Kopf- und Gesichtsschmerzen ganzheitlich behandeln - Kay Bartrow - E-Book

Kopf- und Gesichtsschmerzen ganzheitlich behandeln E-Book

Kay Bartrow

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Nacken- und Spannungskopfschmerzen, Migräne, Gesichtsschmerzen oder Kieferbeschwerden sind weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Der Leidensdruck ist so groß, dass viele Patient*innen aufZahnbehandlungen, Operationen oder Injektionsbehandlungen drängen – diese Therapien können jedoch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Ein ganzheitlicher, körperorientierter Ansatz und zahlreiche Selbsthilfemaßnahmen haben sich deshalb bewährt. In seinem Ratgeber zeigt der Physiotherapeut Kay Bartrow, welche Ursachen Kopf- und Gesichtsschmerzen haben können, welche vorbeugenden Hilfen es gibt und wie man mit gezielten Übungen und ganzheitlichen Methoden die Schmerzen selbst lindern kann.

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Seitenzahl: 149

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So hilft Ihnen dieses Buch:

• Wissen ist Macht. Erkennen Sie Ihren Kopfschmerz, lernen Sie Ihre individuellen Auslöser kennen und nutzen Sie die vielfältigen Übungsansätze, die dieses Buch Ihnen bietet.

• Nutzen Sie die Kraft von Entspannung, gezieltem körperlichem Training und speziellem Wissen für Ihre Gesundheit!

• Lernen Sie aktive und passive Bewältigungsstrategien kennen und lassen Sie die effektivsten daraus für sich arbeiten!

• Nutzen Sie die besten Übungen aus der reichhaltigen praktischen Erfahrung des Autors für Ihre Schmerzreduktion!

Wissenschaftliche Studien und die praktische Erfahrung zeigen:

• Bewegung ist nach wie vor das beste Mittel, um langfristig die Gesundheit zu stärken und Schmerzen zu reduzieren.

• Mit vielen kleinen Tipps und Tricks bewirken Sie Großes für Ihre Schmerzreduktion.

• Ausdauertraining, frische Luft, Stressreduktion und eine positive Lebenseinstellung sind die Eckpfeiler eines kopfschmerzfreien Lebens.

VORWORT

WAS SIE ÜBER KOPFSCHMERZEN WISSEN SOLLTEN

Kopfschmerzen: Sie sind nicht allein

Kopfschmerzen abklären lassen

Kleine Historie des Kopfschmerzes

Wie unser Schmerzsystem funktioniert

Das Fass-Modell für Schmerzerleben

Coping: Strategien gegen Schmerzen

Auslöser für Kopfschmerz

Wichtig: Kennen Sie Ihre Trigger

Das Eisbergmodell

FORMEN VON KOPFSCHMERZEN

Die richtige Diagnose stellen

Ursachen kennen – geeignete Strategien entwickeln

Die Klassifikation von Kopfschmerzen

Kopfschmerz als eigenständige Erkrankung – der primäre Kopfschmerz

Migräne und was Sie dagegen tun können

Spannungskopfschmerzen und was Sie dagegen tun können

Trigemino-autonome Kopfschmerzen

Weitere primäre Kopfschmerzen

Kopfschmerz als Symptom einer anderen Erkrankung – der sekundäre Kopfschmerz

Genussmittel und Medikamente

Erkältung und Infekt

Homöostase-Störungen

Verspannung, Durchblutung und Nervenreizung

Erkrankungen von Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund

Psychiatrische Störungen

Weitere Erkrankungen

Gesichtsschmerz – eng verbunden mit dem Kopfschmerz

Erklärungsmodelle

Trigeminusneuralgie

HILFEN ZUR SELBSTHILFE

Schmerzkontrolle mit System

Finden Sie heraus, welche Kopfschmerzform Sie plagt

Führen Sie ein Kopfschmerztagebuch

Verbessern Sie Ihre Lebensführung

Hilfen von A bis Z

Praktische Übungen

Nacken und Brustkorb entspannen

Den Atem schulen

Die Kiefergelenke entlasten

Triggertechniken gegen Kopfschmerzen

Faszienübungen

Selbstmassage

Mobilisationstraining

Cupping

Ausdauertraining

Entspannungsübungen

Zusätzliche Tipps

DOKUMENTATIONSHILFEN

Kopfschmerzkalender

Kopfschmerz-Analysebogen

Kopfschmerztagebuch

Kopfschmerztreiber

ANHANG

Übungsübersicht

Literatur

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

statistisch betrachtet leiden 93 Prozent der Männer und 99 Prozent der Frauen wenigstens einmal in ihrem Leben unter Kopfschmerzen. Damit liegen Kopfschmerzen in der Liste von Erkrankungen, die in einem Menschenleben auf uns alle lauern, erst mal ganz weit vorne. Glücklicherweise sind sie in den allermeisten Fällen jedoch nicht lebensbedrohlich, sondern mehr lästig als gefährlich.

Die Einschränkungen, die Kopfschmerzen für das alltägliche Leben bedeuten können, sind jedoch nicht unerheblich und reichen von Konzentrationsschwäche und Schlafproblemen über die Vermeidung von Bewegung und Aktivität bis hin zu Aggressivität und einem permanent hohen Stresslevel.

Mit diesem Buch holen Sie sich das Wissen und viele Möglichkeiten, an Ihren individuellen Kopfschmerzauslösern zu arbeiten und so Ihre Ausgangssituation zu verbessern. Eine erfolgreiche Kopfschmerzbehandlung startet immer bei und mit Ihnen. Sie sind der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Finden Sie heraus, welche Form von Kopfschmerzen Sie plagt und lernen Sie Ihre Kopfschmerztreiber besser kennen. Fundiertes Wissen und kontinuierliche Anwendung dieses Wissens führen zu einer besseren Kontrolle Ihrer Kopfschmerzen. Gehen wir es gemeinsam an!

Mit besten Grüßen aus Balingen

WAS SIE ÜBER KOPFSCHMERZEN WISSEN SOLLTEN

Bei allen chronischen Erkrankungen ist Wissen über das gesundheitliche Problem und dessen Ursachen ein wichtiger Schritt zur Kontrolle und Besserung. In diesem Kapitel erfahren Sie alles Wissenswerte über unser Schmerzsystem und lernen Ihre Kopfschmerztrigger kennen und kontrollieren.

Kopfschmerzen: Sie sind nicht allein

Viele Menschen mit Kopfschmerzen fühlen sich alleingelassen, nicht verstanden und gerade auch deshalb den Schmerzen hilflos ausgeliefert. Nichts scheint zu helfen. Hinzu kommt, dass es viele unterschiedliche Arten von Kopfschmerzen gibt und leider keine Behandlung garantiert erfolgreich ist – weder in Form einer Tablette noch einer einzelnen supereffektiven Übung. Vielmehr muss es ein Gesamtpaket an Möglichkeiten bringen.

Es gibt nicht die eine Behandlung mit garantiertem Behandlungserfolg, vielmehr muss es ein Gesamtpaket an Möglichkeiten bringen.

In der Medizin gibt es keine Garantie, auch nicht bei der Behandlung von Kopf- und Gesichtsschmerzen: Es gibt viele Ursachen, Auslöser und begünstigende Faktoren, aber nicht alle diese Schmerztrigger sind bei allen Kopfschmerzgeplagten vorhanden. Zudem gibt es viele verschiedene kleine Hilfen, die aber bei jedem Menschen wiederum unterschiedliche Effekte zeitigen.

Kopfschmerzen sind hochgradig variabel: Die einen haben den Kopfschmerz morgens nach dem Aufstehen, die anderen eher abends, wenn sie nach der Arbeit zur Ruhe kommen. Manche ereilt der Kopfschmerz bei immer derselben Tätigkeit. Nach dem Auftreten von gewissen Kopfschmerzen kann man tatsächlich die Uhr stellen, oder die Kopfschmerzen sind von bestimmten Körperhaltungen oder Gerüchen abhängig. Die Stärke der Kopfschmerzen hängt vielleicht auch von Dingen wie der Lautstärke von Geräuschen in der Umgebung, der Temperatur oder der Helligkeit im Raum ab. Die Kopfschmerzen mancher Menschen dauern nur zwei bis fünf Minuten, bei anderen sind es bereits drei bis sechs Stunden, und wieder andere werden gar tagelang von Kopfschmerzen gepeinigt. Kopfschmerz ist also nicht gleich Kopfschmerz.

Wenn Sie Kopfschmerzen haben, gehören Sie zu den zwei Dritteln der Menschen in Deutschland, die damit geschlagen sind. In der ärztlichen Praxis machen sie aber nur etwa vier Prozent aller Behandlungen aus. Kopfschmerzen sind zwar weit verbreitet, werden aber auf gesellschaftlicher Basis trotz medizinischen Fortschritts und Aufklärung nicht wirklich ernst genommen. Sie sind in den Medien zwar immer wieder Thema, werden im privaten Bereich jedoch oft einfach nur ertragen. Wer Kopfschmerzen hat, leidet also eher still für sich und holt sich nicht die möglichen Hilfen von Ärztinnen oder Therapeuten. Viele probieren es gern mit Selbstmedikation: Ibuprofen ist das am häufigsten eingesetzte Medikament bei Kopfschmerzen und wird gern in Eigenregie, also ohne ärztliche Kontrolle, eingenommen.

Viele Formen von Kopfschmerz sind gut zuzuordnen und daher auch gut therapierbar.

Glücklicherweise sind mehr als 92 Prozent aller Kopfschmerzen harmloser Natur: störend, unangenehm und mit teils großen Einbußen der Lebensqualität verbunden, aber nicht lebensbedrohlich. Dass Kopfschmerzen zum einen eher nicht lebensbedrohlich sind und sich zum anderen Betroffene oft keine allzu großen Hoffnungen bezüglich einer effektiven Behandlung machen, führt wahrscheinlich zu diesem „Ich probiere es mal selbst“-Verhalten. Dabei sind mittlerweile viele Formen von Kopfschmerz gut zuzuordnen und daher auch gut therapierbar. Auch wenn kein garantierter Behandlungserfolg zugesichert werden kann, besteht immer die Chance auf Besserung oder Linderung der Beschwerden. Es ist möglich, auch ein Leben mit Kopfschmerzen zu genießen – niemand muss sich seinem Schicksal einfach so ergeben.

Kopfschmerzen in Zahlen

Etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung haben einmal im Leben Spannungskopfschmerz. In Deutschland haben etwa 68 Prozent einmal im Jahr eine Kopfschmerzepisode. Mit knapp 60 Prozent in Asien und etwas mehr als 50 Prozent in den USA liegt die Kopfschmerzrate in diesen Teilen der Welt etwa in einem ähnlichen Bereich wie in Europa. Lediglich Afrika fällt mit einer Kopfschmerzrate von knapp über 20 Prozent aus dem Raster. So kann durchaus von einem „Nord-Süd-Gefälle“ bei Kopfschmerzerkrankungen gesprochen werden.

Kopfschmerz in verschiedenen Ausprägungen, Formen und Stärken gehört weltweit zu den zehn am häufigsten vorkommenden Erkrankungen mit den größten funktionellen Einschränkungen und Behinderungen im Alltag. Nicht selten ist ein dauerhaft vorhandener starker Kopfschmerz mit einer erheblichen Beeinträchtigung des beruflichen und privaten Lebens der Betroffenen verbunden.

Mehr als 92 Prozent aller Kopfschmerzen sind dabei Spannungskopfschmerzen und Migräne. Damit sind diese Kopfschmerzen zwar lästig und manchmal auch an der Grenze zur Unerträglichkeit, haben aber zumindest keine lebensbedrohliche Ursache.

Kopfschmerzen abklären lassen

Wiederkehrende starke Kopfschmerzen sind eine ernst zu nehmende Sache, die in eine ärztliche Untersuchung gehört.

Eine Sache vorab: Wiederkehrende starke Kopfschmerzen sind eine ernst zu nehmende Sache, die in eine ärztliche Untersuchung gehört. Vor allem, wenn die Kopfschmerzen bei Ihnen noch nicht sehr häufig aufgetreten sind und Sie noch am Anfang Ihrer „Kopfschmerzkarriere“ stehen, sollten Sie für Klarheit sorgen. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob es sich bei Ihren Kopfschmerzen um eine „reine“ Kopfschmerzerkrankung handelt oder ob eine andere, möglicherweise ernsthafte Erkrankung zugrunde liegen könnte. In diesem Fall wären die Kopfschmerzen lediglich ein Symptom einer anderen Erkrankung und Sie bräuchten einen ganz anderen Behandlungsansatz.

Um genau dies abzuklären und den für Sie richtigen und effektiven Therapieansatz zu finden, sind vielfältige Untersuchungen erforderlich, die alle möglichen körperlichen Auslöser und Ursachen Ihrer Kopfschmerzen systematisch bewerten und eine etwaige Beteiligung beurteilen. Noch einmal zu Ihrer Beruhigung: Bei mehr als 92 Prozent aller Kopfschmerzen liegt keine ernsthafte Grunderkrankung vor, sie sind nicht lebensbedrohlich, sondern plagen uns einfach, bereiten uns einen unangenehmen Alltag und erschweren uns konzentrierte Arbeit – zum Teil jedoch immens und nachhaltig.

Unter den 30 häufigsten Diagnosen, die in allgemeinmedizinischen Arztpraxen in Deutschland gestellt werden, befinden sich erstaunlicherweise noch keine Kopfschmerzerkrankungen. Nach einer neuen Studie zu Kopf-, Rücken- und Nackenschmerzen in Deutschland verursachen Kopfschmerzen lediglich ein bis zwei Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage und nur etwa vier bis fünf Prozent der Behandlungsfälle in den Arztpraxen (allgemeinmedizinische Praxis und neurologische Praxis mit Kopfschmerzschwerpunkt). Aber: Die Zahl der tatsächlich von Kopfschmerz Betroffenen liegt deutlich höher, nämlich zwischen 50 und 70 Prozent, je nachdem, welche Studie man zurate zieht.

Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz, denn obwohl das gemeinsame Hauptsymptom – der Schmerz am, im und um den Kopf – vorhanden ist, zeigt die Erkrankung viele Gesichter. Sie beeinflusst durch die Lokalisation am Kopf, dem Hauptsitz unserer Sinne, direkt unsere Wahrnehmung und damit auch unmittelbar unsere Möglichkeiten, mit der Umwelt und unseren Mitmenschen zu interagieren. Erschwerend kommt häufig eine negative Beeinflussung von Beruf und Freizeitverhalten dazu. Kopfschmerzen und ihre Folgen verursachen immer wieder eine Begrenzung der Leistungsfähigkeit im Beruf. Zudem reduzieren viele Betroffene gezwungenermaßen ihre Sozialkontakte oder müssen sie aufgrund der Kopfschmerzen vehement einschränken. In einer akuten Kopfschmerzphase werden auch die Freizeitaktivitäten zwangsweise reduziert oder sogar komplett gegen null gefahren, von den Auswirkungen auf das allgemeine Familienleben einmal ganz abgesehen.

Kopfschmerz ist ein Nährboden für viele weitere Erkrankungen und reduziert definitiv die Lebensqualität.

Wiederkehrende Kopfschmerzen bereiten nicht selten auch den Weg für weitere Begleiterkrankungen wie Rücken- oder Nackenschmerzen, Zähneknirschen oder -pressen, weitere Verspannungen und Schwindel oder Sehstörungen. Halten die Kopfschmerzepisoden über einen längeren Zeitraum an, können sich auch Ängste, Schlafstörungen oder Depressionen und andere chronische Beschwerden daraus entwickeln. Dann kann sich die Schmerzspirale weiterdrehen, und die schmerzbedingten Einschränkungen bahnen sich ihren Weg in unseren Alltag. Kopfschmerz ist also ein Nährboden für viele weitere Erkrankungen und reduziert definitiv die Lebensqualität.

Holen Sie sich Hilfe!

Nicht für alle Kopfschmerzformen gibt es eine plausible und zufriedenstellende Erklärung, und nicht für alle Kopfschmerzarten existieren Therapiemethoden mit dem Anspruch auf Erfolg. Trotz intensiver Forschung und einer riesigen Menge an neuen Erkenntnissen steckt die Behandlung von Kopfschmerzen quasi noch in den Kinderschuhen. Ein weiterer Umstand, der die Therapie kompliziert macht, ist, dass es sehr viele Auslöser, Schmerztrigger oder ursächliche Faktoren gibt, die sich bei jedem Kopfschmerzbetroffenen ein wenig anders präsentieren. Daher gibt es auch nicht die eine und einzige Therapiemöglichkeit. Diese Umstände führen bei vielen zu einer Art Resignation. Häufig herrscht die Einstellung „Da kann mir ja sowieso niemand helfen“ vor, das Verhalten ist also von Hilflosigkeit und Kapitulation geprägt. Das ist bei einem gesundheitlichen Problem nicht wirklich hilfreich, denn es verhindert eine effektive Hilfestellung. Eine offene Kommunikation hingegen kann sehr hilfreich sein. Wer ein gesundheitliches Problem hat, sollte sich Hilfe holen. In der heutigen Zeit sind die Möglichkeiten dazu so groß wie nie zuvor – nutzen Sie sie!

Kleine Historie des Kopfschmerzes

Kopfschmerzen sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Seit der Mensch auf diesem Planeten wandelt, sind Schmerzen, unter anderem im Kopf- und Gesichtsbereich, quasi gratis im Gesamtpaket enthalten. Die Erklärungsansätze variierten in der Geschichte der Menschheit mit der Entwicklung des medizinischen Wissens von unheimlich und beängstigend (wenn in vorchristlichen Zeiten der Menschheit im Kopf herumkrabbelnde Insekten den Kopfschmerz auslösen sollten) über esoterisch- abenteuerlich (wenn von Dämonen, bösen Geistern oder gar Göttern als Auslöser für die Pein im Kopf die Rede war) bis hin zu lebensgefährlich (wenn aufsteigende Körperflüssigkeit aus den Organen für einen stark erhöhten Druck im Schädel verantwortlich gemacht wurde). Die Behandlung von Kopfschmerzen spiegelte dabei stets den momentanen Stand des jeweils gültigen medizinischen Wissens wider – oder in vielen Fällen auch die lebensgefährliche Unwissenheit.

Die ersten Hinweise auf Kopfschmerzen und deren Behandlung stammen aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend. Damals wurden Kopfschmerzen in vielen Kulturen hauptsächlich durch Geistervertreibung und spirituell inspirierte Rituale „beseitigt“. So wurde den vom Kopfschmerz Geplagten schon auch mal der Schädel geöffnet, um die Geister „freizulassen“ – ein Vorgehen, das für die Bertoffenen definitiv lebensbedrohlicher war als die Kopfschmerzen selbst. Andere Kulturen gingen etwas feiner vor und rieben Leidenden den Schädel in rituellen Zeremonien mit Fisch oder Knoblauch ein, um die bösen Kopfschmerzgeister durch üble Gerüche zu vertreiben.

Die ersten Hinweise auf Kopfschmerzen und deren Behandlung stammen aus dem 3. Jahrtausend v. Chr.

Um das 5./4. Jahrhundert v. Chr. vertrat der antike Arzt Hippokrates die Theorie, dass aufsteigende Säfte aus den inneren Organen (hauptsächlich aus Leber und Galle) in den Kopf aufsteigen und das Blut vergiften. Basierend auf diesen Annahmen wurden Blutegel therapeutisch eingesetzt, um den Druck zu reduzieren und das Blut von Giftstoffen zu befreien. Vom frühchristlichen Rom bis ins späte Mittelalter galt ein reinigender Aderlass als probates Mittel gegen Kopfschmerzen und viele andere Krankheiten. Dabei wurde bei den Patienten an mehreren Körperstellen Blut abgelassen, was bei falscher Dosierung zum Tod führen konnte.

Auch andere Methoden waren nicht selten mit Gefahr für Leib und Leben verbunden, wenn Kopfschmerzen etwa mit sogenannten Brenneisen bearbeitet wurden: So sollte die im Kopf sitzende Feuchtigkeit oder Kälte, die damals unter anderem verantwortlich gemacht wurde, beseitigt werden. Bei den Völkern Südamerikas wurden Extrakte der Coca-Pflanze eingeträufelt, in der europäischen Heilkunde kamen Kräuteressenzen, Essigwickel und Opium zum therapeutischen Einsatz.

In nahezu der gesamten frühen Medizingeschichte wurden weniger die Ursachen von Kopfschmerzen in den Blick genommen, als vielmehr ihre Auswirkungen und die Vielfalt der zusätzlichen Symptome beschrieben. Entsprechend unzureichend waren die Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten. In diesen Zeiten fehlte grundlegend das Wissen über die Ursachen von Kopfschmerzen, eine wissenschaftliche Herangehensweise und auch die technischen Voraussetzungen. Ein verlässlicher Erklärungsansatz, der zu einer zuverlässigen Behandlung hätte führen können, war nicht vorhanden. Erst mit dem Einzug einer gesteigerten naturwissenschaftlichen Neugier und einer zunehmend wissenschaftlich ausgerichteten Arbeitsweise in der Medizin konnten erklärende Ansätze für Kopfschmerzen entdeckt und erforscht werden. Diese Erkenntnisse halfen dabei, die grundlegenden Mechanismen von Kopfschmerzen besser zu verstehen und daraus geeignetere Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Obwohl Kopfschmerzen auch in unserer Zeit nicht immer hundertprozentig exakt eingeteilt und zugeordnet werden können, leben wir heute medizinisch gesehen glücklicherweise in einer um vieles besseren und vor allem in einer hoffnungsvolleren Zeit: Die Erklärungen, Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.

Wie unser Schmerzsystem funktioniert

Schmerz ist ein bisschen wie eine Alarmanlage. Er soll uns vor Gefahren warnen und vor Schaden schützen. Dabei ist nicht jeder Schmerz ein Zeichen für eine Gewebeschädigung, eine ernsthafte Erkrankung oder eine Verletzung. Die meisten Schmerzen sind eher als Nachricht unseres Organismus zu verstehen, die ungefähr lauten könnte: „Hallo – ich bin mit der momentanen Situation unzufrieden.“ Schmerz ist also vielmehr das Signal dafür, dass unser Organismus mit unserer momentanen Situation oder mit der aktuellen Art unserer Lebensführung nicht einverstanden ist.

Summe der Wahrnehmung: Faktoren für die Schwellenwertmodulation: Jeder Input zählt

Wann diese Alarmanlage wie intensiv anschlägt, wird über viele Faktoren eingestellt und beeinflusst. Hier spricht man von der sogenannten Schwellenwertmodulation. Wir interpretieren Reize in verschiedenen Situationen auf unterschiedliche Art und Weise. Beispielsweise sind wir deutlich schmerzempfindlicher, wenn wir Streit mit dem Lebenspartner haben oder unsere Kinder krank sind oder Sorgen haben.

Alles Erleben in unserem Alltag, alle Reize, die wir über unsere Sinnesorgane aufnehmen, werden von unserem Nervensystem verarbeitet und beurteilt. Diese Informationen spielen beim Thema Schmerz eine große Rolle und drehen an unserem Schwellenwert zur Schmerzwahrnehmung. Je mehr Informationen über die Sinne aufgenommen werden, desto voller wird unser Wahrnehmungsspeicher und wir nähern uns dem Schmerzschwellenwert. Dann fehlt oft nur noch der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die gewichtigsten Faktoren sind dabei Stress, Ängste, emotionale Erlebnisse und der aktuelle körperliche Zustand.

Das Fass-Modell für Schmerzerleben

Jeder Mensch hat eine individuelle Schmerzschwelle und ein ureigenes Schmerzempfinden.

Jeder Mensch hat eine individuelle Schmerzschwelle und ein ureigenes Schmerzempfinden. Daher können Schmerzen auch nur schlecht zwischen zwei Individuen verglichen werden. Selbst wenn es sich um dasselbe Krankheitsbild und um ähnliche Schmerzen handelt, unterscheiden sich doch die Betroffenheit im Alltag und die tatsächlich wahrgenommene Schmerzstärke sowie der Schmerzcharakter.

Bei den meisten Kopfschmerzerkrankungen ist das Nervensystem bereits sehr sensibel eingestellt und reagiert schon auf geringe Reize mit entsprechender Vehemenz. Das heißt, der Schwellenwert zur Schmerzwahrnehmung ist hier bereits sehr niedrig angelegt, und sehr alltägliche Kopfschmerztrigger wie ein Wetterumschwung, laute Geräusche oder ein Glas Wein reichen aus, um diesen Schwellenwert zu übersteigen und Kopfschmerzen auszulösen. Je höher der Input, desto dichter kommt die Reizaufnahme an den Schmerzschwellenwert heran. Wird dieser Wert überschritten, werden Schmerzen wahrgenommen.

Schmerz und Schmerzerleben sind damit immer eine individuelle Erfahrung und in dieser Individualität auch immer das Produkt unserer geballten Sinneswahrnehmung. Hat das „Fass“ (der Körper/die Psyche) bereits andere bestehende Vorerkrankunkrankegen (das Loch im Fass), können schon nicht mehr so viele Reize wie im „Normalzustand“ aufgenommen oder toleriert werden. Dann beginnt die Kopfschmerzepisode schon viel früher (Ihr Fass wird dann eher auslaufen) und Sie reagieren deutlich sensibler auf äußere Reize und Wahrnehmungen.

Das Fass-Modell veranschaulicht, wie Schmerztreiber den Schwellenwert überschreiten – der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt

Lernen Sie Ihre „Fass-Füller“ besser kennen und kontrollieren Sie diese. Wenn Sie spüren, dass einer Ihrer „Füller“ übermäßig vorhanden ist und mächtig in Ihr „Schmerzfass“ einläuft, reduzieren Sie die anderen. Ein Beispiel: In Lebensphasen mit zunehmenden Schlafstörungen und Ärger mit dem Lebenspartner sollten Sie als Gegengewicht auf gesunde Ernährung und etwas mehr Bewegung achten. Wenn alle „Fass-Füller“ gleichzeitig außer Kontrolle geraten, ist dem Kopfschmerz Tür und Tor geöffnet. Üben Sie sanfte Kontrolle aus.

Coping: Strategien gegen Schmerzen

Hinter dem Begriff „Coping“ verstecken sich mehr oder weniger angemessene Bewältigungsstrategien.