichnung Staatskirchenrecht verwendet.37 Schließlich wird auf gesamteuropäischer Ebene eine juristische Erörterung des Staat-Kirche-Verhältnisses durch den seit 1989 bestehenden Zusammenschluss des European Consortium for Church and State Research geführt.38
Weniger bedeutsam ist insofern, dass seit einigen Jahren auch innerhalb anderer Staaten eine entsprechend der in der deutschen Rechtslehre geführte Terminologiedebatte zu beobachten ist. Dabei wird sowohl in Österreich39, Frankreich40 als auch in England41 zunehmend eine Akzentuierung der Religion im Allgemeinen zur Bezeichnung des Rechtsgebiets gefordert. Wie bereits dargelegt, sind diese Einwände für die hier vorzunehmende Untersuchung aber nachrangig; ohnehin stellen Rechtstermini im internationalen Kontext nur Orientierungspunkte dar, bei deren Verständnis nicht ausschließlich an der nationalen Perspektive zu haften ist.
Der Übersichtlichkeit und sprachlichen Vereinfachung halber werden in dieser Arbeit zumeist lediglich die Kirchen als Träger der vom jeweiligen nationalen Staatskirchenrecht vorgesehenen Gewährleistungen und Rechtspositionen erwähnt, auch wenn andere Religionsgemeinschaften ebenso vom Schutzbereich der entsprechenden Normen erfasst sein sollten. Ein Ausschluss dieser übrigen Religionsgemeinschaften ist damit nicht impliziert. Für diese Untersuchung ist jedoch ausschließlich die Rechtslage für die Kirchen maßgebend.
Schließlich ist auch eine Präzisierung bzw. Erläuterung der geographischen Terminologie vorzunehmen. Denn die territoriale Reichweite der Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen ist zur Begrenzung des Erörterungsumfangs notwendigerweise eingeschränkt.
Das aus den Ländern England, Wales, Schottland und Nordirland bestehende Vereinigte Königreich unterscheidet sich hinsichtlich seiner einzelnen staatskirchenrechtlichen Ordnungen ganz erheblich.42 Eine Betrachtung der Rechtslage im gesamten britischen Staat würde wegen dieser Divergenz den Umfang der vorliegenden Arbeit sprengen. Die Untersuchung ist daher bewusst auf England beschränkt.
Auch in Frankreich besteht in territorialer Hinsicht kein gänzlich einheitliches staatskirchenrechtliches System. Aus historischen Gründen besteht in den drei Départements Elsass-Lothringens (Haut-Rhin, Bas-Rhin, Moselle) eine andere Rechtslage als im Reststaat.43 Auch die rechtlichen Gegebenheiten in den überseeischen Départements und Territorien unterscheiden sich.44 Diese Besonderheiten müssen hier unberücksichtigt bleiben.
Der Maxime des Nestors der Rechtsvergleichung Ernst Rabel folgend, „der Stoff des Nachdenkens über die Probleme des Rechts muss das Recht der gesamten Erde sein (…)“45, sollen in dieser Arbeit bei der Darstellung des kirchlichen Arbeitsrechts die staatlichen Grenzen überschritten werden. Ein wie von Rabel geforderter universalistisch-globaler Ansatz kann jedoch für den Einzelnen wegen unüberwindlicher zeitlicher wie auch sprachlicher Grenzen nur Utopie bleiben. Der durchgeführte Vergleich muss daher ausschnitthaft sein, er bleibt notwendigerweise oberflächlich und fragmentarisch.46 Gerade deshalb darf die Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen aber nicht beliebig geschehen, sondern sollte nachvollziehbaren Kriterien folgen.47 Dafür bietet sich ein exemplarischer Vergleich an, der aber eine geeignete Schematisierung verschiedener Rechtsordnungen im Hinblick auf die untersuchte Thematik erfordert.
Da das kirchliche Arbeitsrecht als Modifikation und Abweichung vom weltlichen Arbeitsrecht ganz wesentlich von der den Kirchen gewährten Autonomie abhängig ist, bildet das Staatskirchenrecht das Fundament für dessen Ausgestaltung. Die grundlegende Einteilung des Staat-Kirche-Verhältnisses in drei Staatskirchensysteme48 bietet insoweit eine geeignete Orientierung, durch Heranziehung idealtypischer Repräsentanten der drei verschiedenen staatskirchenrechtlichen Grundsysteme den Erkenntniswert der Untersuchung zu maximieren. Dabei repräsentiert in dieser Untersuchung England das Modell einer Staatskirche, Frankreich das laizistisch geprägte Trennungssystem und Österreich49 (entsprechend der deutschen Rechtslage) das Kooperationsmodell. Insoweit bilden das französische und englische Modell nach dieser Einteilung die „äußeren Pole“50 des europäischen staatskirchenrechtlichen Panoramas. Auch die Tatsache, dass die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Entscheidungen von Frankreich und England als prototypische Wegbereiter erheblichen Einfluss auf andere europäische Länder hatten,51 erhöht den Vergleichswert dieser Rechtsordnungen. Überdies kommt England als Vertreter des Rechtskreises des Common Law eine besondere Stellung gegenüber den übrigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zu.
Die staatskirchenrechtliche Fundierung des kirchlichen Arbeitsrechts hat zur Folge, dass die Durchführung einer reinen sogenannten „Mikrovergleichung“52 – dies wäre vorliegend ausschließlich eine Untersuchung der arbeitsrechtlichen Fragestellungen – in einer derart isolierten Form nicht aussagekräftig wäre. Zwar verfolgt diese Arbeit primär das Ziel, die rechtliche Stellung der Kirchen als Arbeitgeber zu beleuchten. Dies kann indes nicht ohne die Durchführung einer sogenannten „Makrovergleichung“53 geschehen, in deren Verlauf auch die im Kontext der eigentlichen Fragestellung stehenden Grundsätze der jeweiligen Rechtsordnungen untersucht werden. Denn ohne die staatskirchenrechtlichen, historischen und kulturellen Hintergründe ließen sich Inhalt, Auslegung und Rechtsfolgen der einzelnen Normen und Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts nicht oder nur unzureichend erschließen. Zudem gewinnt die Analyse einer ausländischen Rechtsordnung insbesondere dann an Erkenntniswert, wenn auch ein Verständnis für die den einzelnen Regelungen zugrunde liegenden Ursachen und Grundbedingungen gewonnen werden kann. Erst auf dieser Basis ist eine aussagekräftige Kontrastierung mit der deutschen Rechtslage durchzuführen, durch die das Verständnis der eigenen rechtlichen Zusammenhänge geschärft werden kann. Daraus folgt der Grundsatz der Rechtsvergleichung, dass auch beim „Mikrovergleich“ einzelne Vorschriften zumeist nur im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Rechtsordnung untersucht werden können.54
Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der Methodik kann im Vorfeld nur in groben Zügen vorgenommen werden. Grundprinzip der vergleichenden Betrachtung ist dasjenige der Funktionalität55. Die Untersuchung der ausländischen Rechtssysteme darf sich demzufolge nicht auf die bekannten nationalen Termini, Rechtsquellen und Perspektiven beschränken; diese können allenfalls eine erste Orientierung bieten. Von Bedeutung ist vielmehr eine übergeordnete, abstrakte Fragestellung als Vergleichsgrundlage. Diese lautet im Zusammenhang mit dem Rechtsgebiet des kirchlichen Arbeitsrechts etwa folgendermaßen:
„In welcher Weise berücksichtigt das ausländische Recht das religiös fundierte Selbstverständnis der Kirchen bei der Ausgestaltung des anzuwendenden Arbeitsrechts, wenn diese Arbeitnehmer auf der Grundlage von privatrechtlichen Arbeitsverträgen beschäftigen?“
Auf Grundlage dieses Tertium Comparationis wird im zweiten Teil dieser Arbeit zunächst in Länderberichten die Rechtslage innerhalb der einzelnen Rechtsordnungen dargestellt; eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Vergleich mit der deutschen Rechtslage steht am Ende eines jeden Länderberichts. Innerhalb des abschließenden dritten Teils erfolgt die Zusammenführung sowie die Ordnung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Dabei soll versucht werden, eine übergeordnete Struktur für die in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen vorgefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden. Detaillierte methodische Grundsätze lassen sich für diesen zweiten Schritt nicht a priori festlegen, da die spezifische Vorgehensweise maßgeblich durch die zuvor gefundenen Ergebnisse bedingt ist.56
Voranzuschicken ist der folgenden Darstellung schließlich noch, dass die spezifischen Erfahrungen und Erkenntnisse des Auslands nur in ganz bestimmter Weise zur Ableitung eines vertieften Verständnisses des eigenen Rechts nutzbar gemacht werden können.57 Denn im hier gegebenen Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsgebiete des Staatskirchenrechts und des Arbeitsrechts im Fokus des Rechtsvergleichs stehen. Beide Bereiche sind in großem Maße von nationalen Besonderheiten geprägt: Auf der einen Seite mag es zwar innerhalb der EU die zunehmende Tendenz einer Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts geben, doch basiert dieser Bereich auch immer noch in hohem Maße auf dem ideologischen Vorverständnis und der ökonomischen Lage einer Gesellschaft.58 Auf der anderen Seite ist insbesondere die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen als ganz individueller Ausdruck der politischen und geistesgeschichtlichen historischen Entwicklung eines Nationalstaates anzusehen.59 Diese nationalstaatlichen Charakteristika werden durch den supranationalen Einfluss der Europäischen Union keinesfalls obsolet, zumal sie ohnehin keine staatskirchenrechtlichen Kompetenzen besitzt; darüber hinaus hat der durch nationales Recht vermittelte Status der Kirchen nunmehr auch in Art. 17 Abs. 1 AEUV einen besonderen Schutz im Primärrecht erhalten. Das kirchliche Arbeitsrecht ist angesichts dessen zuvorderst Ausdruck einer nationalen Rechtstradition.
Die insofern zu konstatierende Unmöglichkeit einer pauschalen Übertragung der in anderen Staaten vorgefundenen Lösungsansätze im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts macht eine Rechtsvergleichung aber keinesfalls irrelevant. Denn die grundlegenden Interessengegensätze sind gleicher Natur; entscheidend ist vielmehr, mit welchen Wertungen und auf welcher Grundlage deren Ausgleich herbeigeführt wird. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge vermag dann möglicherweise eine weitere Perspektive auf das eigene Recht zu etablieren. Zudem erfordert es die hohe Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für das nationale Arbeitsrecht, auch seine jeweilige Umsetzung in den Nachbarländern zu untersuchen.60 Dies ist für das kirchliche Arbeitsrecht insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG von Relevanz. Zudem ist es auch im Rahmen der vom EGMR angewendeten margin of appreciation von besonderem Interesse, inwieweit sich im europäischen Rechtsvergleich einheitliche oder divergierende nationale Standards bei der Beurteilung einer Rechtsfrage ermitteln lassen. Schließlich schärft ein Vergleich der unterschiedlichen Rechtsstellung der Kirchen innerhalb der Mitgliedstaaten auch das Verständnis, inwieweit im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 AEUV ein spezifisch national geprägter kirchlicher Status gegeben ist, dem dann ein umso größeres Schutzbedürfnis zukäme.
Ungeachtet dieses konkreten Vergleichsnutzens muss sich die Methode der Rechtsvergleichung aber ohnehin nicht durch die Angabe spezifischer Ziele legitimieren.61 Denn als Bestandteil der Rechtswissenschaft ist bereits das abstrakte Streben nach Erkenntnis ein sie wesentlich bedingender Zweck. Rechtsvergleichung ist Horizonterweiterung im besten Sinne.62
Da es sich beim Rechtsgebiet des kirchlichen Arbeitsrechts um einen Hybrid von Staatskirchenrecht und Arbeitsrecht handelt, ist auch die Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen in zwei Hauptteile gegliedert. Den Auftakt der rechtlichen Untersuchung bildet dabei das Staatskirchenrecht, da die Regelung des grundlegenden Verhältnisses zwischen Staat und Kirche elementar für die Beantwortung der Fragestellung ist, inwieweit allgemeine Rechtsnormen – wie jene des Arbeitsrechts – gegenüber den Kirchen Anwendung finden. Ohne diese Grundsteinlegung wäre die isolierte Darstellung der kirchenarbeitsrechtlichen Rechtslage unvollständig. Daher geht die Untersuchung erst nach jenem staatskirchenrechtlichen Teil in medias res – der Untersuchung der (ggf. modifizierten) Geltung des Arbeitsrechts für die Kirchen. Da die Kenntnis des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergrunds zur Erfassung eines Rechtssystems von großer Bedeutung ist,63 erfolgt als Einführung in jede Rechtsordnung eine kurze Darstellung des gesellschaftlichen Rahmens, in den die Kirchen als Religionsgemeinschaft eingebettet sind und in welchem Umfang bzw. auf welche Weise sie als Arbeitgeber tätig werden.
Der darauffolgende staatskirchenrechtliche Teil beginnt zunächst mit einer Darstellung der historischen Entwicklung des jeweiligen nationalen Verhältnisses von Staat und Kirche hin zum status quo. Dieser historische Prolog mag insbesondere aus der Perspektive des Juristen entbehrlich erscheinen, ist zum Verständnis der Materie aber unverzichtbar. Erst das Wissen um die jahrhundertealten Konflikte und Verwerfungen zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre ermöglicht eine fundierte Bewertung der gegenwärtigen rechtlichen Regelungen. Daher soll erst auf dieser Grundlage eine Untersuchung der staatskirchlichen Grundelemente einschließlich des Staatskirchensystems erfolgen. Im Zentrum steht dabei sodann die Darstellung, ob und inwieweit den Kirchen als Ausdruck institutionell gewährter Glaubensfreiheit eine Autonomie zur Durchführung ihrer Angelegenheiten gewährt wird.
Der sich daran anschließende zentrale zweite Teil zum kirchlichen Arbeitsrecht beleuchtet die für die Kirchen geltenden Besonderheiten bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer und gliedert sich in einen individualrechtlichen und in einen kollektivrechtlichen Abschnitt. Dabei wird die Darstellung der ausländischen Rechtsordnungen zunächst von einer kurzen Erörterung der allgemeinen Grundlagen des Arbeitsrechts eingeleitet. Innerhalb der sich daran anschließenden individualrechtlichen Untersuchung wird die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und das Kündigungsrecht einen Schwerpunkt bilden, daneben ist aber auch die kirchlichen Arbeitgebern gewährte Freiheit und deren etwaige Begrenzung bei der Personalauswahl zu behandeln. Auch in diesem Zusammenhang ist die nationale Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, insbesondere einschließlich ihres Art. 4 Abs. 2, von besonderem Interesse. Der kollektivrechtliche Abschnitt wird in Abhängigkeit von der Existenz nationaler Besonderheiten in Bezug auf die Kirchen unterschiedlich lang ausfallen. Er befasst sich mit der Ausgestaltung der arbeitnehmerseitigen Interessenvertretung bei kirchlichen Arbeitgebern sowie insbesondere der Zulässigkeit eines Streikrechts kirchlicher Arbeitnehmer und des modus operandi zur kollektiven Festlegung von Arbeitsbedingungen.
Eine eingehende Untersuchung des Europäischen kirchlichen Arbeitsrechts – also der Gesamtheit der Rechtsregeln der EU, die einen kirchenarbeitsrechtlichen Bezug aufweisen – ist nicht Gegenstand dieser Arbeit;64 vielmehr soll die Thematik vorrangig aus der nationalen Perspektive der einzelstaatlichen Rechtsordnungen beleuchtet werden. Prima facie mag eine solche Herangehensweise in Anbetracht der stetig wachsenden Relevanz des supranationalen Rechts anachronistisch erscheinen.65 Dabei darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass das kirchliche Arbeitsrecht in erster Linie – vor allen Dingen aufgrund seiner staatskirchenrechtlichen Fundierung – maßgeblich durch die nationalen Rechtsordnungen geprägt ist.66 Ohnehin gilt freilich auch in diesem Zusammenhang das allgemeine Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 EUV, das einer umfassenden Rechtsgestaltung der Europäischen Union entgegensteht. Danach darf sie nur dort tätig werden, wo ihr eine entsprechende Kompetenz durch die Mitgliedstaaten innerhalb der Verträge67 eingeräumt ist. Dementsprechend kommt der EU auch keine umfassende Zuständigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu, wenngleich ihre zumeist auf der zentralen Kompetenzgrundlage des Art. 153 Abs. 1 AEUV basierenden Rechtsakte eine ganz erhebliche Bedeutung für das nationale Arbeitsrecht entfalten.68 Zur unmittelbaren Regelung staatskirchenrechtlicher Aspekte besitzt die Europäische Union hingegen keine Kompetenz.69 Dies berücksichtigt den Umstand, dass die grundlegende Regelung des Verhältnisses von Staat und den Kirchen als essentieller Teil der nationalen Identität einer vereinheitlichenden europäischen Regelung nicht zugänglich ist.70
Doch trotz dieser Prämissen sieht sich das kirchliche Arbeitsrecht seit einigen Jahren zunehmend „europarechtlichen Herausforderungen“71 ausgesetzt. Denn die Rechtsetzung der EU im Bereich des Arbeitsrechts – insbesondere in Gestalt des Antidiskriminierungsrechts – ist geeignet, das nationale Staatskirchenrecht mittelbar zu beeinflussen, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Kompetenzübertragung für die Regelung staatskirchenrechtlicher Fragen bedürfte.72 Insofern können gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die (auch)73 die Kirchen in ihrer Funktion als Arbeitgeber betreffen, Konsequenzen für die nationale Ausgestaltung kirchlicher Selbstbestimmung entfalten. Gleiches kann durch Arbeitnehmergrundrechte induziert werden, die durch die EMRK sowie durch die von dieser inspirierten, neu geschaffenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) garantiert werden. Ein gänzlich autonomes einzelstaatliches kirchliches Arbeitsrecht ist angesichts eines derartigen Einflusses durch Europarecht und Völkerrecht somit nicht mehr denkbar. Dabei wird die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts durch die Rechtsprechung des EuGH74 und des BVerfG75 untermauert, wonach diesem normenhierarchisch der Vorrang gegenüber nationalem Recht – einschließlich des Verfassungsrechts – zugesprochen wird.
Aufgrund jener europarechtlichen Ingerenzen soll nachfolgend – den Länderberichten vorangestellt – eine kursorische Darstellung der insofern bedeutendsten Rechtsquellen vorgenommen werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung76 nationalen Rechts erforderlich. Eine vertiefte Erörterung wird dabei nicht stattfinden, denn sofern jene Einwirkungen im Rahmen von spezifischen Rechtsfragen innerhalb der einzelnen nationalen Rechtsordnungen Relevanz entfalten, werden sie an entsprechender Stelle im jeweiligen Länderbericht aufgegriffen. Intendiert ist vielmehr eine kurze Einführung, die den Grundstein für ein Bewusstsein der supranationalen Einflüsse für das nationale kirchliche Arbeitsrecht schaffen soll. Die maßgeblichen Regelungen sind vielfältig und auf verschiedene Rechtsnormen unterschiedlichen Ranges verstreut.77 Von hervorgehobener Bedeutung sind dabei die als Völkerrecht etablierte EMRK sowie diverse Rechtsquellen des europäischen Primär- und Sekundärrechts.
Rechtlich konstituiert ist die am 4. November 1950 von den Mitgliedern des Europarats unterzeichnete Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) als multilateraler völkerrechtlicher Vertrag. Nach Art. 1 EMRK werden die Vertragsstaaten verpflichtet, allen unter ihrer Hoheitsgewalt stehenden Personen die von der Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten zuzusichern. Dabei sind die Individuen nicht nur Objekt, sondern Subjekt der Regelungen.78 Denn mit der Erhebung einer Individualbeschwerde79 nach Art. 34 EMRK beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kann jede natürliche Person nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs die Verletzung eines ihr gewährleisteten Konventionsrechts durch einen Vertragsstaat rügen. Dem EGMR kommt dabei nach Art. 32 Abs. 1 EMRK ein Auslegungsmonopol hinsichtlich des Umfangs der in der Konvention enthaltenen Rechtspositionen zu. In Anbetracht dessen wird deutlich, dass die EMRK auch im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts virulent werden kann, dem in seinen verschiedenen Teilbereichen ein Konfliktpotential zwischen den Grundrechten der kirchlichen Arbeitgeber und ihrer Arbeitnehmer inhärent ist. Entsprechend sind vom EGMR bereits drei Urteile zur Zulässigkeit von Kündigungen wegen der Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten im Zusammenhang des deutschen kirchlichen Arbeitsrechts erlassen worden, die an entsprechender Stelle darzustellen sein werden.80
Infolge ihrer Genese als durch den Europarat geschaffenes Völkerrecht ist die EMRK aber kein Gemeinschaftsrecht im „engeren Sinne“ und unterliegt infolgedessen einer grundlegend abweichenden dogmatischen Einordnung in die nationalen Rechtsgefüge.81 Dabei überlässt es die EMRK der Ausgestaltungsfreiheit der einzelnen Konventionsstaaten, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Befolgung der Konventionsvorschriften nachkommen.82 Dies hat eine Vielfalt unterschiedlicher Umsetzungsmodi zur Folge, die sich in drei Gruppen schematisieren lassen.83 Österreich ist dabei der Gruppe von Staaten zuzuordnen, in denen die EMRK Verfassungsrang genießt.84 Frankreich nimmt eine mittlere Stellung ein, indem die Konvention dort in einen Rang zwischen der Verfassung und den einfachen Gesetzen erhoben wurde.85 In England steht die EMRK hingegen als Folge ihrer Umsetzung durch den Human Rights Act 1998 nur auf der normenhierarchischen Position des Gesetzesrechts.86 Auch in Deutschland kommt der EMRK entsprechend ihrer Umsetzung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in formaler Hinsicht nur der Rang eines Bundesgesetzes zu.87 Dementsprechend ist die Menschenrechtskonvention innerhalb der deutschen Rechtsordnung kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab.88 Das Grundgesetz genießt gegenüber der EMRK normenhierarchisch den höheren Status und unterwirft sich nicht gegenüber nichtdeutschen Hoheitsakten.89
Allein auf Grundlage dieser Prämissen ließe sich aber ihre besondere Bedeutung für das deutsche Recht noch nicht ableiten. Diese folgt vielmehr daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das gesamte nationale Recht einschließlich des Grundgesetzes völkerrechtsfreundlich ausgelegt werden muss.90 Entsprechend dieses Grundsatzes haben die an Art. 20 Abs. 3 GG gebundenen deutschen Gerichte die EMRK und die zu ihr vom EGMR ergangene Rechtsprechung bei der Interpretation der Grundrechte und der einfachen Gesetze im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen.91 Diesem Erfordernis wird ein nationales Gericht gerecht, indem es die streitrelevanten Konventionsrechte im Sinne einer gebührenden Auseinandersetzung in die Entscheidungsfindung einbezieht.92 Damit erhält die EMRK in Gestalt der Auslegung durch die Rechtsprechung des EGMR eine „normative Leitfunktion“93 für das deutsche Recht. Allerdings erfährt der auf diese Weise konkretisierte Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung insbesondere dann eine Begrenzung, sofern der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes eingeschränkt würde.94 Dazu kann es insbesondere im Rahmen der mehrpoligen Grundrechtsverhältnisse der kirchlichen Arbeitsverhältnisse kommen, bei denen der Zugewinn an Freiheit des einen Grundrechtsträgers zugleich eine Einbuße des anderen darstellt.95
Auf der Ebene des Rechts der Europäischen Union entfaltet die EMRK hingegen bislang mangels Inkorporation (noch)96 keine unmittelbare Wirkung.97 Doch nach Art. 6 Abs. 3 EUV sind die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Daraus folgt ihr Status als Rechtserkenntnisquelle.98 Entsprechend hat sich der EuGH in der Vergangenheit häufig auf die EMRK bezogen und dabei auch die Rechtsprechung des EGMR zugrunde gelegt.99 Im Sinne einer Reziprozität zieht auch der EGMR zuweilen die Rechtsprechung des EuGH heran.100 Seit dem Inkrafttreten der europäischen Grundrechtecharta dürfte die EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR allerdings in ihrer Bedeutung als Erkenntnisquelle für europäisches Recht dezimiert worden sein.101
Insbesondere im Zusammenhang mit der Personalauswahl und bei der Kündigung aufgrund eines Loyalitätsobliegenheitsverstoßes kann es zum Konflikt mit den aus der EMRK folgenden Grundrechten der kirchlichen Arbeitnehmer kommen. Die größte Relevanz kommt insofern dem Schutz des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und der individuellen Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK zu. Zur Wahrung eines angemessenen Darstellungsumfangs wird nachfolgend auf die Erörterung der in diesem Zusammenhang durchaus auch bedeutsamen Gewährleistungen der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK), des Rechts auf Eheschließung (Art 12 EMRK) sowie des Diskriminierungsverbots (Art. 14 EMRK) verzichtet.102
Infolge seines weitreichenden Schutzbereichs kann Art. 8 EMRK als das ganz zentrale Grundrecht zum Schutz insbesondere auch von Arbeitnehmern angesehen werden. Neben dem Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen beinhaltet es auch die Gewährleistungspflicht (positive obligation)103 eines Konventionsstaates, die Rechte eines Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gegenüber seinem Arbeitgeber zu schützen.104 Dabei wird der große Anwendungsbereich insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens bereits durch seine Auffangfunktion deutlich.105 Eine Definition des Begriffs hat der EGMR allerdings nicht vorgenommen, da dies weder möglich noch notwendig sei.106 Anknüpfungspunkt der Garantie ist jedenfalls die Autonomie des Individuums und sein Recht auf Selbstbestimmung.107 Demzufolge ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR jedenfalls auch der innere Bereich der Persönlichkeitssphäre bis hin zum Sexualleben und der sexuellen Orientierung geschützt.108 Auch der Begriff des Familienlebens ist weit zu verstehen: Über die eheliche Verbindung hinaus sind auch nichteheliche Lebensgemeinschaften vom Schutzbereich erfasst.109 Besteht eine derartige Verbindung, werden die Familienmitglieder darin geschützt, ihr Leben miteinander zu führen und persönlichen Kontakt zueinander halten zu können.110
Insofern wird bereits durch einen kurzen Aufriss des Schutzumfangs von Art. 8 EMRK deutlich, dass nachteilige Maßnahmen gegenüber einem kirchlichen Arbeitnehmer aufgrund dessen sexueller Orientierung, wegen einer außer- oder unehelichen Beziehung oder einer Wiederheirat nach Scheidung den Schutzbereich von Art. 8 EMRK verletzen können.111
Eine große Bedeutung für kirchliche Arbeitsverhältnisse erlangt freilich auch die individuelle Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK. Sie schützt die innere Überzeugung einer Person und das Annehmen einer Religion (forum internum), deren Bekenntnis bzw. Ausübung nach außen (forum externum), als auch die negative Religionsfreiheit.112 Insofern weist die Gewährleistung ganz erhebliche Übereinstimmungen mit dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1, 2 GG auf.113 Demnach kann auch weitestgehend auf das entsprechende deutsche Grundrechtsverständnis zurückgegriffen werden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem infolge ihrer im Grundgesetz vorbehaltlosen Gewährleistung meist ein höherer Stellenwert als durch den EGMR beigemessen wird.114
Wie im Rahmen von Art. 8 EMRK verpflichtet auch die Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK den Staat zu positivem Schutz.115 Dementsprechend ist die Anwendbarkeit von Art. 9 EMRK eröffnet, sofern ein kirchlicher Arbeitnehmer arbeitsrechtlichen Sanktionen aufgrund seines Kirchenaustritts oder wegen des Werbens für eine andere Religionsgemeinschaft ausgesetzt ist.116 Dies gilt freilich auch, wenn einem Bewerber aus den gleichen Gründen eine Einstellung versagt wird.
Die konventionsrechtliche Etablierung einer Rechtsposition der Kirchen im Sinne einer korporativen Religionsfreiheit findet in Art. 9 EMRK ihren einzigen denkbaren Anknüpfungspunkt. Dabei ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass die Stellung der Kirchen in den einzelnen Rechtsordnungen der Konventionsstaaten erheblich divergiert und bereits aus diesem Grund eine umfassende, vereinheitlichende Regelung ihres grundrechtlichen Status zugleich das institutionelle Verhältnis von Staat und Kirche beeinflusst hätte.117 Infolgedessen fällt bereits bei einer nur oberflächlichen Betrachtung der Gewährleistung des Art. 9 EMRK118 auf, dass dessen Wortlaut keine explizite Garantie korporativer Religionsfreiheit enthält.119 Dennoch hat bereits die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) anerkannt, dass auch eine Religionsgemeinschaft eigene Rechte aus der Gewährleistung im Zusammenspiel mit Art. 34 EMRK geltend machen kann.120 Trotz jener Zuerkennung einer Klagebefugnis (sog. „victim-Status“) sowie einer eigenen Grundrechtsfähigkeit war aber für lange Zeit unklar, ob und in welcher Form ein kirchliches Selbstbestimmungsrecht vom kollektiven Aspekt der konventionsrechtlichen Religionsfreiheit umfasst ist.121
Spätestens122 durch die wegweisende Entscheidung in der Sache Hasan und Chaush/Bulgarien