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Ein psychologischer Ratgeber zur Core-Development-Therapie, für Experten und interessierte Leser gleichermaßen. Motto: "Sein Glück im Inneren statt im Außerhalb suchen." Über die Schritte der Selbstfindung und Selbstheilung den Weg zu einem ausgeglichenen Herzensgrund und stabilen Persönlichkeitskern beschreiten. Jenem Kern, den der Mensch von Natur aus besitzt und in dem sich die universelle Kraft des absoluten Bewusstseins verbirgt. Um so dem Leben einen tieferen Sinn zu geben. Mit dem Ziel, mehr Autonomie zu erlangen … Neue Ansätze der Psychologie, überschaubar dargestellt anhand von Modellen, Techniken und Praxisbeispielen.
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Seitenzahl: 330
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2023 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99130-112-7
ISBN e-book: 978-3-99130-113-4
Lektorat: Dr. Annette Debold
Umschlagabbildung: Nevena Didović
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Walid Daw, Mitgestaltung Doris Garcia; Bilder 22-27: Ron Kurtz: Körperzentrierte Psychotherapie, Synthesis Verlag 1996
www.novumverlag.com
Vorwort
Walid Daw hat ein humanistisches Buch über den Menschen und seine Psyche geschrieben. Er setzt damit eine Tradition fort, die in der introspektiven Psychologie, die wesentlich von Freud und Jung und ihren Adepten geprägt ist, im Zentrum der Bemühung um das Verstehen unserer seelischen Verfassung steht.
Walid Daw erläutert in seinem Buch ein Modell der Psyche sowie dessen Entstehung und Verfeinerung, das Core Development. Die besprochenen Konzepte sind durch psycho- und körpertherapeutische Interventionen untermauerte Erfahrungsbereiche unseres Umgangs mit uns selbst und der Welt. (Er-)Klärungsmodell und (Be-)Handlungsmodell sind aneinander gereift und aufeinander bezogen.
Walid Daw ist seit vielen Jahrzehnten ein gefragter, versierter und kreativer Therapeut mit multikulturellem Hintergrund, der einen ganzheitlichen Ansatz pflegt. Er ist in bester psychotherapeutischer Tradition ein Freund, der uns dabei hilft, wenn wir uns selbst meinen, zu uns selbst zu werden und nachhaltig wir selbst bleiben wollen.
Psychologie als eine geisteswissenschaftliche Disziplin ist und bleibt fraglich, weil sie fundamental subjektiv ist. Umso empathischer muss darum der Psychotherapeut arbeiten, umso gereifter muss er im Umgang mit den existenziellen Erfahrungen seines Klienten sein.
Walid Daw ist eine solche Persönlichkeit.
Dr.med. Adrian Fröhlich
Psychiater und Psychotherapeut,
Autor des Buches «Die erschöpfte Begeisterung»
Zu diesem Buch
Seit jeher war das Bestreben der Psychotherapie darauf angelegt, psychische Störungen zu erfassen, zu differenzieren, deren Entstehungsbedingungen aufzudecken, nach tauglichen Behandlungsmethoden zu suchen und diese anzuwenden. Eine wesentliche Frage, die mich in meiner therapeutischen Arbeit in der Psychiatrie stets begleitete, war: Wonach strebten meine Vorgänger, was wollten sie bei den Patienten erreichen? Die Antwort lautete: Sehr auffällig war das Bestreben, offensichtlich vorhandene Störungen zu bekämpfen und Krankheitssymptome zu managen, um auf diese Weise den Gesundheitszustand der Patienten zu verbessern.
Meine Ausbildung in verschiedenen Therapierichtungen half mir, ein umfassenderes Verständnis für das menschliche Dasein zu entwickeln. Mir wurde klar, dass viele Patienten, die unter depressiven Verstimmungen, Angstzuständen, Bindungsproblemen, Kontaktstörungen und Paarkonflikten leiden, mehr benötigen als die ausschließliche Auseinandersetzung mit ihren Konflikten und Problemen. Es schien mir vielversprechender, vorhandene Ressourcen zu stärken und Positives zu fördern. Wenn ein Patient ständig an einem geringen Selbstwertgefühl leidet, muss man ihn mit den positiven Seiten seiner Persönlichkeit verbinden, damit er ein stabileres und belastbares Selbst aufbauen kann.
Ich komme aus einer Tradition, die sich nicht nur mit Therapie, sondern darüber hinaus mit Heilung und ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung befasst. Körper, Psyche, Energie und Verstand stehen gleichermaßen im Zentrum. Bei diesem Ansatz geht es um Gesundheit, Wachstum, Autonomie, Selbstverantwortung, Freude und Lebendigkeit. Um ein besseres Verständnis für uns selbst und für andere, um unsere Lebensgestaltung und unsere Umwelt.
Die moderne Richtung der „lebendigen Psychologie“ zielt darauf ab, zunächst den Menschen und seinen individuellen Lebenskampf zu akzeptieren, um dann sein Potenzial zum Erwachen und zur Entfaltung zu bringen. Dabei werden starre körperliche, emotionale und kognitive Muster aufgelöst und heilsame Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Offenheit und Weisheit freigelegt und gefördert. Die Schulung des Gewahrseins, Emotionsarbeit, Verbesserung des Selbstbezugs und der Selbstfürsorge sind im sogenannten Core Development – der Entwicklung des menschlichen Kerns – zentrale Anliegen.
Dieses Buch ist eine Einführung in die Grundlage der Core-Development-Therapie, die danach strebt, den Körper und die ihm innewohnende Energie mit seelischer und kognitiver Dynamik zu verbinden. Dieser Ansatz integriert zwar östliche Ansichten, ist im Wesentlichen aber westlich orientiert. Das bedeutet: sich besser verstehen zu lernen und sich weiterzuentwickeln, die Selbstzuwendung zu fördern, achtsam mit sich umzugehen und in Selbstakzeptanz gewahr zu sein über körperliche und emotionale Prozesse. Insgesamt geht es darum, einengende Kognitionen aufzulösen und dem Leben einen tieferen Sinn zu geben.
In der Core-Development-Therapie lernen wir, Leid als unausweichlich zu sehen und Verständnis für unsere existenziellen Ängste und unsere menschlichen Eigenheiten zu entwickeln. Die Arbeit am Körper hilft uns, die körperlichen und energetischen Prozesse zu verstehen und besser damit umzugehen. Sie ermöglicht uns, innere Widerstände weich und durchlässig zu machen und mit unserer inneren Lebendigkeit in Kontakt zu treten, sodass wir tiefer im Prozess des Daseins ankern können. Wir schulen uns im Betrachten, ohne sofort zu reagieren. Das Gewahrwerden unserer Prägungen und instinkthaften Reaktionen hilft uns zu erkennen, was ist, um nicht gleich wieder in unsere Fallen zu laufen. Nicht nur das Stabilisieren, Regulieren und Integrieren von verschiedenen Aspekten unserer Persönlichkeit ist hier gefragt, sondern die Förderung und tiefe Verbindung mit dem Lebendigen in uns.
Auch das Nichtanhaften wird kultiviert: Distanz schaffen und Bearbeiten von Themenbereichen, mit denen unser Ego sich zu sehr identifiziert und die uns von unserem Innenleben trennen. Meditationstechniken helfen uns, zum Core (zum innersten Kern) vorzudringen, um dort im Sein (im Raum der Stille) anzukommen und zu ruhen. Denn in diesem Raum können wir uns wieder sammeln, da herrschen weder Probleme noch Ego-Ansprüche noch zermürbende Gefühle. In diesem Raum ist alles auf Distanz, und wir sind im Sein: zu Hause angekommen.
Heil sein und Gesundheit gehören zur Natur des Menschen. Das zentrale Anliegen in der Arbeit des Core Development (CD) ist es, den Weg der Heilung zu unterstützen. Psychotherapeutische Arbeit soll zum Wohl des Menschen eingesetzt werden. Wer sich auf diesen Weg macht, erforscht und erfährt sein Selbst, lernt und wächst, wird sich seiner selbst und seiner Umgebung gewahr, kann Beziehungen entwickeln und positive Gefühle und Lebenseinsichten kultivieren.
Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Therapeuten und Therapeutinnen, Coaches, Trainer und Studierende, die neue Wege in der Begleitung von Menschen anstreben. Es thematisiert Aussagen, Axiome und Konzepte, die auf tiefem philosophischem, spirituellem und jahrzehntelang erprobtem und erweiterten psychologischem Wissen beruhen. Es beantwortet über die Grenzen verschiedener Fachbereiche hinweg grundsätzliche Fragen, vernetzt vorhandenes Wissen und zeigt die Bedeutung der Energie auf, die uns als Grundlage aller Lebensprozesse Veränderungen zum Positiven ermöglicht.
Das Buch richtet sich aber auch an Interessierte, die sich über neue Ansätze in der Psychologie informieren, mehr über die Landkarte ihrer Seele erfahren, ihr Inneres verfeinern und ihre Persönlichkeit entwickeln möchten. Er soll eine Stütze sein für Leser*innen, die sich auf den Weg zu sich selbst gemacht haben. Die verstehen wollen, wie Körper, Verstand, Seele und Energie sich zu einem Geschehen verflechten, das unsere Lebensprozesse und Selbstentfaltungsdynamik formt und beeinflusst.
Die eingestreuten Beispiele aus der Praxis zeigen, dass wir nicht allein sind in unserem Erleben, Erleiden und permanenten Hinterfragen. Das ist tröstlich und erleichternd. Das bessere Verständnis der Zusammenhänge hilft, eigene schmerzvolle Erfahrungen und Verletzungen nochmals zu empfinden und besser zu verarbeiten. Die aufgezeigten Techniken ermöglichen es, aus leidvollen Situationen auszusteigen, wieder vermehrt positive Gefühle zu entwickeln und die Kraft des Herzens als Ressource und Qualität zu nutzen.
Kurzum: Es geht um Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung und Selbstheilung. Und darum, unsere Verhaltensweisen auf den unterschiedlichsten Ebenen besser verstehen zu können. Warum wehren wir im Alltag bestimmte Situationen immer wieder ähnlich ab, verhalten uns in wiederkehrenden Mustern und Schlaufen? Was bedeutet solches Verhalten für uns und für andere Menschen? Warum können manche Beziehungen so schwierig sein? Auch da können wir vieles verändern, wenn wir verstehen, wie wir Situationen wahrnehmen und interpretieren.
Gewiss: Jeder Lebensteppich ist anders gewoben. Doch in jedem Leben stellt sich eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen. Dieses Buch soll helfen, sie zu beantworten.
Gesundheit – Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins
Zu jedem Geburtstag bekommen wir Wünsche für eine gute Gesundheit. Verreist ein Freund für längere Zeit, wünschen wir ihm beim Abschied von Herzen, er möge gesund wiederkommen. Eine gute Gesundheit gehört zum Wichtigsten in unserem Leben. Dessen werden wir uns immer dann bewusst, wenn wir krank sind, denn eine Krankheit beeinträchtigt unsere Lebensqualität spürbar. Aber was ist denn diese „Gesundheit“, die wir unseren Freunden immer wieder wünschen und die wir auch selber nicht missen wollen?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als einen Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und sagen: Gesundheit ist das Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins – physisch, mental, energetisch, emotional, sozial und spirituell.
Um gesund zu bleiben, bedarf es unserer Achtsamkeit, wir müssen uns aktiv darum bemühen. Gesundheit ist nicht ein stabiler Zustand, in dem man ist oder nicht ist, sondern ein Kontinuum mit fließenden Übergängen. Wie gesund wir sind, wird einerseits durch die individuelle Stabilität beeinflusst. Andererseits wirken sich unser inneres Gleichgewicht (Homöostase) und unsere Interaktionen mit der Mit- und Umwelt auf unser Wohlbefinden aus.
Wenn wir von Gesundheit reden, sollten wir uns auch über unser Menschenbild Gedanken machen. In der Core-Development-Lehre (Kernentwicklung) betrachten wir den Menschen als psychosomatische Einheit: Körper, Seele und Geist sind unzertrennlich. Aber es geht nicht nur um Körper, Seele und Geist, vielmehr ist alles mit allem verbunden. Trinke ich morgens eine Tasse Kaffee, verbindet mich dies mit der Kassiererin im Supermarkt, wo ich meinen Kaffee kaufe, und dem Arbeiter auf der Kaffeeplantage, der die Bohnen geerntet hat. Wurden die Kaffeepflanzen mit viel Insektizid und Dünger gezogen, hat dies ungünstige Auswirkungen auf die Umwelt. Alles, was existiert, ist miteinander verbunden und entwickelt sich ständig weiter, und wir – als Teil all dessen – entwickeln uns auch ständig weiter. Entwicklung heißt Veränderung. Veränderungen brauchen Regulation und Neu-Balancierung, damit wir gesund bleiben.
Das Wichtigste, um überhaupt existieren zu können, ist Energie. Das Leben stellt uns zahlreiche Energiequellen bereit, die wir nutzen können. DieNahrungist dem Element Erde zugeordnet, dieAtmungdem Element Luft und dieBewegungdem Element Wasser, was wir daran erkennen, dass sportliche Betätigung unseren Organismus belebt. Eine weitere Energiequelle ist das FeuerelementLicht; denken wir nur daran, wie viel lebendiger wir uns an sonnigen Tagen fühlen, verglichen mit dem lichtarmen, nebelverhangenen Winter. Es gibt auch einezelluläre Energie, die Vitalität spendet. DieSamen-undOvar-Energieist die Schöpfungskraft unseres Lebens. Schließlich steht uns als siebente Energiequelle überall und jederzeit dieuniverselle Energiezur Verfügung.
Die bloße Existenz dieser Energiequellen genügt jedoch nicht, um gesund zu bleiben. Wir müssen in der Lage sein, uns diese Quellen zu erschließen und die Energien tatsächlich zu nutzen. Das gelingt nur, wenn wir uns auf allen Ebenen des Seins regulieren können. Dazu gehört, Spannungen und Konflikte auszuhalten und soziale Ungereimtheiten aufzulösen.
Die Salutogenese1lehrt uns, dass wir unsere Gesundheit langfristig nur aufrechterhalten können, wenn wir die Ereignisse in unserem Leben verstehen, ihnen eine Bedeutung geben und sie in einen Zusammenhang mit unserem Leben bringen können. Und wenn wir Möglichkeiten finden, mit diesen Ereignissen umzugehen.
Core-Development fördert das Wohlbefinden und die individuelle Gesundheit. Damit trägt es zum individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehen bei. Wir definieren Gesundheit nicht als Funktionsfähigkeit und Krankheit als Störung derselben, die nur belastend ist. Sondern wir sehen Gesundheit als Prozess, in dem viele Elemente im Körper und Umfeld reguliert und ins Gleichgewicht gebracht werden müssen. Unsere Arbeit bietet Wege und Möglichkeiten an, um Belastendes, Erstarrtes zu lösen und das negative Lebensskript in ein positives zu wandeln. So wird der Bezug zu uns selber intensiver, tiefer und ehrlicher.
Resilienz, persönliche Prägung, Empowerment und Coping
Resilienz ist die Fähigkeit, auf schwierige Lebenssituationen wie Gewalt, den Tod nahestehender Menschen oder schwere Erkrankungen flexibel zu reagieren, keine schweren psychischen Schädigungen oder anhaltende Beeinträchtigungen davonzutragen und den eigenen Seelenfrieden trotz allem zu wahren.
In der Medizin hatte das Thema die Wirkung, dass neben der klassischen Krankheitslehre plötzlich eine „Gesundheitslehre“ ins Zentrum des Interesses rückte. Gerade unter psychotherapeutischen und sozial rehabilitativen Gesichtspunkten ist der Begriff der Resilienz von praktischer Bedeutung, weil die vorhandenen Ressourcen ausgelotet und weiter ausgebaut werden können.
Das Wort „Resilienz“ leitet sich aus dem Lateinischen „resilire“ ab und bedeutet „zurückspringen“, „abprallen“. In der Physik sind damit Materialien gemeint, die sich unter hohem Druck verbiegen, aber nicht brechen, sondern zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehren, sobald der Druck nachlässt. Als wegweisend auf dem Forschungsgebiet der Resilienz gilt eine Studie über 700 Kinder auf der Hawaii-Insel Kauai, die unter schwierigsten Bedingungen aufgewachsen waren und dennoch als Erwachsene erfolgreich und psychisch gesund leben konnten. Resiliente Menschen können durchaus von Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie betroffen sein. Im Gegensatz zu „vulnerablen“ – weniger widerstandsfähigen – Personen gehen sie aber anders mit diesen Beeinträchtigungen um.
Weshalb überstehen resiliente Menschen in Krisensituationen den damit verbundenen Stress, emotionale Belastungen und Überforderung unbeschadet, während andere krank werden, die Vergleichbares erleben? Studien belegen, dass Erstere die Krise als Herausforderung annehmen können und genügend Strategien zur Verfügung haben, um die kritische Situation zu bewältigen. Vulnerable Personen verhalten sich unter Druck eher passiv, resignativ, ängstlich und depressiv. Weiter wurde festgestellt, dass die resilienten Personen diese besonderen Eigenschaften und Verhaltensmöglichkeiten im Verlauf ihrer Entwicklung erlernt hatten. Deshalb gelang es ihnen, nicht nur schwierige Situationen adäquat einzuschätzen, sondern auch ihre eigenen Fähigkeiten, damit fertigzuwerden. Sie waren in der Lage, mit ihren Gefühlen umzugehen und eine Strategie zu wählen, die sie beschützte und zu einer Lösung beitrug.
Resilienz – dies lässt sich daraus ableiten – hat viel mit der Ausprägung der Persönlichkeit zu tun. Sechs Grundfaktoren der menschlichen Psyche stehen dabei im Vordergrund: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Übernahme von Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung.
Im Folgenden sind eine Reihe von Prägungen und Rahmenbedingungen aufgeführt, welche die Bildung resilienten Verhaltens stärken:
Eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Versorgungsperson.Soziale Unterstützung innerhalb und außerhalb der Familie, z B. durch Verwandte, Nachbarn, Lehrer und Gleichaltrige.Ein emotional warmes, offenes, strukturierendes und normorientiertes Erziehungsklima.Soziale Modelle, die zu konstruktivem Bewältigungsverhalten ermutigen, z. B. Eltern, Geschwister, Lehrer.Dosierte soziale Verantwortlichkeit und klare Leistungsanforderungen, z. B. Sorge für andere Verwandte, Pflichten in der Schule.Kognitive Kompetenzen, z B. ein mindestens durchschnittliches Intelligenzniveau, kommunikative Fertigkeiten, realistische Zukunftsplanung, Temperament.Eigenschaften, die eine effektive Bewältigung begünstigen, z. B. Flexibilität, Annäherungsverhalten, Impulskontrolle.Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, internale Kontrollüberzeugungen, Selbstvertrauen und ein positives Selbstkonzept.Die Art und Weise, wie das Individuum mit Belastungen umgeht, insbesondere das aktive Bemühen um Problembewältigung.Die Erfahrung von Sinn, Struktur und Bedeutung in der eigenen Entwicklung, z. B. religiöser Glaube, Ideologie.Das therapeutische Bemühen, Menschen zu resilientem Verhalten zu befähigen, heißt in der Fachsprache „Empowerment“. Es geht darum, die Sicherheit der Betroffenen zu erhöhen, ihnen zu helfen, den Kontakt zu sich selbst zu vertiefen, eine positive Lebenshaltung zu fördern und sie beim Aufbau des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls zu unterstützen.
Die Art und Weise, wie eine Person in einer Krisensituation eigene Fähigkeiten und Kreativität einsetzt, um eine positive Lösung zu finden und diese zu integrieren, nennt man „Coping“. Folgende Eigenschaften begünstigen den Bewältigungsprozess:
Die Fähigkeit, Verständnis für die Situation zu entwickeln.Eine angemessene Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.Die Fähigkeit, äußere Situationen einschätzen zu können.Die Fähigkeit, die beiden Einschätzungen vergleichen zu können und daraus Strategien zu entwickeln, die einen beschützen und zu einer Lösung beitragen.1 Der Begriff der Salutogenese wurde vom israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–94) entwickelt. Er ging der Frage nach, warum Menschen gesund bleiben. Der üblichen dichotomen Trennung in „gesund“ und „krank“ stellte er das Konzept eines Kontinuums mit den Polen Gesundheit und Krankheit gegenüber. Er hielt fest, dass kein Mensch völlige Gesundheit oder völlige Krankheit erleben könne.
Übergeordnete Lehren der Heilung
Heilung lässt sich nicht erzwingen, sie kann geschehen, wenn vielseitige Vorbedingungen erfüllt sind. Die in diesem Kapitel erwähnten Heilungsgrundsätze, begleitet von Lebensprinzipien, sind den Spuren der jahrhundertelangen menschlichen Heilungsforschung und -geschichte entnommen. Wenn man sie näher betrachtet, erkennt man darin philosophische und spirituelle Grundhaltungen, welche die Heilungsprozesse bis heute begleiten und unterstützen. Keiner dieser Grundsätze steht isoliert da, denn die Ursachen von Gesundheit und Krankheit können nicht losgelöst vom Lebenskontext betrachtet werden. Sie fügen sich zu einer Symphonie des positiven Lebens zusammen. Im Folgenden möchte ich vier Grundlehren vorstellen: die Lehre der Schwingung, die Lehre der Einheit und der Fragmentierung, die Lehre der Befreiung und die Lehre des inneren Reichtums.
I Die Lehre der Schwingung
Alles, was lebt, pulsiert, vibriert und schwingt. Die pulsierende Bewegung besteht aus Expansion (sich ausdehnen) und Kontraktion (sich zusammenziehen). Sie findet sich in vielen physiologischen und organischen Prozessen, zum Beispiel bei den Herzaktivitäten: Systole und Diastole, in der Darmkontraktion und in der pulsatorischen Bewegung der Gehirn- oder Rückenmarkflüssigkeit (Liquor).
Vibration und Schwingung erschaffen ein Feld, das einerseits die innere Atmosphäre und andererseits die persönliche Ausstrahlung bewirkt. Jede Schwingung hat eine Frequenz, die in der Stärke variiert, hoch oder niedrig ist. Wenn solche Felder sich berühren oder überlappen, vermischen sie sich und tauschen Energie aus. Begegnen sich zwei Felder in gleicher Frequenz, entsteht Resonanz, Sympathie und Anziehung. Differieren die Schwingungen, ergeben sich Dissonanz, Antipathie, Abstoßung. Wenn die Energie der Gefühle zur Energie der Gedanken in Dissonanz steht, kommt es zu Konflikten und Spannungen, die zu Ängsten und Somatisierungen wie Kopf- oder Bauchschmerzen führen können. Ein Überschuss an Energie kann sich als innere Unruhe und in Form von Entzündungen zeigen.
Das Thema von Resonanz und Dissonanz ist im Bereich von Gesundheit und Krankheit essenziell. Im Alltag oft verwendete Wörter wie „Misstöne“, „Missstimmung“, „schlechte Atmosphäre“ oder „Disharmonie“ weisen darauf hin. Viele körperliche Erkrankungen haben ihre Ursache in energetischen Blockaden. Mittels Verarbeitung von psychischen Konflikten und Körper-Energiearbeit können solche Blockaden zumindest gelockert und durchlässig gemacht werden.
Heilung bedeutet letztendlich, den Energiefluss wiederherzustellen, Blockaden aufzuheben, Gefühle zu befreien, dem Körper seine Natürlichkeit und Flexibilität zurückzugeben. Es geht darum, zu den natürlichen Abläufen und zum inneren Leben zurückzufinden, das körperliche Wohlbefinden zu verbessern. Sogar somatische Krankheiten lassen sich lindern oder heilen. Die gewonnene Energie wird gebraucht, um den betroffenen Menschen zu lehren, sich künftig zu schützen, Grenzen zu setzen, die innere Atmosphäre positiv zu gestalten und Impulse auszudrücken.
Heilung lässt sich mithin als die Wiederherstellung einer inneren Schwingungsordnung definieren. Die richtige Schwingung verhilft dem System dazu, sich wieder in jene körperlich-kosmische Ordnung einzufügen, aus der es sich „herausgeschwungen“ hat.
Die Aufmerksamkeit, die der Mensch seinen Gedanken und Gefühlen schenkt, die Art und Weise, wie er die ihn umgebende Welt wahrnimmt, bestimmt sein Bewusstsein und beeinflusst die Energieströme im Körper. Denn dort, wo die Aufmerksamkeit hingeht, folgt ihr die Energie. Wenn man aus alten, sich negativ auswirkenden Gedankenmustern aussteigt und die Aufmerksamkeit auf positive Alternativen fokussiert, bewirkt dies eine allmähliche Veränderung. Überkommenen Mustern Aufmerksamkeit zu entziehen, setzt gebundene Energien frei.
Aufmerksamkeit und Fokussierung stehen eng mit Heilung in Verbindung. Das spirituelle Menschenbild geht davon aus, dass ein Mensch nicht nur über einen physischen Körper verfügt, sondern auch über einen feinstofflichen. Dieses Energiefeld steht permanent im Austausch mit anderen Energiefeldern – zuweilen auch unangenehmen und sogar schädlichen Einflüssen.
Wir alle haben diesen Satz schon gehört: „Du siehst heute aber schlecht aus, geht es dir nicht gut?“ Viele Menschen, die erkrankt sind, richten ihre Aufmerksamkeit auf das Kranksein. Andere, die kerngesund sind, befürchten, möglicherweise in der Zukunft zu erkranken: „Hoffentlich bekomme ich keinen Krebs, so wie meine Mutter.“ – „Hoffentlich werde ich im Alter nicht dement.“ Wird dieser negative Energiefluss nicht unterbrochen, entwickelt sich ein energetischer Stau, der tatsächlich zu einer Erkrankung führen kann.
Wer sich auf das Negative konzentriert, alte Traumata nicht loslassen kann oder bei Krankheiten immer wieder auf ihre Entstehung schaut, anstatt sich die Heilung vorzustellen, erschwert alle positiven Veränderungen. Stärkt man aber seine Energiefelder durch eine positive Grundeinstellung, ist man in der Lage, dank größerer innerer Robustheit schädliche Impulse abzuwehren. Wir sollten uns deshalb nicht nur um unsere körperliche Hygiene kümmern, sondern auch um unser mentales und psychisches Wohlbefinden. Eine bewusste, achtsame Lebensführung ist der Schlüssel dazu.
Positive Energie verleiht allem Materiellen „Leben“, deshalb nennen wir diese biologisch-körperliche Kraftquelle „Lebensenergie“. Ein niedriger Energiespiegel ist häufig Vorbote einer Krankheit. Dann bedarf es frischer Energie, um die Regenerationsfähigkeit des Körpers zu unterstützen und zu stimulieren. Wenn die gestörte Harmonie im Körper wiederhergestellt ist, bewirkt die nun wieder frei fließende Lebensenergie die Heilung auf der physischen Ebene. Um Heilung zu erzielen, müssen die körperlichen, emotionalen und mentalen Ebenen, die eine Störung in den Harmonieprozessen und damit Erkrankungen hervorgerufen haben, berührt und berücksichtigt werden. Dazu braucht es Vertrauen, Mut, Feinfühligkeit und Verbundenheit.
Daraus ergeben sich folgende Axiome: Alles schwingt – und die richtige Schwingung heilt. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Man empfängt auf derselben Frequenz, auf der man sendet. Eine positive Grundeinstellung führt zu größerer Robustheit gegenüber schädlichen Impulsen.
II Die Lehre der Einheit und der Fragmentierung
Jede Lebensform ist ihrem Wesen nach eine untrennbare Einheit. In der Welt der Erscheinungen treffen wir auf polare Gegensätze. Da gibt es kein „Entweder-oder“, sondern immer ein „Sowohl-als-auch“. Hier fließen die Pole immer wieder ineinander, deshalb wird Polarität auch Dualität genannt. Dunkelheit kann nur als solche wahrgenommen werden, wenn man die Helligkeit kennt. Das Positive erfreut uns so sehr, weil wir auch das Negative kennen. Die konstante Wechselwirkung dieser beiden Pole stellt den Ur-Rhythmus des Lebens dar. Die Natur ist ständig bestrebt, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Polen aufrechtzuerhalten.
Auch das menschliche System als Mikrokosmos im Universum ist diesem Wechselspiel gegensätzlicher Kräfte unterworfen. So finden wir auf der einen Seite das kontraktive, sich zusammenziehende und auf der anderen Seite das expansive, sich ausdehnende Prinzip: Ruhe und Bewegung, Erregung und Entspannung, innen und außen, männlich und weiblich, subjektiv und objektiv, Gefühl und Verstand. Diese Polaritäten liefern uns ein Modell, mit dem wir mehr Klarheit und Verständnis für die Situationen gewinnen können, in denen wir uns befinden. Die Pole lehren uns die gegenseitige Abhängigkeit dieser beiden Gegensätze. Sie sind als ein ewiges Wechselspiel zu verstehen. Die dadurch erzeugte Spannung hält den Energiefluss aufrecht. Sobald er stagniert, ist das Gleichgewicht gestört, die Harmonie löst sich auf, und es entsteht Teilung, Entfremdung und Isolation. Auch Beziehungen basieren auf diesem Prinzip der Fragmentierung: einerseits dem Wunsch nach Verschmelzung und andererseits nach Rückzug und Besinnung auf die eigenen Grenzen.
Der Entwicklungsprozess bringt es mit sich, dass Systeme und Untersysteme differenzieren und neu strukturieren. Diese Teile könnten in ihrer Funktionalität autonom werden und sich von der Einheit abspalten. So kann sich das Gehirn als Untersystem des Körpers durch die Bildung von Glaubenssätzen und Verfeinerung seiner Evaluationssysteme massiv abheben von der Körperwahrnehmung und vom Bewusstsein. Die mentalen Fähigkeiten werden in ihren Funktionen selbstständig und autonom, sodass sie sich von den körperlichen Empfindungen abtrennen.
Unser Dasein, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beruhen auf einer inneren Ordnung. Unser Organismus hat klare Strukturen und Funktionen, die fein aufeinander abgestimmt sind. Wird ein Teil dieser Funktionen gestört, droht ein inneres Chaos, es kommt zu Verwirrung, Spannung und Desorientierung, was sich in Krankheiten und anderen Gleichgewichtsstörungen manifestiert. Diabetes ist die Folge eines gestörten Insulin-Gleichgewichts, Depressionen können die Folge eines Serotoninmangels sein, übersteigerte körperliche Energie kann Angst, Panikstörungen oder Gewalttätigkeit auslösen.
Richtet sich die Kraft mehrheitlich nach außen, wird das Innere geschwächt und umgekehrt. Beziehungskonflikte können als Ausdruck eines Ungleichgewichts dieser Pole betrachtet werden. Solange sich diese Kräfte in unserem Inneren bekämpfen, besteht ein Spannungszustand, der sich auch äußerlich manifestiert und uns daran hindert, ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Das Dualitätsgesetz ist ein Modell, mit dem wir persönliche Situationen betrachten und mehr Klarheit und Verständnis für unser Denken und Handeln gewinnen können.
Die Ausrichtung des Systems und die Harmonisierung (Integration) der Teile bewirken Heilung im Sinne einer „Wieder-Ganzwerdung“. Je einheitlicher und authentischer wir sind, desto vitaler und effektiver gestaltet sich unser Leben. Das Ziel besteht darin, die verloren gegangene innere Ordnung wiederzufinden.
Zentral dabei ist die Integration von Erfahrungen. Viele unserer Erfahrungen finden in unserem System nicht die richtige Ordnung, speziell abgewehrte und schmerzhafte Erfahrungen. Es ist essenziell, diese Erfahrungen nicht nur wieder zu erleben und sich ihrer bewusst zu werden, sondern sie zu integrieren, um loslassen und frei werden zu können. Wenn eine über längere Zeit erfüllte Beziehung zu Ende geht, kann man diese Erfahrung nicht einfach aus dem „System“ werfen. Der einst geliebte Mensch muss im System einen neuen Platz finden, damit sich eine innere Ordnung einstellen kann und das System zur Ruhe kommt.
Der Mensch in seiner Ganzheit ist mehr als nur die Summe seiner Teile. Was seine Gestalt ausmacht, ist die kunstvolle Komposition der Einzelteile, von denen jedes eine eigene Energie und Kraft besitzt, dazu kommt die Beziehung dieser Teile zueinander. Funktionen und Unterfunktionen sind harmonisch aufeinander abgestimmt. Die Abspaltung einzelner Teile schwächt das gesamte System. Umgekehrt stärkt die Reintegration solcher Teile die Person und bringt die Kräfte wieder zusammen. Ihre Authentizität und Selbstverkörperung kann wachsen. Dies befähigt die Person, sich selbst zu vertreten und abzugrenzen.
Daraus ergeben sich folgende Axiome: Gesundheit beruht auf einer intakten inneren Ordnung. Wir sollten deshalb nach einem inneren Gleichgewicht streben. Teile, die sich getrennt und abgespalten haben, müssen reintegriert werden. Im Hier und Jetzt liegt das Geheimnis von Entwicklung und Entfaltung.
III Die Lehre der Befreiung
Angestrebt wird ein unbelastetes, bewusstes menschliches Dasein, die Befreiung des Individuums von Zwängen, moralischen oder religiösen Einengungen, starrem Rollenverhalten und verfestigten sozialen Strukturen. Immer schon forderten Philosophen die Befreiung des Denkens als Grundlage für Demokratie und Freiheit. Auf politischer, sozialer und theologischer Ebene finden sich viele Bewegungen und Ideologien, die Menschen aus Unterdrückung und Kolonialisierung befreien wollten, um ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Ihre Ziele waren Gleichberechtigung, Beachtung der Menschenrechte, Meinungs- und Wahlfreiheit.
Dabei geht es nicht nur darum, äußere Zwänge loszuwerden, sondern auch darum, innere Fesseln zu sprengen, denn Unterdrückung, Verleugnung und Zurückhaltung von Impulsen, Gefühlen und Gedanken führen zu Verkümmerung und Krankheiten. Es geht darum, den Körper und seinen Ausdruck zu befreien, unterdrückte Gefühle, Impulse und Bedürfnisse zuzulassen, überkommene Moralvorstellungen und enges Denken zu überwinden, Sexualität und Lust leben zu können, sich aus Beziehungszwängen und einengenden kulturellen Verpflichtungen zu lösen, internalisierten Vorstellungen, Fremdbestimmung und verfestigten Verhaltensstrukturen den Rücken zu kehren.
Im Mittelpunkt dieser Lehre steht der Individuationsprozess. Der bevormundete Mensch wird dazu aufgefordert, Selbstverantwortung zu übernehmen, ein Bewusstsein für sich selbst zu entwickeln, sich Freiheiten im Denken, Fühlen und Handeln herauszunehmen, sich eine eigene Meinung zu bilden und sich aktiv am soziokulturellen Leben zu beteiligen.
Daraus ergeben sich folgende Axiome: Die heilende Wirkung der Aufarbeitung, der Ausdruck von Wünschen und Bedürfnissen führt letztlich zu mehr Freude und Vitalität im Leben. Menschen können sich besser spüren und ihre Wünsche kraftvoller vertreten.
IV Die Lehre des inneren Reichtums
Das Leben beschenkt uns mit sechs kraftvollen Instrumenten, um unser Inneres zu gestalten und Erfüllung zu finden: DieVorstellungskraft, um positive Dinge und Visionen zu erschaffen, dieIntuition,um die innere Stimme zu hören und zu erfühlen, derWille, um unsere Vorhaben beharrlich durchzuführen. Wir besitzen einGehirn,um zu denken und zu analysieren, einGedächtnis,um Informationen zu speichern, sowie sechsSinne,um äußerliche Bilder und Reize wahrnehmen und uns orientieren zu können.
Es liegt in unserer Hand, wie wir diese Instrumente gebrauchen. Mit ihrer Hilfe können wir unser Leben negativ gestalten oder Freude und Frieden anstreben. Wenn ich die alten Wunden ständig vor mein inneres Auge hole und bedrohliche Situationen immer wieder aktiviere, muss ich mich nicht wundern, wenn düstere Gedanken mein Inneres beherrschen. Der Buddhismus unterscheidet zwischen Vernunft und Intuition. Wenn die innere Stimme – die Intuition – nicht den entsprechenden Ausdruck in unserem Denken findet, wird sie nie einen wirklichen Einfluss auf unser Leben haben.
Die inneren und äußeren Systeme stehen in Wechselbeziehung und beeinflussen sich gegenseitig. Deshalb „nimmt man sich etwas zu Herzen“, gehen einem gewisse Dinge „an die Nieren“ oder „auf die Nerven“, läuft jemandem „vor Wut die Galle über“, schlägt ein schlechtes Erlebnis „auf den Magen“; dann und wann haben wir „die Nase voll“ oder „einen Kloß im Hals“. Wir erleben häufig, dass Eifersucht, Gier, Hass und Rachegefühle zu Erkrankungen führen.
Das Wissen um die inneren Werte und Ressourcen hilft, sich damit zu verbinden, um mehr sich selbst zu werden und in den Handlungen authentischer zu sein, das Ego zu überwinden, um den inneren Reichtum zu finden. Es gibt durchaus einen gesunden Egoismus, der den Menschen vor Missbrauch, Ausbeutung und Schädigung durch Dritte schützen kann. Hier geht es jedoch um die vermehrte Zuwendung zur eigenen, inneren Welt. Das Streben in der Außenwelt nach materiellem Reichtum führt häufig zu Erschöpfung und innerer Armut. Wenn das Ego ständig seine Bedürfnisbefriedigung im Äußeren sucht, verliert es den Bezug zum Inneren.
Die Zielrichtung des menschlichen Strebens benötigt heute eine „Umkehr“. Das Streben nach äußerem Glück genügt nicht, denn im Äußeren liegt kein wahres Glück, sondern nur Vergänglichkeit. Im Festhalten und Erhöhen von vergänglichen Werten liegt eine Wurzel der Entfremdung von uns selbst, was Erkrankungen nach sich zieht. Wenn wir den Bezug zum inneren Selbst und damit zu unserem Kern verlieren, entsteht ein Gefühl des Mangels und der Armut. Leere und Verlorenheit breiten sich aus.
Die Freiheit des Menschen, selbst zu wählen und über seine Lebensimpulse und Bedürfnisse zu bestimmen, ist notwendig, um persönliche Autonomie zu erlangen. Diese Freiheit ist ein Pfad, der die Gesundheit und Heilung unterstützt. Unfreiheit macht krank: Fixation, Erstarrung, Limitierung, Stagnation sind Begriffe, welche die Unfreiheit treffend beschreiben. In diese Kategorie fallen auch die kulturell-religiösen und traditionell-soziologischen Zwänge, die Individuen zu einem bestimmten Wahl- oder Rollenverhalten nötigen.
Jeder Mensch hat seinen einzigartigen, nicht kopierbaren Weg. Dieser persönliche, eigene Pfad ist ein „göttliches Geschenk“ an jedes Individuum. Es ist sein einzigartiges Leben, in dem es die Ressourcen und angeborenen Potenziale seines Lebens zu verwirklichen beginnt. Wer diesem Weg unbeirrt von äußeren Zwängen folgt, wird authentisch und gesund. Allerdings erfordert er Entschlossenheit, Mut, seelische Kraft und die Überwindung der Angst vor Einsamkeit. Freiheit und Unabhängigkeit brauchen nebst Reife auch die Bereitschaft, zu handeln, in Aktion zu treten und für seine Ideen und Ideale einzustehen. Zur Freiheit gehören Demut und innere Disziplin. Innere und äußere Freiheit gehören zusammen, um Wahlfreiheit und Selbstbestimmung zu haben und ein unabhängiges Individuum zu werden.
Geborgenheit, Vertrautheit und Sicherheit kann auch erleben, wer sich im Einklang mit einem größeren Ganzen befindet. Die Bibel sagt: „Mit deinem Glauben kannst du Berge versetzen.“ Der Glaube an etwas Größeres, die Verbindung zu einer höheren Quelle – Stichwort Spiritualität – kann eine unterstützende Ressource für Heilung sein. Dafür ist das Individuum zuweilen bereit, einen Teil seiner Individualität zu opfern. Viele Therapien sehen ihr Ziel in der „Rückkehr nach Hause“. Der Klient muss seinen Weg zu seinem Inneren wiederfinden, um mehr Beziehung und Verwurzelung im Selbst zu finden.
Allgemein glaubt man, dass unsere Gedanken unsere Gefühle bestimmen, doch auch das Umgekehrte gilt. Wir alle kennen die Kraft des Gefühls und wissen, dass es uns zu großen Taten ermutigen kann. Manche Menschen riskieren ihr Leben, um Fremde aus einem brennenden Haus oder einem reißenden Strom zu retten. Es gibt aber auch eine negative Seite der Gefühle. So kann sich Wut durch eine aufgebrachte Menge verstärken und außer Kontrolle geraten, etwa bei Krawallen oder nach einem verlorenen Fußballspiel. Wie zerstörerisch sich das auf das Innere auswirken kann, berichteten Soldaten, die im Krieg ein Kind getötet hatten. Sie konnten nach ihrer Heimkehr mit ihren eigenen Kindern nicht mehr in entspannter Ruhe essen,weil sie von Schuldgefühlen und Ängsten geplagt wurden. Andere verloren die Empfindungsfähigkeit, wurden stumpf und kalt, lebten isoliert, suchten in Drogen Zuflucht und verloren bald darauf ihre Gesundheit.
Um auf irgendeinem Gebiet unseres Lebens Erfolg zu haben, müssen wir zuerst erkennen, was wir in unserem Innersten denken und fühlen. Wir müssen den richtigen Weg finden, mit selbstzerstörerischen Gefühlen umzugehen, die uns einschränken. Gefühle sind mächtige Energiequellen wie die Sonne oder die Atomkraft. Diese Quellen haben die Fähigkeit, Gutes zu bewirken oder auch Schaden anzurichten. Gefühle und Gedanken sind zentrale Mitspieler im Spannungsfeld zwischen Gesundheit und Krankheit.
Daraus ergeben sich folgende Axiome: Wir sind mit großem innerem Reichtum geboren, ausgestattet mit sechs wertvollen Geschenken, um unser Inneres zu gestalten. Wir sollten lernen, diese Instrumente bewusst für unsere persönliche Entwicklung zu gebrauchen. Erfüllung, Freude, Glückseligkeit und Liebe sind im Inneren als Quellen vorhanden. Die Heilkraft ist im Inneren und nicht außerhalb zu suchen. „Wie innen, so außen“ sagt ein altes Sprichwort und beschreibt damit die Wechselbeziehung von inneren Variablen und äußerem Ausdruck (Handlungen).
Das Wesen des Menschen
„Genauso wie der Mensch die Welt um sich her verwandelt, so verwandelt er auch sich selbst im Prozess der Geschichte. Er ist sozusagen seine eigene Schöpfung.“
Erich Fromm, Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe (1900–1980)
Seit jeher bemühen sich Wissenschaftler, die Fragen des Menschseins zu klären. Was macht die menschliche Natur aus? Wie lässt sich das Wesen des Menschen ergründen?
DieAnthropologiesetzt bei der Genetik und der Evolution an, stellt Überlegungen zu Disposition, Abstammung und Rasse ins Zentrum. Sie diskutiert kontrovers, inwiefern sich Mensch und Tier unter Berücksichtigung der offensichtlich unterschiedlichen Eigenschaften wie Sprache, Denken und Bewusstsein doch ähnlich seien, ob sie nicht dieselben instinktiven und kognitiven Fähigkeiten besitzen.
DiePhilosophiebefasst sich mit der Natur des Menschen. Als Bild wird der Baum in seinem natürlichen Wachstum herangezogen. Die menschliche Natur erscheint nicht als Zustand, sondern als kontinuierlicher Prozess, der – analog zu den Jahreszeiten – mit der Entwicklung des Bewusstseins beginnt und mit dem Tod endet.
DiePsychologiewiederum beschreibt die Eigenschaften und Eigenheiten des Menschen, die zur Lebensbewältigung notwendig sind. Das Verhältnis zwischen dem Menschen und der ihn umgebenden Gesellschaft wird hervorgehoben: Der Mensch ist nicht nur Natur, sondern auch ein kulturelles Wesen, das sich rege austauscht und entwickelt.
Menschsein bedeutet aus meiner Sicht, das Leben, das uns in einem menschlichen Körper auf dem Planeten Erde geschenkt wird, mit allen Essenzen anzunehmen und es in den Dimensionen von Raum und Zeit bestmöglich zu entfalten. Menschsein – begrenzt durch die Existenz zwischen Geburt und Tod – findet in einem Körper statt, der den Tempel für alle seelischen und geistigen Prozesse bildet. Menschsein bedeutet, ein mit Geist begabtes Wesen zu sein und dadurch das Leben schöpferisch gestalten zu können.
Menschsein bedeutet, ein einmaliges Individuum zu sein. Die Individualität ist bedingt durch die Verschiedenheit des genetischen Materials und dessen phänotypischer Ausprägung, durch unterschiedliche Biografien mit ihren prägenden Merkmalen und durch verschiedene geistig-seelische Entwicklungszustände. Menschsein bedeutet überdies, ein multidimensionales Wesen zu sein, das sich auf vielen Bewusstseinsebenen betätigen und erfahren kann.
Der Sinn des Menschseins scheint darin zu liegen, alle möglichen Bewusstseinserfahrungen zu durchlaufen, die nur dem Menschen möglich sind. Ein Menschenleben ist ein sich entfaltender Evolutionsprozess mit dem Ziel der Reifung und Entwicklung eines höheren Bewusstseins.
Was dieses „Bewusstsein“ genau ist, wie es mit dem Gehirn zusammenhängt und ob es sich jemals neurobiologisch vollends erklären lässt, bleibt umstritten. Eine anerkannte wissenschaftliche Definition gibt es bis heute nicht, auch in der alltäglichen Verwendung erweist sich der Begriff als schillernd. Ich versuche, ihn aus meiner Sicht zu umreißen.
Bewusstsein bedeutet, dass der Mensch in der Lage ist, sich selbst und seine Umwelt wahrzunehmen, über Erlebtes nachzudenken und es in Worte zu fassen. Er erkennt, reflektiert und erweitert dadurch sein Wissen. Diesen Vorgang des „Gewahrwerdens“ von Objekten, Empfindungen, Stimmungen, Zuständen und Entwicklungen bezeichne ich als „Bewusstheit“. In ihrer Gesamtheit führt die Bewusstheit zum menschlichen Bewusstsein. Bewusstheit lässt sich üben und lernen.
Grundsätzlich lassen sich fünf Formen des Bewusstseins unterscheiden. Mit demWachbewusstseinregistrieren wir unsere alltäglichen Aktivitäten. DasUnterbewusstebefasst sich mit Inhalten, Gefühlen und Konflikten, die uns nicht mehr zugänglich sind. Daskollektive Bewusstseinwird durch die Gesellschaft, die herrschende Moral, die gelebte Kultur und die sozialen Regeln geprägt. Persönliche Erlebnisse, individuelle Vorstellungen, Gefühle, Eigenschaften und Schlussfolgerungen definieren dasindividuelle Bewusstsein. Dasabsolute Bewusstsein,auch universelles Bewusstsein genannt, ist die leise, feine Stimme in jedem Menschen, die ihm zuweilen ein Gefühl von Unendlichkeit und Ewigkeit vermittelt. Dieses Gefühl wird oft in Verbindung mit einer tiefgehenden Erfahrung von Freude, Verbundenheit und Liebe erlebt. Die fünf Formen des Bewusstseins bilden zusammen den „Bewusstheitsstrom“, in dem sich – etwa bei tiefer Entspannung – Unterströmungen wie das Schlaf- oder Traum-Bewusstsein bilden.
Die Bewusstseinszustände wirken sich stark auf unsere Befindlichkeit, unser Verhalten und auf die Verarbeitung von Erlebtem aus. Sie zu ergründen, ist ein wichtiger Aspekt der Psychotherapie. Sich Klarheit über sein eigenes Bewusstsein zu verschaffen, erhöht beim Menschen den Grad der Wachheit, die Reaktionsfähigkeit, Sensibilität, Präsenz und Orientierung im Leben.
Der Mensch ist von Natur aus ein kulturelles Wesen
Letztlich ging und geht es in der Menschheitsgeschichte immer um die Weiterentwicklung der Mitmenschlichkeit, um das Prinzip der gegenseitigen Hilfe. Wo immer dieses Prinzip verwirklicht wurde, stand das menschliche Individuum mit seinen Rechten, seiner Freiheit und Würde im Zentrum. Wann immer es in einer Kultur Fortschritte gab, verdankte man sie dieser humanen Grundhaltung, die festhielt, dass der Mensch nicht nur auf seine Triebe, Instinkte und sein soziales Umfeld reduziert werden kann. Er ist vielmehr ein freies Wesen, fähig zu Mitmenschlichkeit und Zusammenarbeit, ausgestattet mit Vernunft und Sprache, durch die er sich und die ihn umgebende Welt begreifen, verstehen und sich entscheiden kann. Er ist nicht wie ein Tier dazu verdammt, ein fremdbestimmtes Schicksal zu erdulden, sondern in der Lage, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Er kann aktiver und verantwortlicher Gestalter seines Lebens und seiner Geschichte sein und an der positiven Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft aktiv teilnehmen.
Der Mensch ist von Natur aus ein kulturelles Wesen. Nur das Zusammenleben in einem kulturellen Umfeld ermöglicht es ihm, sein Menschsein zu entfalten. Kultur ist die „zweite Natur“, die er sich erschaffen musste, um sein Überleben zu sichern und sich von einer Zivilisationsstufe auf die nächsthöhere zu erheben. Dank seines kulturellen Umfelds ist der Mensch fähig, sich selbst, seiner Stellung in der Welt und seiner geschichtlichen Bedingtheit bewusst zu werden.
Vertrauen zum Mitmenschen ist die Grundlage jeder Kulturentwicklung, aber auch der Persönlichkeitsentwicklung in allen Lebensphasen. Die erste natürliche Gemeinschaft, in der das Neugeborene dieses Vertrauen entwickeln kann, ist die Familie. Ohne ein Grundmaß an Urvertrauen entsteht keine stabile Persönlichkeit. Ein vernachlässigtes Kind entwickelt seine Menschlichkeit nur unvollkommen. Seine Sprachfertigkeit leidet, sein Denken entwickelt sich schwach, seine mitmenschlichen Fähigkeiten verkümmern. Solche Kinder werden anfällig dafür, sich kritiklos Gruppenzwängen unterzuordnen, andere zu beherrschen, abzuwerten oder gar sadistisch zu quälen, um ein pervertiertes Gefühl von Wert zu spüren.
Ich glaube fest an eine friedliche, liebevolle und humane Entwicklung, in der weder Krieg, Ausbeutung, Unterdrückung noch inhumane und destruktive Handlungen Platz haben. Dies kann nur erreicht werden durch Bildung und Entwicklung, durch den Bau von Gesellschaften, die allen Menschen ohne Unterschied die Entfaltung ihrer Menschlichkeit ermöglichen.
Die modernen Humanwissenschaften bestätigen, dass Krieg nicht naturgegeben ist. Im Gegenteil: Der Mensch kommt mit einer Disposition zu Mitmenschlichkeit und Kooperation zur Welt. Menschen sind fähig, gerecht und friedlich nach vernünftigen Gesetzen zusammenzuleben. Wenn jemand, seiner Sozialnatur gemäß erzogen, zu gewaltfreier, konstruktiver Konfliktlösung und tätiger Nächstenliebe angeleitet wird, wächst ein friedfertiger Mitmensch heran, den die Not von anderen nicht unberührt lässt, der Unrecht nicht duldet.
Friedfertigkeit ist kein „humanitärer Idealismus“ oder ein „illusionäres Weltbild“. Sie ist in der menschlichen Natur angelegt und kann und muss in jedem Menschen ausgebildet werden. Deshalb sollte der Erziehung der Kinder und der Jugend besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt gewidmet werden. Dabei kommt der Familie große Bedeutung zu. Wenn das Kind in der Beziehung zu seinen Eltern Urvertrauen und Mitgefühl spürt und – darauf aufbauend – einen stabilen Persönlichkeitskern entwickelt, ist das die beste Prävention gegen Gewalt und Verwahrlosung. Darüber hinaus werden durch die Identifikation mit den Eltern und Großeltern die kulturellen Werte und Normen an die nächste Generation weitergegeben. So entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit zu Volk, Kultur oder Nation, was ebenfalls Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit und der beste Schutz gegen Gleichgültigkeit, Verantwortungs- und Rückgratlosigkeit ist.
Die in der Familie gelebte Menschlichkeit muss durch die Schule weiter gehegt und gepflegt werden. Die Kinder sollen in der Klassengemeinschaft im Sinn und Geist der Menschenrechte erzogen werden, ohne Unterschied von Geschlecht, Religion, sozialer und kultureller Herkunft. Die Schule schafft für das gesellschaftliche Zusammenleben eine solide Basis, wenn sie neben Wissen und Fähigkeiten auch Rechte und Pflichten lehrt sowie Werte vermittelt wie Menschlichkeit, Nächstenliebe, Achtung der Würde und der Überzeugungen anderer, Toleranz, friedliche Konfliktlösung, Eigenverantwortung, Leistungswille und Respekt. Das Erlernen eines Berufes, der den Neigungen eines Heranwachsenden entspricht, ermöglicht ihm schließlich, aus eigener Kraft mit anderen zusammenzuarbeiten und sich zum Wohle der Allgemeinheit nützlich zu machen.