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In Klagenfurt wurde im Sommer 2012 aus dem "Paradies" der Don-Bosco-Kirche der Kummerkasten gestohlen. Hat ihn der Dieb für den Opferstock gehalten, obwohl darauf stand: "Ihre Meinung bitte! Anregungen, Wünsche und Beschwerden"? Oder war der Beseitiger ein mit der grassierenden Unzufriedenheit an Vater Staat und Mutter Kirche Unzufriedener, ein der ewigen Raunzerei und Schimpferei der Kummerkästen müde Gewordener? Ein Harmoniesüchtiger,der sich "Stoff" besorgen wollte? Alois Brandstetter hat den merkwürdigen Fall kriminalistisch, detektivisch, vor allem aber poetisch-humoristisch untersucht und ist auf seltsame Zufälle und Indizien gestoßen. Ein geistreiches Lesevergnügen der Sonderklasse.
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Seitenzahl: 158
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Alois Brandstetter
Roman über einenhumoristischen Kriminalfall
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2013 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg – Wien
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ISBN ePub:978-3-7017-4357-5
ISBN mobi:978-3-7017-4424-4
ISBN Printausgabe:978-3-7017-4443-5
In der Don-Bosco-Kirche am Bischof-Josef-Köstner-Platz in Klagenfurt hat neulich jemand den sogenannten Kummerkasten samt Inhalt »mitgehen lassen«. Das hat der Kirchenrektor Pater M. am vergangenen Sonntag nach der Messe im Rahmen der Verlautbarungen vor dem Schlußsegen uns, seiner Gemeinde, zur Kenntnis gebracht. Obwohl auf dem Kummerkasten im Vorraum zur eigentlichen Kirche in einer Art Eingangshalle, die man bei mittelalterlichen Kirchen das »Paradies«, auch »Narthex« oder »Galiläa« genannt hat, deutlich lesbar stand: »Bitte kein Geld einwerfen!« und: »Ihre Meinung bitte! Anregungen, Wünsche und Beschwerden«, hat der Dieb, vermutlich ein Analphabet, den sogenannten Kummerkasten mit dem Opferstock verwechselt – und gestohlen – nach der »Beseitigung eines, die Wertsache vor Wegnahme schützenden Hindernisses«, wie die Juristen sagen. Eine illegitime »Besitzergreifung« also! Rauben im juristischen Sinne mußte er die Kiste ja nicht, weil sie unbewacht war und er keinen Wächter oder Custos überwältigen mußte, auch keinen Engel mit einem flammenden Schwert, wie er vor dem Paradies steht … Und einbrechen mußte er in das »Paradies« auch nicht, weil die Don-Bosco-Kirche eines jener katholischen Gotteshäuser ist, die Tag und Nacht frei zugänglich sind, um Besuchern rund um die Uhr zur Besichtigung, vor allem aber für Gebet oder Meditation zur Verfügung zu stehen. Noch fehlt in den meisten Gotteshäusern die Videoüberwachung, weil man vielleicht davon ausgeht: Gott sieht eh alles … Vielleicht hat der Täter oder die Täterin auch Frömmigkeit geheuchelt und vor der Tat ein Gebet gesprochen, um in Wahrheit aber nur zu warten, bis die Gelegenheit günstig, die Luft rein ist und der letzte Besucher die Kirche verlassen hat, um dann zuzuschlagen. Auch Helfer und Hehler sind denkbar, die Schmiere gestanden haben mögen … Nein, mußte der Täter oder die Täterin ja gar nicht, weil die Beschwerdebox nicht besonders verankert – und so eine leichte Beute war. Sie an sich zu bringen, brauchte der Dieb oder die Diebin kein Stemmeisen und keine Brechstange, auch keinen Preßlufthammer, wie er bei dem in Mode gekommenen Herausbrechen von Safes in Banken verwendet wird. Gerade steht in den Zeitungen, daß Einbrecher in eine Raiffeisenkassa in einem oberösterreichischen Ort nicht nur den Safe, sondern irrtümlich die ganze Bank in die Luft gesprengt haben! Ein sogenannter Innenkreuzschraubenzieher hat dem Don-Bosco-Dieb sicher genügt. Er oder sie war sicher auch kein Spezialist oder keine Spezialistin wie jene, die aus den in Granit verschlossenen, eisenbewehrten Opferstöcken in gotischen Kirchen mit Hilfe raffinierter Schlingen oder Leimruten die Scheine oder Münzen aus dem tiefen Inneren fischen und sich so in den Besitz der Kollekte bringen. Am 21. April 2013 hat man in Osttirol zwei Ungarn dingfest gemacht, die Opferstöcke in verschiedenen Kirchen nach diesem Verfahren »geleert« haben – »vom Ameisenbär abgeschaut« – schreiben die Zeitungen. Die Kirche ist reich – und die Kirchenmarder sind einfallsreich. Es wurden ja nicht nur viele Bilder, sondern sogar Paramentenschränke aus Sakristeien, ja schon ganze Beichtstühle aus den Gotteshäusern gestohlen! Die Beichtstühle dienen den Snobs und Neureichen in ihren Luxus-Bungalows oder Chalets dann als Garderoben, in die die feinen Damen und Herren ihre sündteuren Mäntel, Capes und Hüte hängen … Immer wieder werden auf Flohmärkten Kruzifixe zweifelhafter Herkunft aus Pfarrhöfen oder Kirchen oder auch den Heiligen Geist symbolisierende, holzgeschnitzte, bunt bemalte Tauben angeboten, die dann von »gestopften« Leuten um teures Geld erstanden und in modernen Eßzimmern über dem Speisetisch an der Decke angebracht werden. Der Hausherr erheitert seine Gäste mit der Mitteilung, daß die Bauern im Alpenland diese Heiliggeisttauben über dem Jogltisch der Stube scherzhaft »Suppenbrunzer« nennen … Von den Engerln, den vielen Putti, alten oder nachgemachten, die auf allen Flohmärkten herumschwirren, ganz zu schweigen. Viele von ihnen sind einmal in barocken Kirchen auf Lisenen oder Gesimsen, Mauervorsprüngen oder in Nischen zu Füßen von Heiligen gesessen, neben und unter dem heiligen Nepomuk oder Antonius oder Franziskus oder der Muttergottes, wie jene beiden, wie Lausebengel wirkenden Engel zu Füßen der Sixtinischen Madonna von Raffael, ja unter und über »Gnadenstühlen« im Umkreis der Dreifaltigkeit, gelandet aber sind sie schließlich auf dem Umweg über Diebstahl und Flohmarkt oder Antiquitätenhandel über dem Kapitell, dem goldstrotzenden Rahmen eines Rokokospiegels im Vestibül eines Reichen. Manche dieser Engel thronen nun auch zwischen Jagdtrophäen, Hirschgeweihen oder Rehkrickerln, ausgestopften Gemsen oder balzenden Auerhähnen, die auch nicht mehr fliegen können … Die Putti sind flügge geworden … Und abgestürzt. Denn natürlich haben sie durch ihren »Niedergang« aus den theologischen Höhen in die »Wohnlandschaft«, in die Tiefebene der Wohnkultur viel von ihrer himmlischen Würde eingebüßt, die sie etwa auf der Darstellung der neun Engelschöre in der Apsis der Kirche St. Andreas in Thörl ausstrahlen, angeli et arcangeli, Mächte, Gewalten, Cherubim und Seraphinen, Throne und Herrschaften … Es gibt freilich auch Theologen, nicht nur protestantische, die mit Rudolf Karl Bultmann ein »entmythologisiertes Christentum« predigen, die von den Engeln nichts mehr wissen möchten und denen das sogenannte »Engelswerk« eher ein Teufelswerk und ein Greuel ist … Aber mit der alten Theologie haben die Neureichen ohnedies nichts im Sinn.
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