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Ein rasant-komischer Roman um einen liebeswerten Klugscheißer: Für alle Fans von »Fack ju Göhte« und Tommy Jaud! Timo Seidel ist 28 Jahre alt und führt ein Leben ohne jegliche Ambitionen. Anstatt wie seine Freunde Karriere zu machen, ist er in seinem Studentenjob hängengeblieben. Dementsprechend uninspiriert führt er seine Arbeit aus, so dass er fristlos entlassen wird. Zu allem Überfluss hat seine Freundin Cleo beschlossen, sich von ihm zu trennen. Nun steht er also da: Ohne Freundin, ohne Job, ohne Geld und ohne Perspektive. Aus heiterem Himmel bietet sich ihm jedoch eine außergewöhnliche Offerte: Er bekommt einen befristeten Arbeitsvertrag als Lehrer. Nun ist es also offiziell: Für die kommenden sechs Monate darf Timo staatlich beauftragter Klugscheißer sein. Im öffentlichen Dienst! Vom Staat angeheuert wie James Bond! Quasi 007 Klugscheißer Royale! Schnell muss er allerdings feststellen, dass der Lehrerberuf doch ein wenig schwieriger ist als ursprünglich gedacht… »Nicht nur für Klugscheißer und Lehrer ein herrliches Lesevergnügen«, Barbara
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Die Handlung und alle handelnden Figuren sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
ISBN: 978-3-492-98456-0
© 2018 Piper Verlag GmbH, München
vermittelt durch die Literaturagentur Kai Gathemann
Redaktion: Eliane Wurzer, Julia Feldbaum
Covergestaltung: Favoritbüro, München
Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt
Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe
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Cover & Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Ohne-Cleo-Tag Nr. 1 (formerly known as chapter 4)
Ohne-Cleo-Tag Nr. 2 (formerly known as chapter 5)
Ohne-Cleo-Tag Nr. 21 (formerly known as chapter 6)
Ohne-Cleo-Tag Nr. 24 (formerly known as chapter 7)
Ohne-Cleo-Tag Nr. 27 (formerly known as chapter 8)
Ohne-Cleo-Tag Nr. 30 (formerly known as chapter 9)
Ohne-Cleo-Sex-Tag Nr. 3 (formerly known as chapter 10)
Ohne-Cleo-Sex-Tag Nr. 6 (formerly known as chapter 11)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 1 (formerly known as chapter 12)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 4 (formerly known as chapter 13)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 5 (formerly known as chapter 14)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 8 (formerly known as chapter 15)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 9 (formerly known as chapter 16)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 10 (formerly known as chapter 17)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 11 (formerly known as chapter 18)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 12 (formerly known as chapter 19)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 13 (formerly known as chapter 20)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 15 (formerly known as chapter 21)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 43 (formerly known as chapter 22)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 49 (formerly known as chapter 23)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 50 (formerly known as chapter 24)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 63 (formerly known as chapter 25)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 132 (formerly known as chapter 26)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 144 (formerly known as chapter 27)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 145 (formerly known as chapter 28)
Offizieller Klugscheißer-Tag Nr. 149 (formerly known as chapter 29)
Von Klugscheißern kann man immer etwas lernen. (Ob man das auch will, ist eine andere Frage.) Im Nachfolgenden werden daher schwierige Begriffe und Neologismen jeweils an Ort und Stelle erklärt.
Neo|lo|gis|musm.; Gen. -; Pl. -men; Bezeichnung für ein (oft von Klugscheißern) neu erfundenes Wort, das beispielsweise aus einer anderen Sprache entliehen oder aus bereits bekannten Wörtern zusammengesetzt wird
»Herzlich willkommen beim ProTrend-Kundenservice. Mein Name ist Timo Seidel. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, frage ich mit sonorer Stimme in mein Headset.
»Jo, es geht sich da um einen Brief, wo ich heute erhalten habe«, quäkt mir eine weibliche Stimme ins Ohr.
»Es geht um einen Brief, den Sie heute erhalten haben?«, verbessere ich die Kundin, ohne auch nur eine Sekunde zu glauben, sie verstehe mein korrektives Feedback. Es ist traurig, wie fahrlässig die Hälfte aller Deutschen mit unserer Sprache umgeht. Es sollte hierfür Strafzettel geben. Wie fürs Falschparken. Falsches Relativpronomen: Zack! Fünf Euro Strafe! Unangebrachtes Reflexivpronomen: Schwupp! Zehn Euro!
»Jo, genau. Am besten verbinden Sie mich direkt mit dieser Frau Neumüller, das is’ nämlich die, wo mir den Brief geschickt hat und die behaupten tut, dass ich meine Rechnungen nicht zahl’.«
Ka-ching! Instinktiv verdrehe ich die Augen. Nicht nur wegen der kreativen Grammatik. Der Name Anke Neumüller steht nämlich auf all unseren Kundenanschreiben. Nur Gott weiß, ob diese Frau wirklich existiert. Jedenfalls nicht hier in unserem Callcenter.
»Frau Neumüller ist entlassen worden, weil sie so viele unverschämte Briefe verschickt hat«, antworte ich für meine eigene Bespaßung. »Aber ich helfe Ihnen gern weiter.«
Be|spa|ßungf.; Gen. -; Pl. -en; ProTrend-Kunden durch zynische Kalauer irritieren, um so die eigene Gemütslage zu verbessern
»Ja, na gut. Also, es geht sich darum«, fährt die Kundin fort. »Ich bin die Frau Bürgele. Und zwar habe ich mich heute sehr über diese Frau Neumüller aufgeregt. Sie müssen nämlich wissen, dass ich eine ehrliche Frau bin, die wo immer ihre Rechnungen zahlen tut.«
»Haben Sie denn Ihre Kundennummer zur Hand?«, frage ich. Inzwischen ist das eine rein rhetorische Frage, denn niemand hat jemals seine Kundennummer griffbereit. Seit fünf Jahren mache ich diesen Job nun schon. Zusammen mit knapp hundert anderen Mitarbeitern sitze ich in einem von zwei Großraumbüros und kämpfe täglich um Sauerstoff und Geduld.
»Ja, wo steht die denn?«, fragt Frau Bürgele.
»Oben links über Ihrer Adresse.« Ich wäre längst Millionär, hätte ich jedes Mal einen Euro für diesen Satz bekommen. Anfangs fand ich diesen Job noch entspannend. Faul auf dem Hintern rumsitzen und fürs Telefonieren Geld bekommen. Wie anstrengend kann das bitte sein?
Spätestens nach zwei Jahren allerdings möchte man den Großteil aller Kunden ins Dschungel-Camp wünschen. Und das geht nicht nur mir so. Dieselbe Ungehaltenheit kann man hier bei fast allen Kollegen beobachten, nachdem sie zwei Jahre ausgeharrt haben. Die meisten sind allerdings in der glücklichen Lage, dass dies für sie nur ein Nebenjob ist, um ihr Studium zu finanzieren. Deshalb bieten sie einem hier auch nur maximal einen Dreißig-Stunden-Vertrag an. Ich bin also der einzige Lappen, der hier nach fünf Jahren immer noch versauert!
Lap|penm.; Gen. -s; Pl. -; ersetzt den inzwischen obsoleten Vollhorst
»Ach, da ist sie ja«, ruft Frau Bürgele mich in die Gegenwart zurück. »Meine Kundennummer ist 9066 5387 und die 9.«
Das hat ja fast nur eine Minute gedauert! Wie ferngesteuert gebe ich Frau Bürgeles Kundennummer ein und rufe ihre Kontoinformationen auf.
Den ganzen Tag lang plage ich mich mit verwirrten, redseligen oder unzufriedenen Kunden herum. Aber immerhin sitze ich in der Reklamationsabteilung. Das ist schon mal ein enormes Upgrade und um Längen besser, als in der Bestellannahme zu arbeiten, wo man den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hat, als Bestellnummern einzutippen, um dann so etwas Poetisches zu sagen wie: Entschuldigen Sie, Frau Müller, aber das modische Herrenpolohemd mit Stehkragen haben wir in Größe XXL nicht mehr in den Farben Rot und Magenta gestreift vorrätig, ich kann Ihnen aber eine tolle Alternative anbieten, die sogar zwei Euro günstiger ist. Es handelt sich hierbei um dasselbe Modell in der topmodernen Farbkombination lila kariert mit aufgesticktem Bärchen-Emblem.
»Und dann auch noch so ein hoher Betrag, den ich angeblich nicht bezahlt haben soll«, empört sich Frau Bürgele.
»Welcher hohe Betrag? Es sind doch alle Rechnungen bezahlt. Ich sehe hier lediglich 12,95 Euro, die noch beglichen werden müssen.«
»Ah jo«, bestätigt sie. »Ich bin eine ehrliche Frau.«
Ein neuer Mitarbeiter setzt sich mir gegenüber und grüßt mich mit einem stillen Kopfnicken. Direkt auf seiner Schulungsmappe liegt ein Anschreiben der Universität Köln. Aha! Wieder ein Student! Bestimmt BWL, so, wie der aussieht. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich mit einer Autopanne auf dem Standstreifen stehe, während sich alle anderen auf der Überholspur befinden. Spätestens in vier Jahren wird er sein Studium abgeschlossen haben und in der freien Wirtschaft eine Mörderkohle scheffeln. Und ich sitze dann vermutlich immer noch hier und erörtere Kontoinformationen mit den Frau Bürgeles dieser Erde.
Schnell blättere ich durch deren Kontoauszug. Zum Glück ist sie keine Sammelbestellerin. Die bestellen nämlich für das gesamtes Dorf, sodass vermutlich selbst Peter Zwegat resignieren müsste. Nach wenigen Sekunden habe ich den offenen Posten gefunden.
»Die 12,95 Euro resultieren aus einer Bestellung vom Mai dieses Jahres. Da haben Sie zwei weiße Herren-T-Shirts, ein Halstuch, einen Plüschosterhasen und eine Damenjeans bestellt.« Moment mal! Wieso bestellt die gute Frau im Mai einen Osterhasen?
»Ah jo, des hab ich aber zurückgeschickt.«
Ich vergleiche die Gutschriften. Ich glaub’s ja nicht! Ausgerechnet den Plüschosterhasen hat sie behalten? Im Mai?
»Frau Bürgele, haben Sie den Hasen behalten?«
Stille.
Nur noch drei Stunden! Dann habe ich für diese Woche mein Soll in diesem Irrenhaus erfüllt. Ab morgen habe ich erst mal Urlaub!
Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch woanders arbeiten könnte. Mein Berufsberater hat mir damals kurz nach dem Abitur eine ganze Reihe an Berufen vorgeschlagen, für die ich angeblich äußerst geeignet gewesen wäre. Mir gefiel aber keiner so wirklich. Nachdem ich schließlich alle seine Vorschläge abgelehnt hatte, sagte er nur noch: »Bah! Sie sind ja noch ’nen größerer Klugscheißer wie meine Frau. Wissen Sie was, Herr Seidel? Ich hab ’nen Vorschlag für Sie: Werden Sie doch einfach Lehrer!«
Und das nur, weil ich ihn gelegentlich sprachlich korrigiert habe. Ist es etwa meine Schuld, dass mein Berufsberater sprachlich nicht wirklich sozialisiert war und somit fast keinen grammatikalisch richtigen Satz artikulieren konnte? Ich empfinde es als meine Pflicht, solche Leute aufzuklären. Gewissermaßen als Oswalt Kolle der deutschen Sprache.
Ich persönlich fand ja auch damals schon, dass man als Berater etwas mehr Contenance wahren sollte, aber nun gut – ganz unrecht hatte er nicht. Also habe ich mich an der Kölner Universität für die Fächer Deutsch und Englisch eingeschrieben. Sprachen haben mir immer schon gelegen. Mein Vater war gebürtiger Amerikaner, und ich bin die ersten dreizehn Jahre meines Lebens zweisprachig aufgewachsen.
Das Verhältnis zwischen mir und meinen Dozenten war aber – wie soll ich sagen? – ein wenig angespannt. Die meisten fragten mich nach einiger Zeit, wieso ich überhaupt dort hinkäme, wenn ich doch der Meinung sei, ohnehin schon alles zu wissen. Und ehrlich gesagt fragte ich mich das nach kurzer Zeit auch, weswegen ich nach zwei Semestern auch nicht mehr hinging. Das war zugegebenermaßen nicht die klügste Entscheidung meines Lebens.
Am anderen Ende der Leitung herrscht immer noch Stille.
»Frau Bürgele? Sind Sie noch da?«, frage ich.
»Mmh … ja, den Osterhasen, den habe ich behalten.«
»Und haben Sie den auch bezahlt?«
»Ja, ich weiß nicht mehr. Da muss ich mal nachschauen.« Klack! Frau Bürgele hat den Hörer beiseitegelegt. Ich höre, wie sie panisch davonschreitet.
Das ist jetzt nicht wahr, oder? Wo geht sie hin? Einen Kontoauszug bei ihrer örtlichen Sparkasse ziehen? Ich habe keine Lust mehr zu warten und drücke die rote Taste, um das Gespräch zu beenden.
Augenblicklich klingelt die Telefonanlage wieder. Das Display zeigt an: Kunde wartet seit 126 Sekunden. Prima, noch vier Sekunden, und er wird auf den Anrufbeantworter umgeleitet, wo ihm eine Frauenstimme mitteilt, dass die Leitungen leider derzeit überlastet seien, er aber seinen Namen, Telefon- und Kundennummer hinterlassen könne, da er in Kürze zurückgerufen würde. Bis heute habe ich nicht herausfinden können, wer bei uns im Büro diese ominösen Rückrufe tätigt. (Und ob das überhaupt irgendwer macht.)
Schwupp! Weg ist er! Es klingelt erneut. Kunde wartet seit 119 Sekunden. Was ist denn heute los? Ich nehme das Gespräch an.
»Herzlich willkommen beim ProTrend-Kundenservice. Mein Name ist Timo Seidel. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»So, jetzt passen Sie mal gut auf! Ich hab diese Scheiße hier so was von satt«, brüllt mir ein Mann ins Ohr. »Wissen Sie, wie lange ich hier in der Warteschleife gehangen habe?«
»119 Sekunden«, antworte ich.
»Ach, schon wieder so ein Klugscheißer, was?«, echauffiert sich der Kunde.
Ja, was denn? Ich habe ihm doch nur seine Frage beantwortet.
»Ich bin’s langsam leid. Wollen Sie sich über mich lustig machen, Sie unterbelichteter Büroheini?«
Obstsalat! Da bin ich doch jetzt aus Versehen auf die rote Taste gekommen! So was Blödes aber auch! Jetzt ist der freundliche Kunde auf einmal weg.
Obst|sa |latm.; Gen. -(e)s; Pl. -e; Salat aus unterschiedlichen Obstsorten, umgangssprachlich aber auch verwendet als Synonym für die (ebenfalls umgangssprachliche) Interjektion »Upsala« aufgrund seiner phonografischen Ähnlichkeit
Es klingelt erneut. Kunde wartet seit 96 Sekunden.
»Herzlich willkommen beim ProTrend-Kundenservice. Mein Name ist Timo Seidel. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, dudelt es aus mir heraus.
»Bitte, bitte, verbinden Sie mich nicht weiter. Ich habe schon mit zwei Kolleginnen gesprochen.«
»Sie sind jetzt in der Reklamationsabteilung«, sage ich dem Kunden. »Worum geht es denn?«
»Ich brauche ein Ersatzteil.«
»Dann kann ich Ihnen sicherlich weiterhelfen. Es sei denn, es handelt sich um Möbel. Dafür haben wir eine separate Hotline. Handelt es sich denn um ein Möbelstück?«
»Nein. Nein.«
»Können Sie mir dann bitte Ihre Kundennummer nennen?«
»Meine Kundennummer lautet 9067 3867 und die 2.«
Wahnsinn! Der hatte ja tatsächlich mal seine Nummer zur Hand. Ich bin fast geneigt, den Champagner zu öffnen, den ich für den Fall der Fälle in einem kleinen Kühlschrank unter meinem Schreibtisch aufbewahre. »Sie sind Herr Breuer?«
»Ja, genau.«
»Würden Sie mir dann bitte zum Abgleich und aus Datenschutzgründen noch Ihre vollständige Adresse und Ihr Geburtsdatum nennen?«
»Stefan Breuer, Hamburger Straße 14 in Bremen, geboren bin ich am 13. Juli 1972.«
Die Daten stimmen. »Vielen Dank. Wie genau kann ich Ihnen denn weiterhelfen?«
»Ja, ich habe das gerade schon einmal Ihrer Kollegin erklärt. Ich glaube, sie hieß Karin oder so. Hat sie Ihnen schon gesagt, worum es geht?«
Weshalb habe ich wohl gerade nachgefragt? Um Karins Angaben in einem komplizierten Lügendetektortest mittels Sensoren, die in der Ohrmuschel von Herrn Breuers Telefon befestigt sind, zu verifizieren? Ich weiß ja nicht mal, welche von den ganzen Studentinnen hier Karin ist.
»Nein«, antworte ich nur unwirsch.
»Ach so.« Herr Breuer hält kurz inne. »Soll ich Ihnen dann noch einmal sagen, worum es geht?«
Ich atme sehr tief durch. Manchmal gibt es so Momente …
»Ja, das wäre sehr hilfreich. Ich kann aber auch versuchen, Ihr Anliegen in einem lustigen Ratespiel herauszufinden. Wenn Sie zum Beispiel ein Faxgerät haben, könnten Sie versuchen, es zu illustrieren. So ähnlich wie bei den Montagsmalern mit Sigi Harreis in den 80ern. Kennen Sie die noch? Sie faxen das einfach hierher, ich schau kurz drüber und gebe einen ersten Tipp ab.«
Es ist still am anderen Ende der Leitung. Entweder hat es Herrn Breuer die Sprache verschlagen, oder er sucht gerade Papier, Bleistift und Faxgerät.
»Wollen Sie mich verarschen?«, fragt er schließlich.
Ich schlucke das runter, was in den letzten fünf Jahren zu meinem zweiten Vornamen geworden ist und sich ab und unkontrolliert Bahn bricht: meinen Zynismus.
Stattdessen sage ich: »Entschuldigung. Nach einem langen Arbeitstag hier im Callcenter werden wir manchmal etwas albern. Sie haben jetzt meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
»Ja, also. Wir haben vor vier Wochen einen Esszimmertisch und vier Stühle bestellt, die gestern geliefert wurden. Und da fehlt jetzt bei einem Stuhl eine Stoffauflage.«
Was ist das denn für ein Teilzeitgrübler?
Teil|zeit|grüb|lerm.; Gen. -s; Pl.-; Menschen, die nicht die volle Kapazität ihres Gehirns nutzen, sondern nur auf 450-Euro-Basis denken
Am liebsten möchte ich Herrn Breuer fragen, was er als Unbeteiligter zum Thema Intelligenz zu sagen hat. Stattdessen antworte ich ganz ruhig, langsam und so sachlich wie nur irgendwie möglich: »Herr Breuer, ich hatte Sie doch gerade gefragt, ob es sich bei Ihrer Reklamation um ein Möbelstück handelt. Das haben Sie verneint. Für Ersatzteile bei Möbelstücken müssen Sie leider eine separate Rufnummer anwählen. Die steht auch auf Ihrem Lieferschein.«
Na warte! Jetzt antwortet der Schlaumeier bestimmt, dass es sich bei der Stuhlauflage nicht um ein Möbelstück handelt.
»Nein.«
»Was nein?«, frage ich gereizt. Mein Blutdruck steigt langsam an. Es ist wohl wieder Zeit für meine Betablocker. Die bewahre ich direkt neben dem Champagner in meinem Minikühlschrank auf.
»Sie haben mich nicht gefragt, ob es sich um ein Möbelstück handelt. Sie haben nur nach meiner Kundennummer gefragt. Und nach meinem Geburtsdatum.«
Ich bin sprachlos! Und schon wieder so kurz davor, die rote Taste zu drücken!
»Na, wie dem auch sei«, murmele ich und fange mich wieder. Es hat ja eh keinen Sinn! »Sie hätten mir sofort sagen können, dass es sich um ein Möbelstück handelt. Nun müssen Sie leider bei unserer Möbelhotline anrufen. Haben Sie die Rufnummer?«
»Ja, das habe ich Ihnen doch sofort gesagt.«
Langsam werde ich wahnsinnig!
»Was haben Sie mir sofort gesagt?«
»Ja, dass es sich um ein Möbelstück handelt.«
Ich spüre meine Schlagader pulsieren, deshalb frage ich nun laut: »Herr Breuer, wollen Sie mich wahnsinnig machen?«
Es ist wieder kurz still am anderen Ende. Er denkt wahrscheinlich nach, und ich habe Angst, dass er sich dabei verletzen könnte.
»Ja, ich kann nichts dafür, wenn Sie zu blöd sind, mir zuzuhören«, schreit Herr Breuer auf einmal.
So, jetzt reicht es! Bevor bei mir irgendwelche Kapillaren platzen, rutscht es mir schon heraus: »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Sie Bezirkstrottel. Sie haben mir nicht gesagt, dass es sich um ein Möbelstück handelt. Selbst als ich nachgefragt habe, haben Sie das noch verneint.«
Ups, habe ich den Bezirkstrottel jetzt laut gesagt?
Stille am anderen Ende.
»Wie haben Sie mich gerade genannt?«, fragt Herr Breuer.
Anscheinend habe ich es laut gesagt. Was jetzt? Auflegen? Weiterstreiten? Ach, was soll’s. Der hat sich im Leben nicht meinen Namen gemerkt.
»Ich habe Sie einen Bezirkstrottel genannt! Soll ich Ihnen das Wort kurz erklären?«
»Wie war noch mal Ihr Name?«
Na, also! Wusste ich es doch!
»Walter Weber«, sage ich. Das ist der Name unseres Vorgesetzten. Über den darf er sich meinetwegen gern beschweren.
»Gut, Herr Weber. Würden Sie mich dann bitte mal mit Ihrem Vorgesetzten verbinden?«
»Ja, das geht leider nur schriftlich!«, triumphiere ich. »Sie können Ihre Beschwerde direkt an die Zentrale nach München schicken. ProTrend, Abteilung Kundenbeschwerden, 80558 München. Auf Wiederhören!«
Zack! Die kleine rote Taste und ich werden heute noch richtig gute Freunde!
Die Telefonanlage klingelt erneut. Kunde wartet seit 48 Sekunden. Langsam scheint es ruhiger zu werden. Ich drücke die Abwesend-Taste an der Telefonanlage und gönne mir eine kurze Pause auf der Toilette.
Als ich vom Klo zurückkomme, stehen der wahre Walter Weber und Birte an meinem Arbeitsplatz. Ich frage mich, was die beiden von mir wollen. Ob sich der Kunde von eben schon beschwert hat? Quatsch, das kann ja gar nicht sein. Der wusste nicht einmal meinen Namen. Ich gehe langsam auf die beiden zu und runzle die Stirn.
»Herr Seidel, würden Sie mir und Frau Kaufmann bitte in mein Büro folgen?«
Abwechselnd schaue ich von Weber zu Birte: »Worum geht es denn?«
»Das erfahren Sie unten«, sagt Weber ernst.
Sein Büro liegt im ersten Stock. Insgesamt hat ProTrend in diesem Gebäude drei Etagen angemietet: Die Verwaltungsbüros befinden sich im ersten Stock, die Telefonbüros im zweiten und dritten.
Weber und Birte gehen in Richtung Treppenhaus. Ich trotte ihnen hinterher. Birte ist eine der fünf Supervisors. Eigentlich ist sie ganz nett. Wir haben vor fünf Jahren zusammen bei ProTrend angefangen. Inzwischen ist sie allerdings eine meiner Vorgesetzten, während ich mich nach wie vor mit dem Proletariat am Telefon herumschlagen darf. Aber im Grunde beneide ich sie eh nicht um ihren Posten. Den ganzen Tag lang müssen die Supervisors Aufgaben übernehmen, die früher der Stasi zugeteilt wurden. Sobald ein Mitarbeiter seine Pause um fünf Minuten überzieht, stehen sie schon im Aufenthaltsraum und machen denjenigen mehr oder weniger höflich auf sein Fehlverhalten aufmerksam. Daher hatte ich auch nie wirklich Ambitionen, Supervisor zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass die Chefetage mich niemals genommen hätte. Dafür bin ich viel zu klugscheißerisch (O-Ton Weber). Ich frage mich, wieso gerade dieses Wort immer wieder auftaucht, wenn es um meine Wenigkeit geht?!
Weber öffnet die Tür zu seinem unheimlich einfallslos eingerichteten Büro. Birte folgt ihm. Als Letzter schlurfe ich hinein.
Ich bin ja mal gespannt, was jetzt kommt! Mindestens einmal im Monat werde ich in sein Büro zitiert. Beim letzten Mal hat er sich beschwert, dass ich am Telefon zu unfreundlich war, davor ging es um die Gutschriften, die ich angeblich viel zu schnell ausstelle, und ein anderes Mal waren es meine ausufernden Pausenzeiten.
»Nehmen Sie bitte Platz, Herr Seidel.« Weber deutet auf einen der Stühle ihm gegenüber. Birte setzt sich ebenfalls. Sie nimmt einen Stift in die Hand, hat aber weder Papier vor sich liegen noch schreibt sie etwas auf.
»Herr Seidel, wir haben heute Ihre Gespräche mitgeschnitten«, eröffnet Weber.
Was? Dürfen die das überhaupt? Ich bin für einige Sekunden sprachlos und fühle mich, als ob man mir ein Holzpaneel direkt vors Gesicht geschlagen hätte.
»Seit wann ist das denn bitte erlaubt?«, frage ich schließlich, als ich mich wieder gefangen habe.
»Wir haben uns selbstverständlich abgesichert und das vorher vom Betriebsrat genehmigen lassen, Herr Seidel. Selbst die hielten das in Ihrem Fall für eine gute Idee.«
Weber lehnt sich selbstgefällig in seinem Bürosessel zurück. Ein Ausdruck von Triumph macht sich auf seinem Gesicht breit.
Birte starrt währenddessen auf den Schreibtisch und spielt umständlich mit dem Stift in ihrer Hand.
»Möchten Sie dazu etwas sagen, Herr Seidel?« Weber schaut mich eindringlich an.
Was soll ich dazu schon großartig sagen? Heute habe ich mindestens drei Kunden weggedrückt – dass das äußerst geschäftsschädigend ist, weiß ich selbst. Da gibt es nichts mehr schönzureden. Und das weiß auch Weber. Nach wie vor sitzt er gönnerhaft in seinem Sessel und grinst mich an. So, als wollte er sagen: Schachmatt. Ich habe gewonnen! Das war es für Sie, Herr Seidel!
Nicht, dass ich jemals an diesem Job gehangen hätte, aber es ärgert mich, dass Weber an der anderen Seite des Schreibtischs sitzt und bestimmen darf, wie die Dinge hier zu laufen haben. Denn das macht er leider alles andere als gut! Kurz nachdem ich hier angefangen hatte, hat er eine Mitarbeiterin wegen eines Fehlers derart zurechtgewiesen, dass sie vor versammelter Mannschaft zu weinen anfing. Und Weber schaute triumphierend in die Runde, damit sich alle Mitarbeiter klar darüber waren, wer in diesem Büro den Ton angibt. Spätestens seit diesem Tag ist der Typ bei mir unten durch.
Derselbe Gesichtsausdruck ziert auch jetzt wieder sein Antlitz, und ich merke, wie die Wut in mir aufsteigt.
»Ah ja, George Orwell lässt grüßen.«
»Wie bitte? Wer?«, fragt Weber irritiert.
Natürlich kennt er Nineteen Eighty-Four nicht. Er gehört vermutlich auch zu den Leuten, die Big Brother für eine Erfindung von RTL II halten.
»Er spielt auf einen Roman an«, sagt Birte. Ihr Blick ist immer noch auf den Schreibtisch fixiert.
»Na, wie dem auch sei«, fährt Weber fort. »Wie Sie wissen, haben wir Sie wegen ähnlichem Verhalten schon zweimal abgemahnt. Sie erinnern sich?«
Ich sage nichts – nicht einmal zu dem falsch verwendeten Dativ –, sondern seufze nur tief.
Und dann spricht Weber das aus, was ihm vermutlich noch bis ins Jahr 2040 Genugtuung verschaffen wird: »Das ist auch der Grund, weshalb wir uns von Ihnen trennen müssen. Aufgrund der Tatsache, dass Sie schon zweimal für dasselbe Verhalten abgemahnt wurden, dürfen wir Sie nun auffordern, unsere Firma mit sofortiger Wirkung zu verlassen.«
Birtes Blick ist unverändert auf den Schreibtisch gerichtet. Hoffnungsvoll wartet Weber auf ein Wort der Reue oder, schlimmer noch, darauf, dass ich ihn bitte, mich nicht zu entlassen. Ich weiß aber, dass ich ihn eh nicht umstimmen kann. Und selbst, wenn ich könnte …
»Ja, in Ordnung«, sage ich daher nur und erkenne meine eigene Stimme kaum wieder.
»Packen Sie bitte Ihre Sachen, und verlassen Sie unser Haus«, sagt er schließlich.
Ich stehe ohne Kommentar auf. Selbst Birte schaue ich nicht mehr an. Zum Glück brauche ich nichts zusammenzupacken. Meinen Schlüssel und mein Portemonnaie habe ich in meinen Hosentaschen. Und meine Wasserflasche kann ruhig hier bleiben. Hauptsache, ich muss nicht noch mal nach oben. Dort haben sich die Neuigkeiten bestimmt schon längst herumgesprochen. Hast du gehört? Timo wird endlich gefeuert. Kein Wunder, bei dem, was der sich schon alles erlaubt hat.
Draußen ist es unfassbar heiß. Bis zu meinem Wagen muss ich mindestens zweihundert Meter in brüllender Hitze die Helmholtzstraße entlanglaufen, während mir die Sonne Krebs auf die Haut zaubert. Wütend knalle ich die Tür meines 3er-BMWs zu. Mein ganzer Stolz!
Wenn ich schon ’nen Scheißjob habe, will ich wenigstens ein vernünftiges Auto fahren, habe ich mir gedacht, als ich mir den Wagen auf Pump gekauft habe. Tja, jetzt habe ich noch nicht mal mehr einen Scheißjob.
Ach, was soll’s! Dann muss Cleo mir finanziell etwas unter die Arme greifen. Sie verdient ja schließlich genug. Irgendwie klappt das schon.
Cleo und ich sind seit fünf Jahren zusammen, und eigentlich heißt sie Cleopatra. Kein Witz! Der Name steht wahrhaftig in ihrem Personalausweis, den ich mir direkt beim ersten Date habe zeigen lassen. Keine Ahnung, was sich ihre Eltern dabei gedacht haben. Und die Tatsache, dass irgendein Urgroßvater Grieche war, macht das Ganze auch nicht besser. Jedenfalls wird sie sowieso nur von jedem Cleo genannt.
Also … finanziell wird’s schon irgendwie hinhauen. Da mache ich mir keine Gedanken. Die Frage ist nur, was ich jetzt anstellen soll? Gelernt habe ich ja nie was Richtiges. Und das Scheißstudium habe ich hingeschmissen. Der Zug ist sowieso abgefahren. Welcher Trottel fängt schon mit Ende zwanzig noch mal an zu studieren?
Vielleicht kann Amadeus mir ja etwas beim WDR besorgen? Das wäre doch mal was!
Ich werde oft gefragt, warum meine Freunde so merkwürdige Namen haben. Da gibt es ja schließlich auch noch Bartholomäus. Meinen besten Kumpel. Aber wir nennen ihn immer nur Tholo.
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, warum die alle so befremdliche Namen haben. Ich bin mit meinem ja eher innerhalb der deutschen Industrienorm. Ich vermute, dass ich in den letzten Jahren wohl einfach regelrechte Sensoren für sonderbare Namen entwickelt habe.
Als ich endlich bei meinem Schätzchen angelangt bin, schmeiße ich mich auf den Fahrersitz, schalte die Klimaanlage an, lasse den Motor aufheulen und mache mich auf den Weg nach Brühl.
»Du glaubst nicht, was heute passiert ist«, platzt es aus mir heraus, als ich unsere Wohnung betrete. Ich werfe meine Autoschlüssel auf den blauen Computertisch, der aus Platzmangel in der Diele steht, und sehe einen Haufen Pappkartons, die hier nahezu alles blockieren. Ich frage mich, was Cleo da gerade veranstaltet und warum sie eigentlich um diese Uhrzeit schon daheim ist.
Unsere Wohnung ist nicht besonders groß. Gerade einmal fünfundvierzig Quadratmeter. Keine Ahnung, wieso wir uns bis heute nichts Besseres gesucht haben. Im Grunde besteht die Wohnung nur aus dieser Minidiele, von der aus es entweder in das winzige Badezimmer (ohne Fenster), in das halbwegs passable Wohnzimmer oder in die viel zu kleine Küche geht, bei der wir sogar die Tür entfernt haben, damit wir den Raum dahinter nutzen können. Ansonsten gibt es nur noch das Schlafzimmer, das lediglich durch eine Rigipswand vom Wohnzimmer getrennt ist.
Cleo kommt aus dem Wohnzimmer: »Timo, wir müssen reden!«
»Der dämliche Weber hat mir gekündigt«, schneide ich ihr das Wort ab. »Kannst du dir das vorstellen?« Ich lege eine dramatische Pause ein und warte auf eine Reaktion. Ein Aufschrei der Empörung oder ein erstauntes Was? Wie können die so etwas denn nur tun? – aber Cleo sieht mich nur mit ernstem Blick an. »Hast du verstanden, was ich gerade gesagt habe?«, frage ich. Doch sie steht nur schweigend im Wohnzimmer und scheint gerade über irgendetwas anderes nachzudenken. Einen Moment lang zögere ich und warte wieder auf ihre Reaktion. Dann schüttele ich ungläubig den Kopf. Unfassbar, dass sie nichts dazu sagt. Ich verliere meinen Job, und Cleo regt sich vermutlich gleich lieber darüber auf, dass ich heute Morgen die Zahnpasta aufgebraucht habe, ohne Bescheid zu sagen.
Ich gehe ebenfalls ins Wohnzimmer und setze mich auf das rote Sofa. Mehr zu mir selbst sage ich: »Hat mich sowieso alles angekotzt. Du musst mir dann in den nächsten Wochen eben finanziell etwas unter die Arme greifen.«
Cleo hat sich umgedreht und starrt mich immer noch mit ernstem Blick an. Sie setzt sich auf einen der mit gelbem Stoff bezogenen Stühle am Esszimmertisch: »Wir müssen reden, habe ich gesagt!«
»Ja, mach dir keine Sorgen! Ich werd schon bald was Neues finden. Kann halt sein, dass ich die nächsten zwei oder drei Monate meinen Anteil der Miete nicht zahlen kann. So ’nen blöden Callcenter-Job finde ich doch jederzeit wieder.«
»Ich mache Schluss, Timo«, sagt Cleo.
»Ja, toller Gag!« Ich stehe auf und hole mir ein Bier aus der Küche. »Müssen die mir nach fünf Jahren nicht wenigstens eine Abfindung zahlen?« Cleo antwortet nicht. »Ja, jetzt sag doch auch mal was dazu«, fordere ich sie auf.
»Ich mache Schluss, Timo«, wiederholt Cleo. Ganz ruhig. Ganz ernsthaft. Ganz langsam.
Ich warte einen Moment, in der Hoffnung, dass sie so etwas sagt wie Haha, war nur ein Scherz! Wir schaffen das schon. Du findest bestimmt ganz schnell einen neuen Job. Aber nichts! Cleo starrt mich nur weiterhin schweigend an.
»Wie jetzt? Du meinst das ernst?«
»Die wichtigsten Dinge habe ich schon mal gepackt. Ich habe mir spontan diese und nächste Woche freigenommen. Annette kommt gleich und hilft mir mit den Kartons.«
Erst jetzt sehe ich, dass auch hier im Wohnzimmer überall Kisten herumstehen. Bei uns ist es öfter mal etwas unaufgeräumt. Da fallen ein paar Kartons mitten im Raum nicht unbedingt sofort auf.
Ich fasse es nicht! Wie ruhig sie das sagt! Im gleichen Tonfall wie Im Fernsehen läuft heute nichts. Annette und ich gehen ins Kino.
»Was soll das heißen, du machst Schluss? Wie willst du ohne mich überhaupt zurechtkommen?«
Cleo schnauft kurz durch die Nase. Dann steht sie auf und packt ihren Kulturbeutel in einen der Kartons, die neben dem Esszimmertisch stehen.
»Ja, Timo, wie werde ich ohne dich nur zurechtkommen? Vor allem finanziell wird es dann bestimmt richtig eng«, sagt sie in sarkastischem Ton.
»Jetzt geht das wieder los! Geht’s etwa darum? Ums Geld?«
Ständig müssen wir uns über Geld streiten. Cleo verdient nun mal das Dreifache von dem, was ich bei ProTrend bekomme – ich korrigiere: bekommen habe. Da ist es doch nur normal, dass sie den Großteil der Miete und der laufenden Kosten trägt. Umgekehrt würde ich das schließlich auch tun.
»Nein, Timo. Es geht nicht ums Geld. Das Geld könnte mir nicht weniger egal sein. Es geht darum, dass du nur an dich selbst denkst und dein Leben nicht auf die Kette kriegst. Es geht immer nur um dich! Und dann die ganze Klugscheißerei! Du weißt alles besser, du kannst alles besser und ohne dich wäre die Welt aufgeschmissen. Und ich erst recht!« Sie schaut mich nicht mal an, während sie weiter Kleinigkeiten in einen der Kartons packt.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das Ganze ist so surreal – und andererseits auch nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir so eine Diskussion führen. Bislang nur immer ohne Umzugskartons.
»Die Sache mit deinem Job tut mir natürlich leid«, sagt sie schließlich. »Aber wen wundert’s? Im Büro führst du dich bestimmt genauso auf wie hier zu Hause.«