KISS - Helena Hunting - E-Book

KISS E-Book

Helena Hunting

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Beschreibung

Eine Novella zur MILLS-BROTHERS-Reihe von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Helena Hunting

Es gibt keinen Feiertag, den Ruby so sehr liebt, wie Halloween. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Amelia (und dem Geld von Amelias großzügigem Verlobten) plant sie eine Spendengala im Halloween-Style. Doch das Event läuft alles andere als rund ...

Sexy, lustig und romantisch - die perfekte Novella für alle, die die Zeit zwischen STAY und KEEP überbrücken möchten!

Die MILLS-BROTHERS-Reihe:

1. STAY

1.5 KISS

2. KEEP


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EPUB

Seitenzahl: 199

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmung123456789101112LeseprobeDie AutorinHelena Hunting bei LYXImpressum

HELENA HUNTING

KISS

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Es gibt keinen Feiertag, den Ruby so sehr liebt, wie Halloween. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Amelia (und dem Geld von Amelias großzügigem Verlobten) plant sie eine Spendengala im Halloween-Style. Doch das Event läuft alles andere als rund …

Für meinen Mann. Du wirst immer mein Batman sein.

1

PARTYTIME

Ruby

Ich versuche, während der kurzen Pausen beim Auftragen des Eyeliners einen Blick auf mein Spiegelbild zu erhaschen, aber ich sitze auf der Frisierkommode, daher ist das so gut wie unmöglich. »Wie lange dauert es noch, bis ich es endlich sehen kann?«

Amalie Whitfield, seit über einem Jahrzehnt meine beste Freundin – wir haben zusammen die Highschool überlebt und dann das College in New York –, stößt einen verärgerten Seufzer aus und wirft mir einen bösen Blick zu. Es ist ein zum Schreien komischer Ausdruck auf ihrem stark geschminkten Gesicht. Sie wirft den Lippenpinsel beiseite und zieht ein Papiertaschentuch aus der Schachtel. Es ist das dritte Mal, dass sie das tun musste. »Kannst du bitte stillhalten? Ich bin fast fertig, und ich habe keine Lust, noch mal von vorn anzufangen.«

Ich umklammere die Kante des Tischs und presse die Lippen aufeinander. »Ich halte ja still.«

Sie tupft die Stelle ab, die ich ruiniert habe, und legt den Kopf schräg. »Mach mal einen Schmollmund.«

Ich schürze die Lippen und lasse einen feuchten Kusslaut folgen. Amie – so nenne ich sie, da Amalie ein wenig bieder klingt – verdreht die Augen und macht sich wieder daran, meine Lippen zu schminken, wobei sie meinen Gesichtsausdruck nachahmt. Während der vergangenen neunzig Minuten hat sie an unserem Make-up gearbeitet – wie sie es schon im College getan hat, wenn wir durch die Clubs ziehen wollten. Sie hat ein unglaubliches Händchen fürs Schminken. Eine echte Gabe.

»Wir hätten das für deinen YouTube-Kanal filmen sollen«, sage ich mit immer noch übertrieben geschürzten Lippen. Damals im College hat Amie angefangen, kurze Tutorials als Teil eines Rechercheprojekts für einen ihrer Marketingkurse zu posten. Was zunächst nur eine Möglichkeit war, ihre Zensuren zu verbessern, hat sich in ein Hobby verwandelt, mit dem sie es tatsächlich geschafft hat, Geld zu verdienen. Es ist ihr sogar gelungen, fast siebzigtausend Dollar für eine Serie zu bekommen, die sie für Krebspatientinnen gemacht hat. Meine beste Freundin ist ziemlich unglaublich.

»Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich bezweifle, dass sich irgendjemand noch diese Videos ansieht. Aber wenn ich nicht mehr ganz so aus der Übung bin, könnte ich es mal wieder versuchen. Es würde mir Spaß machen, etwas ins Netz zu stellen, nur um zu sehen, ob es sich noch jemand anschaut.«

Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war Amies Video, das sie vor sechs Monaten hochgeladen hat, fast eine Million Mal angeklickt worden. Unmittelbar bevor sie anfing, mit Armstrong auszugehen, ihrem Verlobten. Sie ist eine kleine YouTube-Sensation, selbst wenn sie so tut, als sei es nicht so. Manchmal vermisse ich diese Seite meiner besten Freundin, das sorglose, witzige Mädchen, das mitten am Tag ein Kostüm überstreift und mir das Make-up macht. Jetzt ist sie oft so ernst.

Ich bin es gewohnt still zu sitzen, während ich mich schminken lasse, aber dieses Make-up ist erheblich komplizierter als das, welches ich für die Vorstellung brauche. Heute habe ich einen Haufen alter Kostüme mit nach Hause gebracht. Ich war zufällig in der Nähe, als mein Produktionsleiter einen großen Koffer mit gespendeten Kostümen öffnete, von denen keins für Vorstellungen auf der Bühne zu gebrauchen war. Aber sie eignen sich perfekt für Halloween. Bis dahin mag es noch einige Wochen hin sein, aber kaum, dass ich zu Hause war, habe ich auch schon angefangen, Kostüme anzuprobieren. Und als dann Amie eintrudelte, habe ich sie dazu gebracht, mitzumachen.

Ich liebe Halloween. Es ist mein Lieblingsfeiertag im Jahr, obwohl es streng genommen gar kein richtiger Feiertag ist, da man nicht frei bekommt. Außerdem liebe ich Horrorfilme. Ich liebe es, jetzt mehr denn je, erschreckt zu werden, da ich einen superheißen Freund habe, mit dem ich mir solche Filme ansehen kann. Er hat nicht lange gebraucht, um diese Liebe mit mir zu teilen. Vor allem, weil ich mich dabei auf seinen Schoß kuschele und mein Gesicht an seinem Hals verstecke, wenn die Filme zu gruselig werden. Nebenbei bemerkt, die Filme sind in Wirklichkeit gar nicht so gruselig, ich mag einfach seinen Geruch. Und in mehr als der Hälfte der Fälle schaffen wir es nicht bis zum Abspann, da ich den gruseligen Teil als Vorwand benutze, um mich auf ihn zu werfen. Das führt häufig zu Küssen, und unausweichlich folgt daraus, dass wir uns ausziehen.

Aber zurück zu Halloween. Abgesehen von gruseligen Filmen und der Verwandlung der Wohnung in ein Spukhaus – was ich bereits erledigt habe dank mehrerer Expeditionen in Halloween-Spezialgeschäfte in der Gegend und Einkäufen in einigen Versandläden, und das alles vor dem ersten Oktober – liebe ich es, mich zu verkleiden. Ich liebe, liebe, liebe es. Aber ich bin ja auch Schauspielerin, daher ist es genau mein Ding, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Selbst das Badezimmer, in dem Amie und ich uns gerade aufhalten, ist dekoriert. Ich habe es in ein Spukbadezimmer verwandelt, mit von der Decke hängenden Fledermäusen und witzigen Accessoires, zum Beispiel gruseligen Krabbeltieren auf der Frisierkommode. Ich habe mir tatsächlich selbst einige Male einen Mordsschrecken eingejagt, als ich mitten in der Nacht pinkeln musste.

Mein Telefon summt auf der Frisierkommode. Ich schiele in seine Richtung und sehe, dass es Bancroft ist, mein Freund. Es ist seine Frisierkommode, auf der ich gerade sitze. Nun, unsere trifft es wahrscheinlich besser. Wir sind seit dem Frühling zusammen, und ich bin vor zwei Wochen bei ihm eingezogen. Unser Start war ein wenig unkonventionell. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich keinen Job und beinahe kein Dach über dem Kopf.

Als er mir also das Angebot machte, seine Hundesitterin zu werden, während er auf Geschäftsreise war, bot er mir gleichzeitig auch das Gästezimmer in seinem Luxuspenthouse an. Natürlich habe ich das Angebot angenommen. Fünf Wochen Hundesitting verwandelten sich in fünf Wochen Videochats, in denen wir miteinander geflirtet haben. Daraus wurde, als er zurückkam, heißer Sex und daraus dann tatsächlich eine Beziehung.

Ich greife nach meinem Handy, aber Amie schlägt meine Hand weg. »Nicht bewegen.«

»Autsch.«

»Ich habe gesagt, nicht bewegen. Das schließt auch deine Lippen mit ein.«

»Gott, bist du ein Tyrann.« Es ist so schwer, nicht über ihren zornigen Gesichtsausdruck zu lächeln. Vor allem angesichts der Sachen, die sie anhat. Amie ist eine umwerfende, ultrafitte, strohblonde, blauäugige Göttin. Sie hat ein süßes Gesicht, aber unter diesem hübschen Äußeren steckt eine ganze Menge Biss. Ein Biss, von dem ich nicht mehr viel zu sehen kriege, seit Armstrong auf der Bildfläche erschienen ist.

Sie kneift mich in den Arm und ich werde zur Schaufensterpuppe.

Weniger als eine Minute später höre ich, wie die Tür geöffnet wird und jemand im Flur meinen Namen ruft. Es ist mir nicht gestattet zu sprechen, daher antwortet Amie für mich: »Wir sind im Badezimmer.«

Schwere Schritte – sie gehören nicht zu Bancroft, er zieht immer die Schuhe aus, wenn er durch die Tür kommt – hallen durch den Flur. Bancroft ist nicht allein. Amies Verlobter ist bei ihm, der zufällig auch sein Cousin ist. Ich finde, dass er ein anmaßendes Arschloch ist, aber Amie scheint ihn zu lieben, daher behalte ich diesen Gedanken meist für mich. Es sei denn, ich bin mit Bancroft allein. Dann teilen wir ganz offen unsere Geringschätzung für Armstrong miteinander.

Heute Abend bleiben sie zum Essen. Später können wir über ihn lästern, dann kann ich Bancroft mit einem Blowjob von seiner Verachtung ablenken, und er kann den Gefallen erwidern.

»Was treibt ihr Damen … heilige Scheiße.« Banes Stimme fällt um einige Oktaven. Bancrofts starke, breite Schultern beanspruchen den größten Teil der Türöffnung. Herr im Himmel, er ist zum Anbeißen. Gegenwärtig steht sein sinnlicher Mund offen und er hält sich am Türrahmen fest, als sei der das Einzige, was ihn aufrecht hält. Sein Blick huscht kurz zu Amie und landet auf mir, wandert nach unten und wieder nach oben.

»Was ist los?«, fragt Armstrong hinter ihm. Er sieht nichts, weil Bancroft ihm die Sicht versperrt. Armstrong ist etliche Zentimeter kleiner als Bane. Aber der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass Bane riesig ist. Ich denke, er ist mindestens einen Meter achtundachtzig groß, und er wiegt doppelt so viel wie ich. Er ist eine Wand aus festen Muskeln und purer Erotik.

»Das ist eine wirklich gute Frage«, murmelt Bane. Sein Blick fällt auf meine nackten Füße mit den rot lackierten Zehennägeln und wandert wieder nach oben. Dann fährt er sich mit der Zunge über die Unterlippe, während er meine Erscheinung mustert.

Abgesehen von der Tatsache, dass ich als böse Fee verkleidet bin, inklusive dem passenden Make-up, sitze ich auch noch auf der Frisierkommode, und Amie steht zwischen meinen Beinen. Wenn ich das Make-up und das Kostüm abziehe, ist es eine Stellung, in der ich mich ziemlich häufig mit Bane befinde. Nur dass wir beide dann normalerweise nackt sind und er in mir ist. Oder auf den Knien, während er das Gesicht zwischen meinen Beinen hat. Nach der Art zu urteilen, wie er mich in diesem Moment ansieht, ist es sehr gut möglich, dass ich heute Abend noch seine Geschicklichkeit auf beiden Feldern erleben werde. Ich freue mich schon darauf, ihm den Anzug vom Leib zu reißen und ihm eine Fahrt wie im Vergnügungspark zu spendieren, natürlich erst, wenn Amie und Armstrong gegangen sind.

Eine Augenbraue zuckt in die Höhe, und er fragt: »Spielt ihr zwei Verkleiden?«

Ich grinse. Das muss unglaublich böse wirken, wenn man mein gegenwärtiges Make-up bedenkt, das ich aber noch nicht sehen darf. »Wir üben für Halloween.«

Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. »Verdammt, ja, ganz eindeutig.«

Oh ja. Ich werde später so ein Glück haben. Ich glaube, ich werde dieses Kostüm gar nicht ausziehen, so schwierig es möglicherweise auch ist, den ganzen Abend darin festzustecken, weil riesige Flügel an meinem Rücken befestigt sind. Aber das geht schon. Bancroft ist sehr vertraut mit meiner Vorliebe für alles, was mit Halloween und Horror zu tun hat.

»Was geht da drinnen vor?« Armstrong stößt Bancroft einen Ellbogen in die Rippen, damit er den Kopf durch die Tür strecken kann.

Er schiebt sich ins Badezimmer, und seine Augen weiten sich, als sein Blick auf Amie fällt. Ich kann mir schon denken, warum. Es ist mir gelungen, sie in Hot Pants aus rotem Satin und ein enges T-Shirt zu bekommen. Ihr BH ist durch den dünnen Stoff sehr, sehr sichtbar. Das Outfit bringt ihre tollen Beine zur Geltung. Ihr Haar ist hochfrisiert zu zwei Zöpfen. Wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher wäre, dass sie nicht einmal ansatzweise Bancrofts Typ ist, wäre ich vielleicht geneigt, sie dazu zu bringen, sich etwas überzuziehen. Aber er steht nicht auf langbeinige Blondinen. Er steht eher auf zierliche Brünette. Außerdem mag er meine im Übermaß vorhandene freche Art.

»Was hast du da an?«, fragt Armstrong. Er klingt stark danach, als hätte er nur so aus Spaß an einem Heliumballon gezogen.

Amie schaut an sich herunter, als verstünde sie seine Besorgnis nicht. Doch das tut sie. Absolut. Wir haben vor der Ankunft der beiden Männer darüber gesprochen, dass ihm dieses Kostüm überhaupt nicht gefallen wird. Und das ist genau der Grund, warum ich vorgeschlagen habe, dass sie es anbehält.

Ich versuche nicht, mich in die Beziehung meiner besten Freundin einzumischen, aber ich bin noch nicht ganz überzeugt davon, dass er der perfekte Mann für sie ist. Für meinen Geschmack ist er viel zu sehr Treuhandfond-Kid mit einem Stock im Arsch. Ich mache mir Sorgen, dass sie aus den falschen Gründen bei ihm bleibt. Ihr letzter Freund stand ein wenig zu weit auf der falschen Seite des Gesetzes, daher befürchte ich, dass sie jetzt etwas zu weit in die andere Richtung gependelt ist, um zu kompensieren, dass sie damals um ein Haar im Gefängnis gelandet wäre. Meine Hoffnung ist folgende: Wenn sie ihn bewusst in Rage bringt, verbessert das vielleicht ihr, wie ich langsam aufgrund unserer jüngsten Gespräche vermute, ziemlich glanzloses Sexleben. Oder, wenn ich wirklich Glück habe, macht es ihr vielleicht klar, dass er nicht der Penis ist, den sie für den Rest ihres Lebens reiten will.

»Sieht sie nicht umwerfend aus?«, frage ich mit einer Extraportion Enthusiasmus.

Armstrong ignoriert mich. »So kannst du das Haus nicht verlassen.«

Ich schaue von Armstrong zu Amie und dann zu Bancroft. Ernsthaft? Wer sagt so etwas? Wir befinden uns nicht mehr im Mittelalter.

»Wir haben nur rumgealbert. Uns amüsiert.« Amie streicht sich verlegen über den Bauch. Über ihren flachen Bauch. Amie könnte Fotomodel sein, und bis sie angefangen hat, mit diesem Blödmann auszugehen, wirkte sie relativ zufrieden mit ihrem Aussehen. Aber seit sie den Ring an ihrem Finger trägt, ist mir aufgefallen, dass sie sehr viel vorsichtiger mit dem geworden ist, was sie isst, und dass sie flapsige Bemerkungen darüber macht, für die Hochzeit in Form bleiben zu müssen.

»Du solltest etwas überziehen. Diese Shorts kannst du unmöglich vor Bane tragen.« Armstrong deutet hinter sich auf meinen Freund, der mich vielsagend ansieht. Nicht mehr mit diesem Ich-will-dich-ficken-Blick, sondern jetzt eher mit dem Darf-ich-ihn-umbringen-Blick.

Ich würde Ja sagen, aber dann wäre meine beste Freundin unglücklich, und das Abendessen wäre ruiniert.

»Mein Bikini verdeckt weniger als diese Shorts«, gibt Amie zurück.

Drei Köpfe schießen in ihre Richtung, meiner eingeschlossen. Das ist die Amie, die ich kenne. Das ist meine beste Freundin. Die, die sich von anderen keinen Mist gefallen lässt. Die, die tut, was sie will, wann sie es will, ganz gleich, was die Leute denken. Selbst, wenn es sich dabei um ihren Verlobten handelt. Ganz besonders, wenn es sich dabei um ihren Verlobten handelt. Vielleicht wird sie später eine gewisse Reue empfinden, aber dafür bin ich ja da – um ihr zu helfen, damit klarzukommen. Um dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr das Gefühl hat, für Spaß Buße tun zu müssen. Armstrong ist der größte Spielverderber aller Zeiten. Dass er und Bane die gleiche DNS teilen, ist ein Wunder.

Auf der Highschool haben die Leute immer mich angeschaut, wenn sich Ärger zusammenbraute, aber meistens war Amie die Anstifterin. Ich bin einfach nur gefolgt. Sie ist auf niedliche Weise schön, und wirkt unglaublich unschuldig, was sie überhaupt nicht ist. Sie war schon immer ein wenig wild. Das ist der Grund, warum ich ihr den Spitznamen Anarcho-Amie verpasst habe. Für alle anderen war sie immer Amalie, hochanständig, süß und sonnig. Ich weiß nur allzu gut, wie sie wirklich ist – temperamentvoll, witzig und ausgestattet mit einer Vorliebe für Ärger und einem Hang zu bösen Jungs –, zumindest war das so, bis sie mit Armstrong zusammengekommen und ruhiger geworden ist. Doch die Nummern, die sie in der Highschool abgezogen hat, waren episch. Einmal hat sie Wodka in das Getränk eines Footballspielers getan, um sich an dem Quarterback zu rächen. Er hatte Gerüchte über sie in die Welt gesetzt, nachdem sie sich geweigert hatte, mit ihm auszugehen.

»Wir sollten ein Glas Wein trinken und das Abendessen bestellen!«, schlage ich strahlend vor und hoffe, damit etwas von der Anspannung rauszunehmen. Ich halte mich an Amies Hüften fest und rutsche von der Frisierkommode. Armstrong wirkt entrüstet, als meine Brüste ihre streifen. Bancroft sieht aus, als wolle er mir den Hintern versohlen. Unter anderem.

»Aber du ziehst dich erst noch um, oder?«, fragt Armstrong.

»Zuerst müssen wir Fotos machen. Im Wohnzimmer ist das Licht besser.« Ich schnappe mir mein Handy und Amies Hand und rausche an den Männern vorbei, Amie im Schlepptau.

»Ich sollte mich wirklich umziehen«, murmelt Amie, sobald wir an ihnen vorbei sind.

»Du hast dir so viel Mühe gegeben, uns toll aussehen zu lassen, und du siehst verdammt heiß aus. Wir brauchen Beweise.« Ich hatte noch nicht einmal die Chance, mein eigenes Spiegelbild zu betrachten. Im Flur bleibe ich stehen, wo ein dekorativer, mit Spinnen und falschen Knochen umrahmter Spiegel mir mein Furcht einflößendes, doch auf krasse Art hübsches Gesicht zeigt.

Ich will ja nicht eingebildet erscheinen. An einem guten Tag und mit genügend Bühnen-Make-up sehe ich ganz anständig aus. Bancroft scheint zu finden, dass ich mit null Make-up umwerfend bin. Ich habe nicht vor, diesbezüglich mit ihm zu streiten, da er derjenige ist, der mich ständig anschaut, aber ich glaube, zum Teil hat diese Einschätzung mit meinen unglaublichen Talenten im Bett zu tun und mit meiner Fähigkeit, ihm den Schwanz zu lutschen.

»Wow. Das ist unglaublich. Bist du dir sicher, dass du nicht den Beruf wechseln und dich auf Bühnen-Make-up spezialisieren willst?« Ich gehe dicht an mein Spiegelbild heran, dann trete ich ein, zwei Schritte zurück. Sie hat wirklich Unglaubliches geleistet. Ich bewege mich in einer Grauzone zwischen gruselig und schön.

Armstrong und Bancroft folgen uns den Flur entlang ins Wohnzimmer, wo der Großteil meiner Halloweendekoration zu sehen ist. Ich habe mit Klebeband die Umrisse einer Leiche in der Mitte des Wohnzimmers markiert. Ein lebensgroßes, beängstigendes Zombiemädchen steht in der Ecke, Spinnweben spannen sich über die Fenster und die Regale, wo falsche Tränke und Behälter voller Gummiaugäpfel, Zuckerwürmer und klebriger Gehirne strategisch platziert sind. Bane und Amie haben sich inzwischen daran gewöhnt, aber nach Armstrongs großen Augen und seinem angeekelten Gesichtsausdruck zu urteilen, ist er kein Fan davon. Ist mir egal.

Ich posiere mit Amie vor den Fenstern und dann an einer Wand mit zwei Skeletten, die aussehen, als hätten sie die Arme um uns gelegt. Ganz bewusst drapiere ich mich zu jeder Gelegenheit um Amie, weil Armstrong dann aussieht, als würde ihm gleich ein Aneurysma platzen. Ich spüre, dass Bancroft genau weiß, was ich da tue, denn er bietet an, die Fotos für uns zu machen, und schlägt dann Posen vor, die alles andere als jugendfrei sind.

Als wir mit unserem improvisierten Fotoshooting durch sind, ist Armstrong bereits durch seinen ersten Scotch und arbeitet an seinem zweiten, während er nervös an seiner Krawatte nestelt.

Ich gehe zum Weinkühlschrank und suche eine schöne Flasche Rotwein heraus. Wir haben hier tatsächlich zwei Kühlschränke, einen für Weißen, damit er kalt ist, und einen für Roten, damit er Zimmertemperatur hat, oder was immer da ideal ist. Bancroft weiß das besser als ich. Amie zieht roten Wein weißem vor. Mir ist es im Grunde egal. Tatsächlich bevorzuge ich Prosecco vor allem anderen, aber es ist nicht ihr Lieblingsgetränk, und nach Armstrongs verkniffenem, säuerlichem Gesichtsausdruck zu urteilen braucht sie den Alkohol mehr als ich. »Wisst ihr, was wir tun sollten?«

»Etwas Richtiges anziehen?«, murmelt Armstrong in seinen Scotch.

»Wir sollten eine Halloweenparty schmeißen. Das würde doch Spaß machen, oder?« Ich sehe zuerst Amie und dann Bancroft an und ignoriere den Partymuffel in der Ecke.

Bane achtet auf nicht viel anderes als meinen Hintern. Der Rock, den ich trage, ist durchsichtig, und meine schwarzen Shorts sind durch den Stoff deutlich zu sehen.

»Das ist eine tolle Idee! Wo soll die Party stattfinden?« Amies Begeisterung entspricht meiner eigenen.

»Ich dachte, hier. Wir haben Unmengen Platz.«

Das reißt Bancroft aus seiner hinterngesteuerten Trance heraus. »Was ist mit Franceska?«

»Sie bleibt einfach in deinem Zimmer. Das ist kein Problem.« Franceska ist Bancrofts ängstliches Frettchen. Die Haltung von Frettchen ist im Staat New York illegal, was meinen Freund zu einem sehr heißen, tierliebenden Kriminellen macht.

»Ich weiß nicht …« Er klopft mit gerunzelter Stirn auf die Bar. Der ernste Bancroft weckt in mir den Wunsch, mich auszuziehen. Alle Seiten von Bane wecken in mir den Wunsch, mich auszuziehen, aber wenn er total finster dreinschaut und die Stirn runzelt, wünschen sich meine Geschlechtsteile Aufmerksamkeit. Ich muss wirklich meine Sexbesessenheit im Zaum halten, denn wir haben schließlich noch nicht einmal Abendessen bestellt.

»Tatsächlich wäre ein Halloweenball eine fantastische Idee. Findest du nicht auch, Bancroft?« Armstrong lässt den Scotch in seinem Glas kreisen.

»Ähm? Wahrscheinlich?« Bancroft wirkt genauso verwirrt über Armstrongs plötzliches Interesse an dem Thema wie wir.

Dass Armstrong überhaupt irgendeiner Art von Party mit Enthusiasmus zustimmt, ist Grund genug für Verwirrung. Partys zu planen ist nicht sein Ding. Die ganze Hochzeitsplanung lastet auf Amies Schultern. Nun, wenigstens war das zu Anfang so. Bis ihre und seine Mutter mit ihren vielen Ansichten, was am Besten sei, eingegriffen haben. Vor allem Armstrongs Mutter ist diejenige mit den Ansichten.

Amies Familie besitzt neues Geld und Armstrongs altes, und das bedeutet, bei ihnen herrscht ein gewisser Snobismus, was Amies gesellschaftliche Stellung betrifft. Doch nur weil ihre Familie sich nicht die letzten drei Jahrhunderte in Geldhaufen gewälzt hat, heißt das doch nicht, dass sie kein Mitspracherecht bei ihren eigenen Hochzeitsvorbereitungen hat.

Die Mütterfraktion macht Amie ziemlich verrückt. Wann immer ich in letzter Zeit die Hochzeit zur Sprache bringe, scheint sie ein Glas Wein zu brauchen, gefolgt von zwei Stunden Hot Yoga.

»Wir müssen neben der Weihnachts-Spendensammelaktion noch irgendeine Art von Wohltätigkeitsveranstaltung organisieren. Mein Vater hat angedeutet, dass es Geld gibt, das ausgegeben werden muss, und das wäre doch die perfekte Methode, das zu erledigen, meint ihr nicht auch? Es könnte eine Art Kostümball werden, damit ihr Mädchen euch verkleiden könnt.« Er deutet auf Amie und mich. »Obwohl das da sicherlich nicht angemessen ist. Wie dem auch sei« – er nimmt einen Schluck von seinem Scotch –, »wir werden eine Wohltätigkeitsorganisation aussuchen, die wir unterstützen wollen. Es muss natürlich etwas sein, das uns eine gute Publicity einträgt. Was ist im Moment angesagt? Ich dachte, ich hätte unlängst etwas über irgendeine Epidemie in einem dieser armen Länder gelesen. Dafür könnten wir Spendengelder sammeln. Alles mit Babys oder Tieren würde uns ein exzellentes Medienecho bescheren, das bis in die Weihnachtszeit reicht.«

Bei Armstrong dreht sich immer alles um die Publicity. Aber ich nehme an, da seine Familie einen der größten Medienkonzerne des Landes führt, wird ihm die öffentliche Wahrnehmung, und was die Menschen am ehesten zu Tränen rührt, immer wichtig sein.

Bane lehnt an der Bar, und obwohl das Zucken in seiner linken Wange seine Irritation verrät, sehe ich auch, dass er darüber nachdenkt, wenn auch wahrscheinlich aus ganz anderen Gründen. Er ist in der Lage, etwas aus der geschäftlichen und der PR-Perspektive zu betrachten, ohne dass sich bei ihm immer alles nur um das öffentliche Image dreht. Bancrofts Uneigennützigkeit ist der Grund, warum ich jetzt bei ihm wohne.

Bevor er angefangen hat, für seinen Vater zu arbeiten, war Bancroft Profisportler. Die Familie Mills hat eine lange Ahnenreihe von Hotelmagnaten.

Ich bin so auf Bane konzentriert, dass ich anscheinend einen Teil der Unterhaltung verpasst habe.

»Wo denkst du, wäre ein guter Ort, um einen Halloweenball zu veranstalten?«, fragt Amie.

Ich nehme an, wenn man ein Event daraus macht, kann er nicht hier stattfinden, worauf ich eigentlich gehofft hatte. Wenn es eine kleine Party wäre, so wie ich es mir vorgestellt hatte, wäre das eine Sache, aber ein Ball bedeutet Hunderte von Gästen. Ich klopfe auf die Bar, womit ich Armstrong erschrecke. »Was ist mit einem der New Yorker Hotels?«

Bancroft sieht mich an. In seinen sexy Augen steht der Ausdruck des Verlangens. Ich bin mir nicht sicher, ob es das Kostüm ist oder meine tolle Idee, die ihn so heiß auf mich machen, aber so oder so habe ich vor, das später auszunutzen. »Das Concord.«

»Oh mein Gott, ja.« Vielleicht stöhne ich die Worte sogar. Dieses Hotel ist atemberaubend. Die Zimmer luxuriös, der Service im Wellnessbereich unvergleichlich. Ich räuspere mich in der Hoffnung, dass es meine Reaktion weniger peinlich macht. »Der Inception-Ballsaal wäre perfekt, nicht wahr?«

»Ja, da hast du recht.« Er nickt zustimmend.

Der Inception-Ballsaal ist altmodisch, mit weinroten Samtvorhängen, schwarzen Teppichen und goldenen Akzenten. Sehr draculamäßig. Der perfekte Ort für eine Halloween-Soirée.

»Und wir könnten dort übernachten.«

»In der Penthouse-Etage.« Bancrofts Grinsen ist voller schmutziger Versprechen. Die Zimmer dort sind unglaublich. Whirlpools, Duschen, die bequem Platz für ein Dutzend Personen bieten, riesige Himmelbetten, ein abgetrenntes Wohnzimmer mit einer großen Couch, jede Menge Annehmlichkeiten. Ich bin noch nie dort abgestiegen, weil wir in New York leben, aber das wäre die perfekte Gelegenheit dazu.