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Ernährung und Köpfchen macht gesund - das ist kein Geheimnis mehr. Trotzdem scheitern viele Menschen daran, dieses Wissen im Alltag umzusetzen. Zu groß ist die Informationsflut in den Medien und oftmals auch sehr widersprüchlich. Dr. Susanne Holst erläutert anschaulich die psychologischen und physiologischen Hintergründe unseres Essverhaltens: Sie erklärt, was uns zum Essen treibt und wie unser Körper auf die Speisen und ihre Zutaten reagiert. Außerdem gibt die beliebte Moderatorin zahlreiche praktische Tipps, wie wir gesunde Ernährung alltags- und familientauglich gestalten können. Eine Auswahl natürlicher Gesundmacher zeigt, dass das Gute ganz nah liegt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 338
Veröffentlichungsjahr: 2009
Susanne Holst
Klug essen – gesund bleiben
Hinweis
Einleitung: Mir zuliebe!
Kapitel 1: Du bist, was du isst
So isst Deutschland
Essen – aber wie?
Warum wir essen
Wie Ihr Körper mit Ihnen spricht
Ernährung, auch eine Frage der Gefühle
Kapitel 2: Gesund leben – mit Köpfchen leicht gemacht
Machen Sie sich schlau
Der Geist ist schwach, aber der Schweinehund stark
Auf die Bekömmlichkeit kommt’s an
Entdecken Sie Ihre persönliche Wohlfühlernährung
Von klein auf: So werden auch Kinder kluge Esser
Machen Sie’s vor: Esskultur in der Familie
Kapitel 3: Zehnmal klug essen
1. Qualität muss sein
2. Schonende Zubereitung ist wichtig
3. Wenn schon Fett, dann das richtige
4. Ballaststoffe regen die Verdauung an
5. Alleskönner Obst und Gemüse
6. Milch und Milchprodukte für starke Knochen und Zähne
7. Trinken, trinken, trinken
8. Zucker und Salz nur in Maßen
9. Energiezufuhr und Energieverbrauch im Lot
10. Essen in der Hauptrolle
Kapitel 4: Von Kopf bis Fuß – oder was das Essen in uns macht
Verdauung ist Schwerstarbeit
Perfekt eingespieltes Team: der Bewegungsapparat
Das Herz-Kreislauf-System, der «Durchlauferhitzer» unseres Körpers
Lebensnotwendig: Sauerstoff
Urogenitalsystem: Wichtiges auf engstem Raum
Was, wie, wann – Schaltzentrale Gehirn
Gesundheitspolizei Immunsystem
Leichtgewicht mit großen Aufgaben – die Schilddrüse
Schön und nützlich: Haut, Haare, Nägel
Kapitel 5: Gesundheitskiller oder was Sie krank macht
Übergewicht – eine Volkskrankheit mit Zukunft
Altersdiabetes – wenn Zucker zu Gift wird
Metabolisches Syndrom – ein schweres, aber lösbares Wohlstandsproblem
Richtig ernähren, gesund bleiben
Krebsvorsorge durch gesunde Ernährung
Essstörungen – ein Hilferuf
Kapitel 6: Der Lebensmittelkompass – Meine Gesundheitshelden von A bis Z
Teil 1: A bis K
Teil 2: L bis Z
Ein paar Worte zum Schluss
Die Autorin dieses Buches hat größtmögliche Sorgfalt darauf verwendet, dass alle Angaben und Empfehlungen dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Gewähr für die Richtigkeit ist jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Das Buch ersetzt kein Gespräch mit dem Arzt/der Ärztin, und es ist im Zweifelsfall zu empfehlen, Rücksprache mit ihm/ihr zu halten.
Einleitung:
Sie wollen sich besser ernähren als bisher? Ihre Essgewohnheiten umstellen, sich bewusster, genussvoller mit dieser alltäglichen Notwendigkeit auseinandersetzen? Gut so – dann sind wir nicht weit voneinander entfernt, denn genau das war und ist auch meine Motivation, mich mit diesem Thema gründlich zu befassen. Nicht, dass ich meine momentane Ernährungsweise nicht im Großen und Ganzen als ordentlich ansehen würde, aber besser machen als bisher kann man schließlich immer etwas. Allerdings: Viele Jahre habe ich dem Thema «Ernährung» keinen großen Stellenwert beigemessen. Essen und Trinken, das waren eher lästige Nebensächlichkeiten, die in einem mit Terminen vollgestopften Tag irgendwo irgendwie Platz finden mussten.
Genau zwei hoch emotionale Ereignisse in meinem Leben haben mich eines Besseren belehrt und waren Motivation genug, den ganzen Komplex «Esstisch» noch einmal von allen Seiten her zu beleuchten, ihn mir regelrecht neu zu erarbeiten: als vor zehn Jahren bei mir eine schmerzhafte und langwierige rheumatische Erkrankung ausbrach und als ich vor drei Jahren meine Kinder zur Welt brachte. Beide Ereignisse haben meine bisherige Einstellung zur Ernährung grundlegend verändert und den Wunsch ausgelöst, es endlich einmal wirklich wissen zu wollen. Ein für alle Mal, um nicht immer wieder zurückzufallen in alte, meiner Gesundheit wenig dienliche Muster.
In meinem Fall waren es zwei Fragen, auf die ich klare Antworten haben wollte: Kann eine Ernährungsumstellung meine gesundheitliche Lage verbessern? Und wie kann ich meiner Verantwortung als Mutter gerecht werden, die ihre Kleinen bestmöglich ernähren und ihnen gleichzeitig das Rüstzeug für eine gute Ernährungsweise in ihrem späteren Leben mit auf den Weg geben will? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf den folgenden Seiten. Und nicht nur das. Egal, ob Sie durch eine bessere Ernährung dauerhaft Gewicht verlieren möchten, ob Sie die Nase voll von Fast Food haben, sich für mehr Fakten und Hintergrund interessieren, den Genuss am wahren Speisen wiederentdecken wollen oder ob Sie aus ganz anderen Gründen zu dem Schluss gekommen sind, dass etwas passieren muss. Nach der Lektüre dieses Buchs werden Sie – das wünsche ich mir – klüger sein.
Und Sie werden merken, wie einfach es ist, sich intelligent zu ernähren. Eigentlich braucht es gar nicht viel. Wissen und Motivation jedenfalls sind meine beiden favorisierten Essstäbchen. Dieses unschlagbare Duo möchte ich Ihnen in diesem Buch gern näherbringen. Das bedeutet, Ihnen zum einen wissenschaftliche, meiner Ansicht nach hochmotivierende Erkenntnisse mitzugeben und zum anderen praktische Tipps und Anregungen zu liefern, die sich ohne großen Aufwand im Alltag umsetzen lassen. Etwa, indem man beim Einkaufen immer wieder auf die «Gesundmacher» setzt – ganz normale, eigentlich unspektakuläre Lebensmittel, die Ihnen richtig guttun – oder indem man sich seine Lieblingsturbolader aus diesem Reservoir heraussucht (vgl. Seite 177 bis 284). Im besten Fall werden Sie sich nach diesen Seiten nicht mehr viel Gedanken übers «Besser essen» machen und bald automatisch die gesündere Wahl für Ihren Speiseplan und den Ihrer Familie treffen.
Das Praktische: Sie können selbst entscheiden, wie Sie diesen Ratgeber lesen möchten. Starten Sie mit einer Reise durch den Körper, informieren Sie sich über die vielfältigen Einflüsse auf Ihr Essverhalten oder schlagen Sie einfach Ihre liebsten Fitmacher nach. Ganz gleich, welchen Einstieg Sie wählen, das Bausteinprinzip ermöglicht Ihnen, sich individuell und immer wieder anders mit den Zusammenhängen von Nahrung und Gesundheit zu beschäftigen.
Eines werden Sie in diesem Buch auch immer wieder erkennen: Essen hat viel mit Psychologie zu tun, mit Emotionen und Stimmungen. Das macht es so problematisch, Althergebrachtes, falsch Gelerntes, aber emotional positiv Besetztes wieder ins rechte Lot zu bringen. Denn Emotionen und die mit ihnen verbundenen Essensvorlieben und -verhaltensweisen sind meist hartnäckig und tief in uns verwurzelt. Essen und eine gewisse Form der Stimmung gehen – zwar individuell verschieden, aber doch stets – Hand in Hand miteinander. Und auch dies ist daher nachvollziehbar: Eine gute, angemessene Ernährung ist nicht nur für unseren Körper wichtig, sondern auch für unsere Gefühlslage.
Kapitel 1
«Essen hält Leib und Seele zusammen», sagt ein altes Sprichwort. Stimmt: Je bewusster und umsichtiger wir unseren Körper mit guter Nahrung versorgen, desto größer ist die Chance, dass wir uns über unsere Gesundheit und in der Folge auch über umfassendes Wohlgefühl freuen dürfen. Denn funktioniert unser Organismus einwandfrei, tut das auch der Seele gut. Eine Erkenntnis, die sich leider immer mehr aus unserem Bewusstsein schleicht und die wir zurückerlangen müssen. Auf der Suche nach Wohlbefinden und Glückseligkeit wird jedoch gern und ausgiebig an anderen Stellschrauben gedreht.
Um wieder ins gefühlte rechte Lot zu kommen, wechselt mittlerweile viel Geld den Besitzer: Für Selbstfindungskurse, Mentalliteratur, Therapiegruppen oder emotionenstimulierende Events gibt man den letzten Euro. Alles, um der gestörten Befindlichkeit auf die Beine zu helfen, namentlich Stimmungsschwankungen, miese Laune, Trübsal und Lustlosigkeit loszuwerden. Das Naheliegende aber wird häufig ignoriert, nämlich das, was auf unseren Tellern liegt: Es wird zu selten als Übeltäter ausgemacht. Messer und Gabel, aber auch Einkaufslisten und wirklich bekömmliche Essensrituale sind bei viel zu vielen derzeit nicht besonders angesagt, schon gar nicht als Rezept gegen seelischen Tiefstand und einen durch Zipperlein und andere Beschwerden aufmuckenden oder aus der Form geratenen Körper.
Dabei bedarf es eigentlich gar nicht viel, das Körper-Stimmungs-Gefüge wieder nachhaltig zu kitten oder auch auf Dauer zu erhalten. Bekömmliche Ernährung ist schließlich kein Buch mit sieben Siegeln, kein Geheimwissen, das nur Auserwählten vorbehalten wäre. Vielleicht ist aber gerade das der Grund für die weitverbreitete Ignoranz? Gesunde Ernährung ist verhältnismäßig einfach zu bekommen: Sie kostet nicht viel und lässt sich relativ leicht in den Alltag integrieren. Nichts Spektakuläres also, langweilig für jene, die lieber auf neueste schlagzeilenträchtige Trends setzen; oder notwendiges Übel für diejenigen, die sich erst durch ärztliche Drohungen mit gravierenden gesundheitlichen Konsequenzen aus ihrer Schwerfälligkeit reißen lassen. Doch selbst die sind bekanntermaßen kein Garant für grundlegende Änderungen beim Thema «Essen fassen».
Ernährungsexperten beklagen, dass insgesamt immer noch zu wenige Menschen wissen, wie gesunde Ernährung eigentlich konkret aussieht. Was für eine Tragödie, denn zweifellos ist unsere Gesundheit in entscheidendem Maße von einer ausgewogenen, angemessenen Ernährung abhängig. Klug essen – gesund bleiben. Diese Aussage konnte bis heute mit immer neuen eindrucksvollen Studienergebnissen untermauert werden. Was für eine unglaubliche Chance sich hier jedem Einzelnen bietet! Mit der Auswahl der Lebensmittel können wir ganz einfach gezielt über unsere Gesundheit – und auch über unsere Seelenlage – mitentscheiden. Nur nutzen wir diese Chance zum großen Teil leider nicht. Mit drastischen Folgen.
Alle vier Jahre gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), eine der obersten Instanzen in Ernährungsfragen hierzulande, aktuelle Daten über das Essverhalten der Bevölkerung heraus – und auch über die entsprechenden Folgekrankheiten. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten daran, an vielen Universitäten werden Umfragen durchgeführt, Daten gesammelt, Statistiken ausgewertet und Zusammenhänge analysiert. Das Ergebnis ist eine Momentaufnahme deutscher Essgewohnheiten, die sich zwar an den Rändern von Jahr zu Jahr leicht aufhellt, im Wesentlichen aber immer noch ziemlich düster ausfällt:
Es gibt zu viele dicke Deutsche. Insgesamt essen wir in der Mehrheit noch immer zu viel, zu fett, zu süß – und bewegen uns auch viel zu wenig. Das heißt im Klartext: Ernährung und Lebensstil passen nicht zusammen. Wir futtern mehr Kalorien, als wir verbrauchen. Die Folge: Inzwischen ist schon mehr als jede zweite Frau zu dick (55Prozent), und bei den Männern sind es zwei von dreien (65Prozent). Mit steigender Tendenz.
Unsere Essgewohnheiten haben dramatische Folgen. Falsche Ernährung und Übergewicht verursachen ernährungsbedingte Krankheiten, die für sage und schreibe rund zwei Drittel der Todesfälle verantwortlich sind. Das muss man sich vor Augen führen: Bei mehr als jedem zweiten Menschen, der an einer bestimmten Krankheit stirbt, spielt die Ernährung eine Rolle. Und diesen Faktor könnten wir beeinflussen, wenn wir nur wollten! Menschen über 50Jahre essen übrigens insgesamt deutlich mehr als jüngere. Sie sollten ihre Energiezufuhr besonders herunterfahren, empfiehlt die DGE und rät gleichzeitig den Jüngeren, mehr auf die Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen zu achten. Am deftigsten lieben es junge Männer zwischen 19 und 25Jahren, sie nehmen am meisten Fett zu sich. Insgesamt gibt es aber auch positive Nachrichten zum Fettkonsum: Der ist zwar insgesamt zu hoch, doch der Anteil der gesünderen pflanzlichen Öle und Fette nimmt zu und liegt inzwischen bei über 50Prozent.
Etwas Lob gibt es für unser Verhältnis zu Obst und Gemüse. Das kommt jetzt häufiger als früher auf den Speiseplan, bei den Älteren deutlich öfter als bei den Jüngeren. Mit durchschnittlich 350Gramm pro Tag liegen die Senioren aber immer noch weit unter der DGE-Empfehlung von 650Gramm. Seit Mitte der neunziger Jahre haben die Bundesbürger immerhin ihre Vorliebe für Äpfel wiederentdeckt, dafür aber das Interesse an Bananen und Kartoffeln verloren.
Und auch darüber freuen sich Ernährungswissenschaftler: Milchprodukte befinden sich im Aufwind. Gesunder Joghurt liegt voll im Trend, und der stetig wachsende Käsekonsum sorgt für eine verbesserte Versorgung mit Kalzium. Auffällig ist auch der sinkende Butterverbrauch. Und obwohl wir Deutschen uns immer noch einen Namen als exzessive Fleischesser machen, lassen wir Rindfleisch immer häufiger links liegen und greifen stattdessen deutlich öfter zu Fisch und Geflügel.
Die Erkenntnisse lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Sie treffen also nicht gleichermaßen auf alle Bundesbürger zu. Unterschiede zwischen den Essgewohnheiten zeigen sich zum Beispiel in den alten und neuen Bundesländern. Die Menschen im Osten des Landes nehmen im Durchschnitt mehr Kalorien zu sich. Gleichzeitig bevorzugen sie eine eher ungesunde Ernährung, verzehren besonders viel Schweinefleisch, Butter, Wurstwaren und Spirituosen. In den alten Bundesländern wird dafür mehr Süßes genascht.
Soziale Unterschiede spielen eine zunehmend größere Rolle. Ein großer Teil der Bevölkerung ernährt sich zwar gesünder als in früheren Jahren, aber ein anderer Teil, vor allem jene aus finanziell schwachen Kreisen, ernährt sich immer ungesünder. Fest steht: Personen aus einkommensstärkeren Schichten wissen mehr über Ernährung als Personen aus einkommensschwachen. Und da kommt wieder das zum Tragen, was der gesunde Menschenverstand auch ohne Studien längst weiß: Menschen mit einem umfassenden Ernährungswissen essen in der Regel auch gesünder. Gut, dass auch Sie sich für diesen Weg entschieden haben!
Aber nicht nur das Was, sondern auch das Wie macht eine gute, bekömmliche Ernährung aus. Die Umstände, unter denen wir essen und trinken, sind nämlich breit gefächert: Sie reichen von einem liebevoll gedeckten Esstisch über Stehimbiss, Fast-Food-Restaurant und Lieferservice bis hin zum Essen zwischen Tür und Angel am offenen Kühlschrank. So richtig Zeit und Muße für Zubereitung und Genuss von Speisen nehmen wir uns immer seltener. Stattdessen haben wir uns zu einer To-go- und Fertiggerichtgesellschaft entwickelt. Bequemlichkeit ist angesagt, selber kochen out, das ist viel zu zeitaufwendig. Paradox: Es wird zwar immer weniger gekocht, aber Kochsendungen im Fernsehen haben Hochkonjunktur.
Doch trotz der gewonnenen Zeit regiert weiterhin die Hetze, das ist keine sehr bekömmliche Beilage für unsere Mahlzeiten. Denn der Zeitdruck sitzt uns nicht nur im Nacken, er drückt auch auf den Magen und verstopft uns den Darm. Gut Ding will aber Weile haben, das gilt auch für unsere Verdauung. Die kriegt sie allerdings nicht: Stattdessen blähen sich unsere Bäuche durch eilig heruntergeschluckte Happen auf, während wir beim Essen gern noch zwei weitere Dinge nebenbei erledigen. Schon beim Frühstück muss schnell noch die Zeitung durchforstet werden. Die Burgerschachtel wird parallel zum Wordprogramm geöffnet und das Abendessen mit der Fernbedienung in der Hand vertilgt.
Hier zeichnet sich bei vielen eine richtig ungesunde Entwicklung ab: immer weiter weg von festen Mahlzeiten und deren Ritualen, hin zu einem kauenden Nebenher, bei dem Essen und Trinken zur Nebensächlichkeit wird. Laut Soziologen erleben wir den Übergang von der patriarchalischen Familienmahlzeit zur pluralistischen Knabbergesellschaft. Darauf ein paar Salzstangen.
In der Zwischenzeit aber können wir schon mal eine ganze Menge tun, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Wer seine Ernährung umstellen will, sollte sie zu Anfang erst einmal gründlich unter die Lupe nehmen. Eine ehrliche Analyse zeigt Ihnen Ihre individuellen Schwachpunkte und hilft enorm, die Probleme gezielter anzugehen. Dazu werden Sie auf den folgenden Seiten ein paar Anregungen und Hilfestellungen erhalten. Aber auch bei diesem Aspekt helfen uns zunächst einmal unser Wissen und die neuesten Forschungsergebnisse.
Wissen Sie, warum wir überhaupt Nahrung aufnehmen? Genau, weil unser Körper Brennstoff braucht. Und das auch bei einer so simplen Angelegenheit wie der Tätigkeit, die Sie jetzt gerade ausüben. Schon während Sie mit den Augen diese Zeilen abtasten, in vermeintlich ruhender, sitzender bis liegender Position. Das treibt Ihnen zwar nicht den Schweiß auf die Stirn, aber Ihr Gehirn in die Aktivität. Es verarbeitet neue Informationen, lässt Ihre Hände das Buch halten und die Seiten umblättern – und hält nebenbei noch die lebenswichtigen Stoffwechselvorgänge und Körperfunktionen am Laufen. Das kostet Energie, die in Form von Nahrung aufgenommen werden muss. Schön und gut. Es beantwortet aber nicht die Frage, woher wir wissen, wie viel Energie wir jeweils für unsere täglichen Anstrengungen aufnehmen müssen. Männer essen schließlich anders als Frauen, ältere Menschen anders als Kinder, Kranke anders als Gesunde.
Die Nahrungsaufnahme unterliegt einer komplexen Regulation. Die Signale kommen aus dem Körper – beispielsweise von einem gefüllten Magen – und aus der Umwelt – zum Beispiel durch Geruch – und laufen in der Schaltzentrale (Hypothalamus) zusammen. Wie ein Zentralcomputer steuert er über das orexische Netzwerk die Nahrungsaufnahme. Zu welchem Schluss das Gehirn bei der Bewertung der eingehenden Informationen gekommen ist, darüber geben uns dann zwei mehr oder weniger drängende Gefühle Auskunft. Zum einen: Der Hunger treibt uns zum Mittagessen. Zum anderen: Das Gefühl satt zu sein erleichtert den vernünftigen Verzicht auf Vanilleeis mit Schokoladensauce zum Nachtisch, wenn es vorher schon fettes Eisbein mit Sauerkraut gab.
Hungrig sein – diese Empfindung kennt jeder. Was so vertraut und eindeutig klingt, ist in Wirklichkeit ein hoch komplexer Vorgang. Deshalb sind sich die Wissenschaftler über die Entstehung des Hungers als Triebfeder des Essenfassens auch nicht ganz eins. Sie haben verschiedene Erklärungsmodelle für das, was wir schlicht als Loch im Bauch wahrnehmen.
Allen gemeinsam sind unterschiedliche physiologische Triebmomente, die in einem komplizierten Zusammenspiel den Hunger größer werden lassen. Zu wenig Zucker im Blut (eine niedrige Glukosekonzentration) etwa treibt uns zum Essen an. Messfühler in der Leber, die den Glukosegehalt ständig überprüfen, übermitteln ihre Daten kontinuierlich in die zentrale Kontrollstation im Hypothalamus. Auch Informationen über den aktuellen Eiweiß- bzw. Aminosäurehaushalt und den Fettstoffwechsel laufen dort in der zerebralen Verrechnungsstelle zusammen. Registriert das System dann irgendwo eine Unterversorgung, besorgt sich der Mensch etwas Essbares. Je größer der Mangel, desto dringlicher wird sein Esstrieb – wodurch sich auch der eine oder andere im Nachhinein völlig verständliche Kontrollverlust im Supermarkt erklären lässt.
Glücklicherweise aber bändigt das schon während des Essens einsetzende Sättigungsgefühl das übermäßige Verlangen nach Essbarem. Den Hypothalamus, als Koordinator unserer Nahrungsaufnahme unter physiologischen Aspekten, erreichen während des Futterns nämlich auch Informationen über den Dehnungszustand des Magens und die Menge der aufgenommenen Nährstoffe. Ebenso geben die bei der beginnenden Verdauung freigesetzten Botenstoffe ein entsprechendes Feedback, dass der Mangel ausgeglichen wird, und lassen uns nach einer ausreichenden Mahlzeit satt und wohlig lächeln. Der erfahrene Lebensmitteleinkäufer schreitet deshalb wohlweislich erst nach dem Essen zur Tat. Ich gehe nie mehr hungrig in den Supermarkt!
Unabhängig von «Hunger» und «Sättigung», die sich auf den Nährstoffgehalt beziehen, sind mit der Nahrungsaufnahme noch andere Empfindungen verbunden, die das Essen zum gefühlsbeladenen Erlebnis werden lassen können. Und die dafür verantwortlich sind, dass unsere Mahlzeiten so verlaufen, wie sie es immer wieder tun. Aus genau diesem Grund ist es oft problematisch, gewohnt Praktiziertes zu verändern. Denn: Unsere Essgefühle lassen sich nicht einfach wegdiskutieren, sie zu modifizieren benötigt Zeit und viel Motivation. Darüber sollten Sie sich von vornherein im Klaren sein.
Schauen wir uns die gefühlige Seite des Essens näher an. Dafür ist zunächst eine Richtigstellung notwendig: Der Begriff «Appetit» wird oft mit «Hunger» gleichgesetzt, dabei stehen beide für ganz unterschiedliche Motive beim Essen. Während physiologische (Nährstoff-)Defizite das unbehagliche bis schmerzhafte Hungergefühl auslösen, bezeichnet Appetit eher die Lust, sich Nahrung einzuverleiben.
Oft sind es dabei ganz bestimmte Nahrungsmittel, auf die wir vermehrt abfahren. Diese psychologische Dimension des Essens ist für viele inzwischen die größere Triebfeder, um den Kühlschrank aufzusuchen. Denn Lust und Genuss werden heute eher mit dem Bedürfnis zu essen verbunden als mit Hunger. Dabei kann die momentane Gefühlslage einen enormen Einfluss auf unseren Appetit haben. Bewohner der Wolke sieben kommen angeblich nur mit Luft und Liebe durch den Tag. Auch persönlicher Stress ersetzt bei manchem eine vielleicht längst fällige Diät. Beiden Spezies vergeht in emotional herausfordernden Situationen der Appetit. Frustesser dagegen schlagen zu und müssen sich die in dieser Phase angehäuften Pfunde mühsam wieder abstrampeln. Gerecht ist das wirklich nicht.
Soulfood– Mythos und Wahrheit
Als sei das noch nicht genug: Es sind nicht allein stimulierende Gefühle, die unserem Appetit auf die Sprünge helfen. Filme wie Bridget Jones oder Schokolade zum Frühstück verstehen alle Frauen gut, die schon einmal oder immer wieder die glücklich machende Wirkung von Phenylethylamin im dunklen Schmelz erlebt haben. Neben der – in Studien eindeutig belegten – glückstiftenden Eigenschaft von Schokolade sind auch die Auswirkungen anderer Nahrungsmittel auf die Psyche mehr oder weniger gut nachgewiesen. Fettarme und gleichzeitig kohlenhydratreiche Ernährung etwa fördert einer Studie zufolge geistige Fähigkeiten. Die halluzinogene Wirkung einiger Pilze macht besonders deutlich, wie stark die psychische Konstitution durch die Wahl des Essens beeinflusst werden kann. Umstritten ist dagegen, ob Lebensmittel wie Trüffel, Erdbeeren oder Kaviar, die gern als Wegbereiter der Lust angepriesen werden, tatsächlich körperliche Auswirkungen haben.
Mehr Zeit, mehr Geschmack
In den ersten Lebensjahren verbringen viele von uns nicht wenige Stunden vor sich hin leidend, indem sie gezwungenermaßen vor einem gefüllten Teller sitzen, der puren Widerstand auslöst: Deftiger Rosenkohl, Wirsing, Spinat oder Ähnliches sind Albträume für Feinschmeckerkinderseelen. Sämtliche Überredungskünste und Tricks erreichen oft nicht das elterliche Ziel, das doch so gesunde Essen irgendwie ins Kind zu kriegen. Die Abneigung gegen Bitteres, aber auch Salziges und Saures wird uns jedoch in die Wiege gelegt. Die ursprüngliche Aversion gegen solche Geschmacksrichtungen ist genetisch bedingt und ebenso angeboren wie unsere Vorliebe für Süßes (vgl. Seite 94).
So vielfältig und facettenreich wir den Geschmack unserer Nahrung auch wahrnehmen, interessanterweise kann unser Geschmackssinn lediglich zwischen fünf Qualitäten unterscheiden, aus denen sich das Gesamtgeschmackserlebnis «Essen» ergibt: süß, salzig, sauer, bitter und – die entsprechenden Sensoren dafür hat man erst vor ein paar Jahren entdeckt – die Geschmacksrichtung «umami». Und genau diese hat es in sich.
Das Wort «umami» kommt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie «fleischig, wohlschmeckend, große Köstlichkeit». Träger des typischen angenehmen Umamigeschmacks ist die Glutaminsäure, eine Aminosäure. Zum Verständnis: Für japanische Feinschmecker hat der Shiitakepilz den klassischen Umamigeschmack. Bei uns im Westen ist das Salz der Glutaminsäure (Glutamat) lediglich als Geschmacksverstärker bekannt, das die meisten Dosen-, Tüten- und Fast-Food-Gerichte schmackhafter machen soll. Möglicherweise ein Grund dafür, dass viele der sonst eher faden Speisen so viele Anhänger finden und diese geradezu abhängig machen.
Anders als gemeinhin angenommen ist Schärfe keine Geschmacks-, sondern eigentlich eine Schmerzempfindung der Zunge. Dieselben Rezeptoren, die auf Schärfe reagieren, sprechen auch auf Wärmereize über 43Grad Celsius an, also auf Speisen, an denen man sich den Mund verbrennt. Auf den Schmerz, den Schärfe auslöst, reagiert das Gehirn, indem es Endorphine ausschüttet. Sie lindern das Leid und werden für euphorische Zustände verantwortlich gemacht. Deshalb gibt es auch den Begriff des Pepper-Highs. Sehr vielsagend, wie ich finde. Probieren Sie’s doch mal aus!
Fünf Geschmacksqualitäten gibt es also, für die jeweils entsprechend spezialisierte Schmeckzellen existieren. Mal mehr, mal weniger. Sogenannte Superschmecker haben im Schnitt etwa 425Geschmacksknospen pro Quadratzentimeter Zunge. Otto Normalschmecker muss mit lediglich 180Knospen auf derselben Fläche vorliebnehmen. Dabei spielt sich das volle Geschmackserlebnis nicht nur auf bestimmten Arealen unserer Zunge ab. Bis ein Bissen in der Speiseröhre verschwindet, hat der Körper viel Gelegenheit, den Geschmack zu identifizieren, ihn zu kosten und sich daran zu erfreuen. Denn die kleinen Genusssensoren finden sich nicht nur in den Schleimhäuten der Zunge, sondern auch in denen des Mund-, Rachen- und Schlundbereichs, sogar noch am Kehlkopf und in der Speiseröhre. Verständlich also, dass hastiges Hinunterschlingen den vollen Genuss selbst der feinsten Köstlichkeiten verderben kann, einfach weil Rezeptoren keine Zeit bekommen, den Geschmack zu erfassen.
Die Nase isst mit
Die großflächig verstreuten Schmeckstationen senden die Geschmacksinformationen über Nervenbahnen in die gustatorischen Verarbeitungszentren des Gehirns. Allerdings reichen diese Botschaften bei weitem nicht aus, die unglaubliche Vielfalt an verschiedenen Geschmackseindrücken zu erklären, die Essen zum unvergleichlichen Erlebnis werden lassen können. Das haben Sie auch Ihrer Nase zu verdanken! Sie fängt den größten Teil der kulinarischen Abwechslung für uns ein. Erst in Verbindung mit dem, was unsere Riechzellen in der Nasenschleimhaut beim Verspeisen der vorgesetzten Mahlzeit wahrnehmen, kann ein unverwechselbarer, komplexer Geschmack entstehen, wie beispielsweise der von Nürnberger Lebkuchen. So außerordentlich fein ist unser Geruchssinn, dass wir sofort merken, wenn dem braunen Taler die typischen Gewürze fehlen. Und jetzt wird es noch einen Tick komplizierter: Wir reagieren in diesem Fall nicht nur deshalb enttäuscht, weil das Gebäck schlechter oder vielleicht einfach nur anders schmeckt als sonst. Viel schlimmer ist, dass uns der Lebkuchen nun nicht mehr an Weihnachten erinnert.
Der Grund: Geruchsmoleküle lösen nahezu unmittelbar und unbewusst emotionale Reaktionen aus – wenn wir mit ihnen bestimmte Gefühle oder Erlebnisse verbinden, die sich uns irgendwann im Leben eingeprägt haben. Von klein auf lernen wir, bestimmte Geschmackserlebnisse mit äußeren Umständen, aber auch mit inneren Gefühlszuständen zu verbinden. So kann der Geruch von Apfelkuchen an die geliebte Großmutter erinnern, der von frisch gemähtem Rasen an die behütete Kindheit, der von Bratwürstchen aber auch mit Übelkeit einhergehen, weil man sich irgendwann einmal ganz fürchterlich den Magen damit verdorben hat.
Welches Fazit lässt sich aus alldem ziehen? Essen ist ein multisensorisches Ereignis. Vor dem Hintergrund der individuell sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich das abspielt, lässt sich die große Bandbreite an verschiedenen Geschmäckern leicht nachempfinden. Allen gemeinsam ist jedoch: Um die Fülle des Möglichen zu erleben und Ihre persönlichen Geschmackspräferenzen zu entdecken, brauchen Sie zum Essen Zeit und Muße und die Fähigkeit, auf Ihren Körper zu hören. Wenn Sie dann noch Ihrer Nase etwas Gutes tun, sie schön hegen und pflegen, steht dem vollen Essgenuss nichts mehr im Weg. Dazu gehört zum Beispiel auch, nicht zu rauchen. Nikotinkonsumenten können im Laufe der Zeit einfach nicht mehr so gut riechen wie Nichtraucher.
Geschmack ist lernfähig
Mit dem Älterwerden verändern sich auch allmählich unsere Geschmackspräferenzen. Eltern kleiner Kinder wissen das zu schätzen. Hier spielt sich eine Art Lernprozess ab, angestoßen durch die Gesellschaft und Kultur, in der wir leben. So können von Kindern zunächst spontan abgelehnte Geschmacksqualitäten auf diese Weise zu angenehmen Erlebnissen umdefiniert werden: durch das Beobachten, wie es die anderen machen, durch ständig wiederholte und allmählich akzeptierte Geschmackserfahrungen, aber auch durch das immer größer werdende Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Ein vormals neutraler, vielleicht sogar verschmähter Geschmack kann durchaus zum Favoriten werden, wenn er immer wieder mit angenehmen Erfahrungen assoziiert wird. So gesehen essen wir nicht, was uns schmeckt, sondern wir lernen, zu mögen, was wir essen (vgl. Seite 30).
Genau hier liegt die Hoffnung für Sie und mich! Wir können also lernen, gesünder und klüger zu essen als bisher. Die Gleichung «Gesund gleich fad und langweilig» lässt sich durchaus knacken – nach dem Motto «Bis es euch gefällt» müssen wir einfach immer wieder zu den gesunden und bekömmlichen Dingen greifen: Irgendwann schmecken sie richtig gut! Wir müssen uns nur die Chance geben, diesen Prozess auch bis zum Ende durchzuhalten. Und da sind sie dann wieder, die wichtigen Faktoren: Wissen, Motivation und etwas Disziplin. Worauf warten wir noch?
Essverhalten– Stärken und Schwächen unter der Lupe
Ebenso wie wir Situationen und Gefühle mit bestimmten Gerüchen und Geschmäckern in Verbindung bringen und sie uns einprägen, lernen wir auch beim befriedigenden Erlebnis «Essen» gratis dazu. Alles, was uns später an die entsprechende Situation erinnert, kann so zum Auslöser von Wiederholungstaten werden. Kino und Popcorn, Weihnachtsmarkt und Schmalzgebäck, Oktoberfest und Weißwurst – das sind für viele untrennbare Genossen. Ebenso können auch gewisse einmal mit Essen verbundene Emotionen ein nicht förderliches Essverhalten provozieren.
Egal, ob bei Stress, Unterforderung, Langeweile, Gefühlen des Alleinseins oder anderen Belastungssituationen – essen wir in diesen Momenten, was uns besonders schmeckt, kann uns das zumindest einen kleinen Lichtblick bei einem seelischen Durchhänger bescheren. Zweckentfremdet erfüllt Essen also eine andere Funktion: Es tröstet, lenkt ab und beschäftigt uns eine Zeitlang. Aber auf emotionale Zustände – welcher Art auch immer – mit Essen zu reagieren ist vor allem dann problematisch, wenn wir diese Verknüpfung bereits von klein auf gelernt haben. Das große Problem: Negativ besetzte Gefühlszustände können dann möglicherweise generell als Hunger missinterpretiert werden. Erkennen Sie sich hier wieder? Dann haben Sie ein Stückchen Arbeit vor sich.
Von mir zu dir: Esskultur und Zwischenmenschliches
Doch lassen Sie mich nochmals das Positive herausstellen: Essen funktioniert als Brücke zum Wohlbefinden. Dabei eignen sich Naschen, Knabbern und Schlemmen nicht nur bestens, um die eigene Stimmung zu verbessern. Genauso können wir die Laune unserer Mitmenschen heben, wenn wir sie bekochen, ihnen Häppchen reichen oder sie in ein Restaurant einladen.
Die zwischenmenschliche Kommunikation verläuft mit vollem Magen und in angenehmer Atmosphäre meist besser, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß. Das ist vielleicht ein Grund dafür, warum ein gemeinsames Essen, die familiäre Tischkultur überhaupt, als Rezept für ein intaktes Familienleben gilt. Natürlich ist das gemeinsame Mittag- oder Abendessen oft die einzige Zeit, zu der alle Familienmitglieder auf einmal zusammen sind, aber die Situation ist dabei auch einfach günstig. Die festen Mahlzeiten als ein strukturspendender, vertrauter Ankerpunkt im Tagesablauf tun gut. Auch das Phänomen, dass die begehrtesten Plätze auf Partys die in der Küche sind, könnte damit zusammenhängen, dass wir viele positive Aspekte mit dem Thema «Essen» assoziieren.
Kapitel 2
Traurig, aber wahr: Die meisten von uns essen sich um ihr kostbarstes Gut, um die Gesundheit. «Wie kann das sein?», fragt man sich. Womöglich hängt das damit zusammen, dass wir nicht nur zu wenig über unser Essen wissen, sondern auch darüber, was unser Körper tagtäglich Phänomenales für uns leistet – ein ganzes Leben lang. Wie auch? Nur ein Bruchteil der Bundesbürger beschäftigt sich beruflich mit dem Körper und den Organfunktionen, weiß also im Detail um die Zusammenhänge und was dieses Wunderwerk am Laufen hält. Doch je ausführlicher wir über unseren Körper informiert sind, desto eher gehen wir auch besser mit ihm um, geben ihm das, was er verdient und braucht: eine kluge Ernährung und mehr sorgsame Zuwendung. Wer seine Ernährungsweise maßgeblich verändern will, sollte daher ruhig auch seinen Körper und dessen Fähigkeiten besser kennenlernen und begreifen. Ihr Körper begleitet Sie schließlich ein Leben lang, durch dick und dünn. Und nicht etwa als Feind, der einem immer wieder mal einen Strich durch die Gesundheitsrechnung macht, sondern als treuer, verlässlicher Gefährte, der Besseres verdient, als ihm in vielen Fällen angetan wird.
Vielleicht haben Sie nicht nur Lust, sich mit Hilfe dieses Buchs, sondern auch weitergehend über Ernährung zu informieren. Dann können Sie zum Beispiel online gehen. Das Internet hat uns auf dem Gesundheitssektor förmlich einen Selbstbedienungsladen beschert. Alles ist da vorhanden und rund um die Uhr verfügbar: Informationen, Rat, Tabletten zum Bestellen und jede Menge Heilsversprechen. Lernen Sie deshalb unbedingt, die Spreu vom Weizen zu trennen! Sonst richtet das World Wide Web womöglich mehr an Schaden an, als es Nutzen bringt.
Um beim Supermarktbild zu bleiben: Sehen Sie das Internet als ein Lebensmittelregal an, vor dem Sie stehen und aus dem Sie die gesuchte Information – etwa ein Nudelprodukt samt seiner Verpackung – herausholen. Schauen Sie sich dieses Produkt ganz genau an, bevor Sie sich zum Kauf entschließen: Wie ansprechend ist die Aufmachung? Was offenbart die Zutatenliste über die Zusammensetzung des Produkts? Wie seriös wirken die Beschreibungen? Wer ist der Hersteller? Wo ist er ansässig und was kostet der Spaß? Genau so und nicht anders gehe ich auch mit Internetinformationen um. Die Qualität der Texte, die Art der Aussagen und Auskünfte und natürlich die Herkunft, das sind äußerst wichtige Kriterien.
Bleiben Sie also auch vor dem Computerbildschirm ein kritischer und aufmerksamer Konsument, gerade wenn es um so etwas Wichtiges wie Ihre Gesundheit geht – und damit sind nicht nur Ernährungsthemen gemeint. Wer ins Internet eintaucht, begibt sich immer in einen undurchsichtigen Informationsdschungel. Die Angaben, die aus ganz unterschiedlichen Beweggründen dort hineingestellt wurden, verfolgen sehr häufig kommerzielle Interessen. Die meisten wollen Meinungen oder auch Produkte verkaufen, nur ganz wenige tatsächlich umfassend aufklären. Eine Information führt zur nächsten, zur übernächsten und zu weiteren, bis Ihnen womöglich der Schädel brummt und Sie die Übersicht komplett verlieren.
Tipps zur besseren Orientierung im Internet
Wenn es um ein ganz bestimmtes Krankheitsbild geht, finden Sie umfassende Informationen auf den Webseiten von Fachverbänden, Selbsthilfegruppen und über Patienteninitiativen. Gute Inhalte sind meist unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Es ist also hilfreich, sich stets Gedanken darüber zu machen, welches Motiv der Anbieter hat. Menüpunkte wie «Wer wir sind», «Was wir wollen», «Über unsere Organisation» und «Impressum» schaffen Transparenz. Unbedingt mal reinschauen. Gibt es so etwas überhaupt nicht, sollten Ihre Alarmglocken schon klingeln. Klar ersichtlich sollte auch sein, wie aktuell die Inhalte sind und welche Quellen der Autor genutzt hat. Also Datumsangaben wie «erstellt am», «aktualisiert am», der Name des Autors, seine Qualifikation und sein Tätigkeitsfeld müssen ausgewiesen sein. Vorsicht vor einseitigen Informationen und Therapien, die als «Königswege» dargestellt werden. Um fette Heilsversprechen und Sensationsberichte sollten Sie ebenfalls einen großen Bogen machen. Produktwerbung muss als solche ersichtlich sein und klar von redaktionellen Inhalten abgegrenzt werden.
Außerdem möchte man als medizinischer Laie Risiken, Nutzen und Nebenwirkungen beleuchtet wissen, um sich ein rundes Bild machen zu können. Weiterführende Links, Literaturangaben und Adresssammlungen helfen. Auch Qualitätskennzeichen wie das HONcode-Logo (Health On the Net Foundation) oder das afgis-Logo (Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem) bieten eine gute Orientierung. Ich bin sicher, die genannten Kriterien können Ihnen helfen, die Qualität von Internetinformationen besser einzuschätzen. Neugierde und gesunde Skepsis, damit kann das Surfen im Web durchaus sehr hilfreich sein.
Noch besser, als sich im Internet zu informieren, ist es natürlich, sich mit seinem Hausarzt zu besprechen. Er kennt Ihre Krankengeschichte und Ihre individuellen Bedürfnisse am besten und kann Sie gezielt beraten, was eine bessere, kluge Ernährung betrifft. Mit ihm können Sie im Verlauf der Ernährungsumstellung immer wieder zusammenkommen, um die Erfolge oder notwendige Anpassungen zu besprechen. Das gilt auch für eine professionelle Ernährungsberatung. Wer einen Termin mit einem Ökotrophologen macht, kann sicher sein, einen ausgewiesenen Fachmann an seiner Seite zu haben. Denn Ernährung darf nicht zu kompliziert werden. Sie müssen sich auf einige wenige Säulen verlassen können (vgl. Seite 69–100). Und dafür brauchen Sie jemanden, der für Sie Schwerpunkte setzt.
Auch wenn Sie viele Essfakten verinnerlicht, Futterumstände begriffen und Stoffwechselzusammenhänge verstanden haben und Ihr Verstand bereits klar und deutlich «Ja, ich will» sagt – aller Wahrscheinlichkeit nach werden Sie nicht von heute auf morgen ein besserer Mensch in Sachen Ernährungsverhalten werden. Sie werden, wenn auch hoch motiviert, immer wieder an Grenzen geraten, in Stolperfallen und Fettnäpfchen, die sich nicht so einfach überwinden lassen, die Sie immer wieder zurückwerfen im Bestreben, sich konsequenter und bewusster zu ernähren. Der Grund dafür liegt, wie schon beschrieben, in den fest eingravierten Gefühlen, die wir mit Essen und Trinken verbinden, und in eingeschliffenen Gewohnheiten, die einen immer wieder auf alte Bahnen zwingen. Sie haften an uns wie Kaugummi an der Schuhsohle.
Solche individuellen Ernährungscharakteristika – über Jahre gewachsen – lassen sich leider nicht so einfach durch den Intellekt ausradieren. Das Wissen über bessere Ernährung können Sie sich aneignen, an Ihrer positiven Einstellung liegt es möglicherweise auch nicht mehr. Es ist ein klein wenig wie mit den Vorsätzen zum neuen Jahr: Der gute Wille ist da, aber meistens gelingt es nur ein paar Tage, das gewünschte Verhalten auch umzusetzen. Spätestens Mitte Januar schaut der alte Schlendrian schon wieder um die Ecke. Na gut, dann begegnen Sie ihm jetzt eben, indem Sie auf Stufe zwei schalten und nach Ihren Tugenden graben: Mit Geduld, ehrlicher Selbstreflexion und etwas Willensstärke kommen Sie garantiert einen entscheidenden Schritt weiter.
Weil vieles von dem, was in Bezug aufs Essen bei uns abläuft, unbewusst passiert, förmlich automatisch, ist es enorm wichtig, herauszufinden, was da eigentlich in uns vor sich geht, wenn das Thema «Nahrung» Gestalt annimmt. Sei es beim Essen, beim Einkaufen, bei der Zubereitung von Speisen. Am besten ist, Sie setzen sich nicht gleich zu sehr unter Druck: Machen Sie erst mal ruhig weiter wie bisher, aber knipsen Sie das Licht dabei an. Finden Sie heraus, was Sie treibt und warum und wo und wann Sie immer wieder in Essfallen laufen, die Sie eigentlich vermeiden wollten.
Ursachenforschung betreiben nennt man so was in der Wissenschaft. Warum fällt es uns denn bloß so schwer, unsere Essgewohnheiten zu verändern, obwohl wir genau wissen, was gesünder oder bekömmlicher wäre? Die Antwort ist, wir lassen uns bei der Auswahl unserer Lebensmittel und Getränke durch verschiedene Faktoren leiten, durch innere Signale – also Hunger und Appetit–, durch äußere Reize wie duftende Brötchen beim Bäcker oder die Werbung im Fernsehen, aber auch von ganz rationalen Beweggründen wie «Vollkornbrot ist gesünder als Weißbrot». So etwas bestimmt unser Verhalten. Da reicht die Einsicht, dass Obst und Gemüse gesünder sind, alleine nicht aus, um das Verhalten nachhaltig zu ändern. Wie wir uns ernähren, lässt sich nicht einfach über den Verstand steuern. Gerade in Bezug auf das Essen ist der Mensch ein echtes Gewohnheitstier. Psychologen wissen inzwischen, dass wir am liebsten das zu uns nehmen, was wir häufig essen. Was uns also nicht vertraut ist, verspeisen wir in der Regel auch nicht gern, gemäß dem Sprichwort: «Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.»
Mehr Gesundes essen! Wie geht das?
Wenn Sie Ihre Essgewohnheiten ändern, kann es gelingen. Und genau in dieser Erkenntnis liegt ein wichtiger Schlüssel zum intelligenten Essen. Deshalb nenne ich hier gleich zu Anfang einen elementaren Faktor, der uns auf dem Weg zum klugen Essen maßgeblich unterstützen kann. Drehen Sie den Spieß doch einfach um. Dann lautet die Gleichung nämlich: Wir können unsere Ernährungsvorlieben ändern, indem wir gesunde Lebensmittel – zum Beispiel Obst und Gemüse – zunächst mal einfach häufiger essen. Fachleute nennen das den Mere-Exposure-Effekt. Indem man ungewohnte Nahrungsmittel häufiger zu sich nimmt, lernt man, sie irgendwann auch wirklich zu mögen. Klassisches Beispiel dafür: Wer Wasser zu seinem Hauptgetränk macht, dem schmecken Limonaden nach einiger Zeit viel zu süß. Das trifft auch auf gezuckerten Kaffee oder Tee zu, wenn man sich angewöhnt hat, ihn nicht mehr zu süßen. Wenn das keine hoffnungsvollen Aussichten sind (vgl. Seite 22). Sie brauchen also nicht mit der Befürchtung in die Phase der Ernährungsumstellung zu gehen, von nun an sei das Leben freudlos und ohne Genuss. Sie können sich darauf verlassen: Irgendwann werden Ihnen die neuen, gesunden Lebensmittel auch wirklich schmecken.
Aber unterschätzen Sie die Anstrengungen einer Umgewöhnung nicht, so etwas kann Monate, durchaus ein Jahr und länger dauern. Seien Sie also unbedingt geduldig mit sich, hüten Sie sich vor überzogenen Vorstellungen und Erwartungen, sonst resignieren Sie schnell und fallen dann erst recht in alte Essmuster zurück.
Grundregel!
Mit Kopfarbeit und Sich-bewusst-Machen allein kommen Sie nicht ans Ziel. Neue Ernährungsgewohnheiten müssen hauptsächlich durch Erleben fest verankert werden. Und das braucht Zeit.
Das Essverhalten unter die Lupe nehmen
Am besten machen Sie erst mal eine Art Standortbeschreibung: Wo stehen Sie in Bezug auf Ihre Essgewohnheiten? Welche Essgepflogenheiten kultivieren Sie? Ein Tagebuch kann hier sehr hilfreich sein, um sich seiner Angewohnheiten bewusst zu werden. Solche Aufzeichnungen können außerdem motivieren, weil Sie erreichte Änderungen so klarer wahrnehmen. Die folgenden Aspekte und Fragen könnten Sie dabei zum Beispiel berücksichtigen: Wann esse ich? Wo esse ich genau? Am Tisch oder vor dem Fernseher, im Stehen, am Arbeitsplatz? Was esse ich? Machen Sie möglichst genaue Angaben zu den Lebensmitteln inklusive der Getränke. Vermerken Sie auch etwas über den Fettgehalt – fettarme Milch, Käse 45Prozent Fett i. Tr.–, die Sorte – rotes oder weißes Fleisch, Fruchtsaft, Fruchtnektar, Saft verdünnt – und die Rezepte der Gerichte. Wie viel esse ich pro Portion? Seien Sie unbedingt ehrlich, was die Mengenangaben betrifft. Warum esse ich? Gründe könnten zum Beispiel sein: Hunger, Appetit, nette Gesellschaft, Frust, Langeweile, Probleme, gute/schlechte Laune. Wie esse ich? Bewusst, unbewusst, schnell, genussvoll oder noch ganz anders?
Realistische Ziele setzen
Natürlich müssen Sie neben dem Status quo auch das Ziel kennen, das Sie erreichen möchten. Aber Vorsicht: Je höher Ihre Erwartungen gesteckt sind, desto wahrscheinlicher ist auch ein mögliches Versagen, das Frust auslösen und so alte Ernährungsmarotten erst recht wieder auf den Plan rufen kann. Frei nach dem Motto: «Schon wieder beim Frühstück zu viel gefuttert. Da kann ich auch gleich ganz aufhören und weiter zuschlagen, jetzt ist der Tag sowieso im Eimer.» Deshalb: kleine Schritte statt großer Pläne. Verzichten Sie auf strenge Gebote wie «Ich werde niemals wieder…» oder «Ab sofort ist Schluss mit…!». Ein realistisches Ziel könnte etwa so aussehen: «Nächste Woche werde ich mit nur einem Stück Sahnetorte auskommen.» Dieses Stück Torte werden Sie dann aber bestimmt ganz besonders genießen.
Suchen Sie nach alltagstauglichen Lösungen, solche, von denen Sie glauben, dass Sie diese auch wirklich gut schaffen können. Gehen Sie schrittweise vor, das macht den Einstieg leichter. Planen Sie beispielsweise für die nächste Woche, täglich zwei Portionen Obst zu essen. Ein Ziel für die darauffolgende Woche könnte es sein, täglich 1,5Liter zu trinken. Sie können auch Süßigkeiten nach und nach durch Obst ersetzen, beim Braten weniger Fett in die Pfanne geben und statt zu Pommes frites zu Salzkartoffeln greifen. Wählen Sie den richtigen Zeitpunkt für den Start, sonst hat der innere Schweinehund ein leichtes Spiel. Am besten starten Sie ganz entspannt am Wochenende. Und erzählen Sie allen davon, damit Sie auch erklären, was Sie schon geschafft haben, bzw. nicht erklären müssen, warum Sie zum großen Eisbein-Essen nicht mitkommen.
Das Ziel haben Sie nun im Visier. Jetzt brauchen Sie nur noch Geduld, Geduld, Geduld. Dranbleiben und nie aufhören, wieder anzufangen, wenn es mal nicht so läuft, wie Sie es sich wünschen. Richten Sie den Blick nach vorn, auf das, was Ihnen als Belohnung winkt. Wer Probleme mit dem Einstieg hat, der kann die Ernährungsumstellung auch als Experiment für sich definieren. Probieren Sie Ihr Vorhaben erst einmal für einen vorher festgelegten Zeitraum aus. Nehmen Sie sich etwa vor, zwei Wochen lang keinen Alkohol zu trinken oder keine Süßigkeiten zu essen. Und suchen Sie sich Unterstützer, Weggefährten, die Gleiches im Sinn haben wie Sie. Tauschen Sie Erfahrungen, Entdeckungen und Erfolge aus, das hilft. Auch über Umstände und Maßnahmen, die Ihnen helfen, Ihr Essverhalten zu kontrollieren. Wie etwa die folgenden:
Tun Sie nichts anderes, während Sie essen. Wer isst und gleichzeitig andere Tätigkeiten ausführt, beispielsweise Lesen oder Fernsehen, verbindet solche Aktivitäten früher oder später im Gehirn automatisch mit Essen. Irgendwann lösen diese das Essen gewohnheitsmäßig aus, das heißt, Fernsehen ohne etwas zum Knabbern ist gar nicht mehr denkbar. Außerdem kann sich, wer zwei oder mehr Dinge gleichzeitig tut, gar nicht richtig auf das Essen konzentrieren. Das bedeutet, Sie nehmen Kalorien auf, ohne sie auch bewusst zu genießen.
Essen Sie immer am selben Ort.