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KI-basierte generative Systeme wie ChatGPT haben das Potenzial, das Lehren, Lernen, Arbeiten und Prüfen an Hochschulen disruptiv und dauerhaft zu verändern. Aber auch die Online-Lehre hat erheblichen Einfluss auf die Weiterentwicklung von Lehrangeboten und Studiengängen. Zudem verändern sich die Anforderungen an Absolvent:innen, da sich Berufsbilder schneller weiterentwickeln. Vor diesem Hintergrund ergeben sich zahlreiche Fragen, die Hochschulen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beantworten müssen. • Welche Auswirkungen hat KI auf Hochschullehre und Prüfungsformen? • Müssen Studiengänge mehr Gewicht auf die Vermittlung von Meta-Kompetenzen legen? • Wie kann Online-Lehre in die Weiterentwicklung von Studienangeboten integriert werden? Das Buch zeigt mögliche und notwendige Richtungen auf, in die sich Hochschulen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln können. Es richtet sich an Bildungspolitiker:innen, Lehrende und Forschende, die die Zukunft der Hochschulbildung gestalten wollen.
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Ullrich Dittler/Christian Kreidl
Künstliche Intelligenz in der Hochschullehre
1. Auflage, Oktober 2024
© 2024 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
Reinsburgstr. 27, 70178 Stuttgart
www.schaeffer-poeschel.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney
Produktmanagement: Nora Valussi
Lektorat: Katharina Harsdorf
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Die freie Verfügbarkeit generativer KI-Systeme, wie beispielsweise ChatGPT, überraschte viele Hochschulen im November 2022, als diese noch mit der Aufarbeitung der Folgen der vorangegangenen »Corona-Semester« befasst waren und die Rückkehr von der mehrheitlichen Online-Lehre zur Präsenzlehre vollzogen. Generative Künstliche Intelligenz beeinflusst dabei mehrere originäre Felder der Hochschule: KI kann sowohl Lehrgegenstand sein als auch die Lehrform und Lehrmethode beeinflussen; zudem wirft generative KI die Frage auf, inwieweit Prüfungsformen (und Prüfungsinhalte) angepasst werden sollten oder müssen. Auch bietet KI im Bereich der Studienberatung neue Möglichkeiten für Hochschulen.
Dieser Sammelband möchte gleichermaßen Dokumentation der bisherigen Erfahrungen sein, wie auch die Leserinnen und Leser zur kritischen und reflexiven Auseinandersetzung mit den vorgestellten Gedanken und Beispielen anregen und einladen.
Hierbei wünschen wir Ihnen einen spannenden Erkenntnisgewinn!
Furtwangen im Schwarzwald und Wien, im April 2024
Prof. Dr. Ullrich Dittler
Hon.-Prof. Dr. Christian Kreidl
Ullrich Dittler & Christian Kreidl
Zusammenfassung
Dieses Kapitel nennt ergänzend zu einführenden Gedanken die unterschiedlichen Perspektiven dieses Sammelbandes auf das Thema »KI und Hochschullehre« und stellt die einzelnen Beiträge kurz vor, sodass Leserinnen und Leser entscheiden können, welche der verschiedenen Beiträge das vielschichtige Thema aus dem Blickwinkel betrachten, der dem eigenen aktuellen Interesse entspricht.
Während die weltweite Covid-19-Pandemie die Hochschulen im März 2020 zwang, die jahrzehnte- bzw. jahrhundertelang bewährten und ausdifferenzierten – von Präsenzlehre geprägten – Unterrichts- und Vermittlungsformen infrage zu stellen (siehe hierzu bspw. Dittler & Kreidl 2023), wurden die Hochschulen kurz nach dem Abklingen der Pandemie und während der Rückkehr zur Präsenzlehre ein weiteres Mal gezwungen, bewährte Traditionen zu hinterfragen: Die Verfügbarkeit generativer Künstlicher Intelligenz warf im November 2022 die Frage auf, inwieweit die tradierten Lehr-, Lern- und vor allem Prüfungsformen noch zeitgemäß bzw. zukunftsgemäß sind.
Bis November 2022 war Künstliche Intelligenz (KI) vor allem ein Thema, das in den vorangegangenen Jahrzehnten breiten Teilen der Gesellschaft meist nur in Science-Fiction-Filmen und -Literatur begegnete; nur wenige Expertinnen und Experten konnten bis dahin den Entwicklungsstand von KI kompetent einschätzen.
Mit der Veröffentlichung von ChatGPT am 20. November 2022 wurde ein Tool, das generative KI verwendet erstmalig für alle Interessierten zugänglich gemacht: KI stand plötzlich für alle interessierten Nutzer kostenfrei und testweise zur Verfügung!
Die öffentliche Aufmerksamkeit war entsprechend groß (siehe hierzu beispielsweise Neu et al. 2022; Bauer 2023; Nowotny & Wolf 2023; Lobo 2023) und gerade auch in bzw. mit Blick auf Schulen und Hochschulen wurde schon wenige Tage nach der Veröffentlichung eine breite und unterschiedlich kompetente öffentliche Diskussion darüber gestartet, welche Auswirkungen die Verfügbarkeit derartiger KI-Tools für Lehrinhalte und Prüfungsformen an Bildungseinrichtungen haben wird (siehe beispielsweise Wagner 2023; Grad 2023; Till 2023; Bager 2023; Weimann-Sandig 2023); aber auch die möglichen Auswirkungen auf andere Bereiche der Gesellschaft werden seither zunehmend thematisiert (bspw. Ehlers 2023; Spitzer 2023).
Während 2022 noch der Blick auf schulische und hochschulische Prüfungen schnell die Diskussion um die Folgen von KI zu dominieren begann (zahlreiche Hochschulen haben mit Blick auf mögliche Auswirkungen von KI auf Prüfungen zeitnah nach der Verfügbarkeit von ChatGPT damit begonnen, ihre Positionen in entsprechenden Handreichungen für Lehrende zu klären; siehe beispielsweise ProLehre 2023; Mohr et al. 2023; Universität Basel 2023 oder Hanke 2023), gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Themen, die im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von KI-Systemen für Hochschulen interessant und relevant sind und in den vergangenen Monaten in der sich stärker ausdifferenzierenden Diskussion auch zunehmend intensiver beachtet werden.
KI-Systeme als Lehrinhalt und Lerngegenstand
Wenn KI-basierte Systeme demnächst – oder stellenweise schon jetzt – zum Arbeitsalltag in Firmen gehören, dann stellt sich für Hochschulen natürlich auch die Frage, ob und inwieweit KI und der Umgang mit KI-Systemen zu einem Lehrinhalt und Lerngegenstand an Hochschulen werden sollen (siehe hierzu beispielsweise Mah & Toner 2022). Es sollte bei der Beantwortung dieser Frage nicht nur um die Vermittlung einer kompetenten Bedienung von KI-Systemen (»Prompt Engineering«) gehen, sondern es sollten natürlich auch die Grenzen derartiger Systeme im (Arbeits-)Alltag an die Studierenden vermittelt werden.
KI-Systeme zur Unterstützung der Lehre und des Selbstlernens
Aber Systeme, die auf generativer KI basieren sollten ggf. zukünftig nicht nur Lerngegenstand sein, sondern es sollte an Hochschulen auch Überlegungen dazu geben, wie KI die Lehre dort unterstützen kann und wie sich einzelne Lernmethoden mit KI bereichern lassen (siehe hierzu beispielsweise Schmid et al. 2021; Wannemacher & Bodmann 2021): Wie können Systeme wie ChatGPT eingesetzt werden, um eine studentische Auseinandersetzung mit den Inhalten einer Lehrveranstaltung zu fördern?
Auch zur Unterstützung der studentischen Selbstlernphasen bieten generative KI-basierte Systeme zahlreiche Möglichkeiten: Naheliegend ist natürlich der Einsatz von KI-Systemen zur Erklärung von Inhalten, indem die KI einen behandelten Sachverhalt nochmals erklärt und auf studentische Nachfragen bestimmte Aspekte ausführlicher darstellt (»KI in der Rolle einer Lehrerin bzw. eines Lehrers«). Studierende können sich aber auch von KI-Systemen Fragen zu den behandelten Unterrichtsinhalten stellen lassen und die Antworten dann von den KI-Systemen bewerten lassen (»KI in der Rolle eines Lernpartners«). Ergänzende Überlegungen zu diesen Aspekten finden sich beispielsweise auch bei Fleischmann (2023), bei Hirsch (2023) und bei Martin-Jung (2024).
Auswirkungen von KI-Systemen auf Prüfungsformen und Prüfungsinhalte
Ein weiterer Bereich der Hochschule, auf den die Verfügbarkeit von KI-Systemen Einfluss nimmt, ist der – oben bereits erwähnte – Bereich der Prüfungen. Die Diskussion um die Funktion und Angemessenheit von hochschulischen Prüfungen (Dany et al. 2008; Walzik 2015; Gerick et al. 2022) ist nicht neu, ggf. kann aber das Auftauchen von KI-Systemen dazu beitragen, dass Hochschulen einen kritischen Blick auf die bisherigen Prüfungen und Prüfungsformen werfen und selbstkritisch hinterfragen, ob der vor Jahren angestrebte Shift »from Teaching to Learning« (Welbers & Gaus 2005; Tina Škerlak et al. 2014) bereits vollzogen wurde, ob wir inzwischen kompetenzorientiert prüfen (Macke et al. 2016; den Ouden et al. 2019) und/oder ob es Bereiche an Hochschulen gibt, in denen noch immer Prüfungen nur bzw. vor allem als Leistungsfeststellung in dem Sinne stattfinden, die Vogel in einem TED Talk als »Prüfungen als Abfall« (Vogel 2020) beschreibt: Eine Prüfung ist in diesem Sinne eine Pflichtübung, die lediglich erstellt wird, um später in einer Schublade oder auf einer Festplatte zu landen.
An welchen Stellen die Verfügbarkeit von generativen Tools die traditionellen Hochschulprüfungen infrage stellt, thematisieren beispielsweise ergänzend auch Weßels (2020), Heckmann (2023), Tilmann (2023) sowie Besner et al. (2023).
KI-Systeme zur Unterstützung der Beratung an Hochschulen
Ergänzend zu Wissensvermittlung, zu Übung und Prüfung werden an Hochschulen auch umfangreiche (Studien-)Beratungen durchgeführt – teilweise semester- oder gruppenweise (beispielsweise bei einführenden Informationen zu einem Praxissemester oder Auslandssemester) und teilweise natürlich auch hochgradig individualisiert (bei Fragen zum individuellen Studienverlauf). Auch in derartigen dialogischen Situationen bieten dialogbasierte Systeme wie ChatGPT Einsatzmöglichkeiten an Hochschulen.
Diese Aspekte und weitere damit zusammenhängende Fragen, die sich aus der Verfügbarkeit von KI-Systemen für Hochschulen ergeben, möchten wir in diesem Sammelband thematisieren.
Ziel dieses Sammelbandes ist es daher, den nachhaltigen Einfluss von generativen KI-basierten Systemen auf Hochschulen und Hochschullehre aus verschiedenen Perspektiven darzustellen:
Hochschulverwaltungen und zentrale Einrichtungen sahen und sehen sich veranlasst, auf die Verfügbarkeit generativer KI zu reagieren und den Lehrenden und auch den Studierenden die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie KI im Rahmen der Hochschule, im Rahmen der Lehrveranstaltungen und auch von Prüfungen eingesetzt – oder eben nicht eingesetzt – werden kann und darf.
Für Hochschullehrende, d. h. Professorinnen und Professoren und auch Lehrbeauftragte, stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Verfügbarkeit von KI zukünftig Berufsfelder verändert und darauf in der Hochschullehre reagiert werden sollte (Stichwort »KI als Lehrgegenstand«), zudem sollten die bisherigen Unterrichts- und Prüfungsszenarien kritisch hinterfragt werden, um zu klären, ob generative Künstliche Intelligenz neue und zielführende Unterrichts- und Vermittlungsformen ermöglicht.
Studentinnen und Studenten werden prüfen, welche ergänzenden Unterstützungs- und Lernformen durch die Verfügbarkeit von generativer KI möglich sind. Zudem entwickeln sich die – bisher noch sehr individuellen – Regelungen der einzelnen Hochschulen zum Umgang mit generativer KI derzeit noch sehr dynamisch, sodass für Studierende natürlich relevant ist, die jeweils aktuelle Position der Hochschule zur Frage »Welcher KI-Einsatz ist erlaubt und wie ist er zu dokumentieren?« zu kennen.
Dieses Buch möchte die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Einfluss von generativen KI-Systemen auf Hochschullehre zusammenführen und berücksichtigt daher in seinen Beiträgen die Perspektiven …
… aus großen und kleinen Hochschulen, d. h. aus Universitäten mit mehreren Zehntausend Studierenden ebenso wie aus Pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit wenigen Tausend Studierenden,
… von Lehrenden
… wie auch von Studierenden.
Vielfältig sind aber nicht nur die in diesem Sammelband vereinten Perspektiven auf das Thema, sondern auch die Formen der Beiträge:
Deskriptive und analytische Beiträge finden Sie ebenso wie
empirische Studien und
(Kurz-)Interviews.
Das vorliegende Buch, das sich in seiner Betrachtung auf die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz fokussiert, versucht damit der Vielfalt der Perspektiven unterschiedlicher Hochschulen und unterschiedlicher fachlicher Disziplinen gerecht zu werden. Es kann zum aktuellen Zeitpunkt nur eine Momentaufnahme und Sammlung der Erfahrungen und Gedanken sein, die innerhalb des ersten Jahres nach der Veröffentlichung von ChatGPT an Hochschulen gemacht wurden. Das Buch möchte mit seinen verschiedenen Beiträgen und unterschiedlichen Blickwinkeln Antworten erleichtern auf die Frage, wie die Verfügbarkeit von generativen KI-Systemen die Hochschullehre verändert.
Im Beitrag »Künstliche Intelligenz in der Hochschule aus Sicht der Studierenden: Ergebnisse empirischer Begleitforschung« werden zunächst zwei Studien vorgestellt, im Rahmen derer im Sommersemester 2023 und im Wintersemester 2023/24 insgesamt rund 750 Studierende zu deren aktueller Nutzung von generativer KI in der Freizeit, aber auch im Zusammenhang mit dem Studium befragt wurden. Es zeigt sich in den studentischen Antworten nicht nur die erwartbare zunehmende Nutzung generativer KI im Zusammenhang (auch) mit dem Studium, sondern der Beitrag zeigt darüber hinaus, welche veränderten Erwartungen Studierende gegenüber der Hochschule bzgl. Einbindung von KI in die Lehre und in Prüfungen innerhalb des letzten Jahres – und der zunehmenden eigenen Nutzungserfahrungen – entwickelten.
Ergänzend zu den quantitativen Ergebnissen der empirischen Studie wurden auch Kurzinterviews mit Studierenden aus unterschiedlichen Hochschultypen und aus verschiedenen Studienrichtungen sowie Studienabschnitten geführt. Diese sind im Kapitel »Kurzinterviews mit Studierenden zum Einsatz generativer KI in der Hochschule« nachzulesen. Die Interviews verdeutlichen zum einen, wo und wie Studierende schon heute generative KI im Studium einsetzen, sie zeigen darüber hinaus aber auch, in welchen Bereichen die Studierenden Klärungs- und/oder Regelungsbedarf seitens der Hochschulen sehen.
Zunächst werden anschließend verschiedene Erfahrungsberichte aus Hochschulen dargestellt.
Jutta Pauschenwein und Irmgard Schinnerl-Beikircher stellen im Titel ihres Beitrags die Frage »Die KI-Welle: Reiten wir sie oder steigen wir ab?«. Der Beitrag gibt einen subjektiven Überblick aus der Sicht der Mitarbeiterinnen einer Serviceeinrichtung der FH JOANNEUM. Der Bogen spannt sich vom ersten Online-Workshop zum Thema Künstliche Intelligenz im März 2023 bis zum Experimentieren mit eigenen ChatBots (Generative Pre-trained Transformer, GPTs) im Januar und Februar 2024. Der Beitrag wirft dabei einen Blick auf die Erfahrungen von Lehrenden und Studierenden im Umgang mit Künstlicher Intelligenz sowie auf die Vorgehensweisen der Entwicklerinnen und Entwickler von Workshops zu diesem Thema. Die Ergebnisse einer Umfrage geben ergänzend Einblick in die persönlichen Erfahrungen von Studierenden und Lehrenden. Ferner wird die Diskussion über notwendige Regelungen für den KI-Einsatz an Hochschulen beleuchtet.
In ihrem Beitrag »So nah an der Forschung war die Lehrpraxis noch nie: Ein Erfahrungsbericht aus dem Berliner Zentrum für Hochschullehre« gehen Martina Mörth und Anja Riedel davon aus, dass die Lehre an Hochschulen und Universitäten Studierende dazu befähigen soll, ein tieferes Verständnis für ihr Fachgebiet zu gewinnen und eigenständig neue Ideen und Lösungen zu entwickeln. Zudem spielt der Erwerb überfachlicher Kompetenzen, also Personal- und Sozialkompetenz, eine große Rolle. Durch die breite Verfügbarkeit von generativer Künstlicher Intelligenz werden grundlegende Annahmen des Lehrens und Lernens an Hochschulen infrage gestellt. In dem Beitrag wird dargestellt, wie das Berliner Zentrum für Hochschullehre auf diese Herausforderungen reagiert, woran es sich orientiert und welche Impulse es gesetzt hat.
Neben den bereits erwähnten Kurzinterviews mit Studierenden wurden auch Kurzinterviews mit Lehrenden geführt. Im Kapitel »Kurzinterviews mit Lehrenden verschiedener Hochschulen« finden sich zahlreiche Eindrücke und Erfahrungen der befragten Lehrenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Umgang mit Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre.
Dem Themenfeld der hochschulischen Prüfungen vor dem Hintergrund des Auftauchens von generativer KI widmen sich die nächsten Beiträge dieses Sammelbandes:
Martin Lehner spricht sich in seinem Beitrag »Ein kurzes Plädoyer für mündliche Prüfungen« für eine Renaissance dieser Prüfungsform aus: Mündliche Prüfungen bieten den Studierenden die Möglichkeit, in einem Prüfungsgespräch zu zeigen, dass sie die Lernergebnisse, insbesondere in den taxonomisch höheren Bereichen, erreicht haben. Die hohe Flexibilität des mündlichen Prüfungsformats bietet die Möglichkeit, den Kandidatinnen und Kandidaten kleinere Spielräume in der Prüfungssituation einzuräumen, indem inhaltliche Aspekte vertieft, ausgelassen, erweitert oder reduziert werden. Mündliche Prüfungen offerieren eine außerhalb des digitalen bzw. KI-generativen Systems liegende Möglichkeit, die von Studierenden bisher erbrachten Lernnachweise (in Bezug auf die zugehörigen Lernergebnisse) einer kritischen Prüfung zu unterziehen; zudem können sie einer »Homogenisierung des Wissens« angesichts globalisierter Bildungsangebote entgegenwirken.
»Generative KI in Prüfungen« betrachtet Malte Persike in seinem Beitrag, denn generative KI-Systeme erbringen über eine breite Palette von Fachdisziplinen hinweg beeindruckende Leistungen in Prüfungen auf Hochschulniveau, was ihnen eine hohe Beliebtheit als – zulässiges oder unzulässiges – Prüfungsinstrument bei Studierenden beschert hat. Für Lehrende stellt der Einsatz generativer KI im Prüfungskontext hingegen eine gemischte Erfahrung dar. Während die Unterstützung bei der Formulierung von Lernzielen und die Förderung des Constructive Alignment sowie die Qualitätssicherung von Prüfungsaufgaben gut funktionieren, erweist sich die Generierung von Aufgabenstellungen als Domäne, in der zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht auf menschliche Kontrolle verzichtet werden kann. Ebenso erweist sich die Bewertung von Prüfungsleistungen durch KI-Systeme als zu wenig verlässlich, um sie ungeprüft übernehmen zu können. Zudem stehen der automatisierten Benotung zwingende rechtliche Vorschriften der DSGVO gegenüber. Positiv hervorzuheben ist, dass die Formulierung von Feedback sowie die Begleitung der individuellen Reflexion über Prüfungsleistungen durch generative KI gut gelingen und von Studierenden begrüßt werden. Bei alledem ist wichtig zu beachten, dass die beschriebenen Limitationen und Defizite von KI-Systemen lediglich zum gegenwärtigen Zeitpunkt gelten. Angesichts der dynamischen technischen Entwicklung ist zu erwarten, dass viele der genannten Schwächen in naher Zukunft behoben werden könnten. Entsprechend ist davon auszugehen, dass sich das Prüfungswesen an Hochschulen bereits jetzt in einem fundamentalen Wandlungsprozess befindet, der die Rolle des Faktors Mensch stärker in Richtung der Supervision von KI-Systemen und der Verantwortung der Letztentscheidung verschiebt.
Ergänzende Aspekte und Betrachtungsschwerpunkte werden auch in den »Kurzinterviews mit Expertinnen und Experten aus dem Hochschulmanagement und der Leitung zentraler Abteilungen zur Hochschuldidaktik« angesprochen, wie die Erfahrungen und Überlegungen zum Einsatz von KI im Hochschulkontext von den befragten Vertretern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen.
Die fundamentalen Auswirkungen von generativer KI auf die Prozesse der Texterstellung und die Domäne des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens betrachten die folgenden Beiträge:
Stefan Jörissen und David Loher betrachten in ihrem Beitrag »›Tod des Autors‹? Autorinnen- und Autorenschaft, Textualität, Verantwortung und Transparenz in Zeiten generativer KI« die Auswirkungen, die generative KI-Anwendungen auf schriftliche Arbeiten haben, die Studierende im Rahmen ihres Studiums verfassen. Ausgehend von der Diskussion, die auch an ihrer Hochschule dazu geführt wird, skizzieren die Autoren vier Bezugsdimensionen von wissenschaftlichen Arbeiten: Autorinnen- und Autorenschaft und Textualität als Ausdruck einer diskursiven Praxis sowie Verantwortung und Transparenz als Konstituenten wissenschaftlichen Handelns. Diese Dimensionen werden, so die These der Autoren, an Bedeutung gewinnen, während die reine »Textproduktion«, also das Hervorbringen wohlgeformter Formulierungen, als Ausdruck wissenschaftlichen Arbeitens an Bedeutung verlieren wird. Zum Abschluss zeigen die Autoren auf, welche konzeptionellen und handlungspraktischen Konsequenzen eine solche Entwicklung für Curricula und Unterricht an Hochschulen haben könnte.
Ergänzend stellt der Beitrag »Künstliche Intelligenz im akademischen Schreiben: Konzeption und Realisation einer Lehrveranstaltung« von Christoph Zydorek die Konzeption und Realisation einer konkreten Lehrveranstaltung mit zentralen Herausforderungen, denen sich Studierende in der Praxis akademischen Schreibens ausgesetzt sehen, vor. Basierend auf der Vermittlung eines Verständnisses von akademischer Integrität und Qualität werden speziell Ansätze und Anwendungen gezeigt, die bei Suche und Eingrenzung von Themen und der Entwicklung von Forschungsfragen behilflich sein können. Es werden Vorschläge zur Zitation von KI-Texten vorgestellt, die Studierende bis zum Vorliegen gesicherter Standards unterstützen sollen.
Verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Online-Lehrveranstaltungen stellen Sabrina Sontheimer und Ulrike Hanke im Beitrag »Ein Online-Selbstlernkurs für Studierende: ›Hausarbeiten und Essays schreiben mit KI‹« vor: Ziel des Kurses ist es, erstens die Kompetenzen von Studierenden im Umgang mit KI für das akademische Schreiben zu erweitern und zweitens Lehrende dabei zu entlasten, ihren Studierenden KI-Kompetenzen selbst vermitteln zu müssen. Der vorgestellte Kurs bietet eine Einführung in die Nutzung von KI-Tools im Rahmen des Verfassens wissenschaftlicher Haus- und Abschlussarbeiten. Neben der Aufklärung der Kursteilnehmenden über die Stärken, Schwächen, Risiken und rechtlichen Aspekte der Nutzung der Modelle werden ebenso praktische Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt, um wissenschaftliche Schreib- und Arbeitsprozesse zu verbessern. Dies erfolgt, indem Studierende immer wieder dazu angeregt werden, das Gelernte direkt auf ihre eigenen Schreibprojekte anzuwenden. Der vorliegende Beitrag erläutert den Aufbau des Kurses und dessen lernpsychologische Fundierung. Des Weiteren werden Einsatzszenarien für den Kurs vorgestellt. So wird aufgezeigt, wie der Kurs in das Angebot des Schreibzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München integriert wurde.
Einen Blick auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildung wählt Thomas Strasser in seinem Beitrag »Checken statt Cheaten: Der Einsatz von ChatGPT in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung«. Der Beitrag widmet sich der berufsfeldspezifischen Nutzung von ChatGPT an der Pädagogischen Hochschule Wien zur Förderung der didaktischen Kompetenzen von Lehramtsstudierenden. Es wird dargelegt, wie ChatGPT als Instrument für die eigene Professionalisierung genutzt werden kann, indem es angehenden Lehrkräften ermöglicht, ihre Unterrichtsplanung und -gestaltung durch dynamische Interaktionsstränge mit der KI zu verbessern. Durch die Praxis des Prompt Engineering lernen Studierende – wie im Beitrag gezeigt wird –, wie man zielgerichtete, curricular-kohärente Eingabeaufforderungen formuliert, um maßgeschneiderte und zielgruppenadäquate Unterrichtsartefakte zu generieren. Dies wird durch praxisorientierte Beispiele und Übungen in Lehrveranstaltungen vertieft.
Den Einsatz von KI für spezifische Herausforderungen an der Hochschule thematisiert auch Claudia de Witt in ihrem Beitrag »Hochschuldidaktik mit hybrider Intelligenz: Unterstützung personalisierten Lernens«, der der Frage nachgeht, inwieweit natürliche und künstliche Intelligenz kombiniert werden können, um durch Personalisierung ein individuelles Lernen zu unterstützen. Statt der Ersatzperspektive auf KI in der Hochschulbildung wird der Bedeutung von KI bei der Unterstützung Lehrender und Studierender Rechnung getragen. Dabei ist ein leitendes didaktisch-methodisches Prinzip die Personalisierung. Diese ist ein auf den Lernfortschritt der Studierenden ausgerichteter Ansatz und die Basis für Entscheidungen zur individuellen Aufgaben- und Übungsgestaltung. Die Qualität personalisierten Lernens liegt dann in der gefilterten Auswahl von Lerninhalten, der Förderung der Selbsteinschätzung durch ein gutes Feedbacksystem und der intelligenten Aktivierung des Lernprozesses durch eine Verantwortungsunterstützung für die Studierenden. Das IMPACT-Projekt des Forschungszentrums CATALPA an der FernUniversität in Hagen, das in diesem Beitrag vorgestellt wird, realisiert eine ethisch reflektierte Umsetzung didaktisch geleiteter KI-Anwendungen für formatives Feedback im Lehrbetrieb. Die Implementierung eines Feedbackzentrums in einer Lernumgebung antizipiert den europäischen AI Act und erfolgt sowohl auf Grundlage rechtlicher Rahmenbedingungen wie DSGVO und Urheberrecht als auch anhand konkreter Orientierungshilfen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten an der eigenen Institution. Schließlich geht es um die nachhaltige Implementierung von formativem Feedback in die Hochschullehre mit KI und Trusted Learning Analytics.
Dass sich auch über die Einbindung von KI in den Hochschulunterricht konkrete Einsatzmöglichkeiten für generative KI in den Hochschulkontext bieten, machen Frank Benda, Florian Hirner, Regina Michalski-Karl, Lea Spiegl und Aaron Sterniczky in ihrem Beitrag »Potenziale von Chatbots basierend auf generativer KI in der administrativen Studierendenbetreuung: Lehren aus einem Fallbeispiel« eindrucksvoll deutlich. Der Beitrag, der eine Case Study bezüglich des Einsatzes eines KI-basierten Chatbots in einem Online-Hochschullehrgang rekapituliert, zeigt den Versuch, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von zeitintensiven administrativen Tätigkeiten freizuspielen, um mehr Raum und Zeit für Forschung und Lehre zu schaffen. Ziel des beschriebenen Projekts war es, repetitive Fragestellungen zu administrativen Allgemeinheiten verlässlich von einem Chatbot geklärt zu bekommen, sodass dieser als First Point of Contact von Studierenden agiert, wann immer entsprechende Unklarheiten auftreten. Mechanisierte Hinweise und automatisierte Antworten bezüglich administrativer Aspekte, Regeln und Pflichten wurden bei Unklarheit bisher vor allem an die Lehrgangsleitung übersandt. Nunmehr sollen diese Angelegenheiten mit dem Chatbot diskutiert werden und im Interesse der Studierenden die Lehrgangsleitung ausschließlich für den akademischen Austausch zur Verfügung stehen.
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Weßels, D. (2020). Original oder Plagiat? Hochschulen und wissenschaftliche Arbeiten im Zeitalter künstlicher Intelligenz(en). In Forschung & Lehre, 27(6), S. 504–505.
Das Abrufdatum für alle genannten Onlinequellen liegt vor der Drucklegung dieses Buches im Mai 2024.
Christian Kreidl & Ullrich Dittler
Zusammenfassung
Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse zweier Studien zum Thema KI-Systeme an Hochschulen dar: Befragt wurden insgesamt 694 Studierende der Hochschule Furtwangen im Sommersemester 2023 sowie im Wintersemester 2023/24. Dabei zeigte sich, dass ein Großteil der Studierenden bereits Erfahrungen im Einsatz von KI-Systemen gesammelt hat und diese tendenziell als Chance sieht. Auch wenn den Systemen großer Einfluss auf die zukünftige Entwicklung von Hochschulen attestiert wird, werden die menschlichen Lehrkräfte nach Ansicht der Studierenden nicht ersetzt werden.
Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, werden derzeit große Auswirkungen von KI-gestützten Anwendungen auf die Hochschule erwartet. Eine der Personengruppen, die von diesen Auswirkungen sicherlich am stärksten betroffen sein werden, sind zweifelsohne die StudierendeStudierende, Umgang mit KIn. Aber wie denken Studentinnen und Studenten selbst über dieses Thema? Genau das wollte das Autorenteam im Rahmen einer empirischen Studie erheben.
Es wurden zwei Fragebögen mit denselben Fragen an die Studierenden der Fachhochschule Furtwangen im Sommersemester 2023 sowie im Wintersemester 2023/24 ausgesendet. Dies sollte ermöglichen, mit Blick auf die genannten Semester zumindest im Ansatz auch etwaige zeitliche Trends ermitteln zu können.
Die Ergebnisse dieser Studie werden vorliegend nach drei Bereichen gegliedert:
Zunächst werden im Kapitel 2.2 die Antworten auf die Fragen hinsichtlich der eigenen Nutzung bzw. auch der vermuteten Nutzung bei den Kolleginnen und Kollegen präsentiert.
Kapitel 2.3 zeigt die Ergebnisse im Bereich der Einschätzung der zukünftigen Auswirkungen. Dabei geht es sowohl um eine allgemeine Einschätzung (wird KI einen großen Einfluss haben?) als auch um eine gezielte Einschätzung in Bezug auf die zukünftige Gestaltung von Unterricht bzw. die Rolle der Lehrkräfte.
Als dritter großer Bereich stellt Kapitel 2.4 dann die Ergebnisse der Studie hinsichtlich der persönlichen Meinungen der Studierenden zum Thema KI dar. Sehen die Studentinnen und Studenten generative KI eher als Chance oder als Gefahr, und welche Argumente für bzw. gegen den Einsatz von KI-Systemen heben sie hervor?
Die Befragung der Studierenden des Sommersemesters 2023 fand im Juli 2023 statt, über ausgesendete Online-Umfragelinks wurden insgesamt 343 auswertbare Datensätze generiert. Für das Wintersemester 2023/24 wurde die Umfrage, erneut über ausgesendete Online-Links, im Januar 2024 durchgeführt. Der Rücklauf umfasste insgesamt 351 auswertbare Datensätze.
Tabelle 2.1 zeigt die Verteilung der Daten bei der Frage nach dem Geschlecht. Im Sommersemester ist ein leicht höherer Anteil an weiblichen Studierenden im Vergleich zu den männlichen Studierenden zu erkennen.
Weiblich
Männlich
Divers
Anzahl
Wintersemester 2023/24
48,0 %
50,6 %
1,4 %
351
Sommersemester 2023
55,2 %
44,2 %
0,6 %
343
Tab. 2.1: Verteilung der Geschlechter bei den befragten Studierenden
Auch das Alter der Probandinnen und Probanden wurde abgefragt. Naturgemäß kamen die meisten Antworten von Personen unter 25 Jahren, auch der Anteil von unter 20-jährigen Studierenden ist mit rund 24,3 % recht hoch. Tabelle 2.2 liefert hierzu einen Überblick.
Bis 20
21–25
26–30
Über 30
Wintersemester 2023/24
24,3 %
59,8 %
12,1 %
3,8 %
Sommersemester 2023
19,4 %
59,9 %
14,8 %
5,9 %
Tab. 2.2: Altersstruktur der befragten Studierenden
In den folgenden Kapiteln sollen nun die Befragungsergebnisse vorgestellt werden.
Die erste Frage sollte einen Überblick bieten, inwiefern generative KI-Systeme bereits von den Studierenden genutzt werden. Da – zumindest zum Zeitpunkt der Befragung – ChatGPTChatGPT die bekannteste dieser Technologien darstellte, wurde folgende Frage mit unterschiedlichen Zustimmungsmöglichkeiten formuliert: »Haben Sie ChatGPT (oder andere generative KI-Systeme) schon verwendet?« Abbildung 2.1 zeigt die Antworten.
Abb. 2.1:
Verwendung von KI-Tools durch die Studierenden nach eigener Angabe
Da es den Befragten möglich war, mehr als eine Antwort anzukreuzen, ergeben die aufsummierten Prozentwerte einen Wert über 100 %. Es zeigte sich, dass die Nutzung für Problemlösungen im Zusammenhang mit dem Studium stark überwiegt, in beiden Semestern wurde hier eindeutig der höchste Zustimmungswert erzielt.
Generell fällt auf, dass die Zustimmungswerte zwischen den beiden Befragungszeitpunkten deutlich gestiegen sind: Gaben beispielsweise im Sommersemester 2023 rund 28 % an, ChatGPT auch für Problemlösungen im privaten Bereich einzusetzen, betrug dieser Wert im Wintersemester 2023/24 rund 45 %. Ähnliche Änderungen sind bei der Nutzung im Zusammenhang mit dem Studium und den anderen Antwortoptionen erkennbar.
Es lässt sich – vor allem anhand der ersten und der letzten Frage – festhalten, dass ChatGPT nahezu allen Studierenden bekannt ist und von fast allen Studierenden bereits verwendet wurde.
Die nächste Frage sollte genauer eruieren, für welche konkreten Zwecke bzw. Szenarien die Studierenden KI-Systeme einsetzen. Auch bei dieser Frage war es möglich, mehr als eine Antwort auszuwählen. Die einzelnen Werte der Nutzungsszenarien auf die Frage »Wenn Sie generative KI-Systeme schon fürs Studium eingesetzt haben: In welchem Zusammenhang haben Sie die KI genutzt?« werden in Abbildung 2.2 dargestellt.
Abb. 2.2:
Einsatz von KI-Systemen für das Studium
Auch bei diesem Frageblock ergab sich in allen Antwortmöglichkeiten eine deutliche Zunahme des Einsatzes von KI-Systemen. Das am häufigsten genannte Einsatzszenario der Studierenden war mit rund 64 % im Wintersemester 2023/24 der Bereich »Lernen und Verstehen von Inhalten«. Auch für das Zusammenfassen von Informationen und Texten wurden generative KI-Systeme im Wintersemester 2023/24 von rund der Hälfte der Studierenden genutzt.
Interessant in Bezug auf den derzeit sehr häufig diskutierten »redlichen« Einsatz von KI-Systemen ist auch die Zustimmung von jeweils rund einem Drittel der Studierenden zu den Bereichen »Erstellung von Präsentationen« und vor allem auch »Erstellung von Hausarbeiten«. Nur 14,5 % der Befragten machten bei dieser Frage keine Angabe.
Als letztes Thema im Bereich der Nutzung von ChatGPTChatGPT wurde ein Zustimmungsstatement abgefragt: »Aus meiner Sicht wird ChatGPT von Studierenden häufig verwendet«. Ziel dieses Items war es, die generelle Einschätzung der Nutzung, auch abseits des individuellen, persönlichen Verhaltens, zu erfassen.1 Den Grad der Zustimmung durch die Studierenden gibt Abbildung 2.3 wieder.
Abb. 2.3:
Einschätzung des Einsatzes von ChatGPT
Im Sommersemester 2023 stimmten der Aussage rund 65 % entweder vollkommen oder überwiegend zu, dieser Wert stieg im Wintersemester auf rund 72 %. Nur knapp über 5 % der Studierenden stimmten diesem Statement im Wintersemester 2023/24 gar nicht zu. Diese Werte entsprechen größenordnungsmäßig auch dem individuell angegebenen Nutzungsverhalten in der ersten Frage.
Tendenziell glauben die Studierenden daher, dass ChatGPT von ihnen und ihren Kolleginnen und Kollegen häufig eingesetzt wird. Natürlich könnte man nun noch detailliert hinterfragen, was genau von den Probandinnen und Probanden als häufig angesehen wird. Insgesamt kann aber als Aussage festgehalten werden, dass laut Einschätzung der Befragten ChatGPT wohl schon zum Studienalltag gehört.
1 Bei fast allen Zustimmungsstatements im Rahmen dieser Studie wurde eine fünfstufige Skala mit folgender Beschriftung verwendet: Vollkommen (100 %), Überwiegend (75 %), Teilweise (50 %), Kaum (25 %) bzw. Gar nicht (0 %). Die Fragen konnten auch unbeantwortet (= leer) gelassen werden, darauf wurde explizit im Einleitungstext der Studie hingewiesen.
Nach dem Bereich »Nutzung von KI« wurden als Nächstes einige Fragen zu den möglichen zukünftigen Auswirkungen gestellt. Als Erstes sollten die Studierenden ihre Meinung zum Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf den Unterricht angeben, folgendes Zustimmungsstatement wurde dazu verwendet: »Ich denke, dass Künstliche Intelligenz den Unterricht an Hochschulen in den kommenden Jahren wesentlich beeinflussen wird«. Die Ergebnisse zur Einschätzung dieser Aussage finden sich in Abbildung 2.4.
Abb. 2.4:
Zukünftiger Einfluss von KI auf den Unterricht an Hochschulen
Eine überwältigende Mehrheit der Befragten stimmte diesem Statement entweder vollkommen oder überwiegend zu, im Wintersemester waren es insgesamt rund 83 %. Es herrscht also weitgehend Einigkeit darüber, dass der zukünftige Unterricht an Hochschulen stark durch KI-Technologien beeinflusst werden wird. Der Grad an Zustimmung lag auch im Sommersemester 2023 auf einem ähnlich hohen Niveau (bei insgesamt rund 79 %).
Eine zentrale Frage für die Gestaltung von Hochschulen ist natürlich, in welcher konkreten Form Künstliche Intelligenz den Unterricht in Zukunft beeinflussen wird und soll. Einige Detailaspekte dazu wurden in den folgenden Statements abgefragt.
Auch wenn es schon viele Selbstlernangebote und E-Learning-Elemente an Hochschulen gibt, wird der Unterricht derzeit noch am stärksten von den Lehrkräften gestaltet und beeinflusst. Inwiefern dies in Zukunft anders sein könnte, sollte mit dem Statement »Lehrkräfte an Hochschulen werden zukünftig von einer Form Künstlicher Intelligenz abgelöst werden« beleuchtet werden. Abbildung 2.5 zeigt die Zustimmungswerte zu diesem Item.
Abb. 2.5:
Ersetzen von menschlichen Lehrkräften durch KI
Obwohl die Studierenden bei der vorherigen Frage einen hohen zukünftigen Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf die Hochschule konstatiert haben, glauben sie kaum daran, dass die Lehrkräfte in Zukunft abgelöst werden: Rund 86 % stimmten dem vorgelegten Statement im Wintersemester 2023/24 entweder gar nicht oder kaum zu, nur rund 3 % stimmten überwiegend oder vollkommen zu. Auch bei dieser Frage waren die Zustimmungswerte bereits im Sommersemester 2023 ähnlich niedrig.
Hier tut sich nun ein interessantes Spannungsfeld auf: Einerseits wird eine hohe Beeinflussung der Lehre durch Systeme Künstlicher Intelligenz in der Zukunft erwartet, andererseits gibt es die weitgehend übereinstimmende Meinung, dass die Lehrkräfte nicht durch solche Systeme ersetzt werden. Daraus lässt sich der mögliche Schluss ableiten, dass laut Ansicht der Studierenden die Lehrkräfte Teil der Einbindung von KI-Systemen an Hochschulen sein werden oder sein sollten.
Eng im Zusammenhang mit dem Ersetzen von Lehrkräften steht auch die Frage nach der Qualität des UnterrichtsQualität, des Unterrichts durch KI-Systeme im Vergleich zum Unterricht durch menschliche Lehrkräfte an Hochschulen. Dieser Bereich wurde im Rahmen der Studie ebenfalls explizit betrachtet, und zwar mit dem Zustimmungsitem: »Künstliche Intelligenz wird in Zukunft besseren Unterricht an Hochschulen leisten können als menschliche Lehrkräfte«. Die Zustimmungswerte durch die Studierenden zeigt Abbildung 2.6.
Abb. 2.6:
Qualität des Unterrichts von KI-Systemen im Vergleich zu menschlichen Lehrkräften
Konsistent mit den Antworten auf das vorherige Statement zum Ersetzen von Lehrkräften an Hochschulen glaubt eine deutliche Mehrheit der Befragten nicht, dass KI-Systeme in Zukunft besseren Unterricht leisten können. Rund 70 % der Befragten stimmten dem vorgelegten Statement im Wintersemester 2023/24 entweder gar nicht oder kaum zu, auch hier waren die Zustimmungswerte bei der Befragung im Sommersemester 2023 im Wesentlichen bereits ähnlich.
Erwähnenswert erscheint allerdings die Tatsache, dass bei beiden Umfragen rund 23 % der Befragten dem Statement zumindest teilweise zustimmten. Interpretiert man diesen Wert etwas weitgehender, so könnten Systeme Künstlicher Intelligenz beim Unterrichten in manchen Teilbereichen künftig vielleicht einzelne Vorteile bieten. Auch hier wäre eine detaillierte Betrachtung in der Folge sinnvoll.
Die Frage nach dem zukünftigen Einfluss von KI-Systemen an Hochschulen erfuhr, wie oben dargestellt, eine relativ hohe Zustimmung. Eine damit im Zusammenhang stehende Frage ist auch, inwieweit die Hochschule selbst im Umgang mit KI-Systemen schulen soll. Diese Frage wurde mit dem Item »Der Umgang mit KI-Anwendungen (z. B. ChatGPT) sollte Bestandteil im Studium sein« abgedeckt. Abbildung 2.7 zeigt die Zustimmungswerte der Befragten.
Abb. 2.7:
Umgang mit KI-Anwendungen als Bestandteil im Studium
Eine Mehrheit der befragten Studierenden, nämlich rund 63 %, stimmten dem vorgelegten Statement im Wintersemester 2023/24 entweder vollkommen oder überwiegend zu, nur rund 9 % stimmten entweder kaum oder gar nicht zu. Die Mehrheit vertritt also die Meinung, dass es Teil der Ausbildung an einer Hochschule sein sollte, den Umgang mit bzw. die Anwendung von KI-Systemen zu erlernen.
Interessant im Vergleich zu dem vorherigen Statement ist auch die Tatsache, dass sich die Einschätzung bei dieser Frage im zeitlichen Verlauf geändert hat: Im Sommersemester 2023 stimmten »nur« rund 53 % dem Statement vollkommen oder überwiegend zu.
Im letzten Teil der Studie wurde auch die grundsätzlichere Einstellung der Studierenden in Bezug auf KI-Systeme erhoben. Zunächst einmal ging es darum, ob diese Systeme eher positiv oder negativ gesehen werden, abgefragt mit dem Zustimmungsstatement »Empfinden Sie den möglichen Einsatz von KI-basierten Systemen an Hochschulen im Allgemeinen als Chance oder als Gefahr?«.2 Die Antworten der Studierenden präsentiert Abbildung 2.8.
Abb. 2.8:
Einsatz von KI-Systemen als Chance oder als Gefahr
Zusammenfassend lässt sich aus den Daten herauslesen, dass die Studierenden tendenziell zu einer positiven Einschätzung neigen: Rund 67 % der Befragten im Wintersemester 2023/24 bewerten den Einsatz von KI-Systemen eindeutig oder eher als Chance und nur eine kleine Minderheit von rund 7 % eher oder eindeutig als Gefahr.
Allerdings gibt es auch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil von Studierenden, die dieses Item mit »Teils, teils« einschätzen, im Wintersemester 2023/24 waren es rund 26 %. Im Zeitverlauf ist ein Trend hin zu einer eher positiven Einschätzung zu erkennen, beispielsweise sahen im Sommersemester 2023 nur rund 58 % den Einsatz von KI-Systemen eindeutig oder eher als Chance.
Es lässt sich also eine im Durchschnitt positive Einschätzung der Studierenden konstatieren, die mit leichten Vorbehalten in Richtung Gefahr einhergeht.
In vielen Diskussionen rund um die Auswirkungen von KI-Systemen auf Hochschulen nimmt deren Einsatz bei schriftlichen Arbeiten großen Raum ein. Aus jenem Grund sollte dieser Detailaspekt auch gezielt bei den Studierenden abgefragt werden. Das dazugehörige Item lautete: »Ich bin der Meinung, dass der Einsatz von ChatGPTChatGPT für schriftliche Arbeiten als legitimes HilfsmittelHilfsmittel angesehen werden sollte«. Abbildung 2.9 zeigt die Bewertungen zu dieser Aussage.
Abb. 2.9:
Einsatz von ChatGPT als legitimes Hilfsmittel bei schriftlichen Arbeiten
Während bei den meisten der vorherigen Fragen relativ klare Tendenzen und Aussagen abgeleitet werden konnten, ergibt sich hier ein eher gemischtes Bild: Im Wintersemester 2023/24 stimmten dem Statement rund 56 % vollkommen oder überwiegend zu. Gleichzeitig bestand die Zustimmung bei rund einem Viertel der Befragten nur teilweise, und immerhin 19 % stimmten kaum oder gar nicht zu. Mit Blick auf die beiden Befragungszeitpunkte lässt sich im Zeitverlauf eine leichte Verschiebung der Antworten hin zu einer Zunahme der Zustimmung erkennen.
Die Meinung zur Legitimität des Einsatzes von KI-Systemen für schriftliche Arbeiten ist daher tendenziell eher zustimmend, allerdings bei Weitem nicht eindeutig. Dies spiegelt bis zu einem gewissen Grad auch die derzeitige Problematik an Hochschulen wider: Ein generelles Verbot von KI-Systemen für schriftliche Arbeiten erscheint weder vollständig inhaltlich begründet noch zeitgemäß. In welcher konkreten Form und vor allem mit welchen begleitenden Maßnahmen dieser Einsatz allerdings stattfinden kann und soll, wird wohl noch länger die Diskussionen prägen.
Abschließend wurden von den Studierenden noch die aus ihrer Sicht stärksten Argumente für und auch gegen den Einsatz von KI-Systemen an Hochschulen erfragt. Zunächst lautete die Frage: »Welche drei Faktoren stellen aus Ihrer Sicht die stärksten Argumente für den Einsatz von ChatGPT oder anderer KI-Systeme im Hochschulunterricht dar?« (Die Antwortmöglichkeiten wurden im Sinne einer effizienten Auswertung vorgegeben). Die entsprechenden Antworten finden sich in Abbildung 2.10.
Abb. 2.10:
Argumente für den Einsatz von KI-Systemen
Das stärkste Argument für den Einsatz von KI-Systemen im Hochschulunterricht aus Sicht der Studierenden sind Inspiration und Denkanstöße, rund 76 % der Befragten im Wintersemester 2023/24 nannten dies als eines der drei Top-Argumente. Danach folgten mit rund 69 % »Zeitersparnis bei der Aufgabenbearbeitung« sowie mit rund 56 % das Argument »Zugang zu umfangreichem Wissen«.
Auch die Argumente gegen den Einsatz von KI wurden explizit abgefragt, hier lautete das entsprechende Item der Studie: »Welche drei Faktoren stellen aus Ihrer Sicht die stärksten Argumente gegen den Einsatz von ChatGPToder anderer KI-Systeme im Hochschulunterricht dar?« Abbildung 2.11 zeigt die Einschätzung der Studierenden zu dieser Frage.
Abb. 2.11:
Argumente gegen den Einsatz von KI-Systemen
Insgesamt kristallisierten sich von den vorgegebenen Argumenten vier Hauptaspekte heraus: Rund 75 % der Studierenden im Wintersemester 2023/24 sahen die unklare Herkunft der Informationen in KI-Systemen als eines der stärksten Argumente gegen den Einsatz. Danach folgten die Argumente »Entwicklung einer Abhängigkeit von KI-Systemen« mit rund 65 % an Nennungen, »Verlernen selbstverantwortlichen Lernens« mit rund 51 % sowie »Abnahme der eigenen Kreativität« mit 47 %.
2 Da hier eine andere Formulierung des Statements verwendet werden musste, wurde auch die Zustimmungsskala verbal angepasst: Eindeutig als Chance; Eher als Chance; Teils, teils; Eher als Gefahr bzw. Eindeutig als Gefahr.
ChatGPT und ähnliche KI-basierte Systeme sind definitiv an der Hochschule angekommen. Ein Großteil der Studierenden gab im Rahmen der vorgestellten Studie an, solche Systeme bereits im Zusammenhang mit dem Studium verwendet zu haben. Aus Sicht der Studierenden werden diese Systeme die Hochschulen auch in Zukunft wesentlich beeinflussen.
Als Fazit kann – aus Sicht der Studierenden – also festgehalten werden, dass eine Diskussion über ein »Ob« nicht mehr notwendig ist. Vielmehr steht nun die Frage des »Wie« auf der Agenda: Lehrkräfte sollen nicht von den Systemen Künstlicher Intelligenz ersetzt werden, gleichzeitig soll aber der Umgang mit KI-Systemen Bestandteil des Studiums sein, auch um auf die Arbeit in Berufsfeldern vorzubereiten, in denen derartige Systeme heute schon zum Alltag gehören. Der Einsatz von KI-Systemen für schriftliche Arbeiten wird von den befragten Studierenden einerseits als legitimes Hilfsmittel gesehen, auf der anderen Seite aber auch kritisch betrachtet.
Es wird daher zukünftig um die Details und Abstufungen beim Einsatz von KI-Systemen an der Hochschule und vor allem auch in der Hochschullehre gehen. Ähnlich wie beim Einsatz von Taschenrechnern oder Laptops im Unterricht wird wohl das Ziel sein, KI-Systeme als weiteres hilfreiches Tool beim Arbeiten zu betrachten und einen sinnvollen Umgang damit zu erlernen. Wie der Einsatz von KI-Systemen im Hochschulunterricht sinnvoll ausgestaltet werden kann, wird in den nächsten Jahren ausgiebig zu betrachten und zu diskutieren sein.
Ullrich Dittler & Christian Kreidl
Zusammenfassung
Die nachfolgenden Interviews mit Studierenden von unterschiedlichen Hochschulen und Hochschultypen (Universität, Medizinische Universität, Fachhochschule bzw. Hochschule für angewandte Wissenschaften, private Hochschulen) in Deutschland und Österreich wurden im Herbst 2023 und Frühjahr 2024 durchgeführt und sollen ein Stimmungsbild vermitteln, in welcher Form und in welchem Umfang StudierendeStudierende, Umgang mit KI den Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre erleben und/oder erwarten. Zudem geben die Interviews Aufschluss darüber, inwieweit Studierende generative KI bereits studienbegleitend zum Lernen einsetzen und welche Rolle generative KI aus studentischer Sicht bei Prüfungen spielt.
Um eine Vergleichbarkeit der Antworten zu ermöglichen, wurden alle interviewten Studierenden gebeten, die gleichen Fragen zu beantworten. Für einen besseren Lesefluss wurden im Anschluss die transkribierten Interviews sprachlich geglättet und ggf. leicht gekürzt. Die Interviews werden nach Studiensemester aufsteigend dargestellt.
Den Interviewfragen war im Interview der folgende Text einleitend vorangestellt: »Seit rund einem Jahr (November 2022) sind generative KI-basierte Systeme, wie beispielsweise ChatGPT, für uns alle zugänglich. Schnell tauchte in der öffentlichen Diskussion zum Thema die Frage auf, welchen Einfluss die Verfügbarkeit derartiger Systeme auf Hochschulen und Prüfungen an Hochschulen haben wird. Zwischenzeitlich ist auch klar geworden, dass sich durch KI aber nicht nur ggf. hochschulische Prüfungsformen ändern können oder müssen, sondern dass KI-Systeme auch das Studium und die studentischen LernprozessLernprozesse unterstützen können. Wir möchten Sie daher um die Beantwortung folgender Fragen zum Thema bitten: […]«
1. Inwiefern wird das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Lehre Ihres Studiengangs thematisiert? … entweder dahingehend, dass der aktuelle oder zukünftige Einfluss von KI auf Ihr berufliches Tätigkeitsfeld thematisiert wird. Oder dahingehend, dass insgesamt der Einfluss von KI auf die Gesellschaft, in der wir leben, thematisiert wird.
Wir haben in der Veranstaltung Marketing im 3. Semester erstmalig von einem Lektor dazu Studienunterlagen bekommen und mit ihm grundlegende Dinge durchgesprochen. Außerdem hat er uns klargemacht, dass KI in Zukunft im Berufsleben eine immer größere Rolle spielen wird. Bei den restlichen Lehrveranstaltungen ist das Thema nicht aufgekommen.
2. Welche Regelungen an Ihrer Hochschule für den Einsatz von generativer KI im Studium und bei Prüfungen sind Ihnen bekannt?
Bei »open book«-Prüfungen ist KI meines Wissens nicht erlaubt, allerdings kann das von den Lektoren nicht wirklich überprüft werden. Sonst sind mir keine Regelungen bekannt. Das Thema KI wird auf der FH allerdings zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht wirklich thematisiert bzw. angegangen.
3. In welcher Form nutzen Sie (generative) KI zum Lernen? (Beispielsweise indem Sie sich Inhalte erklären lassen? Oder Rückfragen an das KI-System formulieren? Oder indem Sie sich Prüfungsfragen generieren lassen und Ihre Antworten auf diese Fragen bewerten lassen?)
Mittlerweile verwende ich KI sehr intensiv, um Lehrinhalte aufzuarbeiten, mir Themen erklären zu lassen und Praxisbeispiele zu bekommen. Ich weiß, dass einige meiner Studienkollegen sich von KI Prüfungsfragen generieren lassen.
4. In welcher Form und in welchem Umfang nutzen Sie (generative) KI im Rahmen von Prüfungsleistungen?
Bei Prüfungen, die in Präsenz und nicht open book sind und an der FH stattfinden, ist es nicht möglich, KI zu verwenden. Außerdem haben wir bei Prüfungen, die am Computer stattfinden (beispielsweise Englisch), einen eigenen Prüfungsserver, wo man keine Möglichkeit hat, ein weiteres Tab zu öffnen oder auf das freie Internet zuzugreifen. Bei Computer-Prüfungen, die nicht in diesem sicheren Browser stattfinden und bei denen es beispielsweise Multiple-Choice-Fragen sind, kann KI sehr effizient verwendet werden, allerdings ist die Richtigkeit der Antworten nie hundertprozentig garantiert.
5. Wo sehen Sie zukünftige Einsatzmöglichkeiten oder Bedrohungen von KI im Zusammenhang mit einem Hochschulstudium?
Ich glaube, dass KI in Zukunft eine riesige Rolle im Lehrsektor spielen wird. Distance-Learning-Aufgaben oder beispielsweise Seminararbeiten werden in Zukunft – denke ich – zu großen Anteilen von KI erledigt bzw. geschrieben werden. Auch bei Präsentationen hat man die Möglichkeit, sich einen gesamten Präsentationsleitfaden für sein Thema und die geplante Länge erstellen zu lassen. Also vermute ich, dass es in Zukunft Alternativen geben muss, um das Können und die Kompetenzen der Studierenden abzufragen. Auf einer Uni in Prag wurden Bachelorarbeiten schon abgeschafft, und ich glaube, dass das die Zukunft sein wird. Außerdem braucht es klare Richtlinien, inwieweit KI an Hochschulen verwendet werden darf, da sonst die tatsächliche Leistungsfeststellung sehr ungerecht ist, wenn einige Studierende KI verwenden und ein anderer Teil gar nicht.
6. Inwiefern nutzen Sie (generative) KI-Systeme außerhalb des Studiums im Alltag?
Außerhalb des Studiums verwende ich KI eher selten; aber ich habe mir beispielsweise schon eine Empfehlung für einen 10-tägigen Urlaub geben lassen.
1. Inwiefern wird das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Lehre Ihres Studiengangs thematisiert? … entweder dahingehend, dass der aktuelle oder zukünftige Einfluss von KI auf Ihr berufliches Tätigkeitsfeld thematisiert wird. Oder dahingehend, dass insgesamt der Einfluss von KI auf die Gesellschaft, in der wir leben, thematisiert wird.