(Kritische) Fremdsprachenlehrkraft werden - David Gerlach - E-Book

(Kritische) Fremdsprachenlehrkraft werden E-Book

David Gerlach

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Beschreibung

Dem Fremdsprachenunterricht wohnt ein enormes Bildungspotenzial inne, welches häufig aufgrund äußerer Zwänge kaum berücksichtigt wird. Dieses Studienbuch hat zum Ziel, (angehenden) Lehrkräften für die modernen Fremdsprachen Wege zu zeigen, Fremdsprachenunterricht bildend zu denken. Es führt in zentrale Aspekte einer kritischen Fremdsprachendidaktik ein, welche zum Ziel hat, gesellschaftlich relevante Themen in einen Unterricht zu bringen, der Lernende motiviert und zum aktiven Handeln gegen soziale Ungerechtigkeit ermutigt. Die forschungsgeleiteten Vignetten im Buch sowie zahlreiche theoretische wie methodisch-didaktische Hintergründe dienen dazu, dass die Leser:innen eine kritische Haltung zu ihrer eigenen Praxis entwickeln und ermutigt werden, innovative Konzepte in ihren Fremdsprachenunterricht zu integrieren.

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David Gerlach / Mareen Lüke

(Kritische) Fremdsprachenlehrkraft werden

DOI: https://doi.org/10.24053/9783381116720

 

© 2024 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 0941-8105

ISBN 978-3-381-11671-3 (Print)

ISBN 978-3-381-11673-7 (ePub)

Inhalt

Vorwort1 Bildung als Aufgabe von (Fremdsprachen-)Lehrpersonen1.1 Ich als Fremdsprachenlehrkraft1.2 Der Beruf „Fremdsprachenlehrer:in“1.3 Fremdsprachenlehrer:innen und Bildung2 (Fremdsprachen-)Lehrer:innenbildung2.1 Schulpädagogische Ansätze der Lehrer:innenbildung2.1.1 Strukturtheoretischer Bestimmungsansatz2.1.2 Kompetenztheoretischer Bestimmungsansatz2.1.3 Berufsbiographischer Bestimmungsansatz2.1.4 Weitere Bestimmungsansätze2.1.5 Meta-Reflexivität2.1.6 Abschließende Betrachtung der Bestimmungsansätze2.2 Fremdsprachendidaktische Ansätze der Fremdsprachenlehrer:innenbildung und unterrichtliche Anforderungen2.2.1 Forschung zur Professionalität und Professionalisierung von Fremdsprachenlehrkräften2.2.2 Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht2.2.3 Inklusiver Fremdsprachenunterricht2.2.4 Handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht2.3 Die Rollen von Wissen, Können, Handeln, Reflexion und Kompetenz2.3.1 Wissen, Können und Handeln2.3.2 Theorie und Praxis2.3.3 Überzeugungen und Mindset2.3.4 Reflexion und Reflektieren2.3.5 Kompetenzen von Fremdsprachenlehrkräften2.3.6 Zum Zusammenspiel der einzelnen Komponenten2.4 Normen des Fremdsprachenunterrichts und deren Implikationen für die Professionalisierung3 Kritische Fremdsprachendidaktik3.1 Prinzipien der Kritischen Fremdsprachendidaktik3.2 Kritik an der Kritik3.3 Das Verhältnis von Kritischer Fremdsprachendidaktik zu weiteren aktuell relevanten Konzepten3.4 Praktische Anknüpfungspunkte für eine Kritische Fremdsprachendidaktik3.5 Was bedeutet es, einen kritisch orientierten Fremdsprachenunterricht zu gestalten?4 Eine kritische (Fremdsprachen-)Lehrkraft werden4.1 Kritische (Fremdsprachen-)Lehrer:innenbildung – Ein Überblick4.2 Lehrpersonenbildungsstandards und eine kritische Fremdsprachenlehrer:innenbildung4.3 Language Teacher Identity4.4 Kritische Lehrpersonen und die Idee von Neutralität4.5 Beispiele zur Anbahnung einer kritischen Haltung4.5.1 Reflexionsaufgaben4.5.2 Materialentwicklung4.5.3 Aktionsforschung4.6 Was bedeutet es, eine kritische Fremdsprachenlehrkraft zu werden/sein?5 Kritische Fremdsprachenlehrpersonen in einem kritischen Fremdsprachenunterricht: Beispiele und Reflexionsanlässe5.1 Gender Awareness im Fremdsprachenunterricht fördern5.2 Rassismuskritik im Fremdsprachenunterricht5.3 Nachhaltigkeit im Fremdsprachenunterricht5.4 Im Fremdsprachenunterricht über Gewalt und Tod sprechen5.5 LGBTQIA+ und sexuelle Identität im Fremdsprachenunterricht thematisieren5.6 Über soziale Klasse im Fremdsprachenunterricht ins Gespräch kommen5.7 Schönheits- und Körpernormen im Fremdsprachenunterricht bewusst machen5.8 Verschwörungstheorien und Dystopien im Fremdsprachenunterricht dekonstruieren5.9 Über mentale Gesundheit sprechen5.10 Machtstrukturen im Fremdsprachenunterricht selbst thematisieren5.11 Zusammenfassende Betrachtung der Unterrichtsbeispiele6 Der (kritische) Umgang mit Normen im (un-)kritischen Fremdsprachenunterricht6.1 Einblicke in die rekonstruktive Fremdsprachenprofessionsforschung6.1.1 Typ Fremdsprachenlehrperson „Übernahme von Normen“6.1.2 Typ Fremdsprachenlehrperson „Aushandlung von Normen“6.2 Perspektiven für die Aus- und Fortbildung: Reflexionsebenen6.3 Perspektiven für Aus- und Fortbildung: Methodische Anregungen zusammengefasstAusblickLiteraturverzeichnis

Prof. Dr. David Gerlach ist Lehrstuhlinhaber für die Didaktik des Englischen an der Bergischen Universität Wuppertal. Er arbeitet primär im Bereich der fremdsprachlichen Lehrer:innen- und Professionsforschung sowie zur Kritischen Fremdsprachendidaktik.

Foto: Friederike von Heyden/BUW

Dr. Mareen Lüke ist Studienleiterin und pädagogische Mitarbeiterin im Bildungszentrum HVHS Hustedt und promovierte in der Englischdidaktik im Bereich der Kritischen Fremdsprachendidaktik und Fremdsprachenlehrkräftebildung.

Vorwort

We need to educate students to be critical agents, to learn how to take risks, engage in thoughtful dialogue, and taking on the crucial issue what it means to be socially responsible.

Henry Giroux (2011a)

Man kann Henry Giroux als „kritischen Pädagogen“ bezeichnen, als einen sozialkritischen Pädagogikprofessor, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, unangenehme Fragen an ein US-amerikanisches Bildungssystem zu stellen. Als Anhänger einer im Grundsatz emanzipatorischen Pädagogik im Anschluss an Paulo Freire legt er den Finger in die Wunde eines Systems von standardorientiertem Testen und Prüfen, kritisiert den starken Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund von Schüler:innen, ihren Bildungschancen und Leistungen und hinterfragt die Wirkmächtigkeit curricularer Vorgaben zum Erhalt bildungspolitischer Ideologie (vgl. Giroux 1983/1997/2011b, Shor 1998). Das kennen wir: die Kritik am US-amerikanischen Bildungssystem. Aber: Was hat das mit Deutschland und dem deutschsprachigen Raum, der DACH-Region, im weitesten Sinne zu tun? Nun, nicht selten schwappen Entwicklungen aus den USA über den Atlantik nach Europa, nicht immer und sicherlich nicht durchgehend in aller Konsequenz, aber in Tendenzen durchaus. Wir erkennen Muster wieder: z.B. den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund von Kindern und Jugendlichen und ihrem Bildungserfolg bzw. ihrer Benachteiligung im deutschen Schulsystem (vgl. OECD 2016, IQB 2023), eine zunehmende Orientierung an Bildungsstandards (vgl. Bonnet 2020, Bonnet/Hericks 2020a) (wenn auch nicht in der schulpolitischen-neoliberalen Dramatik der USA) sowie eine „Durchprozessierung“ von Inhalten z.B. entlang von Lehrwerken (vgl. Bonnet/Hericks 2020b, Gerlach/Lüke 2024, Gray 2019 für Großbritannien). Dies alles scheint aktuell – was wir später noch genauer belegen werden – besonders im Fremdsprachenunterricht virulent zu werden – dem Fach, das Sie, liebe:r Leser:in, unterrichten. Das Bemerkenswerte dabei ist eigentlich, dass wir uns von diesen Entwicklungen kaum frei machen können. Wir können ein Lehrwerk nicht einfach abschaffen oder ignorieren, wir haben auch keinen Einfluss auf die Kontexte unserer Lernenden. Aber: Wir können Gelegenheiten schaffen, sodass die Lernenden von dem, was wir tun, überproportional profitieren. Genau aus diesem Grund haben wir dieses Buch geschrieben.

Wir, Mareen Lüke und David Gerlach, beschäftigen uns seit vielen Jahren damit, wie Lehramtsstudierende der modernen Fremdsprachen zu Fremdsprachenlehrpersonen werden, wie sie aktiv Kompetenzen entwickeln, wie sie aber auch in Strukturen sozialisiert werden, und wie der Unterricht aussieht, der dabei herauskommt. Parallel dazu beobachten wir – wie Sie sicherlich ebenfalls – die Herausforderungen der globalen und lokalen Gesellschaften, die uns umgeben. Diese sind geprägt von Umbrüchen und Unsicherheiten, Kriegen, Formen von Diskriminierung und Machtkonstellationen. Heranwachsende müssen mit dieser ungewissen und krisenhaften Komplexität umgehen (lernen). Sie, liebe Leser:innen, entwickeln eine soziale Verantwortung für sich selbst und andere, für eine zukünftige Gesellschaft, die scheinbar zunehmend fragiler wird. Wenn wir als Lehrpersonen – im Sinne Giroux’ – „critical agents“ werden, gemeinsam mit Lernenden in einen Dialog über Ängste und Bedürfnisse treten und ein soziales Bewusstsein entwickeln sollen, dann können wir als Fremdsprachenlehrkräfte ein Baustein sein, Schüler:innen dabei zu helfen, sozial verantwortlich zu handeln. Gerade der Fremdsprachenunterricht mit seinen globalen Zielen der Förderung (inter-)kultureller und sprachlicher Kompetenzen müsste hierfür prädestiniert sein. Aber erfüllt er wirklich die Ansprüche? Und wie erkennen wir als Fremdsprachenlehrer:innen, dass wir in diesem Sinne pädagogisch handeln? Und wie schauen wir (selbst-)kritisch auf uns und unser Handeln?

Dieses Studienbuch ist möglicherweise anders als andere Studienbücher oder Einführungswerke, die Sie kennen: Ja, Sie werden in diesem Studienbuch zahlreiche theoretische Grundlagen kennenlernen. Sie werden z.B. Denkfiguren aus der Lehrer:innenbildung und -professionalisierung kennenlernen oder methodisch-didaktische Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts. Sie erfahren etwas dazu, wie Fremdsprachenunterricht so gestaltet werden kann, dass er relevante (tabuisierte) Themen aufgreift, denen ein großes Bildungspotenzial innewohnt.

Aber: Sie werden hoffentlich auch sehr viel über sich selbst erfahren. Denn das Ziel dieses Studienbuches ist es, eine Reflexionsgelegenheit zu schaffen, die Ihnen hilft, Ihr Dasein als Fremdsprachenlehrperson und Ihre Eingebundenheit in komplexere Zusammenhänge des Bildungssystems zu hinterfragen. Das mag zunächst merkwürdig anmuten, gleichwohl verfolgen wir damit mehrere Ziele: Wir gehen davon aus, dass sich ein bildungsorientierter Fremdsprachenunterricht nicht einstellen kann, wenn wir die Inhalte und Gegenstände des Unterrichts nicht kritisch reflektieren und in diversen Lerngruppen die Bedürfnisse der Lernenden angemessen adressieren. Und wir glauben auch, dass diese Bedürfnisse allein durch Maßnahmen von Differenzierung und Individualisierung nicht adressiert werden können – dazu aber später mehr. Wir sind ebenfalls davon überzeugt, dass die Idee, wie wir Fremdsprachenunterricht denken und wie wir die Rolle von Ihnen in diesem Fremdsprachenunterricht denken, zum einen weder gänzlich neu ist noch dass sie „on top“ als zusätzliche Belastung gesehen werden müssten. Ganz im Gegenteil: Beides trägt dazu bei, dass Sie einen Fremdsprachenunterricht reflektieren und gestalten lernen, der Ihnen selbst ein höheres Maß an Autonomieerleben und Freude sowie Begeisterung auf Seiten der Lernenden erlaubt. Gleichzeitig bietet dieses Studienbuch die Gelegenheit, sich Ihrer hohen Wirkmächtigkeit im Fremdsprachenunterricht im Umgang mit den Schüler:innen bewusst oder noch bewusster zu werden.

Die Natur eines solchen Studienbuches ist damit eine komplexitätsreduzierende: Wir fassen Theorien und Untersuchungen zusammen und liefern Literaturhinweise, die Ihnen helfen, einzelne Aspekte zu vertiefen. Zahlreiche Kästen dienen als Exkurse, Zusammenfassungen von Forschung oder spannender Literatur. In den Kästen finden Sie auch Reflexionsaufgaben, die sich in dem Moment ganz explizit an Sie richten. Nutzen Sie die Momente zum Innehalten und Nachdenken!

Gut zu wissen: Die Infokästen in diesem Studienbuch

 

In diesem Studienbuch arbeiten wir mit Informationskästen. Diese dienen mehreren Zwecken: Mal sollen sie Sie zum Nachdenken anregen, mal stellen wir weiterführendes Hintergrundwissen vor. Mit diesen Kästen arbeiten wir:

In diesem Kapitel: Dieser Infokasten steht zu Beginn jedes der größeren sechs Kapitel und gibt Ihnen einen Vorgeschmack darauf, was in dem Kapitel passiert.

Reflexionsaufgaben dienen in dem Moment, in dem sie Ihnen präsentiert werden, dazu, innezuhalten und sich einen Moment mit den Reflexionsfragen zu beschäftigen. An einigen Stellen werden wir Sie auch auffordern, aktiv etwas zu tun. Machen Sie mit – Sie machen diese Aufgaben ja ausschließlich für sich selbst.

Forschung im Fokus: Dieser Kasten stellt zentrale Forschungsergebnisse aus dem Bereich vor, der an der Stelle im Buch gerade relevant ist.

Literaturempfehlung verweist auf Publikationen, die wir für eine sinnvolle Ergänzung zu diesem Studienbuch halten.

Gut zu wissen erläutert einen Sachverhalt oder Hintergrund bzw. ein Konzept oder Konstrukt näher.

Begriffsbestimmung hilft der Definition und soll Ihnen verdeutlichen, wie wir bestimmte Konzepte verstehen und in diesem Studienbuch nutzen.

Stimmen von Lehrpersonen: In diesem Kasten lassen wir Lehrpersonen zu Wort kommen, die entweder in unseren eigenen Untersuchungen oder in Studien von Kolleg:innen über sich selbst oder Unterricht gesprochen haben. Diese Stimmen dienen uns im weitesten Sinne zur Reflexion, illustrieren aber auch echte Unterrichtspraxis bzw. echtes Lehrer:innensein mit allen Vorzügen, Freuden, Zwängen und Aufgaben, die dazugehören.

Dieses Studienbuch dient nicht dazu, kurz quergelesen zu werden. Tatsächlich empfehlen wir ein lineares Lesen von vorne bis hinten, denn das Buch folgt einer gewissen Dramaturgie: Zunächst beschäftigen wir uns mit Ihnen und Ihrer Rolle im Fremdsprachenunterricht. Wir diskutieren einige Anforderungen, die Sie qua Berufsstand erfüllen sollen, reißen aber auch bereits an, unter welchen Zwängen wir im Unterricht häufig agieren (Kapitel 1). Anschließend kümmern wir uns in Kapitel 2 um die fremdsprachliche Lehrer:innenbildung und betrachten genauer, wie diese funktioniert und wie sie in der Forschung betrachtet wird. Wir als Autor:innen arbeiten in unserer Forschung wissenssoziologisch, was dazu führt, dass wir uns – wenn es um Reflexion gehen soll – genauer anschauen, was eigentlich Reflexion ist, was Wissen, Können und Handeln für Fremdsprachenunterricht bedeutet und wie diese Konstrukte miteinander verwoben sind. Gewissermaßen im Zentrum dieses Buches – in Kapitel 3 – steht dann die Vorstellung einer „Kritischen Fremdsprachendidaktik“, also einer Idee, wie Fremdsprachenunterricht entlang gesellschaftlich und politisch relevanter („machtkritischer“) Themen angereichert werden kann, die für Lernende eine zunehmende Relevanz erhalten (vgl. Gerlach 2020a). Eine Voraussetzung für einen solchen Unterricht ist natürlich die Lehrperson. Ihr widmen wir Kapitel 4 und zeigen, wie Sie einen solchen Unterricht gestalten können. Hierzu gehört auch, dass Sie die Grundprinzipien einer Kritischen Fremdsprachendidaktik nachvollziehen können. Wenn Sie das Buch bis dahin – unserer Bitte eines linear-chronologischen Lesens von oben nachkommend – gelesen haben, dürften Sie aber so weit sein. Letzte Zweifel, z.B. die Frage, wie ein kritisch aufgeladener Unterricht mit dem Neutralitätsgebot von Lehrkräften in Einklang gebracht werden kann, räumen wir dort auch aus. Anhand einiger Unterrichtsbeispiele überlegen wir in Kapitel 5, auf welche Anforderungen, Risiken, aber auch Chancen wir uns im Fremdsprachenunterricht mit kritischen Auseinandersetzungen einlassen und diskutieren zuletzt in Kapitel 6, wie Professionalisierung Sie als eine kritische Fremdsprachenlehrperson als lebenslanger Lernprozess immer begleiten und bereichern kann.

Wir freuen uns, wenn Sie uns durch das Buch begleiten und es für Sie zu einer Bereicherung für Ihren Unterrichtsalltag und Ihr Lehrer:innendasein wird!

Zwar stehen nur unsere beiden Namen auf der Titelseite, unterstützt wurden wir beim Schreibprozess aber von zahlreichen Kolleg:innen, denen wir zu Dank verpflichtet sind. Zum einen sind das Kolleg:innen, deren Forschungsergebnisse wir für dieses Buch nutzen durften und die mit uns in Projekten zusammengearbeitet und damit indirekt einen Großteil der „Denke“ hinter diesem Buch geprägt haben. Wir danken außerdem Svenja Dehler, Natalie Güllü und Dr. Annette Kroschewski für die wertvollen Hinweise, Ergänzungen und Vorschläge zu ersten Entwurfsfassungen des Buches, Kathrin Heyng vom Narr-Verlag für das finale Lektorat. Ganz besonderer Dank gilt den mittlerweile mehr als 330 Studierenden aus David Gerlachs Kursen zu Critical Language Education: Zahlreiche Ideen, Prinzipien sowie Unterrichtsbeispiele entstammen den inspirierenden Diskussionen aus diesen Seminaren. Herzlichen Dank dafür!

 

David Gerlach & Mareen Lüke

Wuppertal und Celle im August 2024

1Bildung als Aufgabe von (Fremdsprachen-)Lehrpersonen

The teacher is of course an artist, but being an artist does not mean that he or she can make the profile, can shape the students. What the educator does in teaching is to make it possible for the students to become themselves.

Myles Horton & Paulo Freire (1990: 181)

In diesem Kapitel

Dieses Kapitel zeichnet unterschiedliche Bilder von Fremdsprachenlehrpersonen und stellt die curricularen bzw. institutionellen Anforderungen sowie theoretischen Konzepte vor. Es dient gleichzeitig der Bewusstmachung und Reflexion des eigenen Selbstverständnisses als Lehrperson.

Reflexionsaufgabe

Wir starten mit einer vielleicht etwas ungewöhnlichen Reflexionsidee in dieses Studienbuch: Wir möchten Sie bitten, ein leeres Blatt Papier oder eine leere Seite auf Ihrem Tablet zu öffnen, sich einen (digitalen) Stift zu nehmen und einen Timer auf drei Minuten zu stellen.

Dann: Malen Sie sich bitte selbst in Ihrem (zukünftigen) Fremdsprachenunterricht!

Das Bild, das dabei entsteht, muss keinesfalls künstlerisch anspruchsvoll sein (schließlich ist es „for your eyes only“). Wichtig ist uns aber, dass Sie die Seite aufbewahren. Wir brauchen Sie zu späteren Zeitpunkten in diesem Buch wieder …

Schule verfolgt einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Kindern und Jugendlichen sollen nicht nur Inhalte, Allgemein- und fachspezifisches Wissen, sondern auch Werte vermittelt werden, die mit freiheitlich-demokratischen Grundprinzipien in Einklang sind. Schule hat damit eine Sozialisierungsfunktion, die darauf ausgerichtet ist, „mündige“ Bürger:innen zu „produzieren“. Das ist zunächst einmal ein Widerspruch: Die etwas saloppe Formulierung des „Produzierens“ erinnert an Fließbandproduktion und ruft natürlich (alte) Kritik am Bildungssystem und einer Outputorientierung hervor. Die Idee „mündiger Bürger:innen“ ist im Gegensatz dazu eine von Emanzipation, Förderung und Individualität; „Produkte“ sind im Gegensatz dazu nicht individuell, sondern einheitlich, konform, austauschbar. Bildung verstehen wir heute ganz grundsätzlich als einen individuellen Prozess. Und wenn wir uns in diesem Studienbuch mit dem Fremdsprachenunterricht beschäftigen wollen und welche Rolle die Lehrperson in diesem Unterricht spielt, müssen wir uns zunächst der Frage widmen, was denn der Fremdsprachenunterricht mit Bildung zu tun hat.

Reflexionsaufgabe

Entwerfen Sie eine Mindmap um die Knoten (a) „Bildung und Fremdsprachenunterricht“ sowie (b) „Outputorientierung und Fremdsprachenunterricht“. Was fällt Ihnen an Stichworten und Kategorien ein?

Selbstverständlich gibt es im Fremdsprachenunterricht stärker übungsorientierte Phasen, Phasen, in denen im klassischen Sinne „gelernt“ oder Regeln erklärt werden müssen. Dies wird sehr häufig mit Grammatik- oder Wortschatzlernen in Verbindung gebracht, die als Grundlagen für kommunikative Kompetenzen im weiteren Sinne gelten. Sprachliches Handeln setzt sprachliche Mittel voraus, die sprachlichen Fertigkeiten (Hörverstehen, Lesen, Sprechen, Schreiben, Sprachmittlung) nutzen diese sprachlichen Mittel für (interkulturell) kommunikative Zwecke. Handlungs- und Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht (siehe Kapitel 2.2.4) schaffen möglichst relevante, authentische Austauschszenarien, in denen sprachliche Mittel und Fertigkeiten sinnvoll eingesetzt werden, d.h. der kommunikative Anlass, der Grund in der Fremdsprache Kompetenzen zu nutzen, besteht vor der Vermittlung und dem Üben sprachlicher Mittel.

In der Vergangenheit prägte das stärker technisierte Erlernen von Grammatikregeln (noch früher auch das direkte Übersetzen) das Bild vom Fremdsprachenunterricht (vgl. z.B. für einen historischen Überblick: Reinfried 2016 und de Cillia/Klippel 2016). Das gehört heute glücklicherweise der Vergangenheit an. Ein Abarbeiten von Regeln ohne sinnvolle inhaltliche (d.h. kommunikationsorientierte) Füllung widerspricht den Anforderungen einer modernen Fremdsprachendidaktik (übrigens schon seit den 1970er bzw. 1980er Jahren, vgl. Piepho 1974). Die Anforderungen an Lehrpersonen (und auch die Unterrichtsmaterialien), einer sinnvollen Progression folgend kommunikative Situationen zu schaffen, für die sprachliche Mittel in einer gewissen Breite zur Verfügung stehen, sind damit keineswegs trivial. Hinzu kommt, dass der Fremdsprachenunterricht nicht nur Sprache, sprachliche Mittel und Fertigkeiten zum Gegenstand macht, sondern auch Kompetenzen wie interkulturelle Kompetenzen (siehe Kapitel 3.3), Sprachbewusstheit, Textkompetenz und ganz besonders auch spezifische Inhalte thematisiert. Dies alles macht den Fremdsprachenunterricht zu einem komplexen Unterfangen. Natürlich wäre es ein Leichtes, dabei einfach nur der inhaltlichen und sprachlichen Progression im Lehrwerk zu folgen und klassischerweise die Lernenden bestimmte sprachliche Phänomene üben zu lassen. Das ist aber schließlich nicht die Idee des zeitgemäßen Fremdsprachenunterrichts.

Stimmen von Lehrpersonen: „wir wollen gerne jetzt auf ein Niveau A2 kommen“ (eigene, bislang unveröffentlichte Daten)

 

Eine Lehrerin beschreibt die inhaltliche Gestaltung ihres Englischunterrichts in einem eigenen Forschungsprojekt folgendermaßen:

Ja, Englischunterricht an sich, ja, Sprachentwicklung ähm abschlussbezogen bedeutet, dass/ wir wollen gerne jetzt auf ein Niveau A2 kommen, (.) ähm B1 vielleicht, also von den Bildungsstandards her. Das heißt, dass sie ähm (.) eben auch eigenes, individuelles, selbstständiges Arbeiten lernen. Also, die Texte selber lesen können in der fremden Sprache, den Wortschatz erweitern, Spaß an/ an der Sprache haben, (.) an Themen, die im Englischunterricht auch ähm (.) ja bearbeitbar oder behandelbar sind. Es ist ja auch in den Lehrwerken vorgegeben, es ist ja auch so sukzessive aufgebaut. Man fängt mit Großbritannien an, dann geht es also/ jetzt Landeskultur weiter/ geht es dann. Ähm also, das ist jetzt der Schwerpunkt, (.) eigene/ (.) eigene Beziehungen, eigene Heimat, eigenes Leben. Aber dann eben über den Tellerrand/ Großbritannien ist im Moment das Thema, (..) ja.

Inwiefern steht das in Einklang oder widerspricht dem, was Sie gerade über Fremdsprachenunterricht erfahren haben? Welche Faktoren wirken hier auf die Lehrperson und den Unterricht ein? Wie positionieren Sie sich selbst zu dieser Sicht auf den Fremdsprachenunterricht?

Während man sich im vergangenen Jahrhundert fast ausschließlich der Frage gewidmet hat, welches die beste Methode sein könnte, um Fremdsprachen zu lernen, befinden wir uns heute in einem „postmethodischen Zeitalter“ von Fremdsprachenunterricht (vgl. Kumaravadivelu 2003), in dem die Gegenstände und Prinzipien und, ja, die Pädagogik im eigentlichen Sinne, eine größere Rolle spielen. D.h. die internationale Fremdsprachendidaktik beschäftigt sich im engeren Sinne nicht mehr ausschließlich nur mit „Language teaching and learning“, d.h. fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen, sondern versteht sich als Disziplin und Fach in einem bildungsorientierten Sinne als „language pedagogy“ (Gerlach 2020a: 9). Eine solche pädagogische Orientierung war historisch gesehen früher weniger „nötig“, war doch der Fokus auf formorientierter Vermittlung stärker. Postmethodische Fremdsprachenpädagogik hat einen stärker emanzipatorischen und kontextsensiblen Anspruch (siehe Kapitel 2.2.2), bei dem es nicht möglich ist, einen „one size fits all approach“ zu verfolgen, welcher dann für alle Lerngruppen funktioniert (vgl. Akbari 2008b).

Gleichwohl muss man attestieren, dass Fremdsprachenunterricht immer institutionell eingebunden ist und Fremdsprachenlehrkräfte in zahlreiche Anforderungen und Erwartungen verstrickt sind, denen wir uns mal mehr und mal weniger bewusst sind, manchmal aber vielleicht auch gar nicht bewusst sein können. Die Fremdsprachenforschung muss daher weiter daran arbeiten zu verstehen, was eigentlich im Unterricht passiert, also wie Lehrpersonen und Lernende handeln.

Gut zu wissen: Postmethodisches Zeitalter und Lehrpersonen

 

Akbari schreibt bereits 2008 zu der Frage, welche Rolle Lehrpersonen im postmethodischen Fremdsprachenunterricht („L2 classes“) einnehmen, Folgendes über die Rolle von Fremdsprachenforschung bzw. Fremdsprachendidaktik:

Our profession must come to the realization that no grand theory or overarching idea can capture the local narrative of all L2 classes across time and space, and postmethod must get its inspirations not from postmodern philosophy or academic discussions per se, but also from the reflections of teachers and their practical wisdom. In other words, postmethod must get into language classes, adopt an ethnographic perspective of classroom life and reality, and then, based on those observations and interpretations, define or redefine its principles and pedagogies. Postmethod, in fact, must be able to help teachers theorize their practices by including their voices in its tenets, not speaking on their behalf from a purely theoretical perspective. (Akbari 2008b: 650)

Wir gewinnen immer mehr Einblicke in diese Handlungspraktiken und Verstrickungen, Normen des Fremdsprachenunterrichts, denen wir uns vorher höchstens anekdotisch nähern konnten. In diesem Buch möchten wir diese aber zum Reflexionsgegenstand machen, wenn es um eine pädagogische Ausrichtung von Fremdsprachenunterricht geht.

1.1Ich als Fremdsprachenlehrkraft

Bevor es konkreter um den Beruf der Fremdsprachenlehrkraft und die Fremdsprachenlehrer:innenbildung in diesem Studienbuch geht, müssen wir zunächst einmal die Gelegenheit schaffen, dass Sie über sich selbst als (angehende) Fremdsprachenlehrkraft nachdenken. Oben haben Sie bereits sich selbst in Ihrem Fremdsprachenunterricht gezeichnet. Was haben Sie dabei empfunden? Was haben Sie zuerst gezeichnet? Sich selbst, Schüler:innen, eine Tafel bzw. ein Smartboard? Wie sind die Lernenden positioniert? Was machen die Lernenden bzw. Sie in dem Moment? In welchem Verhältnis stehen Sie zueinander?

Ohne dass es jetzt zu tiefenpsychologisch werden muss: Das Bild, das Sie spontan gezeichnet oder gemalt haben, wird in gewisser Weise illustrieren, was für Vorstellungen Sie von Fremdsprachenunterricht haben. Vielleicht sind es Idealvorstellungen, möglicherweise sogar Wunschvorstellungen, in Ansätzen könnten es noch Ideen von Unterricht sein, den Sie selbst als Schüler:in erlebt haben. Auf jeden Fall haben Sie sich in und mit Ihrem Bild positioniert, es zeigt Sie als Fremdsprachenlehrperson, wie Sie sich aktuell verstehen. Lassen Sie uns das mit drei weiteren Reflexionsanlässen noch etwas weiter vertiefen:

Reflexionsaufgabe

Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit zurückdenken: Welche Lehrperson fanden Sie besonders gut und warum? Schreiben Sie fünf Eigenschaften auf, die Sie an dieser Lehrperson geschätzt haben.

Schauen Sie nun in die Zukunft und nennen Sie fünf Eigenschaften, die Sie bei sich selbst als Lehrperson beibehalten oder ausbauen möchten. Warum möchten Sie diese Eigenschaften beibehalten oder ausbauen?

Denken Sie nun an eine Unterrichtssituation in der Zukunft, in der Sie alle gewünschten Eigenschaften haben und notieren Sie sich Stichpunkte zu der fiktiven Situation. Wie sähe diese Situation aus? Wie würden Sie handeln?

Die Eigenschaften oder Werte, die Sie gerade formuliert und notiert haben, sind Ihre ganz individuellen, auch Ihre Wünsche an sich selbst, die im Einklang oder vielleicht sogar leicht im Widerspruch stehen mit dem Bild, das Sie von sich selbst gezeichnet haben. Weder das Bild noch die Eigenschaften müssen in irgendeiner Form bewertet werden. Es sind Ihre Überzeugungen, die Sie davon haben, was eine gute Fremdsprachenlehrkaft ausmacht und welche Ziele Sie haben. Wir werden uns im Folgenden weiter mit dem (theoretischen) Berufsbild von Fremdsprachenlehrpersonen und den Erwartungen an diese beschäftigen. Möglicherweise fällt Ihnen dort schon auf, über welche Eigenschaften Sie verfügen. Vielleicht sehen Sie aber auch Aspekte, die Sie bislang nicht beachtet haben oder die Sie für wenig(er) relevant halten. All das ist möglich und weder falsch noch richtig: An dieser Stelle und in diesem Kapitel geht es uns ausschließlich darum, beide Vorstellungen – Ihre und die theoretische bzw. institutionelle – auf die Bühne zu holen, um im weiteren Verlauf dieses Studienbuches an beide Vorstellungen Fragen stellen zu können, wie Lehrpersonen unter den Voraussetzungen einer kritischen Perspektive zu betrachten sind oder arbeiten und sich weiterentwickeln können.

1.2Der Beruf „Fremdsprachenlehrer:in“

Reflexionsaufgabe

Beantworten Sie für sich diese drei Fragen (in ganzen Sätzen oder Stichworten):

Wie sehe ich mich aktuell als (angehende) Fremdsprachenlehrkraft?

Wie war früher meine Vorstellung davon Fremdsprachenlehrperson zu sein?

Wie sehe ich mich in der Zukunft als (angehende) Fremdsprachenlehrkraft?

Die oben beschriebene doppelte Anforderungspraxis des Fremdsprachenunterrichts, also die parallele Vermittlung von Sprache und Inhalt, stellt besondere Ansprüche an eine Fremdsprachenlehrkraft. Ob diese nun über die Anforderungen an andere Fachlehrpersonen hinausgehen, sei dahingestellt, da Sprache, Sprachnutzung, Lesen und Schreiben auch in den meisten anderen Fächern eine Rolle spielen und dort sogar auch Gegenstand z.B. von Leistungsbewertung sind (selbst wenn sie nicht unbedingt explizit gefördert werden). Aber diese Gleichzeitigkeit von Sprach- und Inhaltslernen ist für den Fremdsprachenunterricht schon eine explizite Anforderung, der Lehrpersonen gerecht werden (müssen). Schaut man in unterschiedliche Einführungswerke zur Fremdsprachendidaktik und dort in die Kapitel zu den Charakteristika von Fremdsprachenlehrer:innen werden häufig Qualitätsmerkmale diskutiert, die besonders wichtig zu sein scheinen. Dabei werden nicht selten Qualitätsmerkmale guten Unterrichts vorangestellt, welche z.B. Helmke (2021), Meyer (2004) oder Hattie (2009) formuliert haben, um auf deren Basis dann Implikationen für die nötigen Anforderungen an Lehrkräfte zu formulieren. Diese sind dann im ersten Schritt zunächst einmal nicht fachspezifisch, sondern allgemeinpädagogischer Natur, gleichwohl aber bedeutsam für das unterrichtliche Geschehen.

Literaturempfehlung: Visible Learning (Hattie 2009)

 

John Hatties Visible Learning ist eine Analyse, die sich mit den verschiedenen Einflussfaktoren auf den Lernerfolg von Schüler:innen beschäftigt. Das Buch basiert auf der Auswertung von über 800 Meta-Analysen, die wiederum mehr als 50.000 Einzelstudien mit Millionen von Schüler:innen umfassen. Hatties zentrales Anliegen ist es, sichtbar zu machen, welche Faktoren den größten Einfluss auf den Lernerfolg haben. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass nicht alle pädagogischen Maßnahmen und Unterrichtsmethoden gleich wirksam sind. Hattie identifiziert insbesondere die Rolle der Lehrkraft als entscheidend für den Lernerfolg. Zu den am stärksten wirksamen Faktoren zählen die Qualität des Feedbacks, die Klarheit und Struktur des Unterrichts sowie die Förderung von Selbstwirksamkeit bei Schüler:innen. Hattie betont, dass effektives Lernen sichtbar gemacht werden kann, wenn Lehrkräfte den Lernprozess der Schüler:innen kontinuierlich beobachten, reflektieren und darauf basierend ihre Unterrichtsstrategien anpassen. Visible Learning hat einen bedeutenden Einfluss auf die Bildungsforschung und -praxis weltweit und dient als Grundlage für viele Reformen im Bildungsbereich.

Reflexionsaufgabe

Welche Prinzipien von gutem Unterricht allgemein kennen Sie?

Welche Prinzipien von gutem Fremdsprachenunterricht kennen Sie?

Wo gibt es Überschneidungen?

Können Sie sich Situationen vorstellen, bei denen Prinzipien von gutem Unterricht diejenigen von gutem Fremdsprachenunterricht überwiegen – und andersherum?

Die Fachlichkeit des Unterrichts und die Besonderheit von Lehr- und Lernprozessen im Fremdsprachenunterricht ist natürlich bedeutsam, wenn es darum geht, Unterrichtsqualität zu bestimmen (siehe dazu auch Lohe et al. 2024) bzw. zu überlegen, welche Anforderungen dieser Unterricht an die Lehrpersonen stellt. Für eine stärker fremdsprachendidaktische Konturierung verweist Viebrock (2018) auf zehn Kerndimensionen von Richards (2010), die Professionalität von Fremdsprachenlehrkräften ausmachen können. Diese haben wir leicht adaptiert und übersetzt in Tabelle 1 zusammengefasst.

Dimensionen

Fähigkeiten und Kompetenzen der Lehrkraft, Routinen und Verfahren

Sprachkenntnisse

Bereitstellung eines guten Sprachmodells

Aufrechterhaltung des Gebrauchs der Zielsprache im Unterricht

Erklärungen und Anweisungen in der Zielsprache geben

Beispiele für Wörter und grammatikalische Strukturen geben

korrektes Feedback zur Sprache der Lernenden geben

Bereitstellung von Input mit angemessenem Schwierigkeitsgrad

Bereitstellung von Erfahrungen zur sprachlichen Bereicherung für Lernende

inhaltliche Kenntnisse

die Bedürfnisse der Lernenden verstehen

Diagnose der Lernschwierigkeiten der Lernenden

Planung geeigneter Unterrichtsziele für den Unterricht

Auswahl und Gestaltung von Lernaufgaben

Bewertung des Lernens der Lernenden

Konzeption und Anpassung von Tests

Bewertung und Auswahl von Materialien

angemessene Nutzung der Technologie

Reflektieren über den eigenen Unterricht

Lehrkompetenzen

Einführung und Erläuterung von Aufgaben

die Herstellung von Lerngelegenheiten

Überprüfung des Verständnisses der Schüler:innen

Anleiten der Schüler:innen zum Üben

Beobachtung des Sprachgebrauchs der Schüler:innen

kontextsensibles

Wissen

Verständnis der Werte, Normen, Praktiken und Muster der sozialen Teilhabe an einer bestimmten Schule

Verständnis für die Dynamik und die Beziehungen im Klassenzimmer

die Identität der Sprachlehrkraft

sich der eigenen Rolle als Fremdsprachenlehrkraft bewusst sein

verschiedene soziale und kulturelle Rollen als Fremdsprachenlehrkraft zu spielen

lernendenorientierter Unterricht

mit typischem Verhalten von Lernenden vertraut zu sein

Anpassung des Unterrichts an die Bedürfnisse und Vorlieben der Lernenden

Aufrechterhaltung der aktiven Beteiligung der Lernenden (auch in Planungsprozessen und/oder Entscheidungsfindung)

Anknüpfung an die Lebenserfahrungen der Lernenden

pädagogische bzw. fachdidaktische Argumentationsfähigkeit

Analyse potenzieller Unterrichtsinhalte (z.B. ein Objekt, ein Text, eine Anzeige, ein Gedicht, ein Foto, usw.)

Ermittlung von Möglichkeiten, wie Materialien als Lehrmittel verwendet werden könnten

Festlegung von sprachlichen Zielen (z.B. im Bereich Sprechen, Wortschatz, Lesen, Schreiben, usw.), die aus dem gewählten Inhalt entwickelt werden könnten

Vorwegnahme von Problemen, die auftreten könnten, und Möglichkeiten zu ihrer Lösung

angemessene Entscheidungen über Zeit, Reihenfolge und Gruppierung zu treffen

Theoretisieren aus der Praxis

Erfahrungswissen

Reflexion von Unterrichtserfahrungen, um zu erklären, Hypothesen aufzustellen oder zu verallgemeinern

Aspekte des Fremdsprachenunterrichts

Bewertung des eigenen Unterrichts

Entwicklung von Grundsätzen und einer persönlichen Lehrphilosophie

Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft von Praktikern

Zusammenarbeit mit Kolleg:innen oder anderen pädagogischen Fachkräften

Erkundung und Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Praktiken am Arbeitsplatz

Erreichen gemeinsamer Ziele

Professionalität

sich mit den Standards des Berufs vertraut machen

Entwicklung der beruflichen Kompetenz

Anstreben von hohen Standards

kontinuierliche und systematische Reflexion der eigenen Unterrichtspraxis

Tabelle 1:

Dimensionen professionellen Handelns von Fremdsprachenlehrpersonen (übersetzt und adaptiert nach Viebrock 2018: 44 auf Basis von Richards 2010).

Reflexionsaufgabe

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen von Fremdsprachenlehrpersonen passen zu den Eigenschaften, die Sie weiter oben skizziert haben?

Was fällt Ihnen auf?

Welche der Kompetenzen sind Ihnen neu/waren Ihnen nicht so bewusst?

Warum denken Sie, haben Sie ausgerechnet diese Fähigkeiten und Kompetenzen zuvor für sich formuliert und nicht andere Fähigkeiten/Kompetenzen?

Der Kriterien- und Forderungskatalog in Tabelle 1 ist umfangreich, nicht unmissverständlich endet er mit einem Professionalitätsverständnis, das hohe Standards anstrebt und systematisch den Unterricht reflexiv zu betrachten versucht. Das (Vor-)Wissen, das hierzu nötig ist, kann dabei nicht allein durch das Studium und auch nicht allein durch Erfahrung erworben werden. Es zeigt eine große Bandbreite an Kompetenzen, die für die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht nötig sind. Hierzu gehören aber beispielsweise nicht nur Sprachkompetenzen der Lehrperson und fachliches bzw. fachdidaktisches Wissen. Auch Wissen über die Normen und Werte, die in der Schule und dem Kontext, in dem Unterricht stattfindet, gelten, wird als selbstverständlich vorausgesetzt bzw. als nötig für die Lehrperson beschrieben. Das ist insofern besonders, als dass Fremdsprachenunterricht hier nicht als ein auf Lehr- und Lernprozesse beschränktes Vermittlungsgeschehen reduziert wird, sondern den Normen und Werten sowie den Bedürfnissen der Lernenden eine Relevanz im Fremdsprachenunterricht zugeschrieben wird.

Gut zu wissen: Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA)

 

Das Europäische Fremdsprachenzentrum (EFSZ) des Europarats hat das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) entwickelt, um die spezifischen Kompetenzen und Wissensbereiche, die für die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht nötig sind, zu fördern bzw. zu reflektieren. Dieses Portfolio dient als Reflexionswerkzeug, das es Lehrenden ermöglicht, ihre Fähigkeiten anhand von „Ich kann“-Aussagen selbst zu bewerten, ähnlich dem Ansatz des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (= GER, Council of Europe 2020). Es deckt kontextbezogene Faktoren ab wie Lehrpläne, Bedürfnisse von Lernenden und zur Verfügung stehende Ressourcen, widmet sich aber auch den sprachlichen Kompetenzen, Fragen der Unterrichtsgestaltung, der Förderung von Lerner:innenautonomie bzw. Bewertung von Produkten.

Das EPOSA kann kostenfrei auf der EFSZ-Website in mehreren Sprachen heruntergeladen werden: https://www.ecml.at/tabid/277/PublicationID/16/Default.aspx

Zum Beruf einer Fremdsprachenlehrperson gehört ebenso die Berücksichtigung von Lehrplänen auf Landes- und Schulebene. Sollten schulinterne Curricula existieren, decken diese bestimmte inhaltliche Schwerpunkte ab. Die Lehrpläne der deutschen Bundesländer folgen in der Regel den Anforderungen, die die Kultusministerkonferenz als Bildungsstandards für das Ende der Sekundarstufe I bzw. für die Allgemeine Hochschulreife fachspezifisch formuliert hat (vgl. KMK 2023/2012). Die Lehrpläne spezifizieren diese Anforderungen meist für die unterschiedlichen Jahrgangsstufen, d.h. sie formulieren Kompetenzen oder Regelstandards, die Lernende am Ende einer Jahrgangsstufe (in der Regel, d.h. aber auch nicht zwingend) erreichen sollten. Die formulierten Kompetenzen dienen damit zur Orientierung, was in bestimmten Jahrgangsstufen inhaltlich im Unterricht geschehen sollte, um diese Kompetenzen auf Seiten der Lernenden zu fördern. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Eine Lehrperson muss wissen, wie diese Kompetenzen zu diagnostizieren und anschließend zu fördern sind. Im Sinne der Kompetenzorientierung ist dies eine der zentralen Anforderungen an Fremdsprachenlehrpersonen.

Reflexionsaufgabe: Curriculare Anforderungen

 

Hier finden Sie eine Beispielformulierung aus einem Lehrplan für Englisch (MSB 2019: 36):

Die Schülerinnen und Schüler können in interkulturellen Kommunikationssituationen sowohl in direkten persönlichen Begegnungen als auch im Umgang mit englischsprachigen Texten und Medien in der Regel angemessen handeln. Sie können wesentliche kulturell geprägte Sachverhalte und Situationen verstehen und relevante kulturelle Konventionen und Unterschiede in ihrem interkulturellen Handeln respektvoll und geschlechtersensibel sowie weitgehend sicher berücksichtigen.

Welche Kompetenzen, Fähig- und Fertigkeiten brauchen Sie als Lehrperson, um diese Kompetenz auf Seiten der Lernenden zu fördern?

Wenn Sie eine andere Fremdsprache als Englisch unterrichten: Ändert sich etwas, wenn aus „englischsprachigen Texten und Medien“ z.B. spanischsprachige oder französischsprachige Texte und Medien werden?

Diese curricularen Anforderungen sind insbesondere relevant für die ersten und fortgeführten Fremdsprachen. Dies sind im deutschsprachigen Raum meistens Englisch als erste Fremdsprache und Spanisch oder Französisch als am häufigsten gewählte zweite oder dritte Fremdsprachen (vgl. Statistisches Bundesamt 2023). Für Lehrpersonen, die Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache (DaF/DaZ) unterrichten, ist die Frage curricularer Vorgaben eine andere, da diese selten formalisiert und durch landesweite bzw. landesspezifische Dokumente strukturiert werden (eine Ausnahme wäre der DaF-Unterricht an Auslandsschulen, der auf Prüfungen des deutschen Sprachdiploms der KMK vorbereiten soll). Auch der institutionelle Kontext ist nicht selten ein anderer: DaZ wird in der Regel parallel zu anderen Unterrichtsfächern in der Schule verankert, um z.B. Lernenden mit Zuwanderungsgeschichte Deutschkompetenzen zu vermitteln. DaF wiederum richtet sich innerhalb von Deutschland meist an ältere Lernende oder Erwachsene bzw. wird außerhalb von DACH als Fremdsprache unterrichtet, wie analog dazu in Deutschland die ersten Fremdsprachen unterrichtet werden. Mit den unterschiedlichen Kontexten changiert entsprechend die berufliche Anforderungspraxis, d.h. die Lehrperson passt sich an unterschiedliche Zielgruppen bzw. institutionelle Kontexte an. Dabei sind die eigentliche Lehr-/Lernsituationen und die daraus resultierende Praxis entlang von Gütekriterien guten Fremdsprachenunterrichts immer sehr ähnlich.

Literaturempfehlung: Lessons from Good Language Teachers (Griffiths/Tajeddin 2020)

 

Nachdem sich die Fremdsprachenforschung lange Zeit damit beschäftigt hat, was gute Lernende ausmacht, erschien 2020 auch ein Werk, das sich mit der Frage auseinandersetzt, was zu den Charakteristika und Kompetenzen von guten Fremdsprachenlehrpersonen gehört. In dem Sammelband von Carol Griffiths und Zia Tajeddin (2020) wird praxisorientiert beschrieben, was zum „gutem“ Handlungsrepertoire gehört, was empirische Forschung weiß (und was nicht) und wie entsprechende Forschung praktisch umgesetzt werden kann. Dabei geht es in den einzelnen Beiträgen nicht nur z.B. um Kompetenzförderung oder die Berücksichtigung von Lerner:innenvariablen, sondern auch um das Beziehungsgeschehen zwischen Lehrperson und Lernenden, die Rolle von Reflexion, aber auch Autonomie oder Burnout. Jeder Beitrag ist von Expert:innen in ihrem:seinem Feld angelegt mit einer starken Fokussierung auf die jeweiligen praktischen Implikationen.

Es ist deutlich geworden, dass die Anforderungen an Fremdsprachenlehrpersonen für die Durchführung von Unterricht aus einer kompetenztheoretischen Brille selbstverständlich häufig die Lernenden und die qualitativ gehaltvolle Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen in den Blick nimmt. Lehrpersonen haben gleichzeitig die Verantwortung, – eher im allgemeinpädagogischen Sinne – Werte einzuhalten, zu vermitteln, Lernenden zugewandt zu sein und eine motivierende Atmosphäre zu schaffen, in denen Fremdsprachenunterricht überhaupt erst möglich wird. Lehrpersonen sind verpflichtet, bestimmte Aspekte im Unterricht zu behandeln und Lernende nach Möglichkeit zum Erreichen bestimmter Standards zu befähigen. Bezüglich gerade dieser beiden letzten Aspekte genießen Lehrkräfte im deutschsprachigen Raum allerdings auch eine sehr hohe Autonomie, d.h. es ist ihnen (je nach Bundesland) weitgehend frei gestellt, wie sie die Aspekte vermitteln oder auf welchem Weg ihre Schüler:innen die Kompetenzen erreichen.

Allein dieses Wissen um nötige Kompetenzen erscheint wiederum nicht ausreichend für die gesellschaftlichen und globalen Veränderungen, denen wir als Gesellschaft jetzt und in Zukunft ausgesetzt sind. Dieses muss nicht nur die Schnelllebigkeit von Inhalten durch Digitalisierung und soziale Medien berücksichtigen, sondern auch die wachsende Mobilität und Diversität, den zunehmenden Austausch, wachsende Verbundenheit sowie Verquickung von Interaktionen und globale Herausforderungen für Gesellschaft und Umwelt. Es stellt sich daher die Frage, wie eine Fremdsprachenlehrperson (andere Fachlehrpersonen natürlich auch, aber wir konzentrieren uns hier auf unsere Fachlichkeit) mit diesen sich verändernden Bedingungen umgehen kann (vgl. Kumaravadivelu 2012, Viebrock 2018). Das Sich-Verlassen auf eine Methode zur Unterrichtsgestaltung wird modernen Bedingungen damit also nicht mehr gerecht. Der Fremdsprachenunterricht des 21. Jahrhunderts wird mit einem zunehmend höheren Anspruch verbunden, auf sich verändernde Umstände zu reagieren. Viebrock (2018) fasst auf Grundlage der bereits zuvor erwähnten post-methodischen Überlegungen von Kumaravadivelu (2012, siehe auch Akbari 2008b) zusammen, wie sich der Diskurs rund um die fremdsprachenunterrichtlichen Schwerpunkte und nötigen Kompetenzen der (angehenden) Fremdsprachenlehrkräfte ändert – ausgehend vom traditionellen transmissionsorientierten, d.h. auf Vermittlung zielenden Modell von Unterricht und Fremdsprachenlehrer:innenbildung hin zum transformativen Modell, welches neue Anforderungen berücksichtigt (siehe Tabelle 2).

 

Transmission model

Transformation model

Linguistic norms

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

English as ›target language‹

Englishes as local repertoire(s)

nationally-defined native Englishes

global English as a plural system (lingua franca)

language as homogeneous

language as hybrid

native and non-native speakers

speakers of varying degrees of proficiency

nativeness as target

local norms of relevance

language and discourse as static

language and discourse as dynamic

language as context-bound

language as context-transforming

correctness

negotiation of meaning

mastery of grammar rules

metalinguistic awareness

focus on rules and conventions

focus on strategies

L1 as problem (interference)

L1 as resource

cultural norms

›target‹ cultures and communities

cultural diversity, hybridity and heterogeneity

expertise

 

 

 

established universal knowledge

context-specific local knowledge

uni-directional knowledge flow

multi-directional knowledge flows

academic scholarship

reflective practice

information/knowledge transmission

inquiry orientation/collaborative knowledge transformation

curriculum

prescription of innovation and

change, top down-transmission

bottom-up processes equally supporting continuity and development

pedagogy

 

methods-dominated

postmethod practices

skills-based, skills-focused

project-based, skills-in-context

materials

 

authenticity

relevance

centrally generated and distributed

locally generated

Tabelle 2:

Verschiebungen im Diskurs rund um die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenlehrer:innenbildung am Beispiel von Englischlehrpersonen und Englischunterricht (Viebrock 2018: 53).

Die Tabelle haben wir bewusst nicht übersetzt, da sie in Teilen sehr starke Relevanz ausschließlich für Englischlehrpersonen bzw. den Englischunterricht hat, gleichwohl zeigt sie klar die Tendenzen auf, die für den Fremdsprachenunterricht an sich im gesellschaftlichen Wandel relevant werden: Ihre Lehrpersonen können sich nicht mehr auf einen Top-down Approach verlassen, der transmissionsorientiert zielkulturelle und sprachliche Inhalte vermittelt. Im Gegenteil: Kulturelle Hybridität, Wandel und wechselnde Normen müssen im Unterricht zum Gegenstand werden und verändern auch die Art und Weise, wie Fremdsprachen erlernt werden. Nämlich: partizipativer, interaktiver, weniger grammatikorientiert, sondern stärker sprachbewusstheitsorientiert, Interferenzen durch die sogenannte Mutter-, Herkunfts- oder eine andere lebensweltliche Sprache werden nicht mehr als „Problem“ (euphemistischer ausgedrückt als „Lerngelegenheit“) gesehen, sondern produktiver als Ressource. Das alles bedeutet: Das Denken über die unterrichtliche Praxis und die damit verbundenen Anforderungen an das Berufsbild „Fremdsprachenlehrer:in“ verändern sich. Das bedeutet jedoch nicht, dass Überlegungen zur methodischen Umsetzung bestimmter Unterrichtsprinzipien oder Fertigkeiten keine Rolle mehr spielen. Sie verlieren aber etwas an Zentralität, wenn sie stärker als Mittel zum Zweck zur Erschließung von Inhalten, Gegenständen und zur Bewältigung von Herausforderungen oder Problemen gesehen werden, zu denen Lernende sprachlich befähigt werden.

Reflexionsaufgabe

Betrachten Sie noch einmal Tabelle 2 zu den Verschiebungen im Diskurs rund um die Gestaltung von Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenlehrer:innenbildung. Erkennen Sie diese Verschiebungen selbst in Ihrem Bild vom Fremdsprachenlehrer:innensein bzw. Ihrem (zukünftigen) Fremdsprachenunterricht? D.h.: Können Sie sich mit diesen Verschiebungen identifizieren? Erkennen Sie das stärker traditionelle Transmissionsmodell aus Ihrer eigenen Lerner:innenbiographie als Schüler:in wieder?

1.3Fremdsprachenlehrer:innen und Bildung

Mit der Vorrede aus dem letzten Kapitel und den veränderten Bedingungen, unter denen Fremdsprachenunterricht heute stattfindet, darf die Frage gestellt werden, die ganz zu Beginn schon angeklungen ist: Was hat der Fremdsprachenunterricht eigentlich mit Bildung zu tun? Oder: Wie kann der Fremdsprachenunterricht „bildend“ sein?

Der Bildungsbegriff ist sehr facettenreich. Komposita wie „kulturelle Bildung“ oder „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wie auch „inklusive Bildung“ haben konkrete Gegenstände oder Ziele, zu deren Zweck oder durch deren Inhalte Bildung stattfinden soll. Man könnte meinen, dass „fremdsprachliche Bildung“ hier analog als Konzept passen könnte, schließlich ist die Fremdsprache ja ebenso der Gegenstand, durch den Bildungsprozesse angestoßen werden können. Aber es geht um mehr: Es geht auch um Inhalte im Fremdsprachenunterricht, um die Gestaltung partizipativer, interaktiver Kommunikation und um die Förderung von Diskursfähigkeit der Lernenden, die möglichst eine Relevanz außerhalb der Schule entwickeln.

Diese Ideen sind eng verknüpft mit der deutschen Bildungstheorie bzw. dem Bildungsbegriff in der deutschen Tradition, zu denen es international keine richtige Entsprechung gibt. Sie gehen zum einen stark zurück auf das Bildungsideal des 18. und 19. Jahrhunderts von Wilhelm von Humboldt (1960), der Bildung – ganz im Sinne der Aufklärung – nicht als kollektivistisches Unterfangen, sondern als sehr individuellen Prozess beschreibt. Jeder Mensch bildet sich selbst beständig weiter z.B. auch in Auseinandersetzung mit Kultur und in Interaktion mit anderen Menschen. Und diese Bildung auf individueller Ebene kann dann wiederum zum Wohle der gesamten Menschheit genügen. Es geht Humboldt ganz wesentlich um das Potenzial jedes:r einzelnen, sich zu entwickeln, und diese Entwicklung im Wechselspiel mit der Umwelt zu verstehen. Diese Sicht hat die Erziehungswissenschaft und Philosophie nachhaltig geprägt. In der heutigen Idee von transformatorischer Bildung (vgl. Koller 2023) hallen zahlreiche Ideen von Humboldt nach, sie trägt aber auch gesellschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen aus Soziologie und Erziehungswissenschaft Rechnung: Im Anschluss an verschiedene Kolleg:innen erklärt Koller „Bildung als einen Prozess der Transformation grundlegender Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses angesichts der Konfrontation mit neuen Problemlagen“ (ebd.: 17). Das Reflektieren über bzw. das In-Beziehung-Setzen von Selbst und der Welt geht stark auf Humboldt zurück, das individuelle Positionieren und Verstehen, wer wir in der Welt sind und wie die Welt um uns herum funktioniert, kann dann als Prozess verstanden werden, durch den sich das Welt- und das Selbstverhältnis (je mehr wir darüber verstehen) ändern und transformieren. Figuren sind hier als Symbole zu verstehen, mit denen wir z.B. in Form von Sprache (inter)agieren. In der Fremdsprachendidaktik, besonders im kulturellen Lernen, spielt beispielsweise die Idee von symbolischer Kompetenz (vgl. Kramsch 2011) eine große Rolle. Bei Humboldt noch keine große Rolle spielte die Idee von Problemlagen oder Krisen; dort war es noch stärker eine romantische Vorstellung vom eigenen Antrieb des Menschen sich zu bilden. Dies hat sich aufgrund der Änderungen gesellschaftlicher Strukturen gewandelt: Es gibt sozusagen von außen induzierte Probleme, die einen zu transformatorischen Bildungsprozessen „zwingen“. Zwang klingt hier deutlich negativ, er ist aber – genauso wie der Begriff Krise – gar nicht so gemeint. Problemlage und Krise beschreiben vielmehr Herausforderungen, denen wir im Alltag oder der Schule begegnen oder im Austausch mit anderen Personen in der Gesellschaft.

Literaturempfehlung: Bildung anders denken: Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse (Koller 2023)

 

In Bildung anders denken: Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse versteht Koller (2023) Bildung als einen transformatorischen Prozess, der tiefgreifende Veränderungen im Denken, Handeln und Fühlen bewirkt. Bildung wird nicht nur als Wissensvermittlung betrachtet, sondern als intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und der Welt. Krisen, Konflikte und Herausforderungen spielen eine zentrale Rolle, da sie transformative Prozesse anstoßen. Diese Veränderungen ermöglichen es den Lernenden, neue Perspektiven zu entwickeln und bestehende Denkmuster zu hinterfragen. Das Einführungswerk beschreibt die grundlagentheoretischen Bezüge von transformatorischer Bildung und gibt Einblicke in Forschungszugänge.

Transformatorische Bildung, so wie sie rezipiert wird und wie wir sie auch in weiten Teilen für dieses Studienbuch als Grundlage mitdenken möchten, hat folglich eine große Bedeutung für das Individuum und wie das Individuum sich zu Welt positioniert. Das wiederum hat viel mit der jeweils ganz persönlichen Identität bzw. den Identitäten zu tun (vgl. Koller 2023, siehe auch Kapitel 4.4), denen wir im Unterricht begegnen und die eine Lehrperson selbst darstellt. Nicht immer ist man sich Bildungsprozessen bewusst. Woran machen wir fest, dass sich die Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses verändern? Wie schnell geschieht das? Ist dieser Prozess im Unterricht für die Lehrperson überhaupt greifbar oder müssen wir uns damit zufriedengeben, dass ein Individuum sich unter den richtigen Umständen schon „transformatorisch bilden“ wird? Koller (2023) gibt hierzu einige Ideen. Letztlich ist die Schule natürlich ein System, das Lernende mit Problemlagen konfrontieren kann, Krisen induzieren und Angebote schaffen kann, welche – im besten Fall – mittelfristig transformatorische Bildungsprozesse anstoßen. Das heißt für unseren Fokus auf den Fremdsprachenunterricht: Wie kann Fremdsprachenunterricht bildend gedacht werden? Es kann argumentiert werden, dass durch eines der Teilziele des Fremdsprachenunterrichts, die Förderung interkultureller Kompetenz (Byram 1997, 2021), durchaus das Selbst- und Weltverhältnis im Sinne einer Perspektivierung eigenkultureller Werte und Vorstellungen mit denen einer Zielkultur in ein Verhältnis gesetzt werden soll. Allerdings ist die praktische Umsetzung dieses Ziels zuletzt häufiger in die Kritik geraten (z.B. Plikat 2017, siehe Kapitel 3.3). Und die Förderung sprachlicher Kompetenzen allein bzw. die Auseinandersetzung mit Gegenständen der fremdsprachlichen Kultur scheint nicht ausreichend, um transformatorische Bildungsprozesse anzustoßen. Wir stellen daher in Kapitel 3 einen weiteren Zugang vor, der entsprechende Problemlagen zum Gegenstand des Unterrichts machen soll.

Reflexionsaufgabe

Bevor wir mit den letzten Gedanken dieses Kapitel abschließen: Was bedeutet die Idee von transformatorischer Bildung für Sie und Ihren Fremdsprachenunterricht? Was bedeutet die Idee für Ihren Prozess des Fremdsprachenlehrer:innenwerdens?

In diesem Studienbuch geht es darum, Reflexionsgelegenheiten zu schaffen, die helfen, eine (kritische) Fremdsprachenlehrkraft zu werden. Es geht also im engeren Sinne um Fremdsprachenlehrer:innenbildung. Lässt sich der Begriff von transformatorischer Bildung übertragen auf die Professionalisierung hin zu einer Fremdsprachenlehrperson? Wir glauben ja. Lehrer:innenbildung und die verschiedenen Sichtweisen von Lehrer:innenprofessionalisierung, die in Kapitel 2 noch eine Rolle spielen werden, sind Prinzipien einer akademischen Bildung. Auch diese hat zum Ziel, die Selbst- und Weltsicht zu verändern: Studierende beginnen ihr Lehramtsstudium mit einer Selbstsicht aus der Perspektive von Schüler:innen und lernen z.B. in fachwissenschaftlichen Anteilen des Studiums eine neue Weltsicht kennen, die sie mit sich und für sich koordinieren und verstehen müssen. Nicht wenige Lehramtsstudierende haben mit fachwissenschaftlichen Inhalten häufig Schwierigkeiten, da sie nicht unmittelbar mit der erwarteten Praxis des Fremdsprachenunterrichts in Einklang zu bringen sind.

Diesen Prozess der Reflexion möchten wir in den nächsten Kapiteln unterstützen, da er immer wieder zu Irritationen, Krisen und Problemlagen führt, die in unseren Augen nur selten differenziert reflektiert bzw. aufgefangen werden. Das, was im Prozess des Lehrer:innenwerdens mit einem:einer geschieht, ist im besten Fall transformatorisch. Dieser Prozess wird aber begleitet von Internalisierung und Habitualisierung, was wiederum der Idee von Individualität und Eigenständigkeit widerspricht. Genau aus diesem Grund ist eine kritische Perspektive nötig: (Angehende) Lehrpersonen müssen in die Lage versetzt werden zu verstehen, was mit ihnen passiert und in welche Strukturen und Normen sie selbst und ihr Handeln eingebettet sind. Erst dann ist (Fremdsprachen-)Lehrer:innenbildung in unseren Augen auch – ganz normativ formuliert – „gut“ und entspricht Bildungsidealen, denen wir uns als Gesellschaft verschrieben haben.

2(Fremdsprachen-)Lehrer:innenbildung

Education must begin with the solution of the teacher-student contradiction, by reconciling the poles of the contradiction so that both are simultaneously teachers and students.

Paulo Freire (1996: 72)

In diesem Kapitel

Dieses Kapitel thematisiert zunächst aus einer allgemeineren, schulpädagogischen Perspektive, wie Professionalität und Professionalisierung von Lehrpersonen gedacht werden kann. Im Anschluss erweitern wir diese Perspektiven um empirische Ergebnisse zur fremdsprachlichen Lehrer:innenbildung, bevor wir dezidierter auf die Rolle von Wissen, Können und Handeln von Lehrpersonen im Fremdsprachenunterricht, aber auch aktuelle Prinzipien und Normen eingehen, die für den Fremdsprachenunterricht relevant sind. Dies ist nötig, um später zu verstehen, wie kritische Professionalität im Fremdsprachenunterricht aussehen kann.

Da es in diesem Studienbuch darum gehen soll, eine kritische Haltung zur eigenen (zukünftigen) Unterrichtspraxis zu entwickeln, erscheint es sinnvoll, sich zunächst mit den Grundlagen der Fremdsprachenlehrer:innenbildung zu beschäftigen. Ziel ist es, schulpädagogische Ansätze von Lehrer:innenbildung kennenzulernen und diese dann für Reflexions- und Verstehensprozesse über das eigene Handeln im Fremdsprachenunterricht nutzbar zu machen.

Reflexionsaufgabe

Was bedeutet für Sie, über „Grundlagen“ oder „Ansätze“ von Lehrer:innenbildung nachzudenken? Welche Ansätze kennen Sie schon? Was verbinden Sie damit?

Die verschiedenen Ansätze, die wir im Folgenden kurz vorstellen werden, finden sich an unterschiedlichen Universitäten im deutschsprachigen Raum in unterschiedlicher Ausprägung wieder. Das liegt zum einen an den Curricula oder Modulordnungen der jeweiligen Standorte, d.h. es sind tradierte bzw. bewährte Schwerpunkte, die zentral für die lehrer:innenbildende Institution sind. Ganz häufig hängt die inhaltliche Gestaltung zum anderen aber auch von den Forschungsschwerpunkten derjenigen Personen ab, die an der Lehrer:innenbildung beteiligt sind. Gibt es z.B. in den Bildungswissenschaften einen starken Fokus auf berufsbiographische oder kompetenzorientierte Forschung von angehenden Lehrpersonen, kann es sein, dass dieser Schwerpunkt sich in der Lehre oder Struktur des Lehramts wiederfindet. Ähnliches gilt für die fachdidaktischen Schwerpunkte: Da die Anzahl an fachdidaktischen Professuren an einer Universität in der Regel im Verhältnis zu anderen relativ gering ist, ist die Schwerpunktsetzung z.B. in der Englischdidaktik damit möglicherweise eingeschränkt durch eine Professur, die z.B. stark sprachdidaktisch oder literaturdidaktisch forscht. Auch unter den Fremdsprachendidaktiken an einer einzigen Hochschule kann es durch verschiedene Schwerpunkte große Unterschiede geben. Hierdurch ergeben sich ganz natürlich inhaltliche Themenfelder, mit denen Lehramtsstudierende in ihren Seminaren konfrontiert werden.

Reflexionsaufgabe

Wie „funktioniert(e)“ (auch rückblickend) Lehrer:innenbildung an Ihrer Universität oder in Ihrem Studienseminar (bzw. Zentrum für schulpraktische Studien)?

Können Sie Strukturen oder Mechanismen identifizieren, Programme oder Projekte, an denen Sie teilgenommen haben oder teilnehmen mussten, vor dem Hintergrund einer bestimmten Programmatik oder Zielsetzung?

Welche fremdsprachendidaktischen Schwerpunkte werden/wurden in Ihrem Lehramtsstudium gelegt? Denken Sie, Ihnen fehlt ein anderer Bereich?

Wir werfen im Folgenden ein Licht auf die unterschiedlichen Deutungsansätze von Lehrer:innenbildung und wie aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik die Ausbildung und Professionalisierung von (angehenden) Fremdsprachenlehrer:innen betrachtet wird. Wir berücksichtigen dabei auch die Art und Weise, wie diese Lehrer:innenbildung gestaltet wird und was seitens derjenigen, die hier ausgebildet werden sollen (nämlich Sie) erwartet wird. Es scheint offenkundig, dass diese Erwartungen auf beiden Seiten (Lehramtsstudierende und Universität/Studienseminar) nicht immer deckungsgleich sind. Im Versuch zu illustrieren, wie Lehrer:innenbildung „funktioniert“, möchten wir zum einen ein Bewusstsein bei Ihnen wecken für die Systematiken, die hinter dieser Ausbildungsform stecken, und Ihnen zum anderen helfen, Ihren eigenen Werdegang kritisch zu reflektieren.

2.1Schulpädagogische Ansätze der Lehrer:innenbildung

Lehrer:innenbildung kann zunächst einmal als überfachliches Anliegen gesehen werden, für das Strukturen vorbereitet sind (z.B. das Lehramtsstudium in Hochschulen oder der Vorbereitungsdienst begleitet von Studienseminaren). Forschung zur Lehrer:innenbildung wird in der Regel als Professions- oder Professionalisierungsforschung bezeichnet, da sie sich damit beschäftigt, was die Professionalität von Lehrpersonen im Kern ausmacht und wie Lehrpersonen für ihren Aufgabenbereich professionalisiert werden können. Ein Kern dieses Aufgabenbereichs sind Lehr- und Lernprozesse und die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Diese Arbeit ist – je nach Denkart – entweder kaum planbar, da man es mit Heranwachsenden zu tun hat und jede Situation neue Herausforderungen mit sich bringt, oder man geht von bestimmten Parametern aus, welche Lern- und Bildungserfolg gelingen lassen können.

Gut zu wissen: Das Technologiedefizit von Erziehung, Bildung und Unterricht

Da es keine für soziale Systeme ausreichende Kausalgesetzlichkeit, da es mit anderen Worten keine Kausalpläne der Natur gibt, gibt es auch keine objektive Technologie, die man nur erkennen und dann anwenden müsste. (Luhmann/Schorr 1979: 352)