Klimaspuren der Bäume - Burghart Schmidt - E-Book

Klimaspuren der Bäume E-Book

Burghart Schmidt

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Beschreibung

Die Breite der Jahrringe eines Baumes wird größtenteils durch die jährlich unterschiedliche Witterung bestimmt. Daher sind die Ringbreiten Ausdruck des lokalen und regionalen Klimageschehens – sind mithin Klimaindikatoren. Die Autoren des vorliegenden Buches entdeckten in den Jahrringen der Bäume in Skandinavien und auch in Spanien Wuchsmuster, bei deren Überprüfung auf ihre regionale Gültigkeit wider Erwarten sehr ähnliche Verläufe erkannt wurden. Mittels neuartiger Korrelationsverfahren wurden aus den Jahrringbreiten weiterer Bäume verschiedenster Regionen dieser Erde Muster errechnet, die eine erstaunlich hohe Übereinstimmung auch zwischen Europa, Amerika, Asien und Neuseeland aufweisen. Dies deutet auf einen global wirkenden klimatischen Zusammenhang hin. Die Wuchsmuster sind in einer Kurve über 8000 Jahre zurück erfasst. Die neuen Analysen, Homogenitäts- und Mobilitätsindex genannt, zeigen nun auch Übereinstimmungen der Baumringdaten mit Temperaturkurven und Niederschlagswerten sowie Sonnenfleckendaten. Auf der Suche nach den Ursachen fanden Schmidt und Gruhle die Strahlungsschwankungen der Sonne als Taktgeber. Derzeit ist anhand der reduzierten Sonnenflecken eher eine schwächere Sonnenaktivität festzustellen. Inwiefern diese auf den weiteren Klimawandel Einfluss nehmen wird, bleibt zu beobachten.

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Burghart Schmidt und Wolfgang Gruhle †

Klimaspuren der Bäume

Burghart Schmidt und Wolfgang Gruhle †

Klimaspuren der Bäume

Strahlungsschwankungen der Sonne als Impulsgeber

Mit einem Beitrag von Thomas Fischer

144 Seiten mit 116 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de

abrufbar.

© 2017 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz am Rhein

ISBN 978-3-961760-43-5

Lektorat: Verena Caspers und Berit Petersen

Gestaltung: TypoGraphik Anette Klinge, Gelnhausen

Gestaltung Titelbild und Seite 7: Addvice, Mainz

Druck: Westermann Druck Zwickau GmbH

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.

Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

Weitere Titel aus unserem Verlagsprogramm finden Sie unter: www.na-verlag.de

INHALT

Vorwort

Erläuterungen zu einigen Begriffen

Einleitung: Auf der Suche nach verlässlichen Zeitmarken

1. Die Dendrochronologie

Zur Methode

Von der Probenentnahme zur Datierung

2. Aufbau der ersten Jahrringkalender Westeuropas über 9000 Jahre in die Vergangenheit

Zur Forschungsgeschichte

Archäologische und geologische Hölzer

Der schwierige Anschluss bis zur Römerzeit

Etappen des Kalenderausbaus bis in das 3. Jahrtausend v. Chr.

Kalenderaufbau zwischen dem 4. und 8. Jahrtausend v. Chr.

Mangel an Eichenfunden der Zeit um 4000 v. Chr. in den Flussschottern von Main und Donau

3. Ein Beispiel aus der Geschichtsforschung

Der Aachener Dom

4. Klima und Jahrringe

Der erste Klimaindikator: Die Jahrringbreiten

Jahrhundertsommer Westdeutschlands während der letzten 2100 Jahre

Überregionale Einflüsse auf das Baumwachstum

Der zweite Klimaindikator: Der Homogenitäts-Index (HG-Index)

Methoden der Korrelationsrechnung (Shift, Zeitfenster, HG-Index)

Wuchs-Homogenität westeuropäischer Eichen während der letzten 8000 Jahre

Der dritte Klimaindikator: Der Mobilitäts-Index (Gruhle-Index)

Erste dendrochronologische Datierung (Telekonnektion) zwischen Europa und Asien: Das Höhlengrab „Mebrak 63“ in Südmustang (Nepal)

5. Jahrringforschung und Klimarekonstruktion – Gedanken zu einer archäologischen Klimafolgenforschung

Von Thomas Fischer (Köln)

6. Einige Ergebnisse im Überblick

Die Jahrringbreiten als erster Klimaindikator

Der Homogenitäts-Index (HG-Index) als zweiter Klimaindikator

Literatur

Bildnachweis

Die verfügbaren Daten (auf CD erhältlich)

VORWORT

Nur wenige Tage nach Abschluss des Manuskriptes und den ersten Vorbereitungen zur Drucklegung dieses Buches erhielt ich die traurige Nachricht vom Tod meines Co-Autors und Freundes Prof. Dr. Wolfgang Gruhle (Institut für Kernphysik der Universität zu Köln i. R.).

In den vergangenen 35 Jahren erhielt ich durch ihn vielfältige Anregungen und tatkräftige Hilfe bei neuen Analyseansätzen von Jahrringen und Klimadaten. Für diese langjährige, freundschaftliche und spannende Zusammenarbeit bin ich sehr dankbar. So untersuchte Wolfgang Gruhle Jahrring- und Klimadaten mit neuentwickelten Rechenverfahren, die zur Entdeckung des Homogenitäts-Indexes und des Mobilitäts-Indexes führten. Die Besonderheit dieser beiden Muster, die sowohl in den Jahrringen als auch in Klimadaten existieren, verlaufen über ungewöhnlich große Entfernung, ja sogar kontinentalübergreifend, in ähnlicher Weise, so dass sich hieraus neue Ansätze zur Klimaforschung ergeben dürften. Da diese Ergebnisse zunächst spekulativ erschienen, wurden die Untersuchungen quantitativ und qualitativ soweit ausgedehnt, dass die Ergebnisse nicht mehr im Bereich des Zufälligen lagen. Für die kritischen und hilfreichen Diskussionen zu diesem Ergebnis danke ich Dipl.-Ing. A. Brandstetter, Prof. A. Bräuning, Prof. J. Esper, Dipl. Math. R. Laatsch, Prof. H. Malberg, Dipl.-Ing. W. Holetzek und Prof. F. Siegmund sehr herzlich.

An der Entwicklung des Mobilitäts-Indexes hat Wolfgang Gruhle lange Jahre gearbeitet und wie sich herausstellte, mit großem Erfolg. Wegen seiner Verdienste um die Dendro-Klimatologie würde ich gern den Mobilitäts-Index mit seinem Namen verbinden und ihn in Zukunft als Gruhle-Index benennen.

Im vorliegenden Buch sind Untersuchungsergebnisse des Labors für Dendrochronologie, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln, zusammengestellt. Sie umfassen einen Zeitraum von 37 Jahren – von den Anfängen im Jahr 1972 bis ins Jahr 2009. Anhand der erzielten Ergebnisse werden verschiedene Aspekte der Dendrochronologie vorgestellt und Verknüpfungen mit der Klimatologie diskutiert.

Wesentliche Impulse erfuhr ich auch durch Prof. Hermann Schwabedissen, ehemaliger Direktor des Kölner Instituts; er stand dem Labor insbesondere in den Jahren 1972 bis 1985 mit Rat und Tat hilfreich zur Seite. In jahrelangen gemeinsamen Forschungsarbeiten im Wesergebiet wurden durch Untersuchung von mehr als 1200 Eichenfunden aus Kiesgruben Jahrringchronologien für die Zeitspanne zwischen 6500 und 1000 v. Chr. aufgebaut. Nach seiner Emeritierung setzte H. Schwabedissen die Arbeit an den Jahrringchronologien in Schleswig-Holstein mit großem persönlichen Einsatz fort und überließ dem Kölner Labor Proben von weiteren 1500 Eichenfunden (6000 v. Chr. bis zur Zeitenwende). Mit diesem Material konnte die norddeutsche Eichenchronologie wesentlich in die Vergangenheit erweitert werden. Sein Mitwirken an dendrochronologischen Untersuchungen archäologischer Funde und Befunde, so beispielsweise der Bohlenwege aus den Moorgebieten zwischen Weser und Ems, der bronzezeitlichen Baumsärge aus Süddänemark und Schleswig-Holstein oder der römischen Brücke in Köln, war für das Kölner Dendro-Labor außerordentlich hilfreich. Als Dank sei ihm ein Abschnitt des Jahrringkalenders Neolithikum Norddeutschland gewidmet.

Viele Kollegen aus Museen und Ämtern für Bodendenkmalpflege sowie aus den Dendro-Labors in Europa und Tucson (USA) und weiteren Forschungseinrichtungen haben unser Kölner Labor über die vielen Jahre hinweg unterstützt. Ihnen allen gebührt mein Dank für die hilfreiche Zusammenarbeit.

Ohne die langjährige finanzielle Unterstützung durch die Stiftung Volkswagenwerk und die Deutsche Forschungsgemeinschaft wären die Forschungen insbesondere in Nepal in diesem Umfange nicht möglich gewesen. Hierfür bin ich zu großem Dank verpflichtet.

Nicht zuletzt geht mein Dank an alle Mitarbeiter – auch an die zahlreichen studentischen Hilfskräfte – und ganz besonders an Heimgard Grützmacher und Elisabeth Höfs, die als technische Assistentinnen den Laboralltag seit 1972 unermüdlich mitgetragen haben.

Die zahlreichen grafischen Darstellungen gestaltete Hartwig Schluse unter Mitwirkung von Anja Rüschmann, Andrea Schmidt und Michael Wesle. Für diese Mitarbeit sei ihnen an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.

Unser Labor kann auf eine inzwischen 45-jährige gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischem Museum/Archäologische Bodendenkmalpflege in Köln zurückblicken. Die ehemaligen Leiter, Prof. Dr. Hugo Borger, Prof. Dr. Hansgerd Hellenkemper und der jetzige Direktor Dr. Marcus Trier haben unsere Forschungsarbeit über die vielen Jahrzehnte tatkräftig unterstützt, wobei Frau Dr. Friederike Naumann-Steckner (stellv. Leiterin des Römisch-Germanischen Museums, Köln) einen entscheidenden Anteil an der Realisierung dieses Projektes hat. Ihnen allen gebührt hierfür mein besonderer Dank, insbesondere auch meiner Frau.

Im April 2017

Burghart Schmidt

ERLÄUTERUNGEN ZU EINIGEN BEGRIFFEN

(Teilweise Auszüge aus: Wikipedia, wiki.bildungsserver, Lexikon der Geowissenschaften, redshift-live)

14C-Datierung:

Entwickelt wurde die 14C-Datierung, auch Radiokarbondatierung genannt, 1946 von Willard Frank Libby, der für diese Leistung 1960 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. Die Radiokarbondatierung wird etwa in der archäologischen Altersbestimmung, der Dendrochronologie, Archäobotanik und Quartärforschung angewandt. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60.000 Jahren.

14C wird ständig durch Kernreaktionen in den oberen Schichten der Erdatmosphäre neu gebildet. Wenn die kosmische Strahlung auf Atome der Atmosphäre trifft, werden durch den Aufprall Neutronen freigesetzt. Wenn das in der Atmosphäre mit Abstand häufigste Isotop, das Stickstoff-Isotop 14N, von einem solchen Neutron getroffen wird, entsteht aus dem 14N-Kern ein 14C-Kern.

In der Natur kommen drei Isotope des Kohlenstoffs vor: 12C, 13C, 14C. Auf 1 Billion 12C-Kerne kommt statistisch nur ein einziger 14C-Kern. Im Gegensatz zu 12C und 13C ist 14C nicht stabil und wird deswegen auch Radiokohlenstoff genannt. 14C zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5730±40 Jahren, d. h. in einem abgestorben Körper (Tiere, Pflanzen) existiert nach 5730±40 Jahren nur noch die Hälfte an 14C. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich das Datierungsverfahren.

18O – Daten:

δ18O bzw. Delta-O-18 ist ein Maß für das Verhältnis der stabilen Sauerstoff-Isotope 18O und 16O. Die Bestimmung des Verhältnisses ist eine Unterdisziplin der Isotopengeochemie und erfolgt unter anderem im Rahmen petrologischer, stratigraphischer oder paläoklimatologischer Untersuchungen. Wassermoleküle, die die schwereren 18O-Atome enthalten, neigen dazu, als erste zu kondensieren und auszuregnen. Der Gradient der Wasserfeuchte zeigt von den Tropen zu den Polen eine Abnahme des 18O-Gehalts. Schnee, der in Kanada fällt, enthält weniger H218O als Regen, der in Florida niedergeht; dementsprechend trägt Schnee, der im Zentrum einer Eisfläche fällt, eine leichtere δ18O-Signatur als an den Rändern der Eisfläche, da das schwerere 18O zuerst abregnet. Ein Klimawandel, der die globalen Muster von Verdunstung und Niederschlag verändert, verändert aus diesem Grund das grundlegende δ18O-Verhältnis.

Absolutchronologisch:

Häufig verwendete Bezeichnungen von absolutchronologisch und relativchronologisch. Bei relativchronologisch datierten Jahrringchronologien ist eine Anbindung an Kalenderjahre noch nicht gegeben. Hier behilft man sich mit Hilfe der 14C-Methode oder weiteren Datierungshilfen wie etwa durch die Archäologie, um zu einer „groben“ zeitlichen Einordnung zu gelangen. Absolutchronologische Jahrringchronologien sind mit den Kalenderjahren jahrgenau gekoppelt.

Atlantikum:

Als Atlantikum bzw. Mittlere Wärmezeit wird eine zeitlich nur unscharf zwischen ca. 8000 v. Chr. und ca. 4000 v. Chr. in Nordeuropa zu fassende Klimastufe bezeichnet, die den Pollenzonen VI und VII entspricht. Diese wärmste und feuchteste Periode der Blytt-Sernander-Sequenz wird auch das „Holozäne Optimum“ genannt. Die Chronologie differiert nach Wissenschaftsgebiet, Bearbeitungsstand und räumlichem Geltungsbereich teilweise erheblich.

Boreale Klimagebiete:

Ihre Ausdehnung deckt sich in etwa mit der kaltgemäßigten Klimazone. Nach der vorherrschenden Vegetation kann sie weiterhin in die Landschaftstypen Waldtundra und Borealer Nadelwald untergliedert werden. Die kaltgemäßigte Klimazone, auch als boreales Nadelwaldklima, subarktisches Klima oder Schneewaldklima bekannt, ist der kälteste der Klimatypen der gemäßigten Zone und entspricht weitgehend der borealen Vegetationszone. Dieser Klimatyp kommt hauptsächlich auf der Nordhalbkugel und dort vor allem in Nordasien und Nordamerika vor. Die einzige größere kaltgemäßigte Landfläche der Südhalbkugel liegt im Süden Südamerikas in der Region Patagonien.

Holozän:

Das Holozän ist der jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte und es dauert bis heute an. Das Holozän begann vor etwa 11.700 Jahren mit der Erwärmung der Erde am Ende des Pleistozäns.

Homogenitäts-Index (HG-Index):

Bei Vergleichen von Jahrringchronologien Westeuropas zeigte sich, dass das Klima im Laufe der Zeit Zustandsänderungen einnimmt, die wir als Wechsel zwischen „Ordnung“ und „Unordnung“ bezeichnen. So herrschte während der Bronzezeit ein sehr einheitliches Klimageschehen beispielsweise zwischen Norddeutschland und Nordirland sowie zwischen Nord- und Süddeutschland, d. h. über ungewöhnlich große Entfernungen („Ordnung“, hoher HG-Index).

Wenige Jahrhunderte später ist das Klimageschehen völlig anders. Klimaunterschiede sind jetzt kleinräumiger bereits innerhalb Nord- oder Westdeutschlands festzustellen. Das Wetter ist in „Unordnung“ (niedriger HG-Index).

Da die HG-Indizes kontinentalübergreifend ähnlich ausgeprägt sind, dürften die Strahlungsschwankungen der Sonne als Taktgeber in Frage kommen.

Jungmoränengebiet:

Jungmoränenlandschaften finden sich in den Regionen, die in der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit) vergletschert waren. Das sind etwa Regionen und Gebiete in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und im östlichen Schleswig-Holstein. Altmoränenlandschaften finden sich dagegen ausschließlich in denjenigen Gebieten, die in früheren Eiszeiten von Gletschern bedeckt waren, aber in der Weichsel-Kaltzeit nicht. Das wären beispielsweise Gebiete im nördlichen Nordrhein-Westfalen, im westlichen Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Dabei sind die Altmoränen kaum noch als solche in der Landschaft zu erkennen.

Mobilitäts-Index:

Berechnung von „Ruhe“ und „Unruhe“-Muster im Baumwachstum (Klima, NAO, Sonnenflecken). Ein Beispiel soll die rechnerische Vorgehensweise verdeutlichen helfen.

1. Ein Autofahrer befindet sich auf der Auffahrt zur Autobahn. Er gibt Gas, gibt Gas, gibt Gas… d. h. eine gleichförmige positive Beschleunigung. Wir bewerten diesen Vorgang mit niedrigem Mobilitäts-Index („Ruhe“).

2. Ein Autofahrer nähert sich der Abfahrt. Er bremst, bremst, bremst…d. h. eine gleichförmige negative Beschleunigung. Wir bewerten auch diese gleichförmige Beschleunigung mit niedrigem Mobilitäts-Index („Ruhe“).

3. Ein Autofahrer gibt Gas, bremst, gibt Gas, bremst… d. h. eine ungleichförmige Beschleunigung mit hohem Mobilitäts-Index („Unruhe“)

Die temporären Schwankungen des Mo-Indexes sind in Asien, Europa und Amerika errechnet worden. Sie stimmen hochgradig überein.

Proxydaten:

Daten über hydrologische und meteorologische Bedingungen in historischen und prähistorischen Zeiten. Sie werden aus der Analyse von Eisbohrkernen, Sedimentablagerungen, Jahrringen von Bäumen oder Isotopen gewonnen.

Shiftkurve:

Die Shiftkurve dient der Abschätzung des Übereinstimmungsgrades zwei Kurven in zeitlich synchroner Lage. Verglichen werden beispielsweise beide Kurven in zeitlich versetzten Lagen von etwa -50 Jahre bis +50 Jahre. Für alle dieser 100 Positionen (Zufallslagen) wird der Übereinstimmungsgrad gemessen und mit dem Wert in synchroner Lage (Shift=0 Jahre) verglichen.

Sonnenfleckenrelativzahl:

Signifikanzschranke:

Wählbare Schwellen bei Korrelationsberechnungen, die eine bessere Abschätzung einer Irrtumswahrscheinlichkeit erlaubt.

Subfossile Eichen:

Subfossiles Eichenholz entsteht über mehrere 100 oder 1000 Jahre der Lagerung unter Sauerstoffausschluss in moorigen oder sumpfigen Gebieten aus frischem Eichenholz. Die Veränderung ist ein langsamer, langwieriger Prozess einer Eisengerbstoffreaktion des gerbsäurehaltigen Holzes und den eisenreichen, feuchten Böden und Wassern, sowie ammoniakalischen Sumpfgasen der Umgebung. Die herrschenden Lagerbedingungen bestimmen entscheidend den Grad der Farbänderung, Intensität und sonstige Veränderung der Holzeigenschaften. Die Verfärbungen variieren von hellgrau über dunkelgelb, dunkelbraun, blaugrau bis tiefschwarz und sind sehr unregelmäßig ausgeprägt. Gefunden werden meist Stämme von 3 bis 20 m Länge und bis zu 1,3 m Durchmesser. Die subfossilen Eichenstämme stammen aus Zeiten bis über 10.000 Jahren zurück.

Telekonnektion:

Unter Telekonnektion versteht man in der Meteorologie einen Zusammenhang zwischen Wettervorgängen in zwei weit voneinander entfernten Gebieten.

Die Zusammenhänge beziehen sich beispielsweise auf das gegensätzliche Verhalten des Luftdrucks oder der Temperatur. So besteht z. B. eine Tendenz zu einem gegensätzlichen Luftdruckverlauf zwischen Island und den Azoren. Das bedeutet, je niedriger der Luftdruck über Island ist, umso höher ist er (über ein längeres Zeitintervall, etwa einen Monat, gemittelt) über den Azoren und umgekehrt. Diese Erscheinung wird als Nordatlantische Oszillation bezeichnet. Ebenso sind im Durchschnitt im Winter unternormale Temperaturen im Raum Ostkanada / Grönland mit übernormalen Temperaturen über Europa verbunden.

Vergleichsmatrix:

Darstellung des Übereinstimmungsgrades (Korrelationskoeffizient (r) oder Student-Test (t-Test) zwischen Datensätzen wie etwa Jahrringkurven. Bei allen 10 Kurvenvergleichen sind dies bereits 45 Werte. Eine solche Matrix erlaubt einen raschen Überblick, etwa bei Auswahlverfahren.

Warven:

Die Warvenchronologie (auch Bändertondatierung oder Bändertonkalender, von schwedisch varvig lera: „geschichteter Ton“) beruht auf der Auszählung schichtweiser Ablagerungen von Warven (Sedimenten) in Seen (lakustrine Sedimente), Mooren, Flüssen oder dem Meer (marine Sedimente), z. B. sogenannten Bändertonen. Falls es gelingt, die Auszählung anhand zusätzlicher Anhaltspunkte in einen absoluten Zeitrahmen einzuordnen, ergibt sich eine Angabe des Alters in Warvenjahren. Als Begründer der Warvenchronologie gilt der schwedische Geologe Gerard Jakob De Geer (1858–1943). Im Frühjahr und Sommer setzen sich helle, grobkörnige und sandreiche Sedimente ab, da das Wasserangebot durch große Mengen an Schmelzwässern von Gletschern oder die Schneeschmelze hoch ist, und somit sowohl die Transportfähigkeit der Gewässer steigt, als auch der Anteil feinkörniger, humoser Tone in den Hintergrund tritt. Im Winter werden vor allem dunkle, humose Tone abgelagert. Dadurch ergeben sich, abhängig von den Niederschlägen und Temperaturen, unterschiedlich mächtige und verschieden gefärbte Ablagerungen. Diese jährliche Ablagerung (zwei Schichten) wird Warve genannt, deren Mächtigkeit variieren kann. Durch Auszählen der Warven kann ein Bänderton-Kalender aufgestellt werden, ähnlich wie bei der Dendrochronologie (Baumringkalender). Durch Überschneidung können Profile unterschiedlicher Regionen zusammengefügt werden. Mit dieser Methode gelang es De Geer bereits vor dem Ersten Weltkrieg, einen absoluten Kalender für Südschweden bis 10.000 v. Chr. aufzustellen. Einzelne Schichtenfolgen können inzwischen, wenn sie Kohlenstoff enthalten, mit der Radiokohlenstoffdatierung (14C-Methode) absolut datiert werden. Für die Eifelregion gibt es eine Chronologie der letzten 23.000 (Meerfelder Maar, Holzmaar) für einen japanischen See für 45.000 und für den Lago Grande di Monticchio am Monte Vulture in Süditalien sogar für die letzten 76.000 Jahre.

EINLEITUNG: AUF DER SUCHE NACH VERLÄSSLICHEN ZEITMARKEN

Ohne ein Raster mit zeitlichen Fixpunkten können wir uns heute unser Leben kaum vorstellen; historische Wissenschaften beispielsweise könnten sich nicht entwickeln. Daher sind die Archäologen, insbesondere die Prähistoriker, bestrebt, Funde und Befunde in eine chronologische Abfolge zu bringen, um beispielsweise Entwicklung und Ausbreitung von Kulturen erforschen zu können. Anhand von charakteristischen Steinartefakten, Keramikfunden unterschiedlicher Form und Verzierung oder typischen Metallobjekten gelingt es, Kulturen voneinander abzugrenzen – so beispielsweise die ältere, mittlere und jüngere Jungsteinzeit von den nachfolgenden Perioden der Bronze- und Eisenzeit. Die archäologischen Funde der römischen Kaiserzeit, des gesamten Mittelalters bis hin zur Frühen Neuzeit sind bisweilen schwer oder nur annähernd datierbar. Aus diesen frühgeschichtlichen Perioden liegen nur zum Teil Schriftquellen oder auch Münzfunde vor, die dem Archäologen Hilfe bei der Datierung bieten.

Da für die urgeschichtliche Zeit solche datierenden Hilfsmittel gänzlich fehlen, versuchen Prähistoriker und Archäologen mit Hilfe naturwissenschaftlicher Datierungsmethoden, beispielsweise der 14C-Methode oder der Dendrochronologie, möglichst genaue ‚Zeitmarken‘ zu gewinnen. Feinchronologische Einordnungen, wie sie sich durch die 14C Methode und vor allem durch die Dendrochronologie erzielen lassen, sind auch für die jüngeren Perioden von hohem Wert.

Jahrringe als Studienobjekt

Ein wissenschaftliches Interesse an den jährlich unterschiedlich breiten Zuwachsschichten von Bäumen lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Leonardo da Vinci erkannte bereits in der Abfolge breiterer und schmalerer Jahrringe eine Abhängigkeit von den jeweiligen Niederschlagsmengen während der Vegetationsperiode (Stallings 1937). Die Entwicklung des Mikroskops im 17. Jahrhundert führte zu neuen holzanatomischen Erkenntnissen. Im 19. Jahrhundert kannte man bereits Einflussfaktoren, die für die Breitenunterschiede der Jahrringe verantwortlich sein konnten, wie beispielsweise die jährlich unterschiedliche Witterung, aber auch Hagel-, Frost- oder Insektenschäden oder eine Vielzahl unterschiedlicher Standortfaktoren (Schweingruber 1983).

Die Dendrochronologie als neues Datierungsverfahren

Der amerikanische Astronom Andrew E. Douglass untersuchte Anfang des 20. Jahrhunderts die Strahlungsschwankungen der Sonne, insbesondere den 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus, um mögliche Auswirkungen auf das Erdklima zu prüfen. Da ihm in seinem Untersuchungsgebiet, dem Südwesten der USA, keine langjährigen Witterungsaufzeichnungen zur Verfügung standen, suchte er in den Jahrringen der Bäume nach Spuren solarer Zyklen. Seine Untersuchungen führten nicht zu dem erhofften Ergebnis. Sie verhalfen ihm aber zu einer ganz anderen Entdeckung: Er fand heraus, dass die Abfolge der unterschiedlichen Jahrringbreiten zeitgleicher Bäume aufgrund der jährlich unterschiedlichen Witterung so deutlich übereinstimmen, dass diese Breitenschwankungen – in Form einer Jahrringkurve aufgezeichnet – sich jahrgenau zur Deckung bringen lassen.

An den Bohrkernen noch lebender Bäume vermerkte er bei jedem Jahrring das entsprechende Kalenderjahr. Durch eine Synchronisierung zwischen diesen noch lebenden Bäumen und solchen, die einige Jahre zuvor gefällt worden waren, konnte Douglass durch einfaches Abzählen der fehlenden Jahrringe das letzte Wuchsjahr (= Fälljahr) jahrgenau ermitteln. Aus dieser Beobachtung schloss Douglass (1914), dass die Jahrringanalyse als Datierungsmethode genutzt werden könne. In den folgenden Jahren fügte er auf diese Weise Jahrringkurven einer Baumgeneration mit der nächst älteren aneinander, unter der strengen Maßgabe, dass sie sich zweifelsfrei und jahrgenau synchronisieren ließen. Er erlangte so immer weiter in der Vergangenheit liegende Daten und erreichte schließlich den Anschluss an die Jahrringmuster historischer Hölzer des 14. Jahrhunderts aus präkolumbianischen Siedlungen, darunter auch die berühmte Felsensiedlung Mesa Verde. Mit der gefundenen Synchronisierung gelang ihm eine absolutchronologische Einordnung dieser historischen Hölzer und somit auch die Datierung der Siedlungen. Die Archäologie hatte eine neue Datierungsmethode (Douglass 1935).

Forschungsarbeiten in Europa

Die frühen dendrochronologischen Studien in Europa durch Bruno Huber im Jahr 1937 und seine Analysen zur Anwendbarkeit dieser Methode in der gemäßigten Zone Mitteleuropas (Huber 1941, 1943), weckten das Interesse an diesem Datierungsverfahren in der Archäologie (Schwantes 1939). Bereits zu dieser Zeit wurden bei den Ausgrabungen von Hans Reinerth (1940) am Dümmer und auf Veranlassung von Herbert Jankuhn bei den Ausgrabungen in Haithabu in den Jahren 1940/41 (Jankuhn 1976) Hölzer für jahrringanalytische Untersuchungen entnommen (z. B. Schwabedissen 1949; Speck 1955).

Diese ersten gemeinsamen Arbeiten von Archäologie und Dendrochronologie am Dümmer sind im Labor für Dendrochronologie durch Briefe, Messprotokolle von Jahrringbreiten und auch erste dendrochronologische Ergebnisaufzeichnungen dokumentiert. Rainer Kossian stellte diese inzwischen bereits historischen Berichte zur Verfügung für eine Prüfung, ob anhand der inzwischen 70 Jahre alten Messprotokolle die damals ergrabenen Hölzer des neolithischen Fundplatzes „Huntedorf 1“ am Dümmer nun absolutchronologisch datierbar seien.

Als Huber (1963, 1967) mit der Untersuchung neolithischer Pfahlbauten aus den Schweizer Seeufersiedlungen Thayngen-Weier und Burgäschisee-Süd und -West eine relativ chronologische Einordnung gelang, war man von einer absoluten Dendrodatierung für das Neolithikum noch weit entfernt. Denn es galt zunächst, die Jahrringchronologien für die jüngeren Zeitabschnitte, Neuzeit bis Frühmittelalter, auszubauen.

Für den westdeutschen Raum hatte Ernst Hollstein in Trier eine lückenlose Eichenchronologie bis in das Jahr 822 zurück verlängern können (Hollstein 1965).

Huber und seine Mitarbeiter erstellten unter Berücksichtigung regionaler Klimaunterschiede Eichenchronologien für Hessen und Süddeutschland (Huber, v. Jazewitsch, John u. Wellenhofer 1949; Huber, Giertz-Siebenlist u. Niess 1964).

Untersuchungen an rezenten Eichen verschiedener Standorte Norddeutschlands (Weitland 1960) führten zunächst zu keiner ausreichenden Kurvenübereinstimmung. Weitere Analysen mit größerem Probenmaterial deuteten schließlich darauf hin, dass auch in diesem Gebiet die Jahrringanalyse erfolgreich zur Anwendung kommen könne (Bauch, Liese u. Eckstein 1967).

Durch Gründung weiterer dendrochronologischer Laboratorien beschleunigt, wurden in den Folgejahren weitere Jahrringchronologien erstellt, so für Nordirland (Baillie 1977), Südengland (Hillam 1980), Süddänemark (Bartholin 1973), Mecklenburg (Jährig 1972), das Weserbergland (Delorme 1972) und die Nordschweiz (Schweingruber u. Ruoff 1979).

Eine dringliche Aufgabe sahen die Jahrringforscher im weiteren Auf- und Ausbau regionaler Jahrringchronologien auch für das Frühmittelalter und die Spätantike.

So konnte beispielsweise Dieter Eckstein im Jahr 1976 nach Fertigstellung eines lückenlosen ‚Eichenkalenders‘ für Norddeutschland bis in das Jahr 436 zurück, schließlich auch die wikingerzeitliche Siedlung Haithabu absolutchronologisch einordnen (Eckstein 1976).

Fehler im westdeutschen Jahrringkalender

Die Verlängerung der Jahrringchronologien bis in die römische Zeit erwies sich als schwierig. Grund dafür war ein Mangel an Hölzern aus der Völkerwanderungszeit.

1980 gelang es schließlich doch, für diese fundarme Phase hinreichend archäologische Hölzer zu finden, damit die Lücke im Jahrringkalender geschlossen werden konnte (Hollstein 1980).

Mit Eichenhölzern aus archäologischen Fundstellen Süddeutschlands und aus den Flussschottern von Main und Donau konnte Bernd Becker (1981) dann den Jahrringkalender für den süddeutschen Raum über diese kritische Periode hinaus bis zum Jahr 370 v. Chr. verlängern. Die Abgleichung beider Jahrringkalender ergab eine jahrgenaue Übereinstimmung im Jahrringbild, so dass die Dendro-Kalender für West- und Süddeutschland nachweislich von der Gegenwart bis 370 v. Chr. fehlerfrei waren.

Für das 5. Jahrhundert v. Chr. – wiederum eine an Holzfunden arme Zeit – war Hollstein mit den Hölzern von Kirnsulzbach eine Fehldatierung unterlaufen (Hollstein 1980); da sowohl im süddeutschen Raum (Labor Stuttgart-Hohenheim) als auch im nord- und westdeutschen Raum (Labor Köln) kaum Hölzer zur Kontrolle vorlagen, fiel sie zunächst nicht auf. Lediglich Mike Baillie (Labor Belfast) hatte inzwischen ausreichende Holzfunde aus den irischen Mooren analysiert, so dass mit seiner Hilfe die Schwachstelle in den deutschen Dendro-Chronologien gefunden und sicher überbrückt werden konnte. Damit reichte der Dendro-Kalender lückenlos bis in das 1. vorchristliche Jahrtausend.

Neue Forschungsergebnisse des Göttinger Labors durch Hubertus Leuschner an Eichenfunden in Nordwestdeutschland ermöglichten einen Jahrringkalender für das gesamte 5. Jahrhundert v. Chr. Durch diese ‚Kontrollchronologie‘ ließ sich nachweisen, dass die vorgenommene Überbrückung mit den irischen Eichen jahrgenau, d. h. fehlerfrei, erfolgt war.

Auf diesen westeuropäischen Chronologie-Abschnitten aufbauend, konnte in den folgenden drei Jahren der Dendro-Kalender für Westeuropa bis in das Jahr 5289 v. Chr. erarbeitet werden (Pilcher, Baillie, Schmidt u. Becker 1984). Zahlreiche neolithische Seeufersiedlungen aus der Schweiz und Süddeutschland waren nun jahrgenau datierbar (Becker, Billamboz, Egger, Gassmann, Orcel u. Ruoff 1985). Die Zahl der archäologischen Hölzer und Fundstellen, die mit Hilfe der neuen Eichenjahrringkalender datierbar waren, stieg in der Folgezeit rasant an, einhergehend mit Verfeinerungen der archäologischen Chronologien.

Mit diesem Ergebnis war die Dendrochronologie ihrem Ziel, einen zusammenhängenden Eichenjahrringkalender für das Holozän zu erstellen, einen großen Schritt näher gekommen. Rückblickend kann dieser Erfolg auf zwei Umstände zurückgeführt werden:

1. In mehreren Laboratorien sah man den „Kalenderaufbau“ als gemeinsame und vorrangige Aufgabe an.

2. Die einzelnen Laboratorien betrieben den Aufbau von Eichenchronologien für verschiedene Regionen – beispielsweise für Nordirland, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Westdeutschland und Süddeutschland – unabhängig voneinander. Dies erschien aus methodischen Gründen zwingend, um möglichst mehrere Chronologien für den gleichen Zeitraum für Prüf- und Kontrollzwecke nutzen zu können.

Dadurch war es möglich, zum einen die Regionalchronologien auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und zum anderen wechselseitig Verlängerungen der Jahrringkalender zu erreichen.

Die Bedeutung der Regionalchronologien als Bestandteile des holozänen Eichenjahrringkalenders für Westeuropa wird nachfolgend am Beispiel einiger Standortchronologien aus dem Wesergebiet und aus Schleswig-Holstein (4706–3574 v. Chr.) dargestellt. Die Eichenchronologie Süddeutschlands hatte beispielsweise im Zeitabschnitt um 4000 v. Chr. mangels Holzfunden noch eine Lücke, die aber mit Jahrringkurven von Bäumen aus dem Wesergebiet und aus Schleswig-Holstein jahrgenau geschlossen werden konnte. So konnte eine noch „zeitlich schwimmende“ süddeutsche Chronologie jahrgenau synchronisiert werden, so dass nun der Jahrringkalender für Deutschland bis in das Jahr 7337 v. Chr. zurückreichte (Becker u. Schmidt 1990).

Zuverlässigkeit dendrochronologischer Zeitmarken

Während einer Tagung der European Science Foundation 1982 in Hamburg zum Thema „Dendrochronology and Archaeology“ wurde von archäologischer Seite mehrfach die Frage nach der Zuverlässigkeit dendrochronologischer Datierungen gestellt.

Es muss nicht weiter ausgeführt werden, dass die Dendrochronologie sowohl beim Kalenderaufbau als auch bei der täglichen Datierungsarbeit in hohem Maße statistische Verfahren zum Auffinden von Synchronlagen einsetzt. Es liegt in der Struktur dieser Verfahren, dass Datierungen auch einer Irrtumswahrscheinlichkeit unterliegen, seien sie auch noch so klein. Die Angaben zur Datierungssicherheit (Wahrscheinlichkeit von 99 %, 99,9 % oder 99,99 %) werden sowohl von dendrochronologischer als auch von archäologischer Seite kaum diskutiert. Die Dendrochronologie kann sich bei ihren Datierungen festlegen, weil sie weitere, zusätzliche Kriterien für eine „sichere Datierung“ heranzieht wie zum Beispiel den optischen Verlauf der Kurven zwischen Kalender und Probe oder die jahrgenaue Bestätigung durch zusätzliche Hölzer desselben Fundkomplexes. Darüber hinaus werden diese Datierungen bisweilen durch 14C-Datierungen zusätzlich untermauert.

Zur Beurteilung einer sicheren Datierung verhilft besonders der Vergleich der Jahrringfolge einer Probe mit dem Kalender schrittweise über die gesamte Zeitspanne, bei dem alle Vergleichswerte des gesamten Zeitraums erfasst werden.

Bei allen im Folgenden vorgestellten archäologischen Funden und Befunden wird auf die Datierungssicherheit durch dendrochronologische Analysen eingegangen, wobei die Werte einer solchen „Langzeitstudie“ exemplarisch vorgestellt werden. Damit soll transparent werden, wie „treffsicher“ Jahrringdatierungen sind. Zur Veranschaulichung der Datierungssicherheit wurde der bis 4089 v. Chr. reichende, lückenlose süddeutsche Eichenjahrringkalender von Becker als Vergleichskurve genutzt.

Bei den im Kölner Labor behandelten archäologischen Befunden waren die Holzfunde zahlreich, so dass es möglich war, von den meisten Fundplätzen gut belegte eigenständige Jahrringmittelkurven aufzubauen. Es stellte sich heraus, dass sich alle diese Mittelkurven auch mit der süddeutschen Eichenchronologie datieren ließen. Dabei kam es weniger darauf an, den Geltungsbereich, d. h. die Reichweite der süddeutschen Eichenchronologie zu testen, es bestand vielmehr Interesse, die ca. 6000 Jahre umfassende süddeutsche Eichenchronologie (4089 v. Chr. bis heute) für den Vergleich von Jahrringkurven der verschiedenen archäologischen Funde und Befunde an anderen Orten zu nutzen. Ungeachtet der archäologischen Zeitstellung oder der 14C-Datierungen wurde die Übereinstimmung der zu datierenden Kurve mit der süddeutschen Eichenchronologie von heute bis 4089 v. Chr. durch ein schrittweises Verschieben um jeweils 1 Jahr geprüft und der Ähnlichkeitsgrad sowohl tabellarisch als auch graphisch umgesetzt. Vergleiche mit dem Jahrringkalender lassen erkennen, wie deutlich sich „die Synchronlage“ von 5999 Nichtsynchronlagen, d. h. „Zufallslagen“, abgrenzen lässt.

Bohlenwege als „Fundgrube“ für die Dendrochronologie

Für das Kölner Labor hatten die Bohlenwege Nordwestdeutschlands eine hohe Bedeutung beim Kalenderaufbau. Unter der Leitung von Hajo Hayen waren zahlreiche Wege aus einem Zeitraum vom Spätneolithikum bis in die Römische Kaiserzeit ausgegraben worden. Man fand besonders günstige Untersuchungsbedingungen vor. Sofern das Moor noch nicht ausgetrocknet, abgetorft oder durch den Tiefpflug umgebrochen war, waren die Hölzer nämlich sehr gut erhalten. Da der Bau von Bohlenwegen arbeits- und materialintensiv ist, errichtete man die Wege verständlicherweise häufiger an Engstellen (Moorpässen) als in breiteren Moorflächen. Doch auch an schmalen Moorübergängen mussten oft Strecken von einem bis zu mehreren km überbrückt werden. Daher steht bei Ausgrabungen solcher Wege der Dendrochronologie eine sehr große Anzahl von Bohlen zur Verfügung. Diese Situation – große Zahl von Hölzern bei guter Erhaltung – führte in der Dendrochronologie zu gut abgesicherten Mittelwertkurven, die als wichtige Referenzkurven zur Datierung weiterer Holzfunde dieses Gebietes dienten.

Archäologische Befunde für verlässliche Zeitmarken

Es ist vielfach nicht möglich, die jahrgenauen dendrochronologischen Datierungen durch archäologische Befunde zu überprüfen. Eine Ausnahme bildet das römische Militärlager Oberaden mit zahlreichen Holz- und Münzfunden, das von Dietwulf Baatz (1977) untersucht wurde. Denn durch den Vergleich der archäologischen und der dendrochronologischen Befunde konnte ein Fehler im damals noch nicht absolut, sondern nur relativ datierten Jahrringkalender für die römische Zeit festgestellt werden; er wurde wenige Jahre später von dendrochronologischer Seite bereinigt (Hollstein 1979, 1980; Becker 1981).

Auf der Suche nach verlässlichen Zeitmarken verzeichnete die Geschichtsforschung in den vergangenen Jahrzehnten gewaltige Fortschritte. Die Epoche der ‚rheinischen Bandkeramik‘ beispielsweise wurde nach archäologisch-typologischen Kriterien ehemals um ca. 3000 v. Chr. angesetzt. Als die in den 1950er Jahren entwickelte 14C-Methode für die Archäologie genutzt wurde, ergab sich für die ‚bandkeramische Zeit‘ eine um ca. 1000 Jahre frühere Zeiteinordnung. Die archäologische Chronologie wurde daraufhin entsprechend angepasst. In den 1970er Jahren, als Hans Suess die an Bäumen geeichte 14C-Kurve während eines Kolloquiums im Kölner Institut für Ur- und Frühgeschichte vorstellte, nahmen die Archäologen diese neuen Ergebnisse noch mit Skepsis auf. Wenige Jahre später aber hatten sich die kalibrierten 14C-Daten durchgesetzt, mit der Folge, dass die ‚bandkeramische Zeit‘ um weitere 800 Jahre in die Vergangenheit zurück datiert werden musste. Inzwischen hatte durch großflächige Ausgrabungen in der rheinischen Lößbörde (Braunkohletagebaugebiet) die Dichte bandkeramischer Befunde derart zugenommen, dass man nun von 15 Stilphasen für die etwa 300 Jahre umfassende ‚bandkeramische Periode‘ (5300–5000 v. Chr.) ausgeht.

Als das Kölner Labor im Jahr 1990 eine erste Bohle des ‚bandkeramischen‘ Brunnens von Erkelenz-Kückhoven dendrochronologisch untersuchte, zeichneten sich zwei signifikante Lagen zum Jahrringkalender für die Jahre 5303 und 5090 v. Chr. ab. Eine Datierung dieser Eichenbohle war aus methodischen Gründen daher nicht möglich.

Von den Archäologen kam dann der Hinweis, das Jahr 5303 v. Chr. sei als zu alt auszuschließen. Nach Messungen weiterer Eichenbohlen von überwiegend guter Holzqualität und auch durch gleichzeitige Verbesserung des süddeutschen Kalenders wurde schließlich deutlich, dass das Jahr 5303 auch dendrochronologisch auszuschließen ist: Und das Jahr 5090 v. Chr. kristallisierte sich als zweifelsfreie Datierung heraus. Ein bemerkenswerter Fortschritt in der Verfeinerung der ‚bandkeramischen‘ Chronologie Westdeutschlands war durch das Zusammenwirken von 14C-Methode, Dendrochronologie und Archäologie erreicht!

Schwerpunkte verschiedener Laboratorien

Die Dendrochronologie ist seit langem eine anerkannte Wissenschaft, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte rasant weiterentwickelt hat und mit verschiedenen Disziplinen vernetzt ist, wie beispielsweise der Bauforschung, Archäologie, Kunstgeschichte, Geologie (Flussgeschichte), Klimageschichte sowie Bereichen der Ökologie und nicht zuletzt der Isotopenforschung. Bedingt durch die Vielfalt dieser Forschungsrichtungen ist es verständlich, dass sich in den einzelnen Labors Schwerpunkte herausgebildet haben. Hier sei beispielhaft auf einige wenige Laboratorien mit unterschiedlicher Ausrichtung verwiesen.

Norddeutschland mit einer vermutlich regional-klimatisch kleinräumigen Struktur