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Meinungsverschiedenheiten erleben wir in unserem Alltag zuhauf. Meist weiten sich diese jedoch erst dann zu einem Konflikt aus, wenn Emotionen ins Spiel kommen, wenn es um Werte und einen respektvollen Umgang miteinander, sprich: wenn es um die zwischenmenschliche Beziehung geht. Wie kann eine gute Kommunikation dabei helfen, Konflikte zu entschärfen? Welche Aufgaben hat dabei ein Konfliktmoderator, welche Erwartungen kann er erfüllen und welche nicht? Wie geht er systematisch an eine Konfliktklärung heran und welche Methoden stehen ihm dabei zur Verfügung? Das Buch gibt hierauf Antworten und bietet dem Leser einen methodischen Leitfaden zur Durchführung von Konfliktmoderationen. Seiferts Hauptthese: Ein Konfliktmoderator ist kein Konfliktlöser, der eine Friede-Freude-Eierkuchen-Situation herstellen kann. Seine Aufgabe ist vielmehr, einen Heilungsraum für verletzte Beziehungsstrukturen zu schaffen. Josef W. Seifert ist Praktiker durch und durch. Gut strukturiert und ohne theoretischen Ballast vermittelt er dem Leser in klarer und einfacher Sprache praxisrelevantes Know-how zur Moderation von Konflikten. Die zahlreichen Illustrationen machen das Buch zu einem ebenso nutzbringenden wie unterhaltsamen Lesevergnügen.
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Seitenzahl: 132
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Josef W. Seifert
Konflikt-
moderation
Ein Leitfaden zur Konfliktklärung
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-95623-717-1
Lektorat: Anna Ueltgesforth, Amorbach | www.arsvocis.de
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de
Titelfoto: wavebreakmedia/Shutterstock
Karikaturen: Peter Kaste, Westerstede
Grafiken: Kommunikationsagentur David.Seifert
Bilder S. 127, 128, 129 www.fotolia.de
Autorenfoto: Tilman Weishart
Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de
© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
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Inhalt
Zum Buch
Konfliktklärung – Grundsätzliches
Ein Konflikt, was ist das eigentlich?
Inhalt und Beziehung
Der Aspekt ES
Der Aspekt ICH
Der Aspekt DU
Konfliktgenese: Entwicklungsstadien von Konflikten
Stufe A: Irritation / Verärgerung
Stufe B: Verletzung
Stufe C: Hass
Konfliktklärung – Situations- und Auftragsklärung
Typische Denkfehler
Konflikte sind schlecht!
Hinterher ist es so, wie es einmal war!
Konfliktbearbeitung bedeutet Konfliktlösung!
Eine Lösung muss »schön« sein!
Ein Konflikt muss analysiert werden!
Situationsscreening
Frontscheibe
Innenraum
Rückspiegel
Umfeld
Zu klärende Aspekte
a) Echtheit des Anliegens
b) Verhandlung oder Klärung
c) »Stand der Dinge«
d) Art der Konfliktaustragung
e) Historie
f) Abgrenzung des Systems
Grundsätze der Konfliktklärung
§ 1 Entscheidungsgewalt
§ 2 Vertretung
§ 3 Anwesenheitspflicht
§ 4 Anfang und Ende
§ 5 Informell, nichtöffentlich, streng vertraulich
§ 6 Offenheit
§ 7 Rechtsweg
Konfliktklärung – Der Dialog
Der Moderationszyklus zur Konfliktklärung
Vorab: Medien, Sitzordnung & Co.
1. Schritt: Einsteigen
2. Schritt: Sammeln
3. Schritt: Auswählen
4. Schritt: Bearbeiten
5. Schritt: Planen
6. Schritt: Abschließen
Methodenkatalog
A) Fragen
B) Zuhören
C) Die Feedback-Technik in der Konfliktklärung
D) Doppeln
E) Visualisierungsmethoden zur Sacharbeit
Theoretischer Background
Widmers Kern-Schalen-Modell
Riemanns Grundformen der Angst
Peseschkians Traumen
Freuds Abwehr
Watzlawicks Axiome
Ach du dickes Ei! Was tun, wenn ...
Übrigens ...
Es ist nicht immer so, wie es aussieht – meist gibt es mehrere Wahrheiten!
Literatur
Verzeichnis der Abbildungen
Zum Buch
Das vorliegende Buch ist ein »dicht« geschriebenes How-to-do- Buch, ganz in der Tradition meiner anderen Bücher. Bei diesem Thema war es besonders schwer, kurz und knapp zu sein und konkret zu sagen, »wie man es macht«, weil der Umgang mit Konflikten sehr komplex ist. Ich habe trotzdem versucht, einen knappen Überblick über das »Handwerk« zu skizzieren.
Mag sein, dass es nun dem einen nicht konkret genug ist und die andere sich mehr theoretisches Rüstzeug wünscht. Dem einen biete ich »die Ausbildung zum Buch« an, eine »How-to-do-Kompaktausbildung«, und die andere lade ich ein, sich zu den dargestellten Aspekten die Primär- bzw. Vertiefungsliteratur vorzunehmen, die ich benannt habe. So ist vielleicht doch allen geholfen, denen, die sich eine knappe How-to-do-Einführung ins Thema wünschen, und denen, die sich theoretisch weiter vertiefen möchten.
Das Buch basiert einerseits auf meinen Moderationsbüchern und meiner Moderationserfahrung und andererseits auf den Ansätzen meiner Lehrer, wie Christoph Thomann, Friedrich Glasl, Nossrat Peseschkian, Marshall Rosenberg, Friedemann Schulz von Thun, Samuel Widmer, Paul Watzlawick u. v. a., deren Ansätze ich mir zu Eigen gemacht habe und die in dieses Buch eingeflossen sind.
Die skizzierten Grundsätze und Vorgehensvorschläge sind für die Konfliktklärung von zwei Personen bis ca. 12 Beteiligten gedacht.
Herzlichst, Josef W. Seifert
Übrigens ... Wenn hier vom Moderator oder Mediator die Rede ist, dann sind selbstverständlich immer auch die Moderatorin und die Mediatorin gemeint. Mir fällt so das Schreiben leichter und ich finde, der Text liest sich auch besser – o.k.!?
Konfliktklärung – Grundsätzliches
Ein Konflikt, was ist das eigentlich?
Konflikte kennt jeder. Konflikte sind alltäglich. Konflikte sind nicht vermeidbar. Was aber ist das eigentlich, ein Konflikt?
Zu einem Konflikt kommt es, wenn emotionale Kratzer, Narben und Wunden entstehen
Ist eine Meinungsverschiedenheit ein Konflikt? Haben wir also, wenn wir unterschiedliche Wertvorstellungen vertreten, etwa darüber, wie in unserer Organisation geführt werden soll, einen »Wertekonflikt«? Und einen »Zielkonflikt«, wenn wir unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wo wir mit unserer Organisation »hinwollen«? Oder einen »Wegekonflikt«, wenn wir uns zwar über das Ziel einig sind, nicht aber über die Strategie? Ich meine nein, das sind Meinungsverschiedenheiten, keine Konflikte. Richtig ist, dass aus Meinungsverschiedenheiten Konflikte entstehen, und zwar immer dann, wenn die Beziehung Differenzen nicht aushält.
Ein Konflikt entsteht nicht zwangsläufig schon dann, wenn der Versuch, sich auf eine gemeinsame Sichtweise darüber zu einigen, was erstrebenswert ist oder was wem zusteht etc., misslingt. Zu einem Konflikt kommt es erst, wenn emotionale Kratzer, Narben und Wunden entstehen.
Wenn wir uns nicht einig sind, wie etwas zu sehen oder zu bewerten ist, etwa was unsoziales Verhalten ist oder ein erstrebenswertes Ziel, wie wir unsere knappen Ressourcen am sinnvollsten nutzen sollten ..., dann ist das nichts weiter als ein Unterschied in Wahrnehmung und/oder Bewertung. Und wir können trotzdem respektvoll, ja wohlwollend miteinander umgehen.
Kann ich aber dem anderen nicht mehr offen gegenübertreten, weil ich mich von ihm nicht gesehen, nicht ernst genommen, benutzt, hintergangen oder verraten fühle, dann haben wir mehr als eine unterschiedliche Sichtweise, mehr als eine Meinungsverschiedenheit. Jetzt können wir mit dem anderen nicht mehr über die Sache sprechen, ohne an der Wahrheit unserer Beziehung zu zweifeln. Nein, jetzt zweifeln wir an der Echtheit unserer Beziehung und damit an der Aufrichtigkeit des anderen und an den Worten, die er sagt ... Wir beginnen zu glauben, dass der andere uns Böses will, und die »Abwärtsspirale« dreht sich, wir haben einen Konflikt.
So weit, so gut. Was aber heißt das nun ganz konkret?
Vergegenwärtigen wir uns dazu zunächst, was für gelingende Kommunikation essenziell ist und im Konfliktfall aus den Fugen gerät.
Inhalt und Beziehung
Immer, wenn Menschen miteinander sprechen, sprechen sie auf zwei Ebenen gleichzeitig miteinander. Einerseits sagen sie etwas über eine Sache, und andererseits sagen sie gleich dazu, wie sie das, was sie sagen, verstanden haben möchten.
Wenn etwa eine Mutter mit ihrem Kind schimpft, so wird sie dies nicht »zuckersüß« tun, sondern mit entsprechendem »Nachdruck«. Wenn die Chefin einen Mitarbeiter kritisiert, wird sie ebenfalls eher ein ernstes Gesicht aufsetzen, damit dieser auch merkt, wie ernst es ihr mit der Kritik ist.
Die Kritik hat einen Inhalt, nämlich die zu kritisierende Sache, und eine Form, durch die Art, wie sie gesagt wird. Der Inhalt ist der Inhalt, und der kann mehr oder weniger verständlich formuliert sein. Aber das »Wie« beschreibt durch Tonfall, Lautstärke, Modulation, Körperhaltung, Blick usw. die Beziehung zwischen den beteiligten Personen.
Die Beziehungsebene definiert den Inhalt
Das Wie sagt etwas darüber aus, wie der Sprecher sich in Beziehung zum Zuhörer sieht, wie aus seiner Sicht das ICH zum DU steht. Etwa beim Kritisieren: Glaubt der Sprecher, dass es ihm zusteht, den anderen zu kritisieren? Sieht er sich sogar in der Pflicht, den anderen zu korrigieren? Muss der andere sich das (aus Sicht des Sprechers) gefallen lassen? Diese Fragen werden, unabhängig von der Sache, um die es gerade geht, beantwortet. Zudem beinhaltet dieser Teil der Botschaft möglicherweise auch einen Appell an das Gegenüber, sich in dieser oder jener Weise zu verhalten. Je nachdem, wie der Gesprächspartner darauf reagiert, wird die angebotene Beziehungsdefinition bestätigt oder ein »Gegenangebot« gemacht.
Zusammengefasst: Ein Gespräch läuft immer auf den zwei Ebenen Sachebene und Beziehungsebene ab und beinhaltet immer die drei Aspekte ES, ICH und DU.
Da man im »normalen« Gespräch so tut, als würde man nur über eine Sache sprechen und es gäbe nur die Sach- oder Inhaltsebene, kann man auch vom »Kommunikations-Eisberg« sprechen. Offenkundig ist nur die Spitze. Das »dicke Ende« ist zwar vorhanden, aber nicht offensichtlich. Es ist unter der »Wasser«-Oberfläche verborgen. Die nachstehende Grafik zeigt diesen Zusammenhang:
Abb. 1 – Kommunikations-Eisberg
Wenn man sich einen Dialog nun genauer anschaut, findet man, wie die genannten Elemente den Erfolg der Kommunikation beeinflussen.
Der Aspekt ES
Will man in der Sache erfolgreich kommunizieren, also erreichen, dass der andere versteht, was man ihm sagen will, so muss man sich hinsichtlich der Sache, um die »ES« geht, um Verständlichkeit bemühen.
Verständlichkeit kann man fördern
Kurze Sätze (Kürze) und einfache Sprache (Einfachheit), auf den Punkt kommen (Prägnanz) sowie eine geordnete Vortragsweise (Gliederung/Ordnung) und der Einsatz von Schaubildern, Metaphern oder »Witz« (zusätzliche Stimulanz) erleichtern das Zuhören und erhöhen die Verständlichkeit des Gesagten (vgl. Langer/Schulz von Thun/Tausch).
Der Aspekt ICH
Ein Miteinander lebt von Vertrauen. Wir treiben zwar viel Aufwand, um uns abzusichern, aber 100 %ige Sicherheit gibt es nur als Fiktion. Ohne »Glauben an« und ohne »Vertrauen auf« geht es nicht.
Authentizität schafft Vertrauen
Um jemandem vertrauen zu können, ist es erforderlich, dass ich den Eindruck gewinne, dass mein Gegenüber es ehrlich mit mir meint. Dazu muss der andere für mich »erfahrbar« sein. Ich möchte den anderen als authentisch, als »echt« erleben. Ehrliche Aussagen und Reaktionen sind daher stets besser als eine noch so gekonnte »Maskerade«.
Je mehr es den Gesprächspartnern gelingt, authentisch zu sein, desto »wahrer« wird der Dialog.
Der Aspekt DU
Jeder Mensch braucht Nähe. Jeder möchte gesehen, akzeptiert, anerkannt, geliebt werden. Das Maß an Zuwendung, das in einem Gespräch angemessen ist, hängt von der Beziehung ab, die die Gesprächspartner zueinander haben. Immer angemessen sind aber Wertschätzung, Wohlwollen und Achtung vor dem Gegenüber. Die Meinung des anderen anzuhören und nicht als weniger wichtig oder weniger richtig abzutun, ist dazu ein zentraler Beitrag!
Immer angemessen ist die Achtung vor dem Anderen
Ergänzt man nun den Kommunikations-Eisberg (Abb. 1) um die genannten Aspekte, so wird auf einen Blick deutlich, welche Ziele jeden Gesprächspartner leiten müssen:
Abb. 2 – Ziele der Kommunikation
Im normalen Umgang mit anderen achtet man in aller Regel nicht auf diese Aspekte, viele Menschen wissen ja auch gar nicht um diese Zusammenhänge. Erfolgreiche Kommunikation entsteht dann, wenn man intuitiv das Richtige tut.
Beziehungen werden und bleiben nur tragfähig, wenn dieses »Richtige« dauerhaft getan wird, wenn das Bemühen darum wach bleibt.
Dieses »Gespür für das Richtige« geht im Konflikt aber verloren. Die Kommunikation wird immer verkrampfter, die Beteiligten sind wenig sensibel für die Belange des anderen. Wenn der andere nicht versteht, wird schnell unterstellt, dass er »nur nicht will«. Erfolgreich kommunizieren bedeutet dann nicht (mehr), zusammenzukommen, sondern zu trennen, zuzuschlagen und möglichst zu »siegen«.
In einer Beziehung muss und kann man nicht siegen
Dabei wird verkannt, dass man in einer Beziehung weder siegen muss noch siegen kann. Verlässt man die Konstruktivität, kann man nur noch schaden und das letztlich auch sich selbst und bliebe da »nur« der Aspekt, dass man Schuld auf sich geladen hat.
Immer wenn die Beziehung infrage gestellt wird oder destruktive Züge annimmt, besteht ein Konflikt – und ich meine, nur dann.
Die zentrale Aufgabe der Konfliktmoderation ist es, Beziehungsstörungen, -krisen, -risse zu erkennen, sichtbar und besprechbar zu machen. Das kann nur gelingen, wenn die Verletzungen nicht bereits zu tief sind, der Konflikt schon zu tief geht.
Doch Beziehungen verschlechtern sich in aller Regel nicht »von heute auf morgen«, sondern ein Konflikt entsteht mit der Zeit, phasen- oder stufenweise. Jeder Konflikt hat seine Genese. Dazu mehr im nächsten Kapitel.
Aus Meinungsverschiedenheiten können Konflikte werden, und zwar immer dann, wenn die Beziehung Differenzen nicht aushält. Doch zu einem Konflikt kommt es erst, wenn emotionale Kratzer, Narben und Wunden entstehen.
Ohne Beziehungsverletzung kein Konflikt.
Konfliktgenese: Entwicklungsstadien von Konflikten
In aller Regel haben Konflikte eine Historie – die Sache »schaukelt sich hoch«, es wird mit der Zeit »immer schlimmer« ... Friedrich Glasl hat diesen Sachverhalt als »Treppe in den Abgrund« in die folgenden neun Stufen unterteilt:
Abb. 3 – »Treppe in den Abgrund« (vgl. Glasl, Konfliktmanagement)
Die Beziehung zwischen den Konfliktparteien verhärtet und führt über das »Abreißen« der Beziehung und die Unfähigkeit, noch konstruktiv miteinander umzugehen, bis hin zum Willen, den anderen zu vernichten, und sei es um den Preis der eigenen Existenz.
Auch wenn man den Faden nicht ganz so fein spinnt, neun Eskalationsstufen zu unterscheiden, und von spontanen Stressreaktionen nach dem »Strickmuster« Autofahrer A beschimpft Autofahrer B, weil dieser ihm den Parkplatz weggeschnappt hat, absieht, bleibt die Tatsache, dass Konflikte nicht im Augenblick entstehen, sondern eine Historie haben. Es kam »irgendwie«. Niemand weiß konkret, wie genau das alles entstanden ist, und wenn, dann ist es eine höchst subjektive Sicht der Dinge. Es wird immer eine Diskussion darüber geben können, ob nun die Henne zuerst da war oder doch das Ei.
Konflikte haben ihre Geschichte
Für die Konfliktklärung ergibt es daher weder Sinn noch ist es erforderlich, diese Historie wie Perlen auf der Schnur aufzureihen. Wichtig ist einzig, zu wissen, ob mit einer Intervention durch einen (externen) Moderator mit Kanonen auf Spatzen geschossen würde, ob – im anderen Extrem – die Situation schon derart verfahren ist, dass man keinen Blumentopf mehr gewinnen kann, oder ob das Ganze »irgendwo dazwischen« angesiedelt und ein Versuch zur Klärung angezeigt ist.
Zur Orientierung für die Praxis der Konfliktmoderation schlage ich ein pragmatisches, dreistufiges Modell, das »ABC-Modell der Konfliktgenese«, vor:
Stufe A: Irritation / Verärgerung
Situation: Marotten oder Typunterschiede verursachen Irritationen, die aber geschluckt werden, weil die »Beziehungsbilanz« aufgeht. Die Beziehung ist unbelastet von sonstigen Stressfaktoren, wie Geldsorgen, Arbeitsüberlastung oder Zeitdruck. Missverständnisse oder Kommunikations-Tollpatschigkeiten werden durch Wohlwollen abgefedert.
Irritationen sind Konfliktquellen
Interpretation: Verletzungen durch den anderen werden als stressbedingte Fehltritte oder Handlungen aus Gedankenlosigkeit, aus Hilflosigkeit der Situation gegenüber oder aus Unwissenheit interpretiert. Missklänge werden beim Kaffee oder beim sprichwörtlichen Bier angesprochen und ausgeräumt, indem man sich »ausspricht«. Oder es platzt einem der Kragen, und man führt ein »Grundsatzgespräch« ...
Intervention: Das kollegiale Gespräch und das klassische Mitarbeitergespräch sind hier die adäquaten Interventionswerkzeuge. Ein Moderator/Teamcoach kann hinzugezogen werden, um das Gespräch zu leiten.
Stufe B: Verletzung
Mikrotraumen fördern den Konflikt
Situation: Aufgestaute »Mikrotraumen« (vgl. Seite 129) führen dazu, dass die Konfliktparteien Verletzungen der anderen Partei zulassen oder gar fördern, etwa, damit diese bei Kollegen, Vorgesetzten, Kunden ... »schlecht dasteht«. Wenn der andere »sein Gesicht verliert«, so ist dies ein kleiner Sieg. Die Verletzungen werden unter den Teppich gekehrt und nicht mehr bereinigt. Die Beziehung wird schlechter, das Konfliktpotenzial wächst.
Interpretation: Verletzungen werden als Dummheit, Frechheit oder auch Rücksichtslosigkeit des anderen interpretiert. Es wird »böse Absicht« für möglich gehalten: »So blöd kann der/die doch gar nicht sein!«
Intervention: Das offene Gespräch »unter Kollegen« ist nicht mehr möglich. Die Situation verhärtet sich, oder es werden laufend weitere Verletzungen produziert. Ein Mitarbeitergespräch bringt bestenfalls keine weitere Verschlimmerung. Ein Konfliktmoderator/Teamcoach kann das Gespräch leiten, und die Chance, dass eine Klärung gelingen kann, ist groß.
Stufe C: Hass
Situation: Verletzungen werden als absichtlich herbeigeführte Provokation des anderen interpretiert. Der direkte Kontakt wird vermieden. Wenn kommuniziert wird, dann über Dritte, wie Personalrat und/oder Rechtsanwalt. Die Parteien versuchen, einander Schaden zuzufügen, und sei es unter Hinnahme eigener Nachteile. Ein Schaden, bei dem man selbst mit weniger Verlust herauskommt als die Gegenpartei, wird als Gewinn gewertet ...
Interpretation: Die Parteien unterstellen sich Böswilligkeit. Dass die andere Seite (noch) menschliche Qualitäten haben könnte, wie die Fähigkeit, Fehler einzugestehen, Fehler zu verzeihen, dem anderen mit Wohlwollen zu begegnen, ihn zu respektieren und anzunehmen ... ist außerhalb der Vorstellungskraft. Man unterstellt einander, dass bei einem Treffen nur weitere Verletzungen entstehen würden, da die andere Seite zu einem konstruktiven Dialog weder willens noch in der Lage ist.
Intervention: Ein Gespräch unter der Leitung eines Moderators/Teamcoaches hat – soweit es überhaupt realisierbar wäre – kaum eine Chance auf eine Klärung der Situation. Allein eine Trennung der Konfliktparteien kann den »Betriebsfrieden« wiederherstellen. Wenn nicht eine der Parteien »die Flucht ergreift«, bleibt letztlich nur ein Machteingriff, der die Trennung der Konfliktparteien zum Ziel hat. Für diese Konfliktparteien bedeutet dies weder Klärung noch Heilung, aber für das Team ist ein Neubeginn möglich.
Manchmal bleibt nur Trennung.
● Auf den Punkt gebracht
Konflikte basieren auf Beziehungsverletzungen. Ohne Beziehungsverletzung kein Konflikt.Die zentrale Aufgabe der Konfliktklärung kann nur darin bestehen, Heilungsraum für verletzte Beziehungsstrukturen zu schaffen.Ob ein Konflikt mit den Möglichkeiten der Konfliktmodera-tion bearbeitet werden sollte/kann, hängt von der Tiefe der bestehenden Verletzungen ab.Ohne Beziehungsverletzung kein Konflikt. Deshalb muss Konfliktklärung Heilungsraum für verletzte Beziehungsstrukturen schaffen.
Konfliktklärung – Situations- und Auftragsklärung
Es gilt herauszufinden, ob man die Aufgabe übernehmen möchte