Kriminelle Bagage - Fred Haller - E-Book

Kriminelle Bagage E-Book

Fred Haller

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Beschreibung

Kriminelle Geschichten aus Niederbayern - verwegen und humorvoll. "Völlig aus dem Häusl, hochgradig herzkasperlgefährdet!", so heißt es über den Zeugwart. Er hatte die Laien-Schauspieler der Bauernschlacht mit stark rauchenden, aber ungefährlichen Flinten ausgerüstet, doch nach der Kampfszene wälzt sich ein Bursche mit lebensgefährlichem Bauchschuss am Boden. Davon steht nichts im Regiebuch. Unfall oder Mordversuch? Ein unscheinbarer Hinweis führt auf eine Spur ...

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Die bayerische Volkserhebung 1705/06

Scharfe Schüsse in Aidenbach

Franz Matzeder, Kurioses

Mord am Kalten Brunn

Der Mörder Dominikus Hahn

Schwarze Beeren

Von Paschern und Schwirzern

Marchhäuser

Bet, Kindlein bet, morgen kommt der Schwed

Das alte Zeug unterm Kosterdach

DIE BAYERISCHE VOLKSERHEBUNG 1705/06

"LIEBER BAIRISCH STERBEN, ALS KAISERLICH VERDERBEN!"

Wie immer ging es um Macht und Reichtum. Dieses Mal um nichts Geringeres, als um die spanische Krone. Denn der König starb ohne Nachkommen und rief zwei seiner Schwager auf den Plan, die das Erbe für sich beanspruchten. Ludwig der Vierzehnte von Frankreich ebenso wie der Kaiser in Wien. Bündnisse wurden geschlossen. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel setzte dabei leider aufs falsche Pferd und stellte sich auf die Seite des Franzosen. Nach mehreren empfindlichen Niederlagen auf dem Feld floh Max Emanuel in die Niederlande und musste Bayern in der Hand einer kaiserlichen Besatzungsregierung zurücklassen.

Zigtausende ausländische Soldaten nahmen im Land Quartier und mussten versorgt werden. Hohe Steuern belasteten die ohnehin stark gebeutelte Bevölkerung. Plünderungen, Erpressungen und alle vorstellbaren Gräueltaten waren an der Tagesordnung. Und um die Mannverluste auf den Schlachtfeldern aufzufüllen wurden junge Burschen rücksichtslos in das Besatzerheer zwangsrekrutiert und gefügig gemacht.

Doch das Volk erhob sich. "Lieber bairisch sterben, als kaiserlich verderben!" war die Losung der Aufständischen, die sich im Winter 1705/06 sammelten, um die Kaiserlichen zu vertreiben. Im Oberland trafen sich etwa 3000 Mann im Kloster Schäftlarn und zogen am Heiligabend gen München. Einen kleinen Erfolg erzielten sie am Roten Turm, wurden aber nach einer Weile zurückgedrängt. Am Glockenbach gab es viele Tote. Die Versprengten sammelten sich an der Sendlinger Pfarrkirche, doch als sie sich ihrer Ausweglosigkeit bewusstwurden, legten sie die Waffen nieder und ergaben sich. Die Soldaten gingen trotzdem als Schlächter über sie hinweg. Mehr als 1000 Bauern wurden in der Sendlinger Mordweihnacht, am 25. Dezember 1705, erbarmungslos niedergemetzelt.

Doch noch waren die Landesverteidiger nicht besiegt. In Niederbayern waren viele Kleinstädte wieder unter bayerische Hoheit gebracht worden. Am Neujahrstag führte deshalb General von Kriechbaum, der die Sendlinger Schlacht befehligt hatte, eilig ein starkes Reiterkorps ostwärts. Sie zogen über Neumarkt und Eggenfelden in Richtung Vilshofen.

In Niederbayern waren es rund 7000 Männer, die sich auf den Kampf einschworen. Ein vorsichtig agierender General der Landesverteidiger aber zögerte und weigerte sich, mit seiner Truppe aus Burghausen unterstützend einzugreifen. Den Untergang des unerfahrenen Heeres sah er schon im Voraus besiegelt. Er erklärte: Er habe zwar gelernt, Soldaten zu kommandieren, aber nicht Bauern. Und er wolle sich lieber massakrieren lassen, als mit Bauern gegen einen regulierten Feind zu kämpfen. Kraft in den schrundigen Händen hatten die aufgebrachten Burschen wohl, denn harte Arbeit war ihr Los von klein auf. Aber was konnten Knüppel und Sensen gegen die erfahrenen Soldaten Österreichs schon ausrichten!

Indes unterrichtete ein Verräter General Kriechbaum darüber, dass der große Trupp der Volkserhebung bei Aidenbach lagerte und Verstärkung vom Inn her erwarte. Er bot sich sogar als Führer an. Am Morgen des 8. Januar ordnete der General seine Scharen bei Haidenburg und rückte schnell gegen Aidenbach vor.

In dem überraschten Lager begann ein fürchterliches Geschrei aus tausenden Kehlen, doch die Bauern wussten von keiner Kriegs-Strategie. Auch nichts davon, wie gefährlich es war, beim Kämpfen Reih und Glied zu verlassen. Einzelne Haufen, die vorwärts drängten, wurden von den Husaren umzingelt und niedergehauen. Entstandene Lücken nutzten die Feinde, um hinter die Linien zu dringen und großen Schaden anzurichten. Von einer echten Kampfkraft der Bauern war zu keiner Zeit zu sprechen. Ihr Anführer, Johann Hoffmann, vermochte seine Männer nicht zu steuern und floh nach kurzer Zeit mit einigen Reitern in die nahegelegenen Wälder. Die Aufständischen fielen zu Hauf. Die eisigen Böden der Felder und Hügel waren mit Leichen übersät. Höfe und Dörfer wurden angezündet und alles, was nicht in den Flammen umkam, das fiel unter den Klingen der Reiter.

Mit der Schlacht von Aidenbach brach der Widerstand im Land vollständig zusammen. Er hatte auf bayerischer Seite 10.000 Menschenleben gefordert. Was aber das Bauernherz zusätzlich mit großem Schmerz erfüllte, das war die Reaktion des Kurfürsten Max Emanuel, der in Brüssel von den Ereignissen in der Heimat erfuhr. Statt Trauer zu bekunden, verfluchte er die Aufständischen. Die Stellung des Adels dürfe zu keiner Zeit in Frage gestellt werden, so der Landesvater, und dergleichen Volksrevolten sollen im Keim erstickt werden.

Die Zeit war noch lange nicht reif. Sie war nicht reif für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Alter Kinderreim:

Rumbedibum

der Kaiser geht um!

Mit Händen und Füßen, mit blutigen Spießen.

Hatt dFenster eingschlagn,

hatts Blei davon tragn.

Hatt Kugeln draus gossn

und dBauern derschossn.

SCHARFE SCHÜSSE IN AIDENBACH

Ein großes Spektakel wird den vielen Zuschauern geboten, die zu dem Schauspiel über die Bauernschlacht vom 8. Januar 1706 nach Aidenbach kommen. Alle paar Jahre klirren die Säbel in dem kleinen Ort unweit des bekannten Bier- und Wallfahrtsortes Aldersbach. Laien schlüpfen in die Rolle von bärtigen Rebellen oder resoluten Bäuerinnen. Auch für die feindlichen Soldaten finden sich Freiwillige. Gut, dass alles nur gespielt ist, dass nur Theaterblut vergossen wird! So können die Gäste dieses sommerliche Event ganz entspannt von ihren Plätzen aus erleben. Sie müssen die Härte des Krieges nicht am eigenen Leibe spüren. Und wer nicht einmal die Härte der Sitzbank ertragen möchte, der nimmt sich halt von Zuhause ein bequemes Kissen mit.

Die Aufführung war wieder ein voller Erfolg. Es herrschte gute Stimmung, gutes Wetter und alles lief perfekt an diesem zweiten Spieltag. Über den mit Holzschnitzel und Stroh ausgestreuten Platz stoben ein paar gackernde Hühner. Rücksichtslose Soldaten hatten den Ort überfallen und junge Bauernburschen gefangen genommen. Denn wer nicht freiwillig mitging, der wurde damals ins Militär zwangsrekrutiert. Wütende Frauen mit weißen Kopftüchern klagten und schrien durcheinander, Bauern schwangen Holzstecken. Dann trat Plinganser auf, der Anführer der Rottaler Freiheitskämpfer. Der charismatische Mitvierziger in edlem Mantel und Dreispitz auf dem Kopf rief zum Widerstand. Er forderte Vergeltung und Befreiung.

Allmählich dämmerte es. Fackeln waren entzündet worden und der harzige Duft eines Fichtenfeuers zog durch die Reihen der Zuschauer. Es war ein Erlebnis für alle Sinne. Überall Begeisterung – außer dort, wo Überempfindliche gleich zu husten begannen und nach frischer Luft schnappten. Hinter der hölzernen Häuserattrappe auf der linken Seite der OpenAir-Bühne sammelten sich im Verborgenen bereits die österreichischen Soldaten. Die rechte Seite bevölkerten aufgeregte, mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnete, Rebellen. Eine Gruppe Bauern in schmutzigem Outfit, manche barfuß, waren zum todesmutigen Kampf bereit. Irgend so ein Spaßvogel aus der Tribüne rief völlig deplatziert: "Nieder mit de Preißn!" Es nahm niemand Notiz davon, und das war gut so. Gerade als die Zuschauer irritiert nach weiterer Handlung suchten und die ersten einen Blick auf ihre Uhr warfen, kündigte sich doch das große Finale an. In sicherer Entfernung donnerten dumpfe Kanonenschüsse. Militärische Befehle wurden gerufen und Kriegsgeschrei riss alle wieder in den Bann der Geschichte. Menschen gingen auf einander los. Schüsse krachten und aus den historischen Gewehrläufen sprühten Feuerblitze. Die ganze Szenerie war im Nu in unglaublichem Pulverrauch vernebelt. Kampfschreie, Schmerzensschreie und Hilferufe.

Allmählich drängten die Soldaten in ihren graugrünen Waffenröcken nach rechts aus der Bildfläche hinaus, um den wenigen verbliebenen Rebellen nachzusetzen. Auf der Bühne blieben leblose Körper zurück. Dann kamen trauernde Frauen aus ihren Verstecken. Ein Schluchzen und Jammern begann, ganz so, wie man es erwarten konnte.

Doch auf einmal kreischte eine der Damen los, als wäre sie von der Tarantel gestochen. In ihrem Schoß hielt sie den Kopf eines Mannes, der offensichtlich noch nicht ganz erlöst war. Sie hob die blutverschmierten Hände in die Höhe und schrie gellend, während alle anderen Schauspieler um sie herum verstummten. Irgendetwas lief da nicht nach Plan. Hinter dem Bühnenbild, einer Holzwand, war plötzlich die Stimme des Regisseurs zu hören, der die Aufführung durch einen schmalen Schlitz verfolgte.

"Sakradi, was isn da los?", schimpfte er. "Hermann, schau einmal nach!"

Ein gewandeter älterer Kerl schlich gebeugt zu dem Paar auf der Bühne. Nach einem Moment wandte er sich an den Schlitz in der Wand und winkte um Hilfe. Manche Zuschauer waren von ihren Plätzen aufgesprungen, um zu sehen, was da vor sich ging. Der Regisseur und ein weiterer Helfer eilten herbei und zu dritt zogen sie den inzwischen bewusstlos gewordenen Mann mit nach hinten hängendem Kopf aus dem Sichtfeld der Gäste.

Ein seltsames Ende. Ein Ende mit Schrecken, das die letzten verbliebenen Spielminuten mit Betretenheit füllte. Der Schlussapplaus wurde jäh durch ein daher brausendes Martinshorn abgewürgt. Rettungswagen, Notarzt und etwas später die Polizei.

"Was ist denn passiert?", fragte der Beamte den Regisseur, der aufgeregt an seinen Fingernägeln kaute.

"Ein glatter Bauchschuss, sagt der Arzt! Es ist völlig absurd – wir haben nie mit scharfer Munition geschossen!"

"Ja, wie gibts denn das dann?"

"Fragen Sie mich etwas Leichteres. Wir haben einen Zeugwart, der für die Waffen zuständig ist. Er lädt auch meistens die Pistolen und Gewehre."

"Was heißt meistens?"

"Ja, mei. Wer es kann, der machts halt selber."

"Wo ist denn euer Zeugwart? Kann ich den sprechen?"

Der Regisseur blies durch die Zähne. "Der ist völlig aus dem Häusl, hochgradig herzkasperlgefährdet."

"Hm", antwortete der Polizist, "ich muss ihn trotzdem befragen."

Derweil stellten weitere Beamte alle Schusswaffen der Spielertruppe sicher und versuchten eine Zuordnung zu erfahren, wer mit welchem Schießeisen aufgetreten war. Es stellte sich schnell heraus, dass es eine Liste mit der genauen Ausstattung der Spielleute gab.

"Wer ist überhaupt der Verwundete?", fragte der leitende Polizist, als er feststellte, dass er sich über diese doch recht wichtige Personalie noch gar nicht erkundigt hatte.

"Der Finkn Roland."

"Erzählen Sie mir von ihm! Was ist das für ein Mensch?"

"Mei, was soll ich da sagen? Ende Dreißig, geschieden – schon ein paar Jahre. BMW-Arbeiter. Der spielt das dritte Mal mit, glaub ich. Ned zwider, wie man so sagt."

"Lebt er allein?"

"Sein Haus ist bei der Scheidung draufgegangen. Jetzt wohnt er wieder bei den Eltern."

***

Die Ermittlungen zu dem Fall wurden der Kriminalpolizei übergeben. Alle Waffen wurden sichergestellt und untersucht. Die weiteren geplanten Aufführungen konnten schon allein aus diesem Grunde nicht mehr stattfinden. Aber davon abgesehen, war allen Beteiligten die Lust an der Bauernschlacht vorerst vergangen. Das Projektil stammte aus einer historischen Waffe, soviel war schnell klar, aber aus keinem der untersuchten Exemplare war die Kugel abgefeuert worden. Es fehlte auch nichts aus der Ausstattungsliste. Die Polizei befragte mehrfach den Zeugwart, den Regisseur, die Gewehrträger und natürlich das Opfer, das sich nach einer Notoperation recht bald wieder erholt hatte.

"Herr Fink, ich weiß, das ist eine ungewöhnliche Frage, aber gibt es jemanden, der Ihnen Böses will?", wollte der Kommissar wissen.

"Meine Ex will mir bestimmt nix Gutes, aber solang ich ihr noch Unterhalt zahlen muss, ist die gewiss an meiner Gesundheit interessiert."

"Wir prüfen das trotzdem." Er notierte sich den Namen und die Adresse. "Es muss einen Grund für den Mordversuch geben. An einen Unfall kann ich nicht glauben." Dann schnitt er ein anderes Thema an. "Reden wir über Geld: Wie kommen Sie finanziell zurecht? Sind Sie jemandem etwas schuldig? Wer erbt im Fall Ihres Ablebens? Wie lange zahlen Sie noch an Ihre geschiedene Frau und wie ist das Verhältnis zu ihr?"

Fragen über Fragen und Roland Fink wurde ganz schwindelig dabei. Doch er antwortete geduldig.

"Und wie verstehen Sie sich mit den Eltern, mit denen Sie zusammenleben. Ich stell mir das schwierig vor? Da hab ich meine eigenen Erfahrungen gemacht."

"Nein, wir vertragen uns gut", entgegnete er. "Die sind froh, dass sie die Manuela nicht mehr ertragen müssen. Auch wenns Geld kostet."

"Naja, es ist nicht ihr Geld – also nicht das Geld Ihrer Eltern", stellte der Kommissar fest.

"Sie unterstützen mich ein wenig. Wenns halt Not tut."

"Wann ist das denn der Fall?", witterte der Polizist eine Spur, ohne dass er schon eine konkrete Idee hatte.

"Eine Finanzspritze fürs Auto, oder für den Urlaub halt – solche Sachen."

"Haben Ihre Geschwister damit ein Problem? Sie haben zwei Brüder, soweit ich weiß."