Kompetenzen für Pflegeprofis (E-Book) - Susanne Zwinggi - E-Book

Kompetenzen für Pflegeprofis (E-Book) E-Book

Susanne Zwinggi

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Welche Kompetenzen sind in Pflegeberufen gefordert? Wie können sie in der Ausbildung entwickelt werden? Und wie werden berufspädagogische Vorgaben im Unterricht umgesetzt? Diese fachdidaktische Publikation liefert kompakte Antworten, untermauert von konkreten Unterrichtsbeispielen. Dabei wird gezeigt, wie Bildungs- und Rahmenlehrpläne berufsspezifisch in lernförderliche Unterrichtssettings implementiert werden können. Die Fachdidaktik eignet sich für den Einsatz auf allen Stufen der beruflichen Bildung.

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Susanne Zwinggi / Karin Hauser / Babett Chorschew / Kathrin Koch-Jaksiewicz

Kompetenzen für Pflegeprofis

Didaktik für die berufliche Bildung in der Pflege

 

ISBN Print: 978-3-0355-1843-6

ISBN E-Book: 978-3-0355-1844-3

 

Berufliches Lernen, Band 1

 

1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 hep Verlag AG, Bern

 

hep-verlag.ch

Weitere Materialien

hep-verlag.ch/kompetenzen-pflegeprofis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1 Pflegeberufe in der Schweiz

1.1 Ein Berufsfeld mit Zukunft

1.2 Pflegeberufe im schweizerischen Bildungssystem

1.2.1 Assistent/in Gesundheit und Soziales EBA

1.2.2 Fachmann Gesundheit EFZ / Fachfrau Gesundheit EFZ

1.2.3 Pflegefachmann HF / Pflegefachfrau HF

1.2.4 Berufslaufbahnen in den Pflegeberufen

1.3 Wer interessiert sich für Pflegeberufe?

1.4 Professionelle Pflege – ein Beruf mit langer Ausbildungstradition

2 Berufsdidaktische Grundlagen für Pflegeberufe

2.1 Berufsdidaktische Vorgaben auf der Ebene der Bildungspläne und des Rahmenlehrplans

2.1.1 Kompetentes berufliches Handeln als Ziel

2.1.2 Handlungskompetenzen als Inhalt

2.1.3 Kompetenzfördernde Unterrichtskonzepte und Methoden

2.1.4 Unterrichtskonzepte und -methoden zur Förderung von nachhaltigen Lernprozessen

2.1.5 Unterrichtskonzepte und -methoden zur Förderung der überfachlichen Kompetenzen

2.1.6 Unterrichtskonzepte und -methoden zur Förderung des Praxisbezugs

2.2 Berufsdidaktische Vorgaben auf der Ebene der Ausbildungsinstitution: Schullehrpläne

2.2.1 Berufliche Grundbildung

2.2.2 Schullehrplan auf Stufe HF

2.3 Berufsdidaktik auf der Ebene des Unterrichts

2.3.1 Semesterplanung

2.3.2 Unterrichtsvorbereitung

2.4 Lehrvoraussetzungen

3 Unterrichtsplanung auf der Stufe der beruflichen Grundbildung (Sekundarstufe II)

3.1 Besondere Herausforderungen im Unterricht auf der Stufe der beruflichen Grundbildung

3.2 Die Unterrichtspräparation auf Stufe der beruflichen Grundbildung am konkreten Beispiel

3.2.1 Grobplanung der gesamten Handlungskompetenz D.1

3.2.2 Feinplanung für die Unterrichtseinheit 1: Anatomie und Physiologie

3.2.3 Feinplanung für die Unterrichtseinheit 4: Blutdruck, Puls und Normwerte

4 Unterrichtsplanung auf der Stufe der höheren Fachschule

4.1 Besondere Herausforderungen im Unterricht auf der Stufe der höheren Fachschule

4.2 Die Unterrichtspräparation auf der Stufe der HF am konkreten Beispiel

4.2.1 Grobplanung des Moduls «Krisenmanagement»

4.2.2 Feinplanung für den 1. Modultag: Die Krise als Phänomen

4.2.3 Feinplanung für den 2. Modultag: Myokardinfarkt als Krisensituation

4.2.4 Feinplanung für den 3. Modultag: Stress und Coping

5 Ausblick

Zusatzmaterialien

Literatur

Autorinnen

Vorwort

Es freut mich ungemein, dass nun diese Handreichung im Bereich Berufsdidaktik für Schweizer Lehrpersonen für Pflegeberufe auf der Stufe der Grundbildung sowie der höheren Fachschulen zur Verfügung steht.

Das Schweizer Berufsbildungssystem ist einzigartig, und auch die Ausbildungen «Assistent/in Gesundheit und Soziales», «Fachfrau/Fachmann Gesundheit» und «Diplomierte Pflegefachfrau/Pflegefachmann HF» existieren in dieser Form und Bezeichnung nicht in anderen deutschsprachigen Ländern. Umso wichtiger ist es, insbesondere als angehende Lehrperson, einen guten und strukturierten Überblick über die Kompetenzniveaus und pädagogisch-didaktischen Herausforderungen und Chancen dieser Berufsausbildungen auf den Stufen «Berufliche Grundbildung/Sekundarstufe II» und «Weiterbildung/Tertiärstufe» zu erhalten.

Die Pflegeberufe zählen eindeutig zu den systemrelevanten Berufen unserer Zeit und der Zukunft! Spätestens seit der Corona-Krise ist dies auch der breiten Öffentlichkeit bewusstgeworden. Zahlreiche Berufskampagnen machen Werbung für die Wahl einer Ausbildung im weiten Feld der Schweizer Gesundheitsversorgung. Sowohl in der stationären Langzeitpflege, den akutsomatischen Spitälern, in Rehabilitations- sowie psychiatrischen Kliniken als auch dem gesamten Spitex- und Ambulanzbereich ist Aus- und Weiterbildung möglich und notwendig. Und mit der Chance und Herausforderung des «lebenslangen Lernens» stehen wir als Lehrpersonen nun sowohl Schulabgänger*innen als auch lebenserfahrenen Menschen gegenüber, die im Gesundheitswesen eine Berufskarriere starten möchten.

Die Berufspraxis in unseren Gesundheitseinrichtungen ist sehr spannend, aber auch anspruchsvoll und hektisch; vieles gestaltet sich nicht plan- und überschaubar. Personalmangel, wechselnde Teams, herausfordernde Situationen mit Patient*innen bestimmen den Alltag unserer Berufslernenden. In der Berufsschule sind nun die Lehrpersonen gefordert, coachend und unterstützend, die Freude an der Berufswahl zu erhalten und die umfangreichen Lerninhalte lerngruppengerecht zu vermitteln. Es gilt zudem, sowohl Unterstützungsbedarf als auch Potenziale zu erkennen und zu fördern. So ist es dann auch möglich, dass ein grosser Teil der Lernenden EBA im weiteren Verlauf ein EFZ «Fachfrau/Fachmann Gesundheit» anschliesst, oder einige von ihnen sogar noch an einer höheren Fachschule Pflege erfolgreich sind. Auch die Berufsmatura wird dann möglich und eröffnet weitere attraktive Lern- und Studienangebote. Die Durchlässigkeit des Schweizer Berufsbildungssystems macht grundsätzlich sehr vieles möglich. Die Rolle der Lehrperson für Pflegeberufe als «Expertin der Bildungslandschaft» ist in diesem Kontext ebenfalls sehr wertvoll, aber eben auch anspruchsvoll – sie muss immer «up to date» sein.

In unsere Pflegeberufe starten sowohl junge Menschen direkt nach der obligatorischen Schulzeit als auch Quereinsteigende ohne oder mit bereits erworbenen anderen Berufsabschlüssen. Dies ist spannend und gleichzeitig herausfordernd für Lehrpersonen. Lernende und Studierende haben nicht selten einen ganzen Rucksack an persönlichen Themen und erreichen uns mit überaus heterogenen Lernbiografien. Oft sind die Voraussetzungen fürs Lernen, beispielsweise auch im Selbststudium zu Hause, nicht ganz ideal. Zudem haben die Studierenden häufig sehr unterschiedliche Lerntempos. Junge Lernende und Studierende sind in der Regel eher «IT-affin» und darin geübt, Lerninhalte zu strukturieren, Wesentliches zu erfassen und im Rahmen von Prüfungen wiederzugeben. Quereinsteigende oder ganz allgemein etwas ältere Menschen bringen hingegen sehr viel persönliches Erfahrungswissen und Expert*innenwissen aus anderen Bereichen mit in den Unterricht, sind oft kommunikativ und können das Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen in konkreten Situationen mit Patient*innen gut erkennen. Lerngruppengerechte Lehrformate in den Bereichen Schule, überbetriebliche Kurse sowie dem Lernbereich Training und Transfer sind zu entwickeln und auszugestalten. Dies macht viel Spass, als angehende Lehrperson benötigt man aber auch Zeit und Unterstützung durch erfahrene Kolleg*innen.

Ich wünsche allen Berufsschullehrpersonen für Pflegeberufe viel Glück und Erfolg auf ihrem überaus sinnstiftenden und nachhaltigen Berufsweg!

 

Katja Hornung, Rektorin Bildungszentrum Gesundheit und Soziales, Kanton Glarus

Einleitung

Wer als Lehrperson in der beruflichen Bildung Pflegeberufe unterrichtet, ist zu einem grossen Teil mit Herausforderungen konfrontiert, die Lehrpersonen auf allen Unterrichtsstufen und in allen Berufsfeldern kennen. Als Beginner*in muss man sich mit den Rahmenbedingungen des Unterrichts, den Lernenden und der Schulorganisation auseinandersetzen. Auch in Bezug auf die Vermittlung des Schulstoffes stellen sich stufenübergreifend ähnliche Fragen, da die dem Lernen zugrunde liegenden Prozesse grundsätzlich universeller Art sind ist. Antworten auf berufsfeld- und stufenübergreifende Fragestellungen zum Unterrichten findet man in den zahlreichen Publikationen der Allgemeinen Didaktik (z.B. Städeli et al. 2021, Meyer 2015). Fragestellungen zu den Besonderheiten der beruflichen Bildung werden in berufsfeldübergreifenden Abhandlungen erörtert (z.B. Schmid-Leupi 2013, Kaiser 2019). Zur Auseinandersetzung mit spezifischen Besonderheiten des eigenen Berufs im Kontext des schweizerischen Berufsbildungssystem sind Publikationen für eine breite Öffentlichkeit zum gegebenen Zeitpunkt noch spärlich. Hier entwickelt jede Schule, jede Fachgruppe, jede Lehrperson ihr eigenes Konzept, ihre eigenen Fragestellungen und Lösungsansätze. So entsteht im Bereich der unveröffentlichten Literatur zwar ein Schatz an wertvoller berufsdidaktischer Literatur, leider steht dieser aber immer nur einem kleinen Kreis von interessierten Lehrpersonen zur Verfügung. Wer neu im Berufsfeld Gesundheit mit dem Unterricht beginnt, ist häufig auf sich allein gestellt – und wer für die Reflexion und Weiterentwicklung des eigenen, in langjähriger Berufstätigkeit entwickelten Konzepts seiner Berufsdidaktik nach Fachliteratur sucht, wird auf dem schweizerischen Markt nicht fündig.

Mit dem Wunsch, diese Lücke zu füllen und damit die berufsdidaktische Diskussion im Berufsfeld der Pflegeberufe anzustossen, haben wir uns entschieden, unsere Überlegungen zu einer Didaktik der Pflegeberufe in der Schweiz zu publizieren. Damit möchten wir einen ersten Beitrag zur berufsdidaktischen Diskussion in diesem wichtigen Berufsfeld leisten. Die vorliegende Publikation richtet sich in erster Linie an Berufseinsteiger*innen, die wir beim Einstieg in die Berufsdidaktik der Pflegeberufe unterstützen möchten. Wir möchten unsere Berufsdidaktik aber auch erfahrenen Lehrpersonen als Anregung zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Verständnis der Berufsdidaktik empfehlen.

Mit dieser Berufsdidaktik adressieren wir Lehrpersonen auf allen Ausbildungsstufen der beruflichen Bildung in den Pflegeberufen: Lehrpersonen auf der Sekundarstufe II (FaGe EFZ oder AGSEBA) wie auch Dozierende auf der Tertiärstufe (diplomierte Pflegefachfrauen bzw. Pflegefachmänner HF). Zentrale Elemente der Berufsdidaktik, wie die berufspädagogische Vorgabe der Handlungskompetenzorientierung, haben für alle Ausbildungsstufen Gültigkeit, zudem ist im Berufsfeld der Pflegeberufe die Mobilität sehr hoch: Ein Grossteil der FaGe führt seine Ausbildung an der höheren Fachschule bis zur diplomierten Pflegefachperson fort. Wir erachten es daher als Vorteil, auch über Ausbildungsbedingungen jenseits der eigenen Ausbildungsstufe Bescheid zu wissen.

Im ersten Kapitel werden mit Ausführungen zum gesellschaftlichen Bedarf, der Positionierung der verschiedenen Ausbildungsberufe im schweizerischen Berufsbildungssystem und der Entwicklung der Pflegeberufe in der Schweiz einige Rahmenbedingungen des Berufsfelds der Pflegeberufe skizziert.

Im zweiten Kapitel vertiefen wir mit den berufsfeldspezifischen Zielen, Inhalten und Methoden wichtige Elemente unserer Berufsdidaktik für Pflegeberufe. Dabei beginnen wir mit einer Analyse der berufsdidaktischen Vorgaben der Bildungspläne und der Rahmenlehrpläne, setzen uns mit schulspezifischen Aspekten auf der Ebene der Schullehrpläne auseinander und widmen wir uns schliesslich der konkreten Unterrichtsplanung. Wir geben einen Überblick über Konzepte und Methoden, die sich für den Unterricht in den Pflegeberufen besonders eignen, zusammen mit Hinweisen auf vertiefende Lektüre.

Die Schritte der konkreten Unterrichtsplanung werden im dritten Kapitel anhand eines Beispiels für den Unterricht auf Sekundarstufe II umgesetzt. Im vierten Kapitel folgt eine konkrete Umsetzung für den Unterricht auf der Stufe der höheren Fachschule.

Die einzelnen Kapitel beziehen sich aufeinander, können aber unabhängig voneinander gelesen werden. Wichtige Bezüge sind durch Seitenangaben gekennzeichnet und schnell auffindbar. Bei den Bezeichnungen haben wir uns jeweils an den grössten gemeinsamen Nenner gehalten: Wenn alle Ausbildungsstufen angesprochen sind, verwenden wir die Bezeichnung «Lernende» sowohl für Berufslernende als auch für HF-Studierende und «Lehrperson» sowohl für Berufsschullehrpersonen als auch für Dozierende an höheren Fachschulen.

1Pflegeberufe in der Schweiz

1.1Ein Berufsfeld mit Zukunft

Das Fundament des Schweizer Gesundheitswesens besteht aus gut ausgebildetem Pflegepersonal. Rund 185600 Personen im Bereich Pflege und Betreuung waren gemäss dem Bericht des schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan Bericht 03/2021; Merçay et al. 2021) im Jahr 2019 schweizweit in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens im Einsatz. Knapp die Hälfte von ihnen verfügt über einen Abschluss im Tertiärbereich (diplomierte Pflegefachfrau HF; Bachelor bzw. Master of Science in Pflege FH), knapp ein Drittel über einen Abschluss auf Sekundarstufe II (Fachpersonen Gesundheit EFZ, Assistentin Gesundheit / Soziales EBA) und ungefähr 19 Prozent verfügen über einen anderen oder einen nicht-formalen Abschluss, etwa ein Zertifikat als Pflegehelfer/in SRK. Je nach Einsatzbereich (Spital, Alters- und Pflegeheim, Spitex) variiert die Zusammensetzung der verschiedenen Ausbildungsstufen im Pflegeteam, was Abbildung 1 veranschaulicht.

Abbildung 1:

Verteilung des Pflege- und Betreuungspersonals nach Institutionstyp und Ausbildungsniveau (2019) (eigene Darstellung auf Grundlage von Daten des Obsan Berichts 03/2021, Merçay et al. 2021, 97)

Die Grafik zeigt deutlich, dass die Gesundheitsinstitutionen auf professionelle Pflegende aus allen Ausbildungsstufen angewiesen sind. Die Nachfrage nach ausgebildetem Pflegepersonal wird sich in Zukunft eher vergrössern; bis 2029 ist aufgrund verschiedener demografischer Entwicklungen mit einer Zunahme von knapp 20 Prozent zu rechnen. Da gleichzeitig eine beträchtliche Anzahl Pflegepersonen aufgrund von Pensionierungen oder vorzeitigen Austritten aus dem Berufsleben ausscheidet und ersetzt werden muss, ist der Nachwuchsbedarf in den Pflegeberufen sehr gross: Bis 2029 müssen gemäss verschiedenen Berechnungen, die der aktuelle Obsan-Bericht zusammenfasst, 15900 Pflegepersonen auf der Tertiärstufe und 12600 auf der Sekundarstufe II ausgebildet werden (Merçay et al. 2021, 100).

1.2Pflegeberufe im schweizerischen Bildungssystem

Bis ins Jahr 2004 lag die Verantwortung für die Ausbildung des Pflegepersonals beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) (Schäfer 2004). Erst im Zuge der Revision der Berufsbildung wurden die Pflegeberufe in die schweizerische Berufssystematik überführt. Seither können im Berufsfeld Gesundheit Ausbildungen auf allen Stufen der Bildungssystematik absolviert werden. Auf der Sekundarstufe II sind dies zum einen die dreijährige berufliche Grundbildung Fachfrau/Fachmann Gesundheit (FaGe) mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), zum anderen die zweijährige berufliche Grundbildung Assistentin/Assistent Gesundheit und Soziales (AGS) mit eidgenössischem Berufsattest (EBA).

Auf der Tertiärstufe B werden im Berufsfeld Gesundheit neben Diplomstudiengängen an höheren Fachschulen (wobei der Studiengang Pflege HF die höchsten Studierendenzahlen aufweist) verschiedene Berufsprüfungen angeboten (z.B. für den Eidg. Fachausweis Fachfrau/Fachmann Langzeitpflege und -betreuung). In den deutschsprachigen Kantonen findet die Tertiärausbildung vorwiegend im Rahmen des HF-Studiengangs statt. In den Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich existieren zudem Ausbildungsmöglichkeiten an Fachhochschulen. In der französischsprachigen Schweiz kann die Pflegeausbildung dagegen ausschliesslich im Tertiärbereich A absolviert werden. Auf universitärer Ebene können Masterstudiengänge der Fachhochschule bis zum Doktorat fortgesetzt werden. Die verschiedenen Ausbildungsgänge werden in Abbildung 2 veranschaulicht.

Abbildung 2:

Pflegeberufe im schweizerischen Bildungssystem (BFS 2021, 2)

Die Profile und Anforderungen der drei häufigsten Berufe im Gesundheitswesen werden auf der Webseite www.berufsberatung.ch wie folgt beschrieben.

1.2.1Assistent/in Gesundheit und Soziales EBA

Assistenten und Assistentinnen Gesundheit und Soziales (AGS) arbeiten in Spitälern, Institutionen für betagte Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen oder bei der Spitex. Sie erledigen hauswirtschaftliche Aufgaben und unterstützen Klient*innen bei verschiedenen Aktivitäten des täglichen Lebens. Dabei arbeiten sie immer eng mit dem medizinischen Fachpersonal zusammen. Neben einer abgeschlossenen obligatorischen Schulbildung werden verschiedene Sozialkompetenzen (beispielsweise Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, Teamfähigkeit) und eine gute körperliche und geistige Gesundheit und Belastbarkeit vorausgesetzt.

1.2.2Fachmann Gesundheit EFZ / Fachfrau Gesundheit EFZ

Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit (FaGe) sind zuständig für die Betreuung und Pflege von Menschen jeden Alters. Sie arbeiten im interprofessionellen Team mit verschiedenen Berufspersonen zusammen. Neben der bedarfs- und situationsgerechten Pflege unterstützen sie die Klient*innen bei der Gestaltung des Alltags. Darüber hinaus sind sie zuständig für medizinaltechnische Verrichtungen und hauswirtschaftliche Aufgaben. Die schulischen Anforderungen an FaGe sind deutlich höher, zudem werden differenziertere Sozialkompetenzen vorausgesetzt wie beispielsweise eine gute Beobachtungsgabe, Verantwortungsbewusstsein und Organisationsfähigkeit.

1.2.3Pflegefachmann HF / Pflegefachfrau HF

Pflegefachpersonen HF pflegen, betreuen und unterstützen Patient*innen je nach benötigter Pflege und individuellen Bedürfnissen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung und Qualitätssicherung. Ihre Arbeitsfelder sind in der Akut- und Langzeitpflege und Rehabilitation mit Menschen aller Altersgruppen und Erkrankungen. Im gesamten Pflegprozess tragen sie die Verantwortung und sind für die Planung, Ausführung, Delegation und Überwachung der pflegerischen Massnahmen zuständig. Als Führungskräfte im Bereich der Pflege sind Pflegefachpersonen HF für die fachliche Fortbildung des ihnen unterstellten Personals mitverantwortlich. Sie unterstützen Studierende während des Praktikums und leiten sie an. Pflegefachpersonen HF beteiligen sich zudem an der Gesundheitsförderung sowie Prävention von Krankheiten und Unfällen und wirken an Forschungsprojekten mit.

Zulassungskriterien sind zum einen ein Abschluss einer mindestens 3-jährigen beruflichen Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), ein Fachmittelschulausweis oder eine gymnasiale Maturität. Die Ausbildungsinstitutionen führen im Rahmen des Aufnahmeverfahrens zusätzliche Eignungsabklärungen durch, wobei Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, ausgeprägte Beobachtungsgabe und eine hohe psychische und physische Belastbarkeit im Zentrum stehen.

1.2.4Berufslaufbahnen in den Pflegeberufen

Ein wichtiges Anliegen des schweizerischen Berufsbildungssystems ist die Durchlässigkeit. Diese zeigt sich in Form von Übertrittsraten. Horizontale Übertritte können innerhalb der Sekundarstufe II realisiert werden, wenn ein EBA-Zertifikat in ein EFZ-Zertifikat weitergeführt wird. Vertikale Übertritte liegen bei einer Fortsetzung der Ausbildung im Tertiärbereich vor. Abbildung 3 zeigt die horizontalen und vertikalen Übertrittsraten in den Pflegeberufen in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz.

Abbildung 3:

Übertrittsraten in den Pflegeberufen (BFS 2021, 3–4)

Knapp die Hälfte der Berufslernenden, die ein EBA erworben haben, setzt ihre Ausbildung zur FaGe EFZ fort. Bei den Absolvent*innen des EFZ FaGe sind es mehr als die Hälfte, die nach der beruflichen Grundbildung eine Ausbildung im Tertiärbereich in Angriff nehmen. Diese Rate an horizontalen Übertritten in den Pflegeberufen ist mit 53 Prozent im Vergleich mit dem Durchschnitt in allen Berufen, der bei 23 Prozent liegt (vgl. BFS 2018), bemerkenswert.

Die berufliche Grundbildung (FaGe EFZ) als Sprungbrett in die Tertiärausbildung scheint sich im Berufsfeld Gesundheit als erfolgreiche Bildungsvariante etabliert zu haben. Damit ist die Forderung nach einer guten Durchlässigkeit des Bildungssystems in diesem Berufsfeld erfüllt. Gleichzeitig wird der Stellenwert einer soliden beruflichen Grundbildung einerseits als Basis für die Weiterbildung im Tertiärbereich und andererseits als Befähigung für die kompetente Berufsausübung in der Zusammenarbeit mit Berufskolleg*innen aus anderen Berufsbildungsstufen in der Praxis deutlich. Mit Blick auf den Nachwuchsbedarf bedeutet die hohe vertikale Übertrittsquote, dass weiterhin Lehrverhältnisse in der beruflichen Grundbildung gesichert werden müssen, da ein Grossteil der FaGe die Ausbildung im Tertiärbereich fortsetzt und in dieser Funktion in der beruflichen Praxis ersetzt werden muss.

1.3Wer interessiert sich für Pflegeberufe?

Pflegeberufe werden beim Übergang in die Sekundarstufe II von Jugendlichen häufig gewählt und gehören damit zu den beliebtesten Berufen in der schweizerischen Bildungslandschaft: Seit der Einführung des Berufes FaGe EFZ steigen die Zahlen kontinuierlich: 2020 war der Beruf FaGe EFZ mit 4979 Berufseinsteiger*innen die zweitmeistgewählte berufliche Grundbildung (SBFI 2022, 12). Auch im Tertiärbereich gehört der Pflegeberuf zu den Spitzenreitern: Der Studiengang Pflege HF war 2020 der meistabsolvierte Bildungsgang auf Stufe der höheren Fachschule (1964 Diplome) (SBFI 2022, 17). Nach wie vor ist das Berufsfeld Gesundheit und Betreuung weiblich geprägt: Sowohl auf der Stufe Grundbildung als auch auf der Tertiärstufe beträgt der Frauenanteil rund 85 Prozent (BFS 2022).

Gemäss einer Untersuchung von Martin Berger (2018) liegt der Migrationsanteil im Ausbildungsgang zur FAGEEFZ bei 45 Prozent, woraus eine beträchtliche Heterogenität bei den Sprachkompetenzen der Berufslernenden resultiert. Weitere statistische Angaben zu den Lernenden der beruflichen Bildung in den Pflegeberufen fehlen weitgehend. Aufgrund der bereits beschriebenen Anforderungen kann bei den Lerngruppen mit einer hohen Motivation, anderen Menschen zu helfen und eine sinnvolle Tätigkeit auszuführen, gerechnet werden.

1.4Professionelle Pflege – ein Beruf mit langer Ausbildungstradition

Innerhalb der schweizerischen Berufsbildungslandschaft gehören die Pflegeberufe zu den Berufen mit einer langen Ausbildungstradition. In den Anfängen (Anfang des 20. Jahrhunderts) waren sie für Frauen eine der seltenen Gelegenheiten, ein berufstätiges Leben zu führen (vgl. dazu Neuhaus 2004). Möglich wurde dies, da es sich beim Pflegeberuf zum einen um ein Tätigkeitsfeld handelt, das mit den damaligen weiblichen Stereotypen vereinbar war. Zum anderen war dieses Tätigkeitsfeld durch traditionelle Hierarchien strukturiert. So lehnte sich die Organisation der ersten Pflegerinnenschulen an klösterliche Strukturen an, was sich beispielsweise in der Berufsbezeichnung («Schwester»), dem quasi zölibatären Leben und den Werten (Aufopferung, Hingabe) zeigte. Zugleich war durch die der Pflegenden zugewiesene Rolle als Ausführende von Anweisungen, die von zumeist männlichen Ärzten erteilt wurden, die traditionelle Geschlechterhierarchie in keiner Weise infrage gestellt. Es entwickelte sich rasch ein unverzichtbarer Frauenberuf. Pflegerinnen durften selbst während des Krieges ihre Dienste leisten – wenn auch nur für einen Bruchteil von dem Sold, den ihre männlichen Kollegen erhielten. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts begann sich die Pflege aus ihren Ursprungsstrukturen zu emanzipieren und professionalisierte sich. An Kaderschulen des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) wurden erst Führungskompetenzen für Pflegende in leitenden Positionen («Oberschwestern») und pädagogische Kompetenzen für lehrende Pflegende («Schulschwestern») vermittelt. Später konnten auch pflegerische Fachkompetenzen vertieft werden, zunächst im Rahmen einer höheren Fachschule (z.B. zur Pflegeexpertin), dann an der Universität bis zum Master (MscN). Mittlerweile hat sich die Pflegewissenschaft zu einem eigenständigen universitären Studienfach mit einer regen Forschungstätigkeit entwickelt.

Mit der Pflegewissenschaft als Berufswissenschaft entwickelte sich in der Schweiz auch eine Fachdidaktik der Pflege mit eigener Theoriebildung, beispielsweise dem Fachdidaktikmodell Pflege (Schwarz-Govaers & Mühlherr 2004). Die Entwicklung einer berufsspezifischen Fachdidaktik stellt in der schweizerischen Bildungslandschaft eine Besonderheit dar und kann mit spezifischen institutionellen Bedingungen begründet werden, die Markus Maurer und Karin Hauser (2018) genauer ausführen. Bis zur Revision des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2004 lag die Verantwortung für die Pflegeausbildungen und für die Ausbildung der Berufsschullehrpersonen für die Pflegeberufe beim Schweizerischen Roten Kreuz. Verschiedene Ausbildungsinstitutionen boten Bildungsgänge im Berufsfeld Pflege an, die meist unter einem Dach die Vermittlung von theoretischem Wissen mit praktischen Lernerfahrungen im angegliederten Spitalbereich verknüpfen konnten. Mit Ausnahme der Pflegehelfer*innen und der Krankenpfleger*innen mit Fähigkeitsausweis des Roten Kreuzes (FASRK) waren diese Bildungsgänge auf Diplomniveau angesiedelt und richteten sich an mindestens 18 Jahre alte Diplommittelschulabsolvent*innen. Die ersten Ansätze der Pflegedidaktik in der Schweiz waren aus diesem Grund auf die damalige Diplomstufe (heute Tertiärstufe) ausgerichtet.

Im Jahr 2004 wurden die Pflegeberufe im Rahmen der Revision des Berufsbildungsgesetzes ins schweizerische Berufsbildungssystem eingegliedert. Erstmals wurde der Einstieg in den Pflegeberuf auf der Stufe der beruflichen Grundbildung im Anschluss an die obligatorische Schulbildung möglich. Im Zuge dieser Neuerung wurde einerseits befürchtet, dass diplomiertes Pflegepersonal durch weniger qualifizierte, kostengünstigere FaGe ersetzt würde. Gleichzeitig wurde erkannt, dass die neu ausgebildeten Berufsleute Aufgaben in der Pflege und Betreuung kompetent übernehmen und Pflegefachpersonen dadurch entlasten können. Aus bildungspolitischer Sicht wurde der neue Beruf begrüsst, da sich dadurch auch dem traditionellen Frauenberuf gleiche Bildungswege und -chancen eröffneten wie den übrigen Bereichen im schweizerischen Bildungssystem. Mittlerweile hat sich der berufliche Weg über die Grundbildung in die Tertiärausbildung gut etabliert, was die Zahlen zu den vertikalen Übertritten (siehe S. 14) eindrücklich belegen.

2Berufsdidaktische Grundlagen für Pflegeberufe