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Manchmal muss man einen Neuanfang wagen. Das denkt auch Fine, als sie kurz vor Weihnachten ihre Heimat und ihren sicheren Job als Anwältin hinter sich lässt. Der Plan: in London ihren Traum von einer eigenen Konditorei leben und sich nur darauf konzentrieren. Doch schon am ersten Abend begegnet sie einem Mann, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Fine ist verwirrt über die Anziehung, die er auf sie ausübt, und schon bald scheint sie mit ihm ein echtes Weihnachtswunder zu erleben. Allerdings ist Henry nicht irgendein Mann. Er ist der zukünftige Duke von Westminster und bekannter Herzensbrecher …
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Copyright © 2021 by Bettina Pfeiffer, Wiener Straße 25/1 2500 Baden – Österreich www.bepfeiffer.com [email protected]
Umschlaggestaltung: Juliane Buser
Lektorat: Diana Steigerwald
Korrektorat: Marie Niebler
Satz: Bettina Pfeiffer
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Erstellt mit Vellum
Für alle, die noch an Weihnachtswunder glauben. Hört niemals auf zu träumen.
1. Kapitel 1 - Fine
2. Kapitel 2 - Henry
3. Kapitel 3 - Fine
4. Kapitel 4 - Henry
5. Kapitel 5 - Fine
6. Kapitel 6 - Henry
7. Cakepops - Grundrezept
8. Kapitel 7 - Fine
9. Kapitel 8 - Henry
10. Kapitel 9 - Fine
11. Bratapfel Cupcakes - Rezept
12. Kapitel 10 - Henry
13. Kapitel 11 - Fine
14. Kapitel 12 - Henry
15. Kapitel 13 - Fine
16. Kapitel 14 - Henry
17. Kapitel 15 - Fine
18. Kapitel 16 - Henry
19. Kapitel 17 - Fine
20. Crème brûlée - Rezept
21. Kapitel 18 - Henry
22. Kapitel 19 - Fine
23. Kapitel 20 - Henry
24. Kapitel 21 - Fine
25. Kapitel 22 - Henry
26. Kapitel 23 - Fine
27. Kapitel 24 - Henry
28. Kapitel 25 - Fine
29. Kapitel 26 - Henry
Epilog - Fine
Henrys Brief
Kleine Bonusgeschichte gefällig?
Danksagung
Über den Autor
Weitere Bücher
Ich fand leere Bahnhöfe schon immer gespenstisch. Aber dass ich einmal fast die einzige Person in der Paddington Station sein würde, hätte ich nie erwartet. Diese Tatsache lässt mich innerlich zittern. Wieso habe ich noch gleich darauf verzichtet, ein Taxi direkt von Heathrow zu meinem neuen Zuhause zu nehmen? Ach ja … Weil ich keine Touristin sein, sondern mich wie eine echte Londonerin durchschlagen wollte.
Außerdem bin ich es gewohnt, spät nachts an irgendwelchen Flughäfen oder Bahnhöfen anzukommen und alleine ein Hotel aufzusuchen. Allerdings ist das Teil meines alten Lebens. Ein Leben, dessen Reste ich in einen extragroßen Samsonite-Koffer gepackt habe. Was sagt das über mich und mein bisheriges Dasein aus?
Gut, ich habe zwanzig Kilo Übergepäck zahlen müssen. Trotzdem hat alles in den Koffer mit hundertzwanzig Liter Fassungsvermögen gepasst, der sich in etwa so leicht durch die leere Ankunftshalle des Bahnhofs ziehen lässt wie ein bockiges Schaf. Aber das habe ich mir selbst eingebrockt und da muss ich jetzt durch.
Meine zielsicheren Schritte hallen ebenso von den Wänden wie das Knirschen der Räder auf dem Steinboden. Der Ausgang ist farblich markiert, also leicht zu finden. Wenn auch noch ein Taxi dort steht, das mich nach Hause bringt, führe ich einen Siegestanz auf.
Doch das Universum will wohl nicht, dass ich tanze – was streng genommen eine Erleichterung für mich ist, weil ich wirklich kein Talent dafür habe. Nicht ein Auto steht vor den Türen des Bahnhofs.
»Toll«, brumme ich und ziehe mein Handy aus der Manteltasche.
Seit ich gelandet bin, habe ich keinen Empfang. Ich kann also niemanden anrufen und somit auch nicht meinen Cousin per Telefon anflehen, mich doch abzuholen, obwohl ich behauptet habe, ich käme alleine klar. Nun stehe ich also hier, vollkommen verloren und … Moment, sind das Scheinwerfer?
Als hätte das Schicksal doch ein Einsehen mit mir, erscheint das schönste Gefährt der Welt. Gut, das liegt vermutlich an meiner Freude darüber, nicht zu Fuß bei Regen durch das nächtliche London laufen zu müssen. Denn das Auto ist ziemlich sicher älter als ich und es wundert mich, dass es keine Dampfwolke ausstößt, als es stehen bleibt.
Aber Taxi ist Taxi, also gehe ich darauf zu, greife nach der Klinke der hinteren Tür und sauge scharf Luft ein, als jemand seine Hand über meine legt. Mit angehaltenem Atem drehe ich den Kopf zur Seite und schaue in die ungewöhnlichsten Augen, die ich jemals gesehen habe. Es mag am Licht liegen, doch ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob sie grün oder braun sind.
»Entschuldigung, haben Sie ebenfalls ein Taxi gerufen?«, fragt der Mann höflich, der über einen Kopf größer ist als ich. Gleichzeitig ist seine Miene so finster, als wollte er mich mit einem Knurren verscheuchen. Ich frage mich, wo er hergekommen ist. Bisher ist mir seine Anwesenheit nämlich nicht aufgefallen.
»Ich … oh«, stammle ich und suche nach den richtigen Worten.
Dabei starre ich den Fremden an, dessen dunkelbraunes Haar einen leichten Rotstich zu haben scheint und der so breite Schultern besitzt, als wäre er Profifootballer. Mal ehrlich, wer hätte gedacht, dass ich an der Paddington Station einem so gut aussehenden Kerl begegnen würde? Irgendwie muss ich bei ihm an Mr Darcy aus »Stolz und Vorurteil« denken. Der wirkt auch ziemlich abweisend, ist aber der perfekte Mann.
Ich räuspere mich, als mir klar wird, dass ich mein Gegenüber jetzt schon gefühlte zehn Minuten – vermutlich sabbernd – angehimmelt habe.
»Ich habe kein Taxi gerufen«, erwidere ich mit so fester Stimme wie möglich.
Trotzdem lasse ich den Griff nicht los und er lässt seine Hand auf meiner liegen. Allerdings hebt er eine Augenbraue.
»Sie sind nicht von hier«, meint er und ich könnte schwören, dass seine Stimme einen verächtlichen Tonfall angenommen hat. »Sind Sie Deutsche?«
Okay, Englisch ist nicht meine Muttersprache, aber ich wurde sehr gut darin ausgebildet. Außerdem stammte meine Großmutter aus England, weswegen ich die Sprache nahezu perfekt beherrsche. Dass dieser Kerl mich nach wenigen Worten entlarvt hat, wurmt mich. Darüber tröstet auch sein Aussehen und die Vorstellung von ihm als Mr Darcy nicht hinweg.
»Österreicherin«, entgegne ich frostig.
Wenn er mir jetzt sagt, das sei dasselbe, drehe ich durch.
»Ah«, macht er nur und löst seinen bohrenden Blick endlich von meinem Gesicht. »Sie reisen zu ziemlich später Stunde.«
»Mein Flugzeug hatte technische Schwierigkeiten und wir mussten auf Ersatz warten«, schwafle ich los und kann mich gerade noch abhalten, ihm meine ganze Geschichte zu erzählen. Er sieht nämlich nicht so aus, als wäre er daran besonders interessiert. Schnell räuspere ich mich und komme zum Ende. »Jedenfalls bin ich deswegen so spät hier. Und mein Handy hat keinen Empfang.«
Als Beweis ziehe ich das Handy heraus und halte es ihm hin. Natürlich kann er nichts darauf erkennen, aber ich fühle mich besser, weil ich damit die Wahrheit meiner Worte unterstreiche.
Immer noch halten wir beide den Türgriff fest. Es wundert mich, dass der Fahrer noch nicht ausgestiegen ist und uns fragt, was los ist. Aber vielleicht hält er sich einfach nur heraus, damit er nicht in Schwierigkeiten gerät.
Der Fremde blickt auf meinen Koffer, dann sieht er wieder mich an. »Geben Sie mir Ihr Gepäck.«
»Was?«, bringe ich atemlos hervor.
Er sieht nicht wie jemand aus, der auf Taschendiebstahl spezialisiert ist. Der Mantel wirkt zu teuer, seine Haare zu gepflegt. Außerdem wäre es doch lohnender, mir die Handtasche zu klauen oder den Rucksack, den ich ebenfalls bei mir habe. Schließlich habe ich da wohl eher Geld eingepackt als in einem tonnenschweren Koffer, der für eine schnelle Flucht ungeeignet ist.
»Ich sagte, geben Sie mir Ihr Gepäck. Es sieht schwer aus und der Anstand gebietet es mir, Ihnen damit zu helfen, bevor Sie einsteigen«, erklärt er und wirkt noch arroganter als vorhin schon.
»Heißt das, ich kann das Taxi haben?«, frage ich verwirrt.
»Liebe Güte«, brummt er und der Klang ist irgendwie verdammt sexy. Gott, meine Gedankensprünge sind heute wieder fantastisch. »Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, Sie hier stehen zu lassen. Falls ich morgen die Zeitung aufschlage und irgendwo steht, dass eine Touristin an der Paddington Station ermordet wurde, wird mich das für den Rest meines Lebens verfolgen.«
Ich blinzle und weiß nicht, wie ich reagieren soll. In meinem alten Job habe ich knallharte Verhandlungen mit Männern aus Osteuropa geführt, die mich anfangs nicht für voll nahmen, weil ich eine Frau bin. Und jetzt fehlen mir die Worte bei einem arroganten, wenn auch wirklich eleganten, Engländer, der mir seine Hilfe anbietet. In herablassendem Tonfall. Aber immerhin rettet er mich mehr oder weniger aus höchster Not. Wie ein Ritter. Hach.
»Sagen Sie mir, wo Sie hinmüssen?«, will er wissen und deutet mit seiner freien Hand auf den Koffer.
»In die Oxford Street«, murmle ich.
»Interessant«, sagt er. »Dann ist es ja kein großer Umweg, wenn ich Sie in meinem Taxi mitnehme.«
»Wie bitte?«, frage ich viel zu laut.
Da wandert sie wieder hoch, seine Augenbraue. Was verdammt sexy und furchteinflößend zugleich aussieht. »Dachten Sie, ich bleibe hier stehen und warte auf das nächste Taxi?« Er schüttelt den Kopf. »Wir haben zum Glück einen sehr ähnlichen Weg. Also verliere ich nicht noch mehr Zeit, als Sie mich ohnehin schon gekostet haben, und tue ein gutes Werk.«
Alles klar, er ist also ein kalter britischer Fisch mit Retterkomplex und Mr-Darcy-Optik. Na, mir soll es recht sein.
»Dann … danke«, brumme ich und schiebe ihm meinen Koffer hinüber.
Dieses Londoner Taxi besitzt leider keinen Kofferraum, also öffne ich die Tür und der Fremde hievt scheinbar mühelos meinen Koffer ins Innere. Dann tritt er auf den Bordstein heraus und hält mir tatsächlich die Hand hin. Ich bin so perplex, dass ich sie ergreife und einsteige.
Nachdem auch der Möchtegernretter Platz genommen und die Tür geschlossen hat, nennt er dem Fahrer die Oxford Street und sieht mich erwartungsvoll an.
»Haben Sie auch eine Nummer?«, will er wissen.
Einen Moment frage ich mich, ob er meine Telefonnummer meint, dann verstehe ich und räuspere mich. Ich bleibe besser einsilbig, sonst schwafle ich ihn noch voll und er sieht mich noch genervter an als ohnehin schon. »Zweihundertzwölf.«
Wieder wandert die Augenbraue hoch, dann nennt er dem Fahrer die Zahl und der Wagen rollt endlich los.
Innerlich verwünsche ich mein Handy, das auch nach mehrmaligem Ein- und Ausschalten keinen Empfang zustande bringt. Denn in dem Licht hier ist es zu dunkel, um zu lesen, und ich kann mich nicht wirklich anderweitig beschäftigen. Der Fremde hat ebenfalls sein Handy aus der Manteltasche gezogen und tippt darauf herum. Damit ich ihn nicht anstarre, blicke ich aus dem Fenster. Sonst fange ich vielleicht doch noch an zu sabbern. Lieber die Umgebung bewundern als den Mann neben mir.
Es ist Ende November, kurz vor dem ersten Advent, und die meisten größeren Straßen sind bereits weihnachtlich geschmückt. Ich habe Weihnachten immer gemocht, aber im Moment bin ich nicht in der richtigen Stimmung. Seit meiner Ankunft am Flughafen zweifle ich daran, ob es wirklich klug war, mein altes Leben hinter mir zu lassen. Hätte mich heute Morgen jemand danach gefragt, wäre die Antwort Ja gewesen. Aber jetzt, nach all den Katastrophen auf dem Weg hierher, bin ich mir nicht mehr so sicher.
Genervt wende ich den Blick vom Fenster ab und betrachte meinen Sitznachbarn. Die Augen kann ich immer noch nicht eindeutig einer Farbe zuordnen, genauso wie seine Haare. Aber das Gesicht sieht aus, als hätte Michelangelo es aus Stein gemeißelt. Markante Wangenknochen, ein nobles Kinn, die Nase gerade und nicht zu groß oder zu klein. Die breiten Schultern unter dem schwarzen Kurzmantel lassen meine Fantasie auflodern. Vermutlich trainiert er, zumindest ist seine Haltung tadellos.
Verflucht, wieso kann ich meinen Blick nicht von ihm losreißen? Von Männern habe ich doch genug und will nichts mit ihnen zu tun haben. Genau genommen ist mein Ex sogar der Grund, warum ich meinem alten, vermeintlich perfekten Leben entflohen bin. Da muss ich mich nicht Hals über Kopf in das nächste Chaos stürzen, nur weil meine Hormone mit mir durchgehen.
Bevor der Mann bemerkt, dass ich ihn anstarre, sehe ich zu seinen Händen mit den langen, feingliedrigen Fingern. Zumindest kann ich keinen Ring entdecken.
Gedanklich schlage ich mir an die Stirn. Was würde das ändern? Er ist ein Fremder, der – trotz seiner Arroganz – so nett war, sein Taxi mit mir zu teilen. Nicht mehr, nicht weniger. Weil ich das nicht zulassen werde. Dann fällt mein Blick wieder in sein Gesicht und gleitet zu seinen Lippen. Die sehen genauso perfekt aus wie der Rest von ihm. Sicher küsst er auch perfekt damit. Ich muss aufhören, daran zu denken.
Seufzend wende ich mich ab und sehe wieder aus dem Fenster. Das ist es also, mein neues Zuhause. Ich frage mich, wann es sich auch danach anfühlen wird.
Das Auto kommt zum Stillstand und der Taxameter zeigt eine Summe an, die an Halsabschneiderei grenzt. Trotzdem krame ich nach meinem Portemonnaie, doch mein Retter legt eine Hand auf meine und streckt dem Fahrer eine schwarze Kreditkarte hin.
»Lassen Sie mich wenigstens die Hälfte bezahlen«, sage ich und will weiter nach meiner Geldbörse suchen.
»Ich kann die Kosten absetzen«, erklärt Mr Brit-Fish. »Außerdem wohne ich auch hier in der Nähe.«
Er nimmt die Quittung entgegen, öffnet die Tür und steigt vor mir aus. Dann bietet er mir seine Hand an.
»Den Koffer hole ich gleich«, verspricht er, als ich unschlüssig zwischen ihm und meinem Gepäck hin- und hersehe.
Wieder ergreife ich seine warme Hand und steige so elegant wie möglich aus. Ich schultere meinen Rucksack, während er den Koffer herauszieht, dem Fahrer einen schönen Abend wünscht und dann die Tür zuwirft.
Geräuschvoll verschwindet das Auto und wir stehen alleine auf dem Bürgersteig. Der Fremde schiebt mir den Koffer zu und ich ringe schon wieder nach Worten. Der Regen hat zwar nachgelassen, aber es dauert nicht lange, bis mein Mantel sich nass anfühlt.
»Dann … danke, dass Sie mich mitgenommen haben«, bringe ich irgendwie heraus. »Auch für den Koffer. Der ist ziemlich schwer und es wäre mir vermutlich schwergefallen, ihn selbst in das Auto zu hieven. Sonst reise ich ja eher mit leichtem Gepäck, aber diesmal ist alles anders und …« Ich unterbreche mich, weil ich sonst wieder in einen Redeschwall komme. Das passiert mir ständig, wenn ich nervös bin. Also räuspere ich mich. »Jedenfalls … war das sehr nett von Ihnen. Alles.«
Er schweigt und betrachtet mich. Wartet er auf etwas?
Regentropfen sammeln sich in seinen Haaren und er schiebt die Hände in die Manteltaschen. »Sie sollten nicht zu lange hier draußen bleiben«, erklärt er. »Die Gegend mag nicht gefährlich sein, aber man weiß nie.«
»Ehm … danke«, stammle ich.
Ich bin ein wenig überrascht, dass er sich tatsächlich um mich Gedanken macht, statt einfach zu gehen. Als mir klar wird, dass ich ihn schon wieder anstarre, räuspere ich mich und suche nach dem Schlüssel in meiner Tasche.
Die Wohnung, die ich mir mit meinem Cousin teilen werde, gehört uns beiden. Na ja, unsere Großmutter hat sie uns vererbt und ich bin froh, dass ich den Schlüssel nie hergegeben habe.
Nachdem ich ihn gefunden habe, halte ich ihn fest und drehe meinen Kopf zu dem Eingang, den ich gut kenne. Ich habe früher fast jeden Sommer hier verbracht …
»Dann noch einmal danke«, sage ich verlegen. »Kommen Sie gut heim.«
Er nickt nur und bleibt stehen, obwohl ich mich in Bewegung setze. Erst als ich den Schlüssel ins Schloss schiebe, geht er los. Einen Moment blicke ich ihm nach, betrachte die breiten Schultern und den aufrechten Gang. Wenn er nicht so kühl wäre … Nein, nein, Fine. Du wirst den Kerl nie wiedersehen, also überleg gar nicht erst, wie sexy er wirkt, sondern halte dir vor Augen, dass er ein kalter britischer Fisch ist. Damit kommst du besser klar und vergisst ihn so schnell, wie er dich vergessen wird.
Schnaubend öffne ich die Tür und schalte das Licht im Flur an. Das Haus ist alt und besitzt keinen Lift. Gut, es gibt nur zwei Etagen, trotzdem muss ich den Koffer in den obersten Stock schleppen.
Ächzend hieve ich das Teil Stufe um Stufe hoch. Als ich vor der Wohnungstür ankomme, bin ich schweißgebadet. Sport habe ich damit wohl für die nächsten drei Wochen hinter mich gebracht.
Unter dem Holz dringt Licht hindurch und laute Musik. Also klingle ich, falls mein Cousin gerade Besuch hat. Als ich nichts höre, schiebe ich den Schlüssel ins Schloss und will öffnen. In dem Moment wird die Tür aufgerissen und ich kippe nach vorne.
»Was für eine stürmische Begrüßung«, keucht Mark, der mich auffängt und wieder auf die Beine stellt. »Himmel, siehst du verschwitzt aus. Bist du zu Fuß hergelaufen?«
»Es regnet draußen«, erkläre ich und grinse. »Und nein, ich schwitze nur, weil ich den Koffer hochgeschleppt habe.«
Mein Cousin verzieht das Gesicht. Wenn es etwas gibt, das Mark nicht mag, dann ist es Schweiß. Trotzdem betreibt er eine angesagte Bäckerei hier in der Oxford Street. Und genau dort werde ich ab jetzt arbeiten, auch wenn ich keine ausgebildete Konditorin bin, sondern nur ein paar Kurse besucht habe. Backen ist schon immer meine Leidenschaft gewesen.
»Schätzchen, du hättest anrufen können«, meint Mark, umarmt mich und schiebt mich dann in die Wohnung. »Zieh die Schuhe aus, ich habe gerade gewischt.«
»Immer noch einen Putzfimmel, hm?«, sage ich schmunzelnd und bin froh, aus meinen nassen Sneakers zu schlüpfen.
»Ordnung ist das halbe Leben und man weiß nie, ob Mr Perfect nicht eines Tages vor der Tür steht, aber umdreht, weil die Wohnung ein Schlachtfeld ist«, erklärt Mark tadelnd.
Er reibt tatsächlich die Räder meines Koffers mit einem Tuch ab, bevor er ihn weiterschiebt. Mein Cousin ist wirklich ein Putzteufel. Seinen Mr Perfect hat er bisher noch nicht gefunden, aber das liegt sicher nicht an irgendeiner Unordnung.
»Komm, ich habe dein Bett bezogen. Du kannst dich gleich schlafen legen. Oder …« Er zwinkert und deutet auf den offenen Wohnbereich.
Im Kamin brennt ein Feuer, auf dem Couchtisch stehen eine Flasche Whiskey und zwei Gläser.
»Ich liebe dich, das weißt du«, sage ich erleichtert.
»Klar, auf eine platonische Art liebe ich dich auch«, erwidert er. »Auch wenn du das falsche Geschlecht für mich hast.«
»Es wäre ohnehin platonisch, wir sind zu nahe verwandt«, erkläre ich mit einem Augenrollen.
»Ach«, er macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bringe den Koffer an seinen Platz und dann öffnen wir die Flasche und reden.«
Bevor ich etwas sagen kann, ist Mark schon auf dem Weg in das Zimmer, das ab jetzt meines sein soll. Als Kind habe ich bereits dort geschlafen, allerdings war es damals wie ein Hotel für mich und kein Zuhause. Grandma ist mit mir hergeflogen, wenn Sommerferien waren, weil sie ihre alte Heimat vermisste. Meistens war Mark dann auch hier in der Wohnung, die viele Jahre leer stand und nur als Feriendomizil fungierte. Daher haben mein Cousin und ich eigentlich schon immer ein recht enges Verhältnis zueinander.
Trotzdem fühlt es sich seltsam an, hier zu sein, und ich frage mich einmal mehr, ob ich mich richtig entschieden habe. War es klug, meine Karriere als Anwältin aufzugeben, um einem Traum nachzujagen? Immerhin bin ich Anfang dreißig und war kurz davor, einen Sprung in die Führungsebene der Kanzlei zu machen.
Aber etwas hat sich nie stimmig angefühlt, während ich dort gearbeitet habe. Genauso wie meine Beziehung zu Dominik sich immer seltsam angefühlt hat. Und damit hatte ich ja auch recht, wie ich jetzt weiß.
»Irgendwann bleibt die steile Falte auf deiner Stirn«, reißt Mark mich aus meinen Gedanken und reibt mit seinem Finger die Haut glatt. »Wieso hast du dich noch nicht um den Whiskey gekümmert?«
»Entschuldige, ich bin …«, beginne ich und schlucke, weil meine Stimme zu brechen droht.
»Ach, Darling«, murmelt Mark und bevor ich weiß, was los ist, zieht er mich in seine Arme. »Du warst so mutig. Warum lässt du dich jetzt von Ängsten überrollen?«
»Ich weiß nicht«, nuschle ich an seinem T-Shirt.
Dabei weiß ich es sehr genau. Meine Eltern haben klar gesagt, was sie von meiner Idee halten, nicht mehr als Anwältin zu arbeiten. Dass ich auch noch Konditorin sein will, haben sie erst recht nicht verstanden. Und wenn Mark keine Bäckerei besitzen würde, hätte ich mich vielleicht nie getraut, es zu versuchen.
Mark hat mich ermutigt und dafür bin ich ihm dankbar. Er scheint der Einzige in der Familie zu sein, der mich versteht.
»Komm, kein Alkohol ist auch keine Lösung«, meint Mark leichthin, zieht mich zum Sofa und drückt mich in die weiche Polsterung. Dann macht er sich am Verschluss der Whiskeyflasche zu schaffen.
»Was, wenn ich vollkommen versage?«, spreche ich meine Ängste aus, während er die Gläser viel zu voll füllt.
»Unsinn«, meint er und hält mir eines hin. »Du hast doch mich. Reich wird man mit einer Bäckerei zwar nicht, aber man kann ganz gut davon leben. Vor allem wenn man keine Miete zahlt, weil man eine Großmutter hatte, die einem ein so schönes Appartement hinterlassen hat. Das ich zwar mit dir teilen muss, aber du hast mir noch nie etwas für die Nutzung berechnet und jetzt wohnst du ja auch hier.«
»Und dann sind da noch die Einnahmen durch die restlichen Bewohner«, werfe ich ein.
Uns gehört nämlich nicht nur diese Wohnung, sondern auch alle anderen in dem Gebäude, und die Mietpreise in London sind unverschämt.
»Ja, die auch«, gesteht er grinsend. »Also, keine Sorge. Wir werden vermutlich nie verhungern, weil wir Vorräte in der Konditorei haben und fixe Einnahmen durch dieses Haus.«
Mark hebt mir sein Glas entgegen und ich ringe mir ein Lächeln ab, bevor ich mit ihm anstoße. Ja, der Start in mein neues Leben ist ziemlich gut abgesichert. Trotzdem frage ich mich, wie es mit mir weitergehen wird. Und während ich mir meine Zukunft ausmale, taucht das kantige Gesicht des Fremden in meinen Gedanken auf, obwohl ich es nicht will. Diese Augen haben es mir angetan und dann die Lippen …
Ob ich ihm wohl jemals wieder über den Weg laufen werde? Vermutlich nicht. Und das ist auch besser so.
Wie Schokolade, so sahen sie aus, schießt es mir durch den Kopf und ich stöhne, weil ich den Absatz im Vertrag erneut von vorne lesen muss.
Die Augen der Frau gestern haben mich so in ihren Bann gezogen, dass ich seit dem Aufstehen darüber nachdenke, welche Farbe sie besitzen. Dabei ist sie noch nicht einmal mein Typ. Ihre dunklen Haare waren businessmäßig aufgesteckt, ihre Kleidung eher leger und irgendwie hat sie auf mich wie ein verirrter Welpe gewirkt. Deswegen konnte ich sie nicht am Bahnhof stehen lassen und habe gewartet, bis sie tatsächlich zu einer Haustür gegangen ist, in die ihr Schlüssel gepasst hat.
Ich war skeptisch, weil sie nicht in einem Hotel abgestiegen ist, aber wie es scheint, kennt sie jemanden hier.
Mit einem weiteren Stöhnen werfe ich den Vertrag auf den Tisch und reibe mit den Fingern über meine Nasenwurzel. Wieso mache ich mir eigentlich Gedanken wegen so etwas?
Es ist ja nicht so, als würde ich sie wiedersehen wollen. Auch wenn sie in der Nähe wohnt und mir nicht aus dem Kopf geht, habe ich mehr als genug andere Probleme, die wichtiger sind. Da wäre mein Termin in einer Stunde, bei dem ich eine außergerichtliche Einigung in einem Scheidungsfall erzielen will. Ich habe nämlich keine Lust, vor Gericht zu gehen, weil der Ex-Mann meiner Mandantin ein Arschloch ist und sie bluten lassen will. Vor Gericht wartet außerdem immer die Presse auf mich und diese Aasgeier sind heiß auf Informationen, seit ich mich von meiner Verlobten Cecile getrennt habe. Obwohl sie diejenige war, die fremdgegangen ist, schafft sie es, sich als Opfer darzustellen. Und natürlich will jeder die neue Frau an meiner Seite als Erstes ablichten, sobald es eine gibt, und mir unangebrachte Fragen zu meinem Privatleben stellen. Wie ich es hasse.
Ich will nicht vor Gericht, aber konzentrieren kann ich mich gerade auch nicht. Als mein Telefon läutet und der Name meiner Sekretärin aufleuchtet, bin ich einen Moment erleichtert.
»Was gibt es, Margy?«, frage ich, als ich abhebe.
Einen Atemzug schweigt sie, dann schnalzt sie mit der Zunge. »Da ist aber jemand übel gelaunt.«
Margy ist die einzige Person, der ich es durchgehen lasse, so mit mir zu sprechen. Sie steht kurz vor der Pensionierung und ist die liebenswürdigste Frau, die ich kenne. Außerdem ist sie die Einzige, die es schafft, meine ohnehin konfusen Termine unter Kontrolle zu halten und Bittsteller sowie Presseleute, die sich als Mandanten ausgeben, abzuwimmeln.
»Soll ich Ihnen einen Tee machen, Sir?«, fragt sie zuvorkommend.
»Sofern Sie ihn diesmal nicht mit Gin strecken«, erwidere ich.
»Aber Sir, das mache ich nicht, wenn Sie einen Termin mit einem gegnerischen Anwalt haben«, sagt sie entrüstet und mir entschlüpft ein Lächeln. »Nur wenn Ihre Tante anruft. Also … Eigentlich müsste ich Ihnen doch einen Tee mit Gin bringen.«
Ich stütze meine Stirn mit einer Hand und schließe einen Moment die Augen. »Was will Louisa?«
In Wahrheit ist sie nicht meine Tante. Sie ist die Schwester meines Großvaters, hat sich aber immer um mich gekümmert. Allerdings spielt sie in letzter Zeit zu oft mein Gewissen, erinnert mich an das Erbe, das ich irgendwann antreten muss, obwohl ich es nicht will. Weil ich das Leben, das ich jetzt führe, will. Ich möchte Anwalt für Familienrecht sein.
Seit jenem Tag, an dem Louisa vor meinem Studentenzimmer stand und mir mit tränenbenetztem Gesicht gesagt hat, dass ich mit ihr kommen solle, ist alles anders und das Leben, in dem ich nur Anwalt bin, befristet.
»Ms Cuttington ersucht Sie, mindestens zehn der Termine wahrzunehmen, die sie ausgewählt hat«, erklärt Margy. »Ich habe sie Ihnen gerade geschickt.«
Eine Mail poppt auf und ich sehe mir die Liste an. »Zehn von zwölf«, brumme ich.
»Ja, Sir«, erwidert sie kleinlaut. »Außerdem sind jene markiert, die Ihre Tante bereits bestätigt hat. An denen müssen Sie zugegen sein.«
Ich verziehe den Mund, weil das bereits sieben sind. »Wie viel Verhandlungsspielraum habe ich?«, will ich wissen.
»Gar keinen, Sir«, antwortet Margy. »Ihre Tante sagte klar, dass zehn Termine bereits ein Kompromiss sind.«
Ich weiß, dass Margy versucht hat, Louisa herunterzuhandeln. Margy mag nicht so aussehen, aber sie ist knallhart, wenn es darum geht, mir den Rücken freizuhalten. Vermutlich hat sie ewig mit meiner Tante diskutiert, um diesen Kompromiss zu erreichen.
»Schön, ich wähle die Termine aus und schicke sie Ihnen zurück«, brumme ich, weil mir wohl keine Wahl bleibt. »Noch etwas?«
»Nein, Sir. Ich bringe dann Ihren Tee.«
»Danke, Margy.«
Nachdem wir aufgelegt haben, gehe ich die Liste in Ruhe durch. Fest ausgewählt sind bereits Eröffnungen von Kunstgalerien und die eines neuen Krankenhausflügels, den meine Familie finanziert hat. Andere Dinge, zum Beispiel ein Charitylauf oder der Besuch einer Aufführung des Kinderballetts, sind noch frei. Aber alles wird von uns unterstützt. Was ich einmal mache, wenn Louisa mir nicht mehr helfen kann und ich Verantwortung für ein ganzes Herzogtum trage, weiß ich nicht. Sie hat das Organisatorische schon für meinen Großvater gemanagt, seit meine Großmutter verstorben ist. Und da mein Großvater immer mehr von seinen Verpflichtungen zurücktreten muss, bindet sie mich stärker ein.
Ich schicke Margy die ausgewählten Termine zurück und kurz darauf sind sie bereits in meinem Kalender eingepflegt. Einige überschneiden sich mit Mandantengesprächen, aber ich bin sicher, Margy kümmert sich darum, wie sie es immer tut.
Mein Blick wandert auf den Vertrag vor mir und ich schiebe ihn fort. Zuerst lenken mich die Augen einer Frau ab, die ich nicht wirklich kenne, und dann meine Großtante mit diesen Dingen, die ich so hasse.
Den Atem ausstoßend stehe ich auf und trete ans Fenster. Die Oxford Street ist heute ziemlich belebt, was mich nicht wundert. In etwas weniger als einem Monat ist Weihnachten und die Leute rennen herum, um ihr Geld auszugeben. Mir kann dieses Fest gestohlen bleiben. Seit Jahren ist es nur eine lästige Pflicht und bald wird es ohnehin niemanden mehr geben, mit dem ich feiern will.
Als mein Handy surrt, ziehe ich es aus der Hosentasche und drücke den Anruf weg. Wie jeden Tag versucht Cecile, mich anzurufen. Ich weiß nicht, ob sie sich Hoffnungen macht, weil Louisa sie dazu anhält, mich nicht aufzugeben, oder ob sie einfach noch Gefühle für mich hegt. Was mich betrifft, ist die Zuneigung, die ich einmal für sie empfunden habe, in dem Moment erloschen, als ich sie mit einem anderen Mann in meinem Bett erwischt habe. Wobei diese Beziehung in meinen Augen ohnehin nur aus Vernunft entstanden ist.
Das ist eigentlich eine gute Basis für eine Ehe, würde man meinen. Vernunft, Zuneigung und Freundschaft. Aber wenn das Vertrauen fehlt … Tja.
Wieder wandern meine Gedanken zu der Frau von gestern. Vielleicht fasziniert sie mich so, weil sie nicht wusste, wer ich bin. Mich nicht anders behandelte, weil sie sich etwas erhofft hat. Sie war einfach ehrlich und das ist eine Eigenschaft, die nur die wenigsten Menschen in meinem Umfeld besitzen. Margy etwa. Und deswegen ist sie meine engste Vertraute und Verbündete.
Es klopft und meine Assistentin tritt ein. »Ihr Tee, Sir«, sagt sie und stellt die Tasse auf dem Schreibtisch ab.
Zumindest nehme ich das an, weil ich mich nicht zu ihr umdrehe. »Danke.«
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein«, antworte ich. »Danke.«
Margy verlässt den Raum und ich ertappe mich dabei, wie ich meinen Blick über die Menschen schweifen lasse und nach dem hellbraunen Trenchcoat Ausschau halte, den die Unbekannte gestern trug. Was lächerlich ist. Diesen Mantel gibt es bestimmt Tausende Male und trotzdem kann ich mich nicht abwenden.
»Das wird kein gutes Ende nehmen«, murmle ich und kehre an meinen Tisch zurück, um mich noch einmal an den Vertrag zu setzen.
Es ist immer ein seltsames Gefühl, zu seinem neuen Arbeitsplatz zu gehen.