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Sie möchten mit Konflikten sicherer und produktiver umgehen? Die Autoren dieser Sammlung sind als erprobte Mediatoren gewohnt, im Konfliktfall zu vermitteln. Hierfür setzen setzen sie gezielt unterstützende Tools ein, die sich aus unterschiedlichen Fachgebieten entwickelt haben. Eine ganze Reihe an besonders bewährten Instrumenten zur Konfliktlösung sind in dieser Praxishilfe zusammengestellt, die speziell für die Anforderungen beruflicher Konfliktbearbeitung ausgelegt ist. Die Leser des Werks lernen die Vielfalt dieser Ansätze kennen, sie erwerben die Kompetenz, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten und erhalten Zugriff auf zahlreiche empfehlenswerte Techniken und Methoden professioneller Konfliktbearbeitung. Dem Herausgeber Peter Knapp ist es gelungen, viele namhafte Kolleginnen und Kollegen für dieses Werk zu gewinnen: Juliane Ade, Sosan Azad, Christian Bähner, Rudi Ballreich, Mary Cornelia Baßler, Alexandra Bielecke, Anja Boden, Prof. Dr. Annegret Böhmer, Angelika Ciesielski, Dr. Benedikta von Deym-Soden, Nadia Dörflinger-Khashman, Valborg Edert, Andreas Eilsberger, Bernd Fechler, Caspar Fröhlich, Prof. Dr. Ulla Gläßler, Prof. Dr. Dr. hc. Friedrich Glasl, Traute Harms, Monika Himpelmann, J. Lilli Höch-Corona, Ingrid Holler, Carla van Kaldenkerken, Peggy Keller, Anja Kenzler, Dr. Birgit Keydel, Dr. Doris Klappenbach-Lentz, Dr. Margret Klinkhammer, Dr. Ursula König, Anja Köstler, Lisa Kosman, Barbara Kramer, Dr. Udo Kreggenfeld, Isabel Kresse, Paul Krummenacher, Roland Kunkel, Adrian Kunzmann, Andreas Lange, Brigitte Leeser, Götz Liefert, PD Dr. habil. Claude-Hélène Mayer, Phd, PhD, Tilman Metzger, Angela Mickley, Hendrik Middelhof, milan, Dr. Hanna Milling, Dr. Andreas Novak, Consolata Peyron, Christian Prior, Dr. Harald Pühl, Uwe Reichertz-Boers, Dr. Christa D. Schäfer, Andi Schmidbauer, Kristin Schroeter, Gudrun Schwanert-Tschechne, Elke Schwertfeger, Holger Specht, Dirk Splinter, Karin Stanggassinger, Cornelia Stauß, Dr. Christoph Thomann, Cornelia Timm, Kristin Wagner, Willi Walter, Emanuel Wassermann, Dr. Ed Watzke, Rita Wawrzinek, Al Weckert, Doris Wietfeldt, Dr. Ricarda Wolf, Ljubjana Wüstehube, Dr. Manuela Zappe, Klaus-Olaf Zehle.
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Seitenzahl: 516
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Peter Knapp (Hrsg.)
Konfliktlösungs-Tools
Klärende und deeskalierende Methoden für die Mediations- und Konfliktmanagement-Praxis
© 2012 managerSeminare Verlags GmbH
8. Auflage 2023
Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn
Tel: 0228-97791-0
www.managerseminare.de/shop
Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten.
ISBN: 978-3-98856-111-4
Herausgeber der Edition Training aktuell:
Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann
Lektorat: Ralf Muskatewitz, Michael Busch, Jürgen Graf
Cover: MIXA, Fotolia
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Download-Ressourcen
Begleitend zum Buch stehen Ihnen Arbeitshilfen für die persönliche Verwendung zum Download im Internet zur Verfügung. Sie können die Vorlagen jederzeit in hoher Qualität abrufen und einsetzen.
www.managerseminare.de/tmdl/b,218297
Vorwort
Zum Aufbau dieses Buches
Fünf Phasen der Konfliktbearbeitung
Übersichtsmatrix: Welches Tool passt zu welchem Anlass?
Das Konflikt-Eskalationsmodell (nach Glasl)
Phase 1: Kontakt und Kontrakt
Konflikt-Partitur. Ein Instrument zur Findung und Auswahl kritischer Episoden
Von Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Glasl
Arktis oder Sahara? Die Konflikttemperatur systematisch analysieren
Von Elke Schwertfeger und Christian Bähner
Von Anfang an Klarheit schaffen. Auftragsklärung bei Teamkonflikten
Von Adrian Kunzmann
Raus aus der Zwickmühle. Wer spricht die Konkfliktpartei an, die noch nichts von einer Mediation weiß?
Von Ingrid Holler
Keine Angst vor Gefühlen! Mit Gefühlsmonster-Karten in die Mediation einsteigen
Von J. Lilli Höch-Corona
Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen. Laufen lassen, mediieren, Schutz organisieren – oder was?
Von Dr. Benedikta von Deym-Sodem und Karin Stanggassinger
Ihr Einsatz, bitte! Commitment und Einsatzbereitschaft erzeugen mithilfe symbolhafter Gegenstände
Von Anja Köstler
Zwei plus zwei gleich fünf. Co-Mediatoren arbeiten im Doppeldecker zusammen
Von Dr. Birgit Keydel und Peter Knapp
Phase 2: Themen festlegen, Sichtweisen der Konfliktparteien
Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Die Selbstklärungsphase in der Klärungshilfe
Von Barbara Kramer
Dum spiro spero. Spiritualität und Atem in der Mediation nutzen
Von Prof Dr (mult.) Claude-Hélène Mayer
Them-o-meter. Mittels Doppelskala effizient Themen finden
Von Nadia Dörflinger-Khashman
Via „Sprungbrett” Ressourcen befreien. Ein lösungsfokussierter Einstieg in Mediation und Beratung
Von Ljubjana Wüstehube
Spielzeugwelt. Konfliktparteien in einem heißen Konflikt beruhigen
Von Elke Schwertfeger
Timelin. Mit der Timeline die Konfliktgeschichte abbilden
Von Götz Liefert
Quadratische Konfliktanalyse. Sichtweisen nach den vier Aspekten der Kommunikation analysieren
Von Hendrik Middelhof
Der Vorwurf als Chance. Vorwürfe umformulieren, Erwartungen und Wünsche verhandeln und klären
Von Carla van Kaldenkerken
Phase 3: Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
Brennnessel. Die Konfliktparteien in einem kalten Konflikt erwärmen
Von Christian Bähner
Zuerst die Verbindung, dann die Lösung. Einen konstruktiven Kontakt zwischen den Konfliktparteien herstellen
Von Cornelia Timm
Die Phönix-Intervention. Auffliegen aus verbrannter Erde oder: Die heilende Wirkung von Irritation und Scheitern
Von Dr. Ed Watzke
Dialogisieren. Den roten Faden spinnen im verlangsamten Streitdialog
Von Dr. Christoph Thomann
Reframen.Die Wirklichkeit ist selbst gemacht – und könnte immer auch anders sein
Von Dr. Udo Kreggenfeld
Mit Fragen das Denken verändern. Systemische und zirkuläre Fragen in der Mediation
Von Dr. Christa D. Schäfer
Skalenfragen. Ein effizientes Multifunktionswerkzeug in der Mediation
Von Prof. Dr. Ulla Gläßer
Die Kunst des Doppelns. Statt zwischen den Zeilen auf den Tisch
Von Peggy Keller
Doppeln als Weg der Beziehungsklärung. Vertiefen – Zusammenfassen – Erklären
Von Tilman Metzger
Die Waage als Metapher. Mit Ambivalenzen und Blockaden umgehen
Von Andreas Eilsberger
Vorwürfe übersetzen – empathisch zuhören. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) als zentrale Haltung des Mediators
Von Anja Kenzler
Eins, zwei, viele. Der Einsatz des Inneren Teams in der Mediation
Von Alexandra Bielecke
Das soziale Atom. Konfliktbeziehungen sichtbar machen
Von Dr. Birgit Keydel
Das Reflecting Team. Kooperieren statt intervenieren
Von Traute Harms
Via Fragetreppe zum Perspektivwechsel. Wie verlorene Empathie Schritt für Schritt wiedergewonnen werden kann
Von Dirk Splinter
Das Farbengespräch. Eine nonverbale Intervention deckt festgefahrene Beziehungsmuster auf
Von Angelika Ciesielski
„Es war einmal …“ Storytelling als Intervention in der Mediation
Von Dr. Hanna Milling
Kampf der Farben. Malen in der Mediation
Von Lisa Hinrichsen
Das Glaskugelmodell. Subjektive Wirklichkeiten verstehen
Von Dr. Doris Klappenbach und Prof. Dr. Annegret Grohn
Mit dem Platz die Perspektive wechseln. Sich mit der Methode „leerer Stuhl” in die Lage des Gegenübers versetzen
Von Holger Specht und Ljubjana Wüstehube
Eine starke Basis! Eine gemeinsame Grundeinstellung formulieren („Common Ground”)
Von Juliane Ade
Pause als Intervention. Durch bewusst gesetzte Pausen Distanz zum Konfliktgeschehen schaffen
Von Peter Knapp
Das Erklärungshaus. Emotional aufgewühlte Dialoge beruhigen – durch Zusammenfassen und Erklären
Von Christian Prior
Phase 4: Handlungsoptionen und Lösungsmöglichkeiten
Deep Democracy „Vektor-Gehen”. Essenzielle Qualitäten eines Konflikts für die persönliche Entwicklung nutzen
Von Caspar Fröhlich
Schenken und Bitten. Lösungsfokussiertes Angebots- und Nachfrageverhandeln
Von Rudi Ballreich
Ein guter Vorschlag für mein Gegenüber. Den Perspektivwechsel in der Lösungsfindung unterstützen
Von Kirsten Schroeter
Die Lösung springt im Dreieck. Mehr Lösungsideen entwickeln – inspiriert durch das Wirkfaktorendreieck
Von Consolata Peyron und milan
Mit jedem Atemzug der Lösung näher. Hypnotherapeutische Sprachmuster in der Mediation
Von Rita Wawrzinek
Konsens mit Differenz. Optionen und Übereinstimmungen finden und dabei differente Interessen berücksichtigen
Von Prof. Dr. phil. emer. Angela Mickley
Mediation in der Mediation. Mediation mit gewählten Stellvertretern
Von Mary Cornelia Baßler
Phase 5: Vereinbarungen und Überprüfungstermin
Six Thinking Hats. Mit de Bonos Kreativitätswerkzeug tragfähige Handlungsoptionen entwickeln
Von Dr. Andreas Novak
Die „Therapeutische Praline”. Rückfallprophylaxe nach gelungener Konfliktbeilegung
Von Nadia Dörflinger-Khashman
Was geht als Erstes schief? Lösungen tragfähig(er) machen
Von Kirsten Schroeter
Hausaufgaben. Den Zwischenraum für Reflexion und Probehandeln nutzen
Von Nadia Dörflinger-Khashman
Danksagung
Die Autorinnen und Autoren dieses Buches
Das nebenstehende Symbol verweist auf eine im Rahmen der beschriebenen Tools verwendete Arbeitshilfe, Checkliste o.Ä., die im Internet heruntergeladen und als Vordruck genutzt werden kann. Den Link hierzu finden Sie im Impressum
In Zeiten von Ressourcenknappheit, Wirtschaftskrisen und Wertewandel sind Konflikte häufig Ausdruck unserer Lebensweise. Meinungen werden offener und deutlicher vertreten. Dies kann große Planungsprojekte oder auch nur das Verhalten im Arbeitskontext betreffen. Konflikte treten überall dort auf, wo Auseinandersetzungen geführt werden. Die Austragung von Konflikten ist ein Gradmesser für die Emanzipation der Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft. Hierarchien lösen sich auf, an deren Stelle treten Diskussion und Auseinandersetzung.
Dieser positive Aspekt von Konflikten als Chance für Veränderung und Wachstum ändert wenig an dem relativ schlechten Ansehen von Konflikten. Keiner möchte Konflikte haben und wer doch mit einem Konflikt konfrontiert ist, ist froh, ihn schnell wieder loszuwerden. Um Konflikte nicht wahrhaben zu müssen, werden sie ignoriert, vermieden oder ausgesessen, auch aus der Angst heraus, dass alles nur noch schlimmer wird, wenn man sie offen anspricht. Gerade diese Verzögerung, Konflikte nicht sehen zu wollen, erschwert deren Bearbeitung. Die Zeit des Leugnens und der oft hilflosen Versuche der Konfliktlösung treibt die Konfliktdynamik voran. Aus Differenzen im Denken, Handeln und Fühlen werden handfeste Konflikte. Die Fronten sind verhärtet und ein gegenseitiges Verstehen ist erschwert. Jede Situation wird genutzt, um den Gegner in ein schlechtes Licht zu rücken, Kollegen und Freunde werden einbezogen, um Rückendeckung gegen den Konfliktpartner zu erhalten. Schwarz-Weiß-Denken macht sich breit und jeder versucht, den anderen zum Verlierer zu machen, um selbst als Gewinner aus dem Duell hervorzugehen.
Diese Sammlung von 50 Konfliktlösungs-Tools soll ermutigen, sich Konflikten zu stellen und zu wissen, mit welchen unterschiedlichen Methoden eine Konfliktlösung erreicht werden kann. Die Anzahl und Buntheit der Tools zeigt die methodische Vielfalt, mit welcher Konfliktmanager, Klärungshelfer oder Mediatoren heute arbeiten. Dazu hat auch die Verbreitung der Methode der Mediation geführt, die Anfang der 1980er-Jahre nur Pionieren bekannt war. Seit mehr als dreißig Jahren wird Mediation in Deutschland gelernt und praktiziert. Die Verbreitung der Mediation hat wesentlich zur wachsenden Bedeutung des Themas Konfliktmanagement im Allgemeinen beigetragen. Schulen bilden Konfliktlotsen aus, Unternehmen haben interne Mediatoren, in Trennung und Scheidung sowie in Wirtschafts- oder in politischen Konflikten wird vermittelt.
Der Aufbau des Buches orientiert sich an den Phasen der Mediation: vom Kontakt über die Sichtweisen der Konfliktklärung hin zu den Hintergründen und Emotionen, um dann zukunfts- und lösungsorientiert zu Ideen einer Konfliktlösung zu kommen, die schließlich in einer Vereinbarung festgehalten werden.
Das Buch ist für alle Menschen geschrieben, die in ihrer Tätigkeit oder ihrem Beruf mit Konflikten konfrontiert sind und Konflikte lösen müssen oder wollen. Das sind Projekt- und Teamleiter, Führungskräfte, Trainer, Coachs, Supervisoren ebenso wie Lehrer und Ausbilder. Sie werden in den Beschreibungen der Einfachheit halber pauschal als Mediatoren bezeichnet, die Konfliktparteien dementsprechend als Medianden – auch wenn es sich hierbei ebenso um Klienten, Kolleginnen, Mitarbeiter oder Schülerinnen handeln kann. Die „Konfliktlösungs-Tools” verstehen sich als Nachschlagewerk für all diese Personen und jene, die sich für das Thema Konfliktlösung interessieren. Die Beschreibungen der Tools sind sehr übersichtlich und anwendergerecht, sie folgen immer der gleichen Struktur und können leicht eingesetzt werden.
Sämtliche Autoren der „Konfliktlösungs-Tools” sind erfahrene Mediatoren, Konfliktmanager und Klärungshelfer, die ihr praktisches und theoretisches Wissen erstmalig in einer solchen Sammlung zur Verfügung stellen. Die „Konfliktlösungs-Tools” wollen einen Beitrag dazu leisten, die Arbeit mit Konflikten attraktiver und vielfältiger werden zu lassen.
Zur Vereinfachung und Erleichterung des Leseflusses haben wir in der Regel darauf verzichtet, die männliche und weibliche Form zu wählen.
Berlin, Peter Knapp
Wenn es darum geht, Konflikte zu bearbeiten, kommen unterschiedliche Beratungsformate zum Einsatz. Die wichtigsten sind das Konfliktgespräch, die Konfliktmoderation, die Klärungshilfe, die Supervision, die Mediation und das Konfliktcoaching. In dem vorliegenden Band werden Tools aus diesen unterschiedlichen Formaten vorgestellt. Die Anwendung der jeweiligen Methode setzt professionelle Kenntnisse in dem jeweiligen Format voraus.
Unabhängig von den Formaten kann generell von fünf Schritten der Konfliktbearbeitung ausgegangen werden, die dem Phasenmodell der Mediation entsprechen. Nach Kontakt und Auftragsklärung (Phase 1) werden die Konfliktparteien den Konflikt schildern (Phase 2). Danach werden Hintergründe und Interessen (Phase 3) erkundet, um dann auf dieser Basis Lösungsmöglichkeiten (Phase 4) für den bestehenden Konflikt zu erarbeiten. Am Ende steht eine Vereinbarung (Phase 5) für die Zukunft.
Phase 1: Kontakt und Kontrakt
Zu Beginn jeder Konfliktbearbeitung müssen das Anliegen und der Auftrag geklärt werden. Es erfolgt eine Beratung über die Beratung. Aufgrund der gegebenen Informationen entscheidet der Berater, welches das passende Beratungsformat für den jeweiligen Konflikt ist. Nach dieser Wahl werden die einzelnen Schritte des gewählten Formats und die Verfahrensregeln der Konfliktbearbeitung erläutert. In dieser Phase werden auch die Ziele der Konfliktbearbeitung definiert. In hierarchischen Strukturen geschieht dies auch mit der Führungskraft.
Phase 2: Konfliktschilderung
Die inhaltliche Arbeit am Konflikt beginnt. Die Konfliktparteien haben die Möglichkeit, den Konflikt aus ihrer Sicht darzulegen. Die Konfliktthemen jeder Partei werden notiert und die Reihenfolge der Bearbeitung abgestimmt. In dieser Phase liegt der Fokus auf der möglichst sachlichen Schilderung des Konfliktgeschehens. Die Kommunikation geschieht über den Berater.
Phase 3: Konflikterhellung
In der Phase der Konflikterhellung gilt die Aufmerksamkeit den Interessen, Emotionen und Bedürfnissen sowie den Motiven der Konfliktparteien hinter deren Sichtweisen. Der unsichtbare Teil des Konflikts, die Unterseite des Eisbergs, wird – soweit es für die Ziele der Konfliktparteien relevant ist – thematisiert. Diese Phase stellt oft eine Art Nadelöhr in der Konfliktbearbeitung dar. Die Hintergründe sollen sichtbar werden und Einblick geben, warum wer wie handelt oder fühlt. In dieser Phase wird an einem gegenseitigen Verständnis und einem möglichen Perspektivwechsel gearbeitet. Jede Partei soll unterstützt werden, das Problem aus der Sicht ihrer Gegenpartei sehen zu können.
Diese Phase braucht vielfältiges und profundes methodisches Wissen sowie viel Geduld und Vermögen, die Emotionalität der Konfliktparteien zuzulassen. Der Schwerpunkt der in diesem Buch vorgestellten Tools liegt deshalb auch in dieser Phase der Konflikterhellung.
Phase 4: Lösungsmöglichkeiten
Die Phase 4 beschreibt einen Wendepunkt in der Konfliktbearbeitung, indem eine Orientierung auf die Zukunft und die möglichen Lösungsmöglichkeiten erfolgt. Die Konfliktparteien erarbeiten denkbare Optionen, die die Interessen beider Parteien in möglichst hohem Maße berücksichtigen. In einem moderierten Aushandlungsprozess wählen die Konfliktparteien die Optionen aus, die ihnen am wichtigsten sind und umsetzbar erscheinen.
Phase 5: Vereinbarung
Die erarbeiteten Lösungen werden auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft. Ihre Kommunikation an Dritte wird thematisiert und beschlossen. Die Lösung wird in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten. Um die Verbindlichkeit für die erzielte Vereinbarung zu erhöhen, wird ein Überprüfungstermin in einem Zeitabstand von vier bis sechs Wochen vereinbart.
Die insgesamt 50 Tools sind – ihrem Haupteinsatzfeld entsprechend – diesem Prozessverlauf zugeordnet. Häufig bietet sich aber auch ihr Einsatz in anderen Kontexten bzw. zu anderen Anlässen an. Die Matrix auf den folgenden Seiten gibt darüber einen detaillierteren Überblick.
Anlässe
Phase 1: Kontakt und Kontrakt
Tools vom Autor bevorzugt
Einstimmung
Keine Angst vor Gefühlen!Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen Zwei plus zwei gleich fünf
Einstieg in die Mediation
Keine Angst vor Gefühlen!Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen Ihr Einsatz, bitte!
Kennenlernen
Von Anfang an Klarheit schaffenKeine Angst vor Gefühlen!Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen Ihr Einsatz, bitte! Zwei plus zwei gleich fünf
Vorgespräche mit Konfliktparteien/Führungskraft
Konflikt-PartiturArktis oder Sahara?Von Anfang an Klarheit schaffenRaus aus der Zwickmühle Keine Angst vor Gefühlen!Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Auftragsklärung
Arktis oder Sahara?Von Anfang an Klarheit schaffenRaus aus der Zwickmühle Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Aktueller Stand
Arktis oder Sahara?
Zufriedenheitsfaktoren
Raus aus der Zwickmühle Keine Angst vor Gefühlen!
Abläufe planen
Von Anfang an Klarheit schaffenEntscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Themenfindung zu Beginn
Konflikt-PartiturArktis oder Sahara?Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
Keine Angst vor Gefühlen!Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen Zwei plus zwei gleich fünf
Gegenseitiges Verständnis
Konflikt-PartiturKeine Angst vor Gefühlen!
Perspektivwechsel
Konflikt-PartiturKeine Angst vor Gefühlen!Zwei plus zwei gleich fünf
Transfer des Ergebnisses an die Hierarchie
Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Alternative bzw. auch vorgeschaltete Interventionen planen
Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen
Phase 2: Themen festlegen, Sichtweisen der Konfliktparteien
Tools vom Autor bevorzugt
Einstimmung
Dum spiro spero
Einstieg in die Mediation
Dum spiro spero Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien
Vorgespräche mit Konfliktparteien/ Führungskraft
Dum spiro spero Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien Spielzeugwelt
Auftragsklärung
Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien
Aktueller Stand
Spielzeugwelt
Abläufe planen
Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte
Themenfindung zu Beginn
Ein Bild sagt mehr als 1.000 WorteDum spiro spero Them-o-meterVia „Sprungbrett“ Ressourcen befreien SpielzeugweltTimeline Quadratische Konfliktanalyse
Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
Dum spiro spero Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien SpielzeugweltTimeline Der Vorwurf als Chance
Gegenseitiges Verständnis
Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien SpielzeugweltTimeline Der Vorwurf als Chance
Perspektivwechsel
Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien Spielzeugwelt
Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und miteinander verhandeln
Der Vorwurf als Chance
Ergebnissicherung nach jeder Sitzung/dem gesamten Prozess
Via „Sprungbrett“ Ressourcen befreien
Sichtweisen der Konfliktparteien herausarbeiten
Timeline Quadratische Konfliktanalyse
Phase 3: Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
Tools vom Autor bevorzugt
Einstimmung
Skalenfragen „Es war einmal …“Das Glaskugelmodell
Einstieg in die Mediation
Die Phönix-Intervention Skalenfragen „Es war einmal …“Kampf der Farben Das Glaskugelmodell
Vorgespräche mit Konfliktparteien/ Führungskraft
Eins, zwei, viele … Via Fragetreppe zum Perspektivwechsel„Es war einmal …“Das Glaskugelmodell
Auftragsklärung
Eins, zwei, viele … Via Fragetreppe zum Perspektivwechsel
Aktueller Stand
Brennnessel SkalenfragenDas soziale Atom Das FarbengesprächKampf der Farben Eine starke Basis!Das Erklärungshaus
Zufriedenheitsfaktoren
Skalenfragen Eins, zwei, viele … Eine starke Basis!
Themenfindung zu Beginn
Brennnessel Skalenfragen
Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
BrennnesselZuerst die Verbindung, dann die LösungDialogisieren Reframen Mit Fragen das Denken verändernSkalenfragen Die Kunst des Doppelns Doppeln als Weg der Beziehungsklärung Die Waage als Metapher Vorwürfe übersetzen – empathisch ZuhörenEins, zwei, viele …Das soziale Atom Das Reflecting Team Das Farbengespräch„Es war einmal …“Kampf der FarbenDas GlaskugelmodellMit dem Platz die Perspektive wechselnEine starke Basis!
Gegenseitiges Verständnis
Brennnessel Zuerst die Verbindung, dann die LösungDialogisieren Reframen Mit Fragen das Denken verändernSkalenfragen Die Kunst des Doppelns Doppeln als Weg der Beziehungsklärung Die Waage als Metapher Vorwürfe übersetzen – empathisch ZuhörenEins, zwei, viele … Das soziale Atom Das Reflecting Team Via Fragetreppe zum PerspektivwechselDas Farbengespräch„Es war einmal …“Kampf der FarbenDas GlaskugelmodellMit dem Platz die Perspektive wechselnEine starke Basis!Pause als Intervention Das Erklärungshaus
Perspektivwechsel
Brennnessel Zuerst die Verbindung, dann die LösungDie Phönix-Intervention Dialogisieren Reframen Mit Fragen das Denken verändernDie Kunst des Doppelns Doppeln als Weg der Beziehungsklärung Die Waage als Metapher Eins, zwei, viele … Das soziale Atom Via Fragetreppe zum PerspektivwechselDas Farbengespräch„Es war einmal …“Kampf der FarbenDas GlaskugelmodellMit dem Platz die Perspektive wechselnEine starke Basis!Pause als Intervention Das Erklärungshaus
Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und miteinander verhandeln
Reframen Mit Fragen das Denken verändernSkalenfragen Die Kunst des Doppelns Eins, zwei, viele …Das Reflecting Team „Es war einmal …“Eine starke Basis!Pause als Intervention
Lösungsmöglichkeiten auswählen
Reframen Eins, zwei, viele … Eine starke Basis!Pause als Intervention
Ergebnissicherung nach jeder Sitzung/dem gesamten Prozess
Pause als Intervention
Vereinbarung
Eine starke Basis!
Überprüfungstermin
Die Kunst des Doppelns Eins, zwei, viele … Eine starke Basis!
Feedback zwischen den Sitzungen
Skalenfragen
Zukunftsorientierung
Eine starke Basis!
Phase 4: Handlungsoptionen und Lösungsmöglichkeiten
Tools vom Autor bevorzugt
Themenfindung zu Beginn
Konsens mit Differenz Mediation in der Mediation
Interessen, Gefühle, Bedürfnisse herausarbeiten
Deep Democracy „Vektor-Gehen“Mediation in der Mediation
Gegenseitiges Verständnis
Deep Democracy „Vektor-Gehen“
Perspektivwechsel
Deep Democracy „Vektor-Gehen“Mit jedem Atemzug der Lösung näherMediation in der Mediation
Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und miteinander verhandeln
Deep Democracy „Vektor-Gehen“Schenken und Bitten Ein guter Vorschlag für mein GegenüberDie Lösung springt im Dreieck Mit jedem Atemzug der Lösung näherKonsens mit Differenz Mediation in der Mediation
Lösungsmöglichkeiten auswählen
Schenken und Bitten Konsens mit Differenz
Phase 5: Vereinbarungen und Überprüfungstermin
Tools vom Autor bevorzugt
Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und miteinander verhandeln
Six Thinking HatsWas geht als Erstes schief?
Lösungsmöglichkeiten auswählen
Six Thinking HatsWas geht als Erstes schief?
Ergebnissicherung nach jeder Sitzung/dem gesamten Prozess
Six Thinking HatsDie „Therapeutische Praline“Hausaufgaben
Vereinbarung
Six Thinking HatsDie „Therapeutische Praline“Was geht als Erstes schief?
Transfer des Ergebnisses an die Hierarchie
Six Thinking Hats
Dem Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Glasl gebührt das Verdienst, ein allgemein verständliches und weithin akzeptiertes Modell entwickelt zu haben, das die grundlegenden psychologischen Mechanismen beschreibt, denen individuelles Verhalten in Konfliktsituationen unterliegt. Dabei beschreibt Glasl insgesamt neun Stufen, die sich in jedem Konflikt identifizieren lassen – sei es auf persönlicher, beruflicher oder politischer Ebene. Der Konflikt beginnt mit der Verhärtung der Standpunkte und endet bei der totalen Vernichtung des Gegners, für die dann auch der eigene Untergang in Kauf genommen wird. Die neun Stufen der Konflikteskalation im Einzelnen:
Stufe 1 bis 3: Konkurrenz und Kooperation
1. Verstimmung, Verärgerung, Verhärtung: Man ärgert sich, über die Gründe des Ärgers wird jedoch nicht gesprochen. Schuldzuweisungen nehmen zu und Standpunkte verhärten sich. Besprechungen werden entsprechend schwieriger, die Teamarbeit „flutscht” nicht mehr.
2. Debatte, Streit, Polemik: Zunehmende Polarisierung und Schwarz-Weiß-Malerei – ein stilles Herunterschlucken des Ärgers funktioniert nicht mehr. Die Diskussion ist emotional, Zynismus greift um sich. Scheinlösungen werden gefunden: Es gibt unorganisierte Aussprachen – Sieger sind die, die sich am besten in der Gruppe hervortun.
3. Taten statt Worte: Die Verlierer schmollen und machen ihren Gegnern die Arbeit durch Handlungen und das „Schaffen von Fakten” schwer. Teamsitzungen verlaufen unbefriedigend, weil sich die Haltung breit macht: „Reden bringt nichts mehr!” Man arbeitet nicht mehr miteinander und setzt sich stattdessen gegenseitig unter Druck („Ich erwarte, dass …”). Dienst nach Vorschrift herrscht vor.
Stufe 4 bis 6: Gewinnen oder verlieren
4. Koalitionen: Jede Partei sucht sich Verbündete und Sympathisanten, es bilden sich offen Koalitionen heraus. Man beklagt sich bei Außenstehenden und zieht Dritte, die mit der Sache nichts zu tun haben, mit ins Boot. Jeder nimmt vom Gegner nur noch wahr, was ins Feindbild passt. Die Ursachen des Konflikts treten in den Hintergrund, man will, dass der Gegner verliert.
5. Gesichtsverlust und Demontage: Die Gegner demontieren sich öffentlich, der „Tritt unter die Gürtellinie” ist dabei kein Tabu mehr. Kollegen drohen sich gegenseitig mit rechtlichen Schritten, der Chef misstraut seinen Mitarbeitern und sieht überall nur noch Konspiration und Rachsucht. Die Konfliktparteien suchen ständig nach „Beweisen”, die die Verfehlungen der anderen Seite belegen.
6. Offene Drohungen: Man stellt sich gegenseitig Ultimaten und droht mit Sanktionen, um die eigene Machtposition zu demonstrieren. Zugleich stellt dies den (vergeblichen) Versuch dar, die zunehmende Eskalationsdynamik unter Kontrolle zu bekommen. Vorgesetzte greifen zum Mittel der Abmahnung und drohen unverhohlen mit Kündigung.
Stufe 7 bis 9: Verlieren gegen verlieren
7. Begrenzte Vernichtungsschläge: Der Gegner wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern bloßgestellt. Es gilt die Maxime: „Den mach ich fertig!” Unterlagen verschwinden, vertrauliche Informationen werden öffentlich oder dem Wettbewerber zugespielt, wichtige Daten werden gelöscht. Es zählt nur noch, der Gegenseite den größeren Schaden zuzufügen.
8. Zersplitterung: Der Kontrahent soll vernichtet werden, wobei jedes Mittel zur Erreichung dieses Ziels legitim erscheint.
9. Gemeinsamer Untergang: Für die Vernichtung des Gegners wird auch die eigene Vernichtung billigend in Kauf genommen. „Es gibt keinen Weg mehr zurück!”
Glasls Eskalationsstufen unterstreichen die grundsätzlich negative Dynamik von Konfliktverläufen, die es zunehmend schwieriger und schließlich unmöglich macht, zu intervenieren.
Auf den ersten drei Stufen: Noch Raum für inhaltliche Auseinandersetzung
Ein Konflikt bis zur Stufe 3 ist noch relativ leicht in den Griff zu bekommen – wenn er bearbeitet wird. In den meisten Fällen reicht hierfür bereits eine gute (interne) Moderation, die die jeweiligen Argumente offen legt, gegenseitiges Verständnis fördert und gemeinsam getragene Spielregeln, Vereinbarungen und Maßnahmen entwickelt. Das funktioniert, weil sich die Streitparteien noch auf dem Terrain der inhaltlichen Auseinandersetzung befinden. Sie treten für ihre Interessen ein, ab Stufe zwei auch für ihre Positionen. Auch wenn Teambesprechungen häufig nur mit einem Minimalkonsens enden, der insgesamt nicht weiterführt, so herrscht unter den Beteiligten doch noch Konsens über das gemeinsame Anliegen, über gemeinsame Normen und Entscheidungsregeln.
Spätestens ab Stufe 4 ist Mediation erforderlich.
In Konfliktstufe 3 kann die Moderation dagegen nur noch bedingt greifen. Denn die Gesprächsteilnehmer sind inzwischen überzeugt, dass Reden nichts mehr nützt, sie misstrauen einander und schaffen Fakten, die der anderen Seite die Arbeit respektive das Leben erschweren.
Ab Stufe 3, spätestens ab Stufe 4 lässt sich der Konflikt intern nicht mehr einvernehmlich lösen. Die Parteien verlieren ihre konstruktive Handlungsfähigkeit. Nicht mehr Inhalte und Positionen, sondern persönliche Attacken beherrschen den Konflikt. War ein für beide beteiligten Parteien positiver Ausgang auf den ersten beiden Stufen noch möglich, so ist ab der dritten Stufe jedes erzielte Ergebnis für die Beteiligten unausweichlich schlechter als die Ausgangssituation. Spätestens jetzt kann nur noch ein Mediator helfen, der die konfliktgeladenen Vorgänge transparent macht und die Diskussion Schritt für Schritt versachlicht, damit sich die Eskalationsspirale nicht noch weiter dreht. Sobald die Gegner auf Stufe 7 begrenzte Vernichtungsschläge ausüben, stößt allerdings auch die Mediation an ihre Grenzen. Auf den Stufen 8 und 9 kann letztlich nur noch ein autoritärer Machteingriff helfen.
Dieser Eskalationsverlauf ist übrigens „idealtypisch” in dem Film „Der Rosenkrieg” mit Kathleen Turner, Michael Douglas und Danny de Vito nachgezeichnet.
Im ersten Kapitel finden Sie folgende Tools:
Im Laufe der Eskalation eines Konflikts kann es zu traumatisierenden Erfahrungen der Konfliktparteien kommen. Die „Konflikt-Partitur“ von Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Glasl erlaubt den Konfliktparteien sich zu einigen, welche Konfliktereignisse aus der Vergangenheit aufgearbeitet werden müssen, um in der Konfliktbearbeitung auf die Zukunft schauen zu können. (S. 23)
Jeder Konfliktbearbeitung geht eine Diagnose voraus, um zu analysieren, welche Art des Konflikts vorliegt. Die Konflikttemperatur spielt eine wichtige Rolle, um die emotionale Beteiligung der Parteien zu erfassen. Je nach Temperatur werden unterschiedliche Methoden eingesetzt. Elke Schwertfeger und Christian Bähner empfehlen in „Arktis oder Sahara?“, wie bei zu geringer oder bei zu hoher Temperatur zu agieren ist. (S. 28)
Zu Beginn jeder Konfliktbearbeitung ist eine präzise Auftragsklärung wichtig, um Anliegen, Kontext, Struktur und Konfliktherde zu erfassen. Adrian Kunzmann erläutert in dem Tool „Von Anfang an Klarheit schaffen“, wie hierbei Schritt für Schritt vorzugehen ist. (S. 34)
Ist in der Konfliktbearbeitung in einem Zwei- oder Mehrpersonen-Konflikt nur eine Partei zu einer Klärung bereit, so stellt Ingrid Holler in „Raus aus der Zwickmühle“ eine Möglichkeit vor, wie die anwesende Konfliktpartei darin unterstützt werden kann, die andere Konfliktpartei selbst anzusprechen, statt dies vom Mediator zu erwarten. (S. 42)
„Keine Angst vor Gefühlen!“: J. Lilli Höch-Corona fokussiert mithilfe von Gefühlsmonster-Karten spielerisch auf die Gefühle der Konfliktparteien. Dabei lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Einschätzung der eigenen und fremden Gefühle feststellen. (S. 46)
Hinsichtlich der Wahl der Intervention – und dies besonders in Fällen, in denen nicht so klar ist, ob eine Konfliktbearbeitung möglich ist oder zunächst Maßnahmen zum Schutz organisiert werden müssen – hilft das Tool von Dr. Benedikta von Deym-Soden und Karin Stanggassinger das „Entscheidungsraster für Konfliktinterventionen“. (S. 55)
Wenn die Bereitschaft für die Konfliktbearbeitung der Konfliktparteien im Vorfeld nicht eindeutig ist, kann es für den Anfang wichtig sein, ein tragfähiges Arbeitsbündnis und einen sicheren Rahmen herzustellen. Anja Köstler beschreibt in „Ihr Einsatz, bitte!“, wie die Konfliktparteien mithilfe von symbolhaften Gegenständen dazu gebracht werden, ihre Stärken in den Prozess der Konfliktklärung einzubringen. (S. 61)
In hoch eskalierten Konflikten oder bei mehreren Konfliktparteien bietet sich die Zusammenarbeit von zwei Mediatoren an. Dr. Birgit Keydel und Peter Knapp wägen in „Zwei plus zwei gleich fünf“ Chancen und Risiken ab sowie die Voraussetzungen für die Co-Mediation, um im „Doppeldecker“ innovativer und kreativer mit breiterem Methodenspektrum agieren zu können. (S. 68)
Ein Instrument zur Findung und Auswahl kritischer Episoden
Von Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Glasl
Kurzbeschreibung
Instrument zur Entwirrung eines komplexen Konfliktverlaufs sowie zur Findung und Auswahl von Episoden, die wesentlich zur Eskalation beigetragen haben und bearbeitet werden müssen. Mit der „Konflikt-Partitur“ kann einvernehmlich auf kritische Episoden fokussiert werden, um sie anschließend gemeinsam aufzulösen – z.B. mit der Methode „Mikro-Analyse kritischer Episoden“.
Zeitlicher Rahmen
Datensammlung: In Einzel- oder Gruppengesprächen werden neben anderen Informationen Konfliktereignisse genannt. Der zeitliche Aufwand für diese Findungsgespräche hängt von der Art und Komplexität der Konfliktsituation und vom Eskalationsgrad ab.
Aufbereitung und Visualisierung: Mit den gegebenen Informationen erstellt der Mediator die „Partitur“ und visualisiert sie für die Präsentation, was je nach Erfahrung und Methodik bis zu einigen Stunden dauern kann.
Präsentation der Partitur: Die Zeit für die eigentliche Präsentation der Konflikt-Partitur hängt von der Dauer des Konfliktprozesses ab, sollte aber nicht über 45 Minuten gehen.
Auswahl: Die Auswahl beansprucht bei Kleingruppen in der Regel 15 bis 30 Minuten. Wenn dieser Prozess durch die Darstellung der Eskalationsdynamik noch weiter vertieft werden soll, ist zusätzliche Zeit für Inputs und Diskussion zu veranschlagen.
Anlässe/Anwendungsbereiche
Im Zuge der Konflikteskalation kommt es zu Ereignissen, die eine traumatisierende Wirkung haben können. Wenn solche Erlebnisse nicht aufgelöst werden, verstellen sie den Blick der Betroffenen auf die Zukunft und blockieren auch bei der Suche nach Lösungsoptionen. Aufgrund der konfliktpsychologischen Dynamik haben die verschiedenen Konfliktparteien unterschiedliche Wahrnehmungen dieser Ereignisse: Wann ist was passiert? Wer war daran maßgeblich aktiv beteiligt? Wie haben sich diese Ereignisse auf den weiteren Konfliktverlauf ausgewirkt? Dies führt zum Konflikt über den Konflikt und trägt zusätzlich zur Eskalation bei.
Dieses Instrument dient der Entwirrung der Konfliktgeschichte, sodass im nächsten Schritt die ausgewählten, als relevant empfundenen Episoden sorgfältig aufgearbeitet werden können. Es kann sowohl zur Bearbeitung interindividueller Konflikte, zur Gruppenmediation und für die Mediation großer und vielschichtiger Systeme angewandt werden.
Zielsetzung/Nutzen
Mit diesem Werkzeug können die Konfliktparteien einen Konsens darüber erzielen, welche Ereignisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden müssen, um den Mediationsprozess auf die Zukunft auszurichten. Die Bezeichnung „Partitur“ lehnt sich an die Form einer Partitur für eine Symphonie an. So, wie in der Partitur für jedes Instrument eine eigene Zeile besteht, werden die verschiedenen Organe (z.B. Direktorium, Abteilungsleiterkonferenz, Betriebsversammlung etc.) als Mitspieler und Mitspielerinnen des Konflikts mit einer eigenen Zeile erfasst, wie Abb. 1 illustriert.
Abb. 1: Visualisierung des Materials in der Konflikt-Partitur
Beschreibung
1. Datensammlung
Bei orientierenden Einzel- oder Gruppengesprächen in komplexeren Konflikten, an denen über längere Zeit Konfliktparteien aus verschiedenen Führungsebenen oder Teilbereichen beteiligt sind, werden immer wieder Konfliktereignisse erwähnt, die wesentlich zur Eskalation beigetragen haben. Aus seinen Notizen zu all diesen Informationen und aus Protokollen oder anderen schriftlichen Unterlagen rekonstruiert der Mediator eine Übersicht. Dafür werden (siehe Abb. 1) notiert:
das genaue Datum des Ereignisses („8. Februar“),
die Überschriften der dabei strittigsten Themen („Kündigungen“).
Nicht festgehalten werden jedoch die dabei geäußerten Positionen und Gegenpositionen! Und es wird notiert, in welchem Organ (z.B. Direktion, Betriebsrat etc.) sich das ereignet hat, und die Namen der dabei am aktivsten exponierten Personen („Anna, Bruno“).
2. Aufbereitung und Visualisierung
Mit den gegebenen Informationen erstellt der Mediator die „Partitur“, indem für die verschiedenen involvierten Organe eine eigene Zeile auf der Zeitachse gemacht wird, ähnlich wie im Vorbild der Abb. 2.
3. Präsentation
Zu Beginn der Präsentation werden Sinn und Zweck der Methode erläutert. Das kann am besten geschehen, indem das Modell inhaltsleer wie in Abb. 2 vorgestellt wird, damit sich daran noch keine Streitfragen entzünden können.
Abb. 2: Inhaltsleeres Modell für die Erläuterung
Zur Begründung wird erklärt, dass mit dieser Übersicht die relevantesten Episoden ausgewählt werden, die nachher nötigenfalls bearbeitet werden können. Der Mediator betont, dass er hier lediglich die äußeren Daten aufgegriffen hat und dazu keinerlei Interpretationen oder Wertungen abgibt.
Bei der Präsentation wird nachgefragt, ob nach Meinung der Beteiligten in der Übersicht ein Ereignis fehlt. Bei Bedarf wird es mit einer Karte an der richtigen Stelle eingefügt.
Schließlich bittet der Mediator die Anwesenden um eine „emotionale Resonanz“, in der ausgesprochen werden soll, welche Gefühle (wirklich nur Gefühle!) die Betrachtung dieser Übersicht auslöst. Hier kommt es meistens zu Aussagen großer Betroffenheit, wie beispielsweise: „Da haben wir ganz schön Mist gebaut!“ – „Das eine hat das andere gegeben – das konnte ja niemand mehr steuern!“ – „Was für eine Kakophonie! Wer weiß da noch, wo hinten und vorne ist?“ usw. – Hier ist es wichtig, dass in den Aussagen immer auf das Gesamtbild Bezug genommen wird und auf keinen Fall bestimmte Aktionen einzelner Episoden diskutiert oder beurteilt werden sollen. Auch über diese emotionale Resonanz darf nicht diskutiert werden, weil es wahrscheinlich zu Angriff und Verteidigung führen würde.
Zur Vertiefung der Gefühlslage kann der Mediator etwas Generelles zur Eskalationsdynamik einbringen, eine knappe Übersicht über die Eskalationsmechanismen oder die neun Eskalationsstufen (siehe S. 18 ff.) oder Ähnliches. Im Gespräch können auch die entscheidenden Eskalationsschwellen benannt werden, die durch das Zusammenwirken mehrerer Episoden überschritten worden sind. Dadurch hat der Einsatz dieser Technik eine exkulpierende Wirkung, ohne die Verantwortung für den eigenen Anteil am Eskalieren zu schmälern.
4. Auswahl
Schließlich bittet der Mediator die Teilnehmer, sich emotional und auch physisch ganz zum rechten Ende der Partitur zu begeben – d.h. in das Heute! Von dort sollen sie Schritt für Schritt in der Zeit zurückgehen und beim Rückblick darauf achten, bei welchen Ereignissen in ihnen die heftigsten Gefühle aufkommen: Wut oder Verwirrung oder Resignation oder Angst etc. Aus diesen Episoden mit der stärksten emotionalen Resonanz sollen sie fünf auswählen. Dafür erhält jede Person fünf Klebepunkte.
Zuletzt klebt jede Person die Klebepunkte zu den Episoden, die von ihr auf diese Weise identifiziert worden sind (d.h. einen Punkt pro Episode). Nunmehr können die Episoden, welche von allen insgesamt die meisten Punkte erhalten haben, zur gemeinsamen Bearbeitung ausgewählt werden. Für die praktische Arbeit empfiehlt es sich, daraus zunächst nur vier bis sechs herauszugreifen, die anschließend bearbeitet werden. Die Bearbeitung muss mit der ausgewählten Episode beginnen, die am weitesten zurückliegt, weil jedes Ereignis auf die Zeit danach eingewirkt hat.
Erfahrungen/ Kommentare
Chronifizierte Konflikte mit vielen Beteiligten werden früher oder später unüberschaubar, sodass die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Wahrnehmungen der Geschehnisse entstehen, um die dann auch heftig gestritten werden kann. Dabei geht es zumeist darum, einander gegenseitig die Verantwortung für Ursachen der Entstehung und Intensivierung der Konflikte zuzuschreiben. In Wahrheit werden bei Konflikten vielen psycho-sozialen Mechanismen Tür und Tor geöffnet, die als Eskalationstreiber wirken und dazu führen, dass vieles geschieht, ohne dass dies auf diese Weise von den handelnden Personen wirklich so gewollt ist. Es entsteht die sog. „Dämonisierte Zone“ (siehe Glasl 2008, S. 48) der nicht bewussten und nicht gewollten Nebenwirkungen des Konfliktverhaltens.
Als erster Schritt in der Behandlung solcher Konflikte kann gemeinsam die Verkettung der Ereignisse angeschaut werden, die es den Beteiligten immer mehr erschwerte, die Kontrolle über den Konflikt zu behalten. Das wird wesentlich vertieft, wenn auch Einsichten in die Eskalationsdynamik vermittelt werden.
Technische Hinweise
Für die Visualisierung der ermittelten Episoden eignen sich am besten große Moderationskarten und Pinnwände, weil somit spontane Ergänzungen oder Korrekturen unkompliziert vorgenommen werden können. Beim Präsentieren sollten die einzelnen Papierbögen gut anschließen und die Zeitachse fortsetzen, sodass alles als Ganzes überschaut werden kann. Zum Markieren der ausgewählten Episoden erhält jede Person fünf Klebepunkte.
Quellen/Literatur
Die Methode wurde von F. Glasl 1975 entwickelt und seitdem vielfach mit Erfolg angewendet. Sie wurde 1980 erstmals beschrieben in dem Standardwerk von F. Glasl: Konfliktmanagement, das jetzt in 10. Aufl. erschienen ist; Haupt Verlag und Verlag Freies Geistesleben, Bern/ Stuttgart/Wien 2011. Ihre Anwendung in einer sehr vielschichtigen und tief eskalierten Konfliktsituation ist ausführlich beschrieben in dem Buch von F. Glasl: Konflikt, Krise, Katharsis und die Verwandlung des Doppelgängers. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2008.
Weiteres Vorgehen
Die Konflikt-Partitur dient in erster Linie dazu, die relevanten Episoden für die spätere Bearbeitung mit der „Mikro-Analyse kritischer Episoden“ oder ähnlichen Verfahren auswählen zu können. Aber das Betrachten der Konfliktgeschichte hat auch einen Wert für sich, weil dadurch mentaler Abstand zu den belastenden Ereignissen gewonnen werden kann.
Die Konflikttemperatur systematisch analysieren
Von Elke Schwertfeger und Christian Bähner
Kurzbeschreibung
Mediatoren machen sich als Expeditionsleiter mit ihren Medianden auf die Reise ins unwägsame Gelände der Konfliktklärung. Damit sie das richtige Gepäck an Bord haben, müssen sie wissen, ob es im Reiseland „heiß“ oder „kalt“ ist. Die Konflikttemperatur bestimmt den Einsatz der Tools. Mediatoren steuern über ein bewusst an der Konfliktqualität ausgerichtetes Vorgehen die Mediation und erleichtern den Medianden die psychologische Konfliktverarbeitung. Der bewusste Einsatz von deeskalierenden oder eskalierenden Interventionen dient der effektiven Vorbereitung und Durchführung einer Mediation.
Zeitlicher Rahmen
Das Vorbereitungstool erfordert ca. eine Stunde Zeit.
Anlässe/Anwendungsbereiche
Starke emotionale Erregung der Konfliktparteien führt zu einer Steigerung des physiologischen Erregungsniveaus und gleichzeitig zu einer Behinderung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Medianden können demzufolge nicht „klar“ denken und fühlen. Sie werden von unterschiedlichen, massiven, manchmal ambivalenten Gefühlen überschwemmt und von den Stresshormonen Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol sowie von Endorphinen „geflutet“. Ihre Wahrnehmung verzerrt sich oder wird eingeschränkt („Tunnelblick“). Der Organismus schaltet auf evolutionäre Stressverarbeitungsprogramme mit instinktgetriebenen Verhaltensweisen um.
In diesem überreizten Modus können Konfliktparteien nur schwer arbeiten, die Flexibilität des Gehirns ist nicht gegeben. Je nach Konflikttypus schaltet das Gehirn auf Angriff, Flucht oder Starre. Empathie für sich selbst wie auch für die andere Konfliktpartei kann nicht entwickelt werden. Die Aufgabe der Mediatoren ist es, zu Beginn der Mediation die „Arbeitsfähigkeit“ der Medianden (in Bezug auf die Konfliktbearbeitung) herzustellen. Das funktioniert in einem heißen Konflikt völlig anders als in einem kalten Konflikt. Eine genaue Einschätzung der Konfliktqualität ist notwendig, um gezielt auf die unterschiedlichen Konfliktverarbeitungsmuster eingehen zu können. Die Konflikttemperatur kann bei den Konfliktparteien symmetrisch oder komplementär sein.
Zielsetzung/Nutzen
Mediatoren verfügen einerseits über ein umfangreiches Repertoire an gelernten Methoden, andererseits gibt es immer wieder eine Unsicherheit, welche Intervention wann angebracht ist. Mit dem Tool „Arktis oder Sahara?“ wird der Einsatz von Methoden in der Mediation systematisiert und damit zielgerichtet. Insbesondere Mediatoren, die noch wenig Routine in der Konfliktbearbeitung haben, oder Kollegen, die sich weniger in psychologischen Dynamiken auskennen, gewinnen Sicherheit, welche Methode geeignet ist, um die Mediation voranzubringen. Dies erleichtert die gezielte Vorbereitung, schafft Orientierung in den Phasen zwei und drei und kann Reflexionsbasis zwischen Co-Mediatoren sein.
Beschreibung
Bevor Sie in eine Mediation einsteigen, analysieren Sie gründlich, um welche Art von Konflikt es sich handelt, die Konflikttemperatur ist dabei ein wesentliches Merkmal. Die emotionale Beteiligung der Medianden ist eine Grundvoraussetzung für das Gelingen der Mediation. Bei zu geringer emotionaler Beteiligung (im kalten Konflikt), wird nur über den Konflikt referiert, die Konfliktpartei kommt aber nicht ins Erleben und damit nicht in den Kontakt. Es wird analytisch-distanziert ausgetauscht. Bei überschießender Emotionalität (im heißen Konflikt), werden sofort menschliche „Urzeitmuster“ aktiviert. Eine hohe Erregung und erlebte Hilflosigkeit versetzen den Medianden in Stressphänomene, auch hier ist kein produktiver Austausch mehr möglich. Als Mediator ist es Ihre Aufgabe, bewusst Ihre Methoden darauf auszurichten und die Grundtemperatur auf ein bearbeitbares Niveau zu bringen.
1. Konflikttemperatur analysieren
Im ersten Schritt erfassen Sie die Konflikttemperatur anhand der in der Tabelle auf der folgenden Seite dargestellten Kriterien (nach Glasl, 2004).
Kalte Konflikte
Heiße Konflikte
Verhaltensebene
Der Konflikt findet nicht offen, sondern hauptsächlich verdeckt statt.
Aktivitäten der Konfliktpartei sind für Beteiligte und Außenstehende sichtbar.
Die Konfliktpartei wünscht sich eine Dämpfung des Konfliktes und sucht unpersönliche, vermeintlich sachliche Regelungen, um den direkten Kontakt zu vermeiden. Formalisierte Prozeduren prägen sich innerhalb der Organisation aus, es entstehen Vermeidungsstrukturen. Der persönliche Austausch wird vermindert und z.B. durch Verschriftlichung ersetzt. Die Konfliktpartei reagiert mit Flucht, „Totstellen“, und „Hinunterschlucken“. Alle sichtbaren äußeren Aktivitäten werden eingestellt, es kommt zur Implosion und zum sozialen Rückzug. Konfliktparteien äußern sich desillusioniert und zynisch. Sie erleben eine innere Leere und Kälte. „Das Selbstwertgefühl erlöscht mit der Zeit völlig.“ (Glasl, 2004, S. 81) Beziehungen zum Umfeld werden eingestellt, die Konfliktparteien rutschen in eine soziale Isolation. Es treten Phänomene von „Dienst nach Vorschrift“ und „innerer Kündigung“ auf.
Die Konfliktpartei streitet engagiert um Ideale und „richtige“ Wege und leistet hohe Überzeugungsarbeit. Die Auseinandersetzung dient der „Bekehrung“ der Konfliktbeteiligten. Wer nicht dafür ist, ist der Gegner. Allianzen entstehen innerhalb der Organisation, der Konflikt spaltet öffentlich und wird auf der großen Bühne ausagiert. Die Konfliktpartei reagiert mit explosiven Taktiken und aggressiven Handlungen. Die Gegenseite wird in Diskussionen und Konfrontationen gezogen. Es kommt zur Explosion, dabei wird die eigene Kraft oftmals weit überschätzt. Gleichzeitig wird die eigene Verletzlichkeit und Verwundbarkeit betont und mit viel Gefühl, Glasl spricht gar von Pathos (2004, S. 80), werden Verletzungen zur Schau getragen. Gekämpft wird bis zur völligen Erschöpfung.
Ziele der Konfliktparteien
Verhinderungsziele – Rückzug mit Abbruch der sozialen Beziehungen
Erreichungsziele – expansive Grundeinstellung, Vergrößerung der Anhängerschar
Gefühle im Vordergrund
Frustration, Angst, Enttäuschung, Verunsicherung, Einsamkeit, Ohnmacht
Wut, Aggression, Euphorie, Faszination, Kampfgeist
Bedürfnisse im Vordergrund
Schutz, Sicherheit, Distanz, Ruhe
Nähe, Beziehung, Solidarität, Unterstützung
Psychologische Wirkung
Die Destruktivität des Konfliktes richtet sich nach innen. Die Psyche reagiert mit Abwehr- und Verdrängungsmechanismen. Der Kontaktverlust bezieht sich auf das soziale Umfeld, aber auch auf die innere Entfremdung. Betroffene leiden still, zeigen depressive Anzeichen, machen sich Schuldvorwürfe und entwickeln autoaggressive Tendenzen. In eskalierten Konflikten geht die Dynamik bis zur Selbstzerstörung. Häufig treten psychosomatisch bedingte Krankheiten auf. Grübeln, Analysieren und zwanghafte Muster sind der Versuch, wieder Selbststeuerung zurückzugewinnen.
Die Konfliktpartei verwendet viel Energie für Konfrontation im Außen. Dabei geht sie über sämtliche Grenzen hinweg. Die permanente Anspannung führt zu einem hohen Erregungsniveau, jeder kleine Auslöser lässt das gesamte Stressprogramm im Organismus ablaufen. Es wird immense Kraft – bis zur völligen Erschöpfung – verbraucht. Im Körper werden neben den klassischen Stresshormonen auch Endorphine ausgeschüttet. Diese bewirken Euphorie, „Unverletzbarkeit“ und Schmerzfreiheit, die Konfliktpartei verliert den Realitätsbezug und kämpft unerschrocken wie Don Quichotte, bis zur völligen Eskalation.
2. Annahmen für die Methodenauswahl
Haben Sie ein Bild der Konflikttemperatur gewonnen, setzen Sie in den Phasen zwei und drei gezielt Methoden ein, die auf die Konflikttemperatur der Medianden einwirken. Folgende Grundannahmen geben Ihnen Orientierung für die Auswahl:
Kalte Konflikte
Heiße Konflikte
Konsequenz für Interventionen
Interventionen müssen das Selbstvertrauen der Konfliktparteien aufbauen, bevor ein Austausch mit den Konfliktbeteiligten möglich ist. Sie benötigen viel Schutz, um die verloren gegangene Selbstkontrolle wieder allmählich zurückzugewinnen.
Geeignete Interventionen stellen Kontakt her, zunächst zu sich selbst und erst im zweiten Schritt zueinander. Deshalb sind insbesondere Methoden geeignet, die näher an die Emotionen führen.
Ein assoziierendes Vorgehen dient der Wahrnehmung und Verarbeitung der abgespaltenen Emotionen. Dadurch wird es möglich, Vermeidungsstrategien aufzulösen und die direkte Auseinandersetzung zu fördern.
Als Mediator unterstützen Sie den „einsamen Wolf“ mit einem geschützten Rahmen, seine Anliegen einzubringen und wieder in die Gemeinschaft zurückzufinden.
Interventionen müssen die „überschwappenden“ Emotionen kanalisieren und das Erregungsniveau herabsetzen. Die Klärung der gegenseitigen Wahrnehmungen, Kommunikationsmuster und Beziehungen steht im Vordergrund. Geeignete Interventionen stoppen die Konfliktdynamik, beruhigen die aufgeheizte Atmosphäre und erlauben der Konfliktpartei, mit ein wenig Abstand die Situation zu betrachten.
Deshalb sind distanzierende Methoden geeignet, die die Emotionen einbinden und sichtbar, aber auch bearbeitbar machen. Die Arbeit mit dissoziierenden Methoden löst aus der starken Involvierung und Ich-Bezogenheit und erlaubt die Wahrnehmung des Gegenübers.
Als Mediator unterstützen Sie die Balance zwischen Aktivierung und nötiger Entspannung, um wieder eine geistige Flexibilität herzustellen.
3. Absicherung der Methodenwahl
Folgende Fragen unterstützen Sie dabei, Interventionen auf ihre Eignung zu prüfen:
Aspekte der Intervention
Kalte Konflikte
Heiße Konflikte
Bietet eine Methode ausreichend Schutz?
Kalte Konflikte dürfen nur behutsam aufgewärmt werden, ein „Aufheizen“ wäre zu viel.
Vermeidungsstrategien bieten Sicherheit und sind somit wichtig für die psychische Stabilität der Konfliktpartei.
Heiße Konflikte benötigen Methoden, die davor schützen, noch tiefer in die emotionale Auflösung abzurutschen. Emotionen sollen erlebt, aber bearbeitbar gemacht werden Eine emotionale Konfliktpartei lässt sich gerne noch weiter aufheizen, verliert dabei aber jede Möglichkeit der Selbststeuerung.
Bietet eine Methode ausreichend Schutz?
Als Mediatoren nutzen Sie keine invasiven, manipulativen Methoden. Eine Methode, die sich „bedrohlichen“ Themen nähert, muss Schutz bieten. Die Konfliktpartei braucht in hohem Maße Unterstützung, die Selbststeuerung zu erlangen und zu behalten. Jede Methode muss von ihr in der „Dosierung“ beeinflussbar sein, und es braucht ein Ausstiegsszenario ohne Gesichtsverlust. Konfrontative Methoden verstärken die „Fluchtimpulse“ und belasten.
Methoden, die Verlangsamung und Distanz schaffen, geben Struktur und machen den Konflikt bearbeitbar.
Welche Qualität des Erlebens wird durch eine Methode gefördert?
Unterstützt die Methode das Erleben und führt sie in die Gefühle? Erreicht wird das durch Methoden, die die Assoziation fördern.
Unterstützt die Methode die Konzentration auf differenzierte Wahrnehmungen und gibt sie Struktur? Erreicht wird das durch Methoden, die die Dissoziation fördern.
Schafft die Intervention gute Voraussetzungen für eine größere Selbstempathiefähigkeit der Konfliktparteien?
Lädt die Methode die Konfliktpartei im geschützten Rahmen ein, sich zu öffnen? Kann die Konfliktpartei verletzte Bedürfnisse und schwere Gefühle wahrnehmen und äußern? Gelingt es der Konfliktpartei, aus der Opferhaltung zu kommen? Fördert die Intervention die Eigenverantwortung?
Findet eine Fokussierung auf die eigenen verletzten Bedürfnisse statt, ohne zu dramatisieren? Gelingt es der Konfliktpartei, bei sich zu bleiben, ohne die Außenwirkung mit zu berechnen?
Schafft die Methode gute Voraussetzungen für eine größere gegenseitige Empathiefähigkeit der Konfliktparteien und ermöglicht sie dadurch im Verlauf einen Perspektivenwechsel?
Fördert die Methode die persönliche Kontaktaufnahme zwischen den Konfliktparteien in einem geschützten Rahmen? Wächst die Bereitschaft, Verletzungen beim Gegenüber anzuerkennen? Wächst die Bereitschaft, an der Beziehung zu arbeiten? Wird eine optimistischere Grundhaltung gefördert?
Unterstützt die Intervention die Bereitschaft, an einem geschützten Rahmen mitzuwirken? Wird Abgrenzung zugelassen und nicht als Vorwurf interpretiert? Wird auf dramatische Gesten und Handlungen verzichtet und der anderen Konfliktpartei dadurch Raum gelassen? Treten Konfliktinhalte und Anliegen aller Konfliktbeteiligten wieder in den Fokus?
Auf der Basis dieser Erkenntnisse ist es Ihnen möglich, eine gezielte Beeinflussung der Konflikttemperatur vorzunehmen. Die Auseinandersetzung mit den psychodynamischen Aspekten der Konfliktbearbeitung gibt Ihnen Sicherheit in der Methodenauswahl. Als Mediatoren steuern Sie so bewusst die Konfliktbearbeitung, ermöglichen einen guten Gesprächsrahmen und unterstützen die Konfliktparteien in „schwierigem Gelände“
Erfahrungen/ Kommentare
Vor allem am Beginn der Mediatorentätigkeit erleichtert diese systematische und bewusste Konfliktanalyse die Planung geeigneter Interventionen. Fühlen sich die Mediatoren dadurch sicher und gut vorbereitet, überträgt sich diese Sicherheit auch auf die Medianden. Einen weiteren positiven Nebeneffekt hat diese zugegebenermaßen aufwendigere Art der Vorbereitung: Die bewusste Wahrnehmung der psychodynamischen Konfliktaspekte schult die „Mediatorenantennen“. Was wir anfangs systematisch und bewusst angewandt haben, ist nach längerer Anwendung inzwischen verinnerlicht. Somit sind wir inzwischen in der Lage, aus der Situation zu entscheiden, welche Methoden angemessen sind. Der konzeptionelle Aufwand lohnt sich also, der Nutzen ist schnell spürbar.
Bei aller Vorbereitung und Systematik ist es uns wichtig, bei der Vorbereitung nie aus den Augen zu verlieren, dass wir zu jeder Zeit nur Hypothesen bilden. Gute Mediatoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie bereit sind, sämtliche Hypothesen und darauf basierende Vorbereitungen jederzeit „über Bord zu werfen“ und sich neu auszurichten. Erfreulicherweise erleben wir ständig Überraschungen, ein vermeintlich kalter Konflikt entzündet sich innerhalb von Sekunden und plötzlich ist alles ganz anders. Wir waren schon häufig bestens vorbereitet und haben innerhalb von Minuten ein neues, angepasstes Design entwickelt. Mediation und Medianden sind sehr dynamisch, so bleiben wir trotz aller Routine ständig gefordert.
Technische Hinweise
Die Systematik erleichtert im Sinne einer „Richtschnur“ sowohl die Vorbereitung als auch eine „Standortbestimmung“ in den ersten Phasen der Mediation. Die gewünschte Wirkung der darauffolgenden Methoden kann sowohl im Einzelgespräch als auch in der gemeinsamen Mediation erreicht werden.
Quellen/Literatur
Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Haupt/Vlg. Freies Geistesleben, Bern/Stuttgart/Wien 2004.
Ballreich, Rudi/Glasl, Friedrich: Mediation in Bewegung. Concadora, Stuttgart 2007.
Thomann, Christoph: Klärungshilfe 2 – Konflikte im Beruf. rororo, Reinbek bei Hamburg 2004.
Weiteres Vorgehen
Nach Bestimmung der Konflikttemperatur und der Entscheidung über sinnvolle weitere Strategien, wählen Sie darauf abgestimmte Methoden aus.
bei heißen Konflikten z.B.: Elke Schwertfeger „Spielzeugwelt“ (S. 99).
bei kalten Konflikten z.B.: Christian Bähner „Brennnessel“ (S. 129).
Auftragsklärung bei Teamkonflikten
Von Adrian Kunzmann
Kurzbeschreibung
In der Auftragsklärung werden durch sorgfältige Konfliktanalyse und Beratung optimale Bedingungen für eine Teamklärung geschaffen und ein tragendes Bündnis zur Führungskraft aufgebaut.
Zeitlicher Rahmen
Ein Auftragsgespräch dauert 1 bis 1,5 Stunden. Das Gespräch kann am Telefon geführt werden oder in einer persönlichen Besprechung.
Anlässe/Anwendungsbereiche
Anlass für ein Auftragsklärungsgespräch ist die Anfrage einer Führungskraft nach Unterstützung. Die Auftragsklärung selbst ist der erste Schritt für eine Konfliktklärung in hierarchischen Situationen.
Zielsetzung/Nutzen
Die Führungskraft soll für ihre Teamproblematik die bestmögliche Unterstützung erhalten. Wenn sich nach der Situationsanalyse eine Teamklärung als passende Intervention herausstellt, bildet dieses Tool das für eine Klärung notwendige Fundament. Darüber hinaus unterstützt das Gespräch den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zur Führungskraft.
Beschreibung
Bei einer Anfrage muss zuerst sichergestellt werden, dass es die oberste am Konflikt beteiligte Führungskraft ist, die anruft. Ruft ein Assistent oder ein vom Konflikt betroffener Mitarbeitender an, muss dieser dahingehend beraten werden, dass sich der für den Konflikt zuständige Vorgesetzte persönlich und direkt beim Klärungshelfer meldet.
Bei einem Konflikt innerhalb einer hierarchischen Konstellation finden neben dem Auftragsgespräch mit der Führungskraft keine weiteren Einzelvorgespräche statt. Dies, um eine Voreingenommenheit des Klärungshelfers und eine unerwünschte Gefühlsverpuffung der Beteiligten zu verhindern.
Es ist hilfreich, die folgenden Fragen im Gespräch vor sich zu haben. Werden sie der Reihe nach gestellt, ergeben sie eine sinnvolle Gesprächsstruktur. Wobei die Fragen dem Gesprächsverlauf angepasst werden sollen.
1. Verstehen der Situation und des Anliegens des Auftraggebers
Eröffnung: Erzählen lassen, um was es geht. Was, wer, wann, warum? Was wurde bis jetzt unternommen? Warum ruft die Führungskraft gerade jetzt an?
Führungskraft (FK): „In einer meiner Abteilungen ist mächtig dicke Luft. Zwei Personen haben gekündigt, eine sehr gute Fachkraft, Frau Lang, droht ebenfalls mit der Kündigung. Wir stehen im Moment unter besonders starkem Druck und können uns keinen Ausfall mehr leisten. Ein Problem ist sicher der Abteilungsleiter Herr Stark. Er ist extrem leistungsorientiert und wird zuweilen sehr aggressiv. Er hat natürlich auch schwierige Mitarbeiter…“
Oft baut sich bei den Führungskräften durch die Konfliktsituation ein starker Druck auf und sie müssen sich vor der gezielten Auftragsklärung emotional entlasten. Die strukturierte Führung des Gespräches beginnt, wenn der erste Redeschwall vorbei ist.
Struktur erfassen und visualisieren: Es ist hilfreich, das Organigramm und die einzelnen Mitarbeitenden auf einem Blatt vor sich zu haben. Im direkten Gespräch kann man es mithilfe der Führungskraft aufzeichnen und weitere Gesprächsinhalte darauf skizzieren. Findet die Auftragsklärung am Telefon statt, kann die Führungskraft das Organigramm per Fax zusenden. Hilfreich sind auch Fotos der am Konflikt beteiligten Personen.
Konfliktherde erfassen: Wer hat mit wem welchen Konflikt?
FK: „Die größte Spannung ist zwischen Herrn Stark, dem Abteilungsleiter und Frau Kaiser. Sie ist seit 15 Jahren im Team und lässt sich die aggressiven Ausbrüche von Herrn Stark nicht gefallen. Frau Sovic und Herr Baumann verhalten sich eher passiv …“
Klärungshelferin/Klärungshelfer (KH): „Gibt es noch andere Konfliktherde?“
Alle Mitarbeiter genauer kennenlernen: Zum Beispiel: Name, Alter, Teamalter, Funktion, Anstellungsverhältnis, Leistungsbeurteilung, Potenzialeinschätzung, Zusammenarbeit, Kompetenzen, Defizite, Konflikte und Themen, Taten, Psychisches, Besonderes, Einstellung zur Klärungsmaßnahme, Weigerung und Ausweichpotenzial bezüglich der Klärung (zum Beispiel, indem sie oder er am Klärungstermin krank werden könnte).
KH: „Wie lange ist Herr Stark bereits in dieser Funktion?“
FK: „Seit drei Jahren, ich habe ihn selbst angestellt.“
KH: „Wie schätzen Sie seine Führungskompetenzen ein?“
FK: „Er kann sehr gut organisieren, doch wenn jemand sich nicht an seine Vorgaben hält, kann er sehr energisch reagieren. Das hängt wohl mit seinem hohen Ehrgeiz zusammen.“
Die Position der Führungskraft kennenlernen: Was ist ihr Anteil am Konflikt und darf das öffentlich werden? Welche Vorwürfe werden ihr gemacht? Welche Vorwürfe macht sie sich selbst?
FK: „Herr Stark hat vor drei Jahren eine desolate Abteilung übernommen und sie auf Vordermann gebracht. Dass er zuweilen über das Ziel hinausschießt, habe ich schon länger wahrgenommen, aber ich war einfach froh, dass die Abteilung funktioniert. Im Nachhinein mache ich mir den Vorwurf, zu lange zugeschaut zu haben.“
KH: „Sind Sie damit einverstanden, dass Sie in der Klärung auch zum Thema werden können?“
FK: „Selbstverständlich, ich stehe zu meinen Fehlern.“
Den relevanten Kontext erkunden: Firma, Produkte, Rechtsform, Position des Anfragenden, Finanzfluss.
KH: „Was ist die Funktion dieser Abteilung?“
FK: „Der Supportdienst beliefert die Kunden mit Ersatzteilen. Es ist ein schwieriger Job, denn sie haben ständig mit unzufriedenen Kunden zu tun.“
KH: „Wie ist das Ansehen innerhalb der Firma?“
FK: „Sie haben ein schlechtes Image, es ist schon so was wie der Abfalleimer der Firma!“
Das Ziel erforschen: Was will die Führungskraft erreichen? Was macht sie, wenn die Klärung nicht greift? Warum macht sie das nicht schon jetzt?
FK: „Zuerst einmal will ich die Situation beruhigen. Ganz wichtig ist auch, dass Frau Lang nicht kündigt. Das wäre ein großer Verlust. Im Vordergrund ist für mich jedoch die Klärung zwischen Herrn Stark und dem Team.“
KH: „Was machen Sie, wenn die Klärung nicht greift, alles beim Alten bleibt?“
FK: „Wahrscheinlich müsste ich Herrn Stark kündigen.“
KH: „Warum machen Sie das nicht schon heute?“
FK: „Das ist eine gute Frage“, er überlegt eine Weile, „trotz allen Schwierigkeiten bin ich überzeugt, dass er das Potenzial hat, die Abteilung zu leiten. Allerdings muss er lernen, sich besser in den Griff zu bekommen.“
Diese Fragekombination ist wichtig, um zu verhindern, dass es zu einer Alibi-Klärung kommt, die zur Argumentation der Kündigung missbraucht wird.
2. Beraten
Eine Entscheidung für die passende Maßnahme ist zu treffen. Dies kann eine Klärungshilfe sein. Vielleicht stellt sich aber auch heraus, dass eine reine Lösungsmediation, ein Coaching, eine Teamentwicklung oder eine Organisationsberatung sinnvoller ist. Die Beratung ist kein Klärungshilfe-Verkaufsgespräch, sondern es geht darum, die beste Lösung für die Situation des Auftraggebers zu finden.
Einschätzung des Klärungshelfenden:„Ich sehe, dass in diesem Team große Spannungen herrschen, die Kommunikation zwischen Herrn Stark und einem Teil des Teams momentan blockiert ist. Die Betroffenen sind im hohen Ausmaß emotional verstrickt. Aus meiner Sicht würde ich in diesem Fall eine Teamklärung empfehlen.“
Klärungshilfe erklären: Elemente: Vergangenheit verstehen, Gegenwart klären, Zukunft planen, das Ziel ist Klarheit.
KH: „In der Teamklärung gibt es drei Phasen: ‚Verstehen‘, ‚Klären‘, ‚Planen‘. In der ersten Phase möchte ich zunächst alle Beteiligten verstehen, die unterschiedlichen subjektiven Sichtweisen von allen kennenlernen. Daraus fasse ich die wichtigsten Themen in einem Inhaltsverzeichnis zusammen. In der zweiten Phase werden diese Punkte geklärt. Und das ist auch das Ziel: Klarheit zu schaffen und die Verstrickungen zu entflechten. Es geht nicht darum, dass es nachher schön ist, sondern klar. Auf dieser Klarheitaufbauend werden wir in der dritten Phase, dem Planen, gemeinsam Lösungen und Verabredungen entwickeln.“
3. Bedingungen der Klärungshilfe und des Klärungshelfers aushandeln, am Design basteln und feilschen
Bedingungen der Klärungshilfe: Die Führungskraft muss motiviert sein, Klarheit zu schaffen. Das beinhaltet die Bereitschaft, die Vergangenheit, die negativen Gefühle und sich selbst zu thematisieren. Eine weitere Bedingung ist, dass sie während der gesamten Klärung anwesend ist. Ist sie für die Klärung nicht motiviert, muss deren Chef alles übernehmen und selbstverständlich auch permanent anwesend sein. Die Führungskraft muss weiter sicherstellen, dass alle anderen am Konflikt Beteiligten ebenfalls von A – Z an der Klärung teilnehmen. Gegebenenfalls ist die Führungskraft verpflichtet, mit den Verweigerern Vorgespräche führen. Und es muss genügend Zeit für die Klärung investiert werden.
KH: