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"Soldaten sind Mörder" - Kurt Tucholsky Kurt Tucholsky war gleichzeitig Chronist seiner Zeit und Leidender an derselben. Einer Zeit zwischen den Weltkriegen, die in Deutschland geprägt war von Militarismus, Obrigkeitsdenken und gnadenloser Ausbeutung der Unterschicht. Wer mehr über unsere Gegenwart wissen will, muss den vergangenen Tucholsky lesen. Sein Werk hat leider nichts, absolut nichts, von seiner Relevanz eingebüßt. Wer die Texte liest, wird sie sofort verstehen, sie bedürfen keiner geschichtlichen oder sozialen Erläuterung. Warnung: Nur in geringen Mengen einnehmen, sonst droht eine Überdosis an schmerzhafter Realität. Mit den wichtigsten Reportagen, Glossen, Gedichten und seinem Roman "Schloß Gripsholm" - jede Generation verdient es, diesen Mahner für sich zu entdecken. - Schloß Gripsholm - Das Lottchen - Rheinsberg - Was darf Satire? - Einer pfeift sich einen - Jonathan's Wörterbuch - Die fünfte Jahreszeit u.a. 300 Werke auf 1200 Seiten - mit einem Aufsatz zu Leben und Werk. 2. Auflage Umfang: 1260 Buchseiten bzw. 1056 Normseiten Null Papier Verlag
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Kurt Tucholsky
Gesammelte Werke
Kurt Tucholsky
Gesammelte Werke
Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag
2. Auflage, ISBN 978-3-95418-521-4
Umfang: 1056 Normseiten bzw. 1260 Buchseiten
www.null-papier.de/tucholsky
Inhaltsangabe
DAS BUCH
KURT TUCHOLSKY – LEBEN UND WERK
GRABINSCHRIFT
EIGENHÄNDIGE VITA TUCHOLSKYS
ROMANE & NOVELLEN
Das Lottchen
Lottchens Ankunft
Lottchen wird saniert
Lottchen beichtet 1 Geliebten
Es reut das Lottchen
Lottchen besucht einen tragischen Film
Schloß Gripsholm
Nachwort des Verlegers zum Vorwort des Autors
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Rheinsberg
Vorrede zum fünfzigsten Tausend
Vorrede aus der »Weltbühne«
Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte
Lourdes
I. Der Soldat Paul Colin
II. Ein Tag
III. Siebenundsechzig Jahre
IV. Der Sardellenkopf
AUFSÄTZE & GESCHICHTEN
Was darf Satire?
Berlin! Berlin!
Die Katz
Der Primus
Herr Wendriner erzieht seine Kinder
Gruß nach vorn
Nie allein
Was machen Menschen, wenn sie allein sind?
Yousana-wo-bi-räbidäbi-dé?
Befürchtung
Zur soziologischen Psychologie der Löcher
Weltbild, nach intensiver Zeitungslektüre
Der Mensch
Kurzer Abriß der Nationalökonomie
Parteiwirtschaft
Erotische Filme
Halt auf dem Felde
Die Kunst, richtig zu reisen
Tourist
Das Stundenkonto
Wo sind meine Schuhleisten –?
Einfahrt
Der Reisegott Zippi
Das Elternhaus
Die Herren Zuhörer
Der verspielte Mann
Enthüllung
Ein Glas klingt
Der Andere
Der Bahnhofsvorsteher
Einer pfeift sich einen
Das menschliche Paris
»Ah, M…!«
»Ah – ça …!«
Die Rue Mouffetard
Der Ruf auf der Straße
Das Siebente
Der Erbfeind
In der Hotelhalle
Das konservative Paris
Vom Urlaub zurück
Jonathans Wörterbuch
Brot mit Tränen
Regenschwere Pause
Märchen
Aus dem Ärmel geschüttelt
Gebrauchsanweisung
Ich möchte Student sein
Die Zeitbremse
Wir hätten sollen …
Berliner auf Reisen
Le »Lied«
Umzug
Fête du Trône
Die Stadt der Beziehungen
Der Anhänger
Du hast ein Bett
Der Beichtzettel
Ausflug zu den reichen Leuten
Lieber Jakopp!
Eaux-Bonnes
Cirque de Gavarnie
Cauterets
Pic du Midi
Von Barèges bis Arreau
Die Täler
Drei Tage
Die Republik Andorra
Das Fort
Französische Provinz
Abschied von den Pyrenäen
Drei auf dem Bodensee
Reise in die kleine Stadt
Marseille
Eine schöne Dänin
Die »dummen« Schweden
Der Markt des Schweigens
Die beiden Flaschen
»Nein – meine Suppe ess ich nicht–!«
Liebespaar in London
Heimweh nach den großen Städten
Ab 12.46 Uhr
Das verzauberte Paris
Der 14. Juli
Pariser Gedenktafeln
Wer kennt Odenwald und Spessart?
Fahrt ins Glück
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins
»Potsdam –!«
Die Maulpatrioten
KOLUMNEN & ARTIKEL
Der bewachte Kriegsschauplatz
Die Redensart
Ein Ehepaar erzählt einen Witz
Der Floh
Das Stimmengewirr
Viel zu fein!
Es ist heiß in Hamburg
Pause auf dem Töpfchen
Es gibt keinen Neuschnee
Leere
Zeugung
Vorgang beim Treppensteigen
Gesicht
Die Wanzen
Traum
Die fünfte Jahreszeit
Alte Weltbühnen
Wallenstein und die Interessenten
Der Bär tanzt
Der Brief
Die Belohnung
Die Musikalischen
Harfenjulius Klabund
Kritik mit Nachsatz
Tollers Publikum
Lebensgeschichte eines Rebellen
Bauern, Bonzen und Bomben
Der Prozess
Der Untertan
Quaquaro
Die Lyrik der Antennen
Lampenfieber
Der Mann am Schlagzeug
Die Tabelle
Kochrezepte
Fabel
Was wäre, wenn …?
Gegen den Strom
Ein Briefwechsel
Justitia schwooft!
Die Reichswehr
Vision
Kleine Begebenheit
Vor Verdun
Eines aber
Frühlingsvormittag
Frauen sind eitel. Männer? Nie –!
Drei Generationen
Man muß dran glauben
Drei Biographien
Die Kunst, falsch zu reisen
Wie werden die nächsten Eltern?
…das Geld aus dem Fenster!
Warum eigentlich?…
Die Ehemalige
Wie altern die –?
Affenkäfig
Nur
Die Apotheke
Zwei Käfige
Im Tunnel
Les Abattoirs
Hinter der Venus von Milo
Der Platz im Paradiese
Tote Stadt und lebende Steine
Alter Burgunder wird versteigert
Stierkampf in Bayonne
Zwei Klöster
Saint-Jean-Pied-de-Port: Die Basken
Pau
Über Naturauffassung
Allein
Auf der Wiese
Einer aus Albi
Dank an Frankreich
Riviera
In der Geburtsstadt Fragonards
1372 Fahrräder
Koffer auspacken
Windrose
Das falsche Plakat von Paris
Ausflug nach Robinson
Kleine Station
Das Elend mit der Speisekarte
LYRIK
Die Frau spricht
Eine Frau denkt
Die Nachfolgerin
Lamento
Ehekrach
Es ist
Träumerei auf einem Havelsee
Der Lenz ist da!
Sexuelle Aufklärung
Die arme Frau
An die Meinige
Mit dem Weininger
An ihren Papa
Parkett
Versunkenes Träumen
Wider die Liebe
Psychoanalyse
An die Berlinerin
Danach
Gesang der englischen Chorknaben
Stationen
Wenn eena jeborn wird
Luftveränderung
Park Monceau
Die Schweigende
Sie schläft
Liebespaar am Fenster
Start
Auf ein Kind
Einkehr
Zwei Seelen
Zuckerbrot und Peitsche
Karrieren
Deutsche Richter von 1940
Geduld
Warte nicht!
Berliner Herbst
Ein nachdenklicher Zuschauer
Singt Eener Uffn Hof
Media in vita
Wenn eena dot is
Wo ist der Schnee…
Berliner Bälle
Wenn einer eine Reise tut…
Schöner Herbst
Spaziergänge eines Berliners
An den deutschen Mond
Chanson
Kartengruss aus dem Engadin
Das Lächeln der Mona Lisa
Place des Vosges
Pariser Dankgebet
Der Rhein und Deutschlands Stämme
An das Publikum
Frage
In aller Eile
Aufgewachsen bei …
Frauen von Freunden
Pfeifen anrauchen
Gefühle
Diese Häuser
Häuser
Augen in der Groß-Stadt
Im Käfig
Das Heil von außen
50% Bürgerkrieg
Zwischen den Schlachten
Bei uns in Europa
Frohe Erwartung
Rathenau
Sozialdemokratischer Parteitag
Russland
An das Baby
Monolog mit Chören
Glück im Unglück
Spanische Krankheit?
Gebet für die Gefangenen
Was kosten die Soldaten
Olle Kamellen?
Hoppla, Kurve! Achtung, Liebe!
Der andre Mann
Nebenan
Ballade
Kino privat
Sie, zu ihm
Malwine
Confessio
Schwere Zeit
Der Stimmungssänger
Das Lied von der Gleichgültigkeit
Wie mans macht …
Nichts anzuziehen –!
Unerledigte Konten
Immer
DIES & DAS
Schnipsel und Zitate
Alle Welt sucht
Schnipsel
Figuren
DAS WEITERE VERLAGSPROGRAMM
Kurt Tucholsky zählte in der Zeit zwischen den Weltkriegen zu den wichtigsten und hellsichtigsten deutschen Publizisten. Er verfasste nicht nur politische Artikel, Reportagen, Rezensionen, Satiren und Glossen, sondern auch Gedichte sowie Erzählungen und sogar Texte für Lieder und das Kabarett.
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Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 in Berlin-Moabit geboren. Sein Vater war ein jüdischer Bankkaufmann und so erfolgreich, dass er 1905 nach seinem Tod der Familie, die aus Kurt, seinen beiden jüngeren Geschwister Fritz und Ellen sowie seiner Mutter Doris bestand, ein beträchtliches Vermögen hinterließ. Beflügelt von der finanziellen Sicherheit begann Kurt Tucholsky 1909 nach dem Abitur ein Studium der Rechtswissenschaft in Berlin. Während des Studiums verfasste Tucholsky journalistische Artikel – unter anderem für die SPD-Zeitung »Vorwärts« – und war damit so erfolgreich, dass er auf die erste juristische Staatsprüfung – und damit auf eine Tätigkeit als Anwalt – verzichtet. Dennoch promovierte Tucholsky und errang 1915 den juristischen Doktortitel.
Wenig später musste Tucholsky sich im Ersten Weltkrieg als Soldat an der Ostfront verdingen. Um dem Dienst in den Schützengräben zu entgehen, arbeitete er an den Festungsanlagen, fungierte als Schreiber und gab eine Feldzeitung heraus. 1918 wurde er durch die Initiative eines Freundes nach Rumänien versetzt, wo er sich protestantisch taufen ließ. Nach Kriegsende schrieb Tucholsky – inzwischen überzeugter Pazifist – wieder vermehrt für »Die Weltbühne« und wurde zudem Chefredakteur beim Satireblatt »Ulk«. Aus finanziellen Gründen arbeitete er zudem einige Monate für die Propagandazeitung »Pieron«, was er später bereute. Tucholsky engagierte sich nicht nur publizistisch, sondern auch politisch in der USPD gegen Militarismus und Faschismus.
1920 heiratete er die Ärztin Else Weil. Die grassierende Inflation zwang ihn dazu, sich einen Job in der freien Wirtschaft zu suchen, was seiner Laune wenig zuträglich war. Eine schwere Depression im Jahr 1922 soll sogar in einen Suizidversuch gemündet haben. Doch Tucholsky überwand sein Tief und durfte ab 1924 als Korrespondent für »Die Weltbühne« und die renommierte »Vossische Zeitung« nach Paris. Dort wurde der Publizist, der sich zuvor noch von seiner Frau scheiden ließ, Freimaurer. Ein halbes Jahr nach der Trennung heiratete Tucholsky Mary Gerold, die er bereits im 1. Weltkrieg kennengelernt hatte. Beide lebten nur phasenweise zusammen, wobei Tucholsky immer wieder Beziehungen mit anderen Frauen hat, sie aber später trotz der Scheidung im Jahr 1933 zu seiner Alleinerbin bestimmte.
Tucholsky sieht sich wegen seiner Artikel und ihres oft scharfen Tons immer wieder Anfeindungen und Prozessen – etwa 1928 wegen angeblicher Gotteslästerung in seinem Gedicht »Gesang der englischen Chorknaben« – ausgesetzt. 1930 zieht Tucholsky endgültig in den schwedischen Ort Hindås. Die Situation in Deutschland ist ihm unerträglich geworden. Als es 1933 zur Bücherverbrennung kommt, gehen auch seine Werke in Flammen auf. Noch im gleichen Jahr entziehen ihm die Nationalisten die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Publizist erkannte die Vorzeichen des drohenden Krieges, hatte aber inzwischen – auch wegen gesundheitlicher Probleme – resigniert. Bezeichnend dafür ist ein Auszug aus einem Brief, den er Mitte Dezember 1935 schrieb: »Mein Leben ist mir zu kostbar, mich unter einen Apfelbaum zu stellen und ihn zu bitten, Birnen zu produzieren. Ich nicht mehr. Ich habe mit diesem Land […] nichts mehr zu schaffen. Möge es verrecken – möge es Rußland erobern – ich bin damit fertig.«1 Fünf Tage später nahm der unter chronischen Magenbeschwerden leidende Publizist eine Überdosis Schlaftabletten und verstarb in einer schwedischen Klinik. Ob es sich um Selbstmord handelte, blieb ungeklärt.
Kurt Tucholsky zählte in der Zeit zwischen den Weltkriegen zu den wichtigsten und hellsichtigsten deutschen Publizisten. Er verfasste nicht nur politische Artikel, Reportagen, Rezensionen, Satiren und Glossen, sondern auch Gedichte sowie Erzählungen und sogar Texte für Lieder und das Kabarett.
Tucholsky schrieb bereits während der Schulzeit und zog etwa 1907 in seinem Werk »Märchen« – das im Satire-Magazin »Ulk« erschien – das Kunstempfinden des deutschen Kaisers durch den Kakao. Fünf Jahre spätere entstand die Erzählung »Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte«, in der er spielerisch, ironisch und provokativ den dreitägigen Ausflug eines unverheirateten Liebespaares schildert. Das Werk war zwar erfolgreich, wurde aber – besonders wegen der damals als unschicklich geltenden Thematik – auch harsch kritisiert. An Tucholskys 23. Geburtstag erschien sein erster Artikel in der Wochenzeitschrift »Die Schaubühne«, die später in »Die Weltbühne« umbenannt wurde. 1919 brachte Tucholsky mit »Fromme Gesänge« eine Sammlung von – allerdings größtenteils bereits veröffentlichten – Gedichten heraus. Der Ton ist links-liberal und antimilitaristisch (z. B. »’s is Krieg!«, »Der Kriegslieferant«), wobei sich Tucholsky den Spaß erlaubt, sie unter seinem Alias Theobald Tiger zu veröffentlichen und selbst unter einem anderen Pseudonym eine Vorrede zu verfassen.
In scharfen Tönen und teilweise satirisch überspitzt geißelte Tucholsky – etwa in der Artikelserie »Militaria« – in den nächsten Jahren den deutschen Militarismus. Zudem griff er die bedenkliche Anzahl von Morden an linken und liberalen Politikern – allein am 15. Januar 1919 wurden sowohl Rosa Luxemburg als auch Karl Liebknecht getötet – an und kritisierte auch immer wieder diverse Politiker, die die Gefahr von rechts nicht sehen wollten. Er selbst erkannte das drohende Verhängnis früh und rief bereits 1922 in seinem Gedicht »Rathenau«, dass er kurz nach der Ermordung des deutschen Außenministers verfasste, zum Widerstand gegen das Gesindel auf, das an »Häuser Hakenkreuze schmiert«.2
Das 1927 erschiene Werk »Ein Pyrenäenbuch« enthält nicht nur Reisebeschreibungen, sondern auch Reflexionen über deutsche Zustände. In der Artikelserie »Deutsche Richter« kritisierte Tucholsky die rechtsgerichtete deutsche Justiz. Im folgenden Jahr brachte der Publizist die Textsammlung »Mit 5 PS« – eine Anspielung auf seine Pseudonyme – heraus, in der er der markanten Figur des Herrn Wendriner entwickelte. Zusammen mit dem Grafiker John Heartfield brachte er 1929 die Textsammlung »Deutschland, Deutschland über alles« heraus, in der er alles das angreift, was er an Deutschland verabscheut. Diese Anklage kontrastierte der Publizist aber am Ende versöhnend mit seiner Liebe zur Heimat.
1931 erschien Tucholskys wohl berühmtestes Werk »Schloß Gripsholm«, in dem er Erlebnisse eines Schwedenurlaubs verarbeitete. Thematisch und stilistisch knüpfte er an »Rheinsberg« an und lässt den Ich-Erzähler einen Sommerurlaub mit seiner Freundin Lyida schildern. Diesmal thematisierte er als Provokation eine Ménage à trois und leistete sich am Beginn einen besonderen Spaß, indem er dem Roman einen fiktiven Briefwechsel mit seinem Verleger voranstellte. Im gleichen Jahr erschien in der Weltbühne die Glosse »Der bewachte Kriegsschauplatz« deren Feststellung »Soldaten sind Mörder« Gerichte noch fast acht Jahrzehnte später beschäftigen wird.
1 Tucholsky, Kurt. Politische Briefe. Reinbek 1984, Seite 121.
2 Tucholsky, Kurt. »Rathenau«. In: Die Weltbühne, 29. Juni 1922, S. 653.
»Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.« – Goethe: Faust II
Inschrift auf Tucholskys Grab auf dem Friedhof von Mariefred, Schweden
Für den Einbürgerungsantrag zur Erlangung der schwedischen Staatsbürgerschaft
Dr. iur. Kurt TucholskyHindås, 22.1.34
Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 als Sohn des Kaufmanns Alex Tucholsky und seiner Ehefrau, Doris, geborene Tucholski, in Berlin geboren. Er besuchte Gymnasien in Stettin und in Berlin und bestand im Jahre 1909 die Reifeprüfung. Er studierte in Berlin und in Genf Jura und promovierte im Jahre 1914 in Jena cum laude mit einer Arbeit über Hypothekenrecht.
Im April 1915 wurde T. zum Heeresdienst eingezogen; er war dreieinhalb Jahre Soldat (die Papiere über seine Militärzeit liegen bei). Zuletzt ist T. Feldpolizeikommissar bei der Politischen Polizei in Rumänien gewesen.
Nach dem Kriege war T. unter Theodor Wolff, dem Chefredakteur des Berliner Tageblatt, Leiter der humoristischen Beilage dieses Blattes, des Ulk, vom Dezember 1918 bis zum April 1920.
Während der Inflation, als ein schriftstellerischer Verdienst in Deutschland nicht möglich gewesen ist, nahm T. eine Anstellung als Privatsekretär des früheren Finanzministers Hugo Simon an (in der Bank Bett, Simon & Co. in Berlin).
Im Jahre 1924 ging T. als fester Mitarbeiter der Berliner Wochenschrift Die Weltbühne und der Vossischen Zeitung nach Paris, wo er sich bis zum Jahre 1929 aufhielt. Er ist dort Mitglied der »Association Syndicale de la Presse étrangère« gewesen. Seine Carte d’identité liegt bei.
Nachdem T. bereits als Tourist längere Sommeraufenthalte in Schweden genommen hatte (1928 in Kivik, Skane, und fünf Monate im Jahre 1929 bei Mariefred), mietete er im Sommer 1929 eine Villa in Hindås, um sich ständig in Schweden niederzulassen. (Der Mietvertrag liegt bei.) Er bezog das Haus, das er ab 1. Oktober 1929 gemietet hat, im Januar 1930 und wohnt dort ununterbrochen bis heute. Er hat sich in Schweden schriftstellerisch oder politisch niemals betätigt. Zahlreiche Reisen, die zu seiner Information und zur Behebung eines hartnäckigen Halsleidens dienten, führten ihn nach Frankreich, nach England (Papier anliegend), nach Österreich und nach der Schweiz. Sein fester Wohnsitz ist seit Januar 1930 Hindås gewesen, wo er seinen gesamten Hausstand und seine Bibliothek hat.
T. hat im Jahre 1920 in Berlin Fräulein Dr. med. Else Weil geheiratet; die Ehe ist am 14. Februar 1924 rechtskräftig geschieden. Am 30. August 1924 hat T. Fräulein Mary Gerold geheiratet; die Ehe ist am 21. August 1933 rechtskräftig geschieden. T. hat keine Kinder sowie keine unterstützungsberechtigten Verwandten, die seinen Aufenthalt in Schweden gesetzlich teilen könnten.
Tucholsky hat zu den bestbezahlten deutschen Journalisten gehört. Seit dem Jahre 1931 hat er so gut wie nichts publiziert. Seine in Deutschland befindlichen Vermögenswerte sind laut Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger vom 25. August 1933 beschlagnahmt worden (Verlagsrechte, Honorare pp.). T. hat ein Konto bei der Skandinaviska Kredit A. B. in Göteborg, seit er in Schweden ist, und ein Konto bei der Schweizerischen Kredit-Anstalt in Zürich, um über Geld auf Reisen verfügen zu können. Er hat keinerlei Schuldverpflichtungen, wie auch die Göteborger Firmen bezeugen können, bei denen er die Einrichtung seiner Wohnung vorgenommen hat und bei denen er seinen Hausbedarf deckt.
Dass T. Angebote von Verlagen und Zeitschriften zur Zeit abgewiesen hat, hängt mit seiner literarischen Entwicklung zusammen.
Tucholsky hat seine literarische Tätigkeit mit einer kleinen Geschichte »Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte« begonnen, das im Jahre 1912 in Berlin erschienen ist und heute im 120. Tausend vorliegt. An Büchern hat er bis heute ferner erscheinen lassen:
»Der Zeitsparer«. 1913. Vergriffen
»Fromme Gesänge«. 1920. Vergriffen
»Träumereien an preußischen Kaminen«. 1920. Vergriffen
»Ein Pyrenäenbuch«. 1927. 11. Auflage
»Mit 5 PS«. 1925. 26. Auflage
»Das Lächeln der Mona Lisa«. 1928. 26. Auflage
»Deutschland, Deutschland über alles«. 1929. 50. Auflage
»Schloß Gripsholm. Eine Sommergeschichte«. 1931. 50. Auflage
»Lerne lachen ohne zu weinen«. 1931. 20. Auflage.
Das »Deutschland«-Buch ist im Neuen Deutschen Verlag in Berlin erschienen; »Rheinsberg« bei der Singer A. G. in Berlin – alle anderen Werke bei Ernst Rowohlt in Berlin.
Im Jahre 1913 hat Tucholsky seine feste Mitarbeit an der berliner Wochenschrift Die Weltbühne begonnen, die damals noch Die Schaubühne hieß; diese Mitarbeit erstreckte sich bis zum Jahre 1931. Dem im Jahre 1926 verstorbenen Herausgeber des Blattes, Siegfried Jacobsohn, verdankt Tucholsky alles, was er geworden ist. Nach dem Tode Jacobsohns hat er das Blatt kurze Zeit selber herausgegeben, um es dann seinem Gesinnungsfreunde Carl von Ossietzky abzutreten.
Tucholsky hat sich ferner als freier Mitarbeiter für den sozialdemokratischen Vorwärts in Berlin, für die sozialdemokratische Freiheit, den Simplicissimus und die Arbeiter-Illustrierte Zeitung betätigt; er hat gelegentlich im Verlage Ullstein am Uhu, an der Berliner Illustrirten Zeitung und an der Dame mitgearbeitet.
Neben der literarischen Arbeit hat sich Tucholsky vom Jahre 1913 bis zum Jahre 1930 Pazifist schärfster Richtung in Deutschland betätigt. Seine Betätigung in dieser Richtung bewegte sich im Rahmen der Gesetze – er ist nicht bestraft. Tucholsky hat in Deutschland und in Frankreich durch zahlreiche Vorträge für die deutschfranzösische Verständigung zu wirken versucht; er hat gegen die Kriegshetzerei gearbeitet, wo er nur konnte: mit feinen und leisen Mitteln in der Kunst und mit den gröbsten für die Massen. In diesem Kampfe ist es ihm um die Wirkung zu tun gewesen, und diese Wirkung ist bei Freund und Feind gleich stark gewesen. Da die öffentliche Meinung, wenn die Geschäfte nicht gut gehn, gern alles, was ihr nicht paßt, als »bolschewistisch« ansieht, so wurde Tucholsky mitunter als Kommunist bezeichnet. Das ist unrichtig: er war nach dem Kriege Mitglied der unabhängigen sozialdemokratischen Partei, und nach deren Verschmelzung mit der sozialdemokratischen Partei Mitglied der SPD. Andern Partein hat er nicht angehört.
Solange sich Tucholsky an Deutschland gebunden fühlte, hat er als Deutscher und in Deutschland das, was er dort für nicht gut hielt, kritisiert. Seine publizistische Tätigkeit hat im Jahre 1931, also lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, ihr vorläufiges Ende gefunden. Trotzdem wurde ihm zwei Jahre später die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Die Aberkennung erfolgte wegen der pazifistischen Tätigkeit Tucholskys; sie hat ihren Grund ferner in einem Angriff, den Tucholsky im Jahre 1931 in Versen gegen einen der Führer der Nationalsozialisten gerichtet hat. Die Aberkennung geschah unter Angriffen des deutschen Propagandaministeriums auf Tucholsky, die jedes Maß, das unter zivilisierten Menschen üblich ist, überschritten haben. Eine Antwort auf diese Angriffe ist von selten Tucholskys nicht erfolgt.
Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit beruft sich auf ein Reichsgesetz vom 14. Juli 1933. Tucholsky hat sich weder seit diesem Tage noch überhaupt zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten öffentlich geäußert. Die Aberkennung der Staatsangehörigkeit, die als Strafe gedacht ist, stellt also einen Rechtsbruch dar, einen Bruch des obersten Grundsatzes aller Strafjustiz: nulla poena sine lege.
Dr. Tucholsky ist im Begriff, seine schwedischen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Er hat den Wunsch, die schwedische Staatsangehörigkeit zu erwerben, falls dies zulässig ist.
Der Liebhaber: »Guten Tag, Lottchen – na, wie ist es denn –?«
Das Lottchen (hintereinanderweg): – »Guntach! Halt mal, warte mal … ich muß hier erst … wartest du schon lange? Wie? Was? Wie? Mach mir mal die Tür auf, wartest du schon lange? Wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Na, wie gefällt dir mein Auto, Lottchen II? Ja, da staunste, was? Beinah ganz abgestottert. Wartest du schon lange? Der soll man hier meinen Koffer … nein! Den nicht! Den! Sie! Wo gehn Sie denn damit – ach so … Nein, doch nicht! Die Düse ist hier in den Regenerator gerutscht, die ist da reinge… das verstehst du nicht, na, Gott behüte vor einem Mann, der nichts von Autos versteht! Daddy, geh mal weg, ich dreh bloß mal die Felge über die Nabe – Vorsicht doch! Vorsicht doch! Da hab ich doch mein Obst im Grammophon … ja da, natürlich im Hutkarton, wo sonst? Nicht in der Schachtel – da sind die Akten für Arturs Geschäft, ich denke an meinen Mann, das tust du nicht! Sach mal dem Mann, er soll mal dies hier nehm und da hintragen – Gott, ist das ein Ochse! … Wart mal, ich muß erst die Handbremse in die Kiste für die Zündung tun, da gehört sie hin. Das verstehst du eben nicht! Na, Daddy, das kannst du dir ja nicht denken – wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Wartest du schon lange? Daddy, das kannst du dir nicht denken, also, wie ich bei Wittenberge rechts in die Kurve gehe, da ist sone Kurve, da kommt von links, hastdunichtgesehn, ein Amerikaner angetobt, ich aber nichts wie den Volang rumgerissen, verstehste, Lottchen ist doch helle, und links, ja also links – wieso hast du aber wirklich … Daddy, jetzt sage mal auf Lottchen, wieso hast du dies Hötel genomm’? Ja, also links war eine Schafherde, paß doch mal auf, und Lottchen rin in die Schafherde. Der Hammel, der Hirt, nein, der nicht … aber vier wirkliche Hammel und dreiundachtzig Schafe hab ich … wieso bezahlt? Er mir vielleicht …! Der Mann kann sich … wo ist denn hier der Fahrstuhl? Ich hab auf der Bürgermeisterei gesacht, na, du kennst doch Lottchen! Lottchen hat gleich dem Gendarmen schöne Augen gemacht, verstehste, und da hat der Schafhirt noch einen mächtigen Anschnauzer bekommen, wegen seinen Hammeln, weil die frei rumgelaufen sind, und Lottchen durfte weiterfahren! Finnste das? Wo ist denn hier der Fahrstuhl? Was? Der funktioniert nicht? Daddy! Ich muß ja noch mal raus! Na, warte doch mal! Na, was denkst du dir denn? Ja, meinste, das Auto kann hier auf der Straße stehenbleiben? Nee, mein Lieber – Sie! Sie! Ham Sie denn hier keine Garage in der Hötelhalle … ich meine … na, ’n schönes Hötel – laß mich doch –, ich sage immer: Hötel, das ist feiner … na, ich versteh das ja nicht … also, Daddy – wo ist denn Ihre Garage? Was? Wie? Wie? Seh ich gar nicht ein – das hab ich gern: soziales Herz bei Lottchens Auto! Tragen Sie mal das Auto hier rüber, ich meine, und hier haben Sie … laß mich doch mal – ich geb ihm gar kein Geld, ich geb ihm bloß meinen kleinen Koffer, den kann er auf die andere Schulter nehmen – natürlich bezahlst du das! Na, ich vielleicht? Na, Daddy, hast du gedacht, ich wer das Auto mit aufs Zimmer nehmen? Na, nimm mirs nicht übel …! Sie –! Jetzt is er weg. Na, also komm rein. Nu steh hier nicht auf der Straße rum. Na, Lottchen hat ja unterwegs eine pikfeine Eroberung gemacht! Einen Argentinier, schlank, elegant, mit so schwarzen Augen, hat mir gleich seine Adresse gegeben, na, ich bin ja meinem Daddy treu – Daddy, die Garage kost nicht teuer, vier Mark den Tag, wie? Ist dir das zuviel? Der Fahrstuhl funktioniert nicht … Daddy, finnste das, daß der Fahrstuhl nicht funktioniert? Ist denn kein andrer Fahrstuhl – dazu komm ich extra aus Interlaken, um hier in Bremen die Treppen raufzu… Also, Daddy, das ist Quatsch, entweder ich reise als Dame, oder ich reise nicht als Dame, aber als Dame und dann nicht als Dame –? Ja, und der Argentinier, wie der nu gesehen hat, daß ich immer rein in die Hammelherde, da hat er … Daddy, wieso hast du denn dies Zimmer genommen und nicht zwei mit einem Bad in der Mitte, was? Legen Sie dahin! Daddy, bestell mal Kaffee für Lottchen, Lottchen hat so nen Durst – na, fahre du mal in einer Tour von Berlin bis Bremen, wo ist denn meine Seife? Hast du Kaffee bestellt? Hast du denn Lottchen auch noch lieb? Gib mir mal n Küßchen – aber n schönen dicken Bauch hast du dir in Belgien angefressen, kann man wohl sagen – hm … wo bleibt denn der mit dem Kaffee? Klingel mal! Der Direktor soll kommen, ich will mich beschweren! Daddy –! Jetzt hab ich vergessen, den Motor abzustellen! Frag mal, ob sie nicht n Chauffeur haben, der Motor muß sofort abgestellt werden, der läuft sonst die ganze Nacht, und mir hat der Mann gesagt, wenn nicht mehr genug Benzin im Öltank ist, dann – ach, hätt ich doch das Auto mit aufs Zimmer, nein, wär ich doch bei dem Auto geblieben! Daddy, wie lange hast du denn nu Zeit? Daddy, was sagst du denn nun, daß Lottchen wieder bei dir ist! Sag mal was! Du sagst ja gar nichts …«
Der Liebhaber (ersterbend): »Seid einig – einig – einig –!« (Er sinkt hintenüber.)
»Also sind das jetzt alle Schulden, die du hast?«
»Das sind alle.«
»Lottchen, daß du mir aber nicht hinterher mit neuen kommst – du weißt: Im vorigen Jahr, in Lugano, habe ich auch alles bezahlt, und wie ich fertig war …«
»Daddy, ich schwöre dir – diesmal habe ich wirklich alles gebeichtet! Meine Kassen sind überhaupt tadellos in Ordnung – also wirklich!«
»Gut. Also gib noch mal die Aufstellung her; ich will das mit deinen Kassenbüchern vergleichen … allmächtiger Gott, das sind deine Kassenbücher?«
»Na, was denn?«
»Diese traurigen Fetzen?«
»Selber trauriger Fetzen! Geh mal weg! Gib mal her – bring mir das nicht durcheinander – ich hab mir das so schön geordnet …! Soll ich vielleicht doppelte Buchführung machen mit Hauptbuch in Kaliko und so nem Quatsch … gib mal her!«
»Was ist denn das?«
»Das ist der Zettel von den Schulden, aber die hier gelten nicht, die sind schon bezahlt, nein, die sind noch nicht bezahlt, aber die haben Zeit. Die können warten! Kätchen kann warten.«
»Hat dir dein Freund Käte wieder Geld gegeben? Ich habe dir doch gesagt, du sollst die Frau nicht anpumpen. Ihr Mann ist Arzt und verdient … ja, ich weiß schon. Aber ich will das nicht. Wieviel?«
»Vierzig Mark.«
»Da steht doch aber fünfundsechzig Mark?«
»Ja … das heißt … das sind noch fünfundzwanzig Mark, die habe ich … die hat sie mir …«
»Also fünfundsechzig. Und was ist das? Hundertundzehn Mark?«
»Das ist für die Kinder. Schuhe und Strümpfe.«
»Also, weiß Gott: es sind ja nicht meine Kinder. Hundertundzehn. Teure Kinder hast du. Fünfundsechzig und hundertundzehn … so geht das überhaupt nicht. Gib mal her – jetzt werde ich mal eine neue Aufstellung machen! Also:
Kätchen … 65Kinder … 110Hankemann … 92
Ja, die hast du gebeichtet – ich weiß schon.
Louis Brest … ach so, die Bank, wieviel? Zweihundertundneun Mark? Sage mal, Lottchen, dir piekt es wohl?«
»Wieso? Das ist ein altes Debetkonto, das habe ich … Das verstehst du nicht – Herrgott, hör doch mal zu! Ich habe mir aus meiner Kleiderkasse im Mai, nein, im vorigen Oktober, fünfundvierzig Mark geborgt, bitte, ich geb sie mir zurück, ich kenn mich doch, mir kann man borgen; und die habe ich in die Kinderkasse getan, und weil in der Reisekasse noch neunundachtzig Mark wegen der Gasrechnung gefehlt haben, da habe ich eben die Miete vom nächsten Vierteljahr genommen – und auf diese Weise habe ich auf der Bank ein Debetkonto! Das ist doch lohrisch!«
»Ja, das ist sehr logisch. Aber davon hast du nichts gesagt. Ich will dich ja gern sanieren, das tue ich ja alle Jahre, dieses Großreinemachen – zweihundertundneun Mark Debet … sage mal, Lottchen, wer glaubst du eigentlich, wer ich bin?«
»Du bist ein alter Gnietschfritze! Hab dich doch nicht so wegen der zweihundert Mark! Überhaupt sind die nicht eilig! Die haben Zeit!«
»Und kosten Zinsen! Also weiter:
Louis Brest … 209«
»Was ist das?«
»Das ist das, wo ich dir neulich gesagt habe!«
»Davon hast du nichts gesagt!«
»Davon habe ich nichts gesagt? Das ist ja großartig! Ich habe nur nicht vierundfünfzig gesagt, damit du nicht so nen Schreck kriegst … ich habe nur einen Teil zugegeben.«
»Wieviel?«
»Drei Mark fünfzig. Das hat man davon, wenn man Rücksicht nimmt! Die gehören überhaupt in die Wirtschaftskasse. Die Schulden, das sind gar nicht meine Schulden … das schuldet die Wirtschaftskasse!«
»Wem?«
»Der Kleiderkasse. Nu weiter!«
»Also wovon ich alles bezahlen soll … ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.
Werßhofen … 54Postscheck … 28
– was heißt Postscheck achtundzwanzig …?«
»Gib mal her. Ich weiß nicht … Ach so! Das habe ich an Papa mit Postscheck zahlen wollen.«
»Hast dus denn gezahlt?«
»Nein. Papa war damals grade auf Reisen.«
»Wo ist das Geld?«
»Wo ist das Geld! Wo ist das Geld! Komische Fragen stellst du! Das Geld ist natürlich weg!«
»Wo ist es, will ich wissen!«
»Mein Gott, ich hab es an Neschke geschickt, wegen der Schuld.«
»Wegen welcher Schuld?«
»Na, ich … also ich schulde ihm noch achtundvierzig Mark, vom vorigen Jahr! Herrgott, ich kann nicht immer mit demselben Hut rumlaufen, man kommt sich ja schon rein dämlich vor! Alle Frauen haben einen neuen Hut, bloß ich nicht! Mach nicht son Gesicht – Neschke kann warten; den brauchst du nicht bezahlen!«
»Zu bezahlen!«
»Verbesser einen doch nicht immer! Das ist ja schlimmer wie ein Lehrer!«
»Als.«
»Wie?«
»Als. Schlimmer als ein Lehrer. Nach dem Komparativ …«
»Ist hier Grammatik, oder machen wir hier Kasse? Also weiter. Neschke wartet – er ist darin viel kulanter wie die Münchner.«
»Welche Münchner?«
»Ach … ich habe da auf der Reise … Daddy, du brauchst nicht gleich zu schreien, zu nach brauchen, ich war doch auf der Durchreise in München, und da habe ich so ein entzückendes Automäntelchen gesehn …«
»Mäntelchen ist schon faul. Wieviel?«
»…«
»Also wieviel?«
»Hundertundzwanzig. Aber ich trage es noch drei Jahre!«
»Diese Frau ist der Deckel zu meiner Urne. Ich vermag es fürder nicht. Fürder ist ein seltenes Wort, aber du bist auch selten. Sind das nun alle Schulden?«
»Das sind alle. Dann bloß noch die Apotheke und fünfzig Mark beim Doktor. Aber der kann wirklich warten. Du brauchst ihn nicht zu bezahlen! Ich will es nicht! Ich will es wirklich nicht! Den bezahl ich allein! Er kann warten! Wirklich!«
»O Popoi. Nein, das ist nicht unanständig; das ist Griechisch. Nun schreib mir das alles auf, und ich werde es in meine Brieftasche legen und es mir beschlafen. Großer Gott, du siehst es. Blick herunter! Schreib es so, daß man lesen kann! So, danke. Ich geh jetzt mal runter, Zigaretten kaufen – gib her! Lottchen, du bist eine teure Dame. Aber nun ist auch wirklich alles aufgeschrieben? Ja? Das ist alles? Das ist nun wirklich alles?«
»Das ist alles. Heiliges Ehrenwort. Das ist wirklich alles. Ich bin gar keine teure Dame – ich bin viel zu billig. Bei meinen Qualitäten! Auf Wiedersehn!«
»Auf Wiedersehn!«
(Das Lottchen): »Jetzt hab ich richtig vergessen, ihm die zweiundzwanzig Mark Bridgegeld anzusagen! Allmächtiger Braten! Ach was … ich buch sie in die Sportkasse –!«
»Es ist ein fremder Hauch auf mir? Was soll das heißen – es ist ein fremder Hauch auf mir? Auf mir ist kein fremder Hauch. Gib mal n Kuß auf Lottchen. In den ganzen vier Wochen, wo du in der Schweiz gewesen bist, hat mir keiner einen Kuß gegeben. Hier war nichts. Nein – hier war wirklich nichts! Was hast du gleich gemerkt? Du hast gar nichts gleich gemerkt … ach, Daddy! Ich bin dir so treu wie du mir. Nein, das heißt … also, ich bin dir wirklich treu! Du verliebst dich ja schon in jeden Refrain, wenn ein Frauenname drin vorkommt … ich bin dir treu – Gott sei Dank! Hier war nichts.
… Nur ein paarmal im Theater. Nein, billige Plätze – na, das eine Mal in der Loge … Woher weißt du denn das? Was? Wie? Wer hat dir das erzählt? Na ja, das waren Plätze … durch Beziehungen … Natürlich war ich da mit einem Mann. Na, soll ich vielleicht mit einer Krankenschwester ins Theater … lieber Daddy, das war ganz harmlos, vollkommen harmlos, mach doch hier nicht in Kamorra oder Mafia oder was sie da in Korsika machen. In Sizilien – meinetwegen, in Sizilien! Jedenfalls war das harmlos. Was haben sie dir denn erzählt? Was? Hier war nichts.
Das war … das ist … du kennst den Mann nicht. Na, das werd ich doch nicht machen – wenn ich schon mit einem andern Mann ins Theater gehe, dann geh ich doch nicht mit einem Mann, den du kennst. Bitte: ich hab dich noch nie kompromittiert. Männer sind doch so dußlig, die nehmen einem das übel, wenn man schon was macht, daß es dann ein Berufskollege ist. Und wenn es kein Berufskollege ist, dann heißt es gleich: Fräulein Julie! Man hats wirklich nicht leicht! Also du kennst den Mann nicht! Du kennst ihn nicht. Ja – er kennt dich. Na, sei doch froh, daß dich so viele Leute kennen – biste doch berühmt. Das war jedenfalls ganz harmlos. Total. Nachher waren wir noch essen. Aber sonst war nichts.
Nichts. Nichts war. Der Mann … der Mann ist eben – ich hab ihn auch im Auto mitgenommen, weil er so nett neben einem im Auto sitzt, eine glänzende Begleitdogge – so, hat das die Reventlow auch gesagt? Na, ich nenne das auch so. Aber nur als Begleitdogge. Der Mann sah glänzend aus. Doch, das ist wahr. Einen wunderbaren Mund, so einen harten Mund – gib mal n Kuß auf Lottchen, er war dumm. Es war nichts.
Direkt dumm war er eigentlich nicht. Das ist ja … ich habe mich gar nicht in ihn verliebt; du weißt ganz genau, daß ich mich bloß verliebe, wenn du dabei bist – damit du auch eine Freude hast! Ein netter Mann … aber ich will ja die Kerls gar nicht mehr. Ich nicht. Ich will das überhaupt alles nicht mehr. Daddy, so nett hat er ja gar nicht ausgesehn. Außerdem küßte er gut. Na so – es war jedenfalls weiter nichts.
Sag mal, was glaubst du eigentlich von mir? Glaubst du vielleicht von mir, was ich von dir glaube? Du – das verbitt ich mir! Ich bin treu. Daddy, der Mann … das war doch nur so eine Art Laune. Na ja, erst läßt du einen hier allein, und dann schreibst du nicht richtig, und telephoniert hast du auch bloß einmal – und wenn eine Frau allein ist, dann ist sie viel alleiner als ihr Männer. Ich brauche gewiß keinen Mann … ich nicht. Den hab ich auch nicht gebraucht; das soll er sich bloß nicht einbilden! Ich dachte nur: I, dachte ich – wie ich ihn gesehn habe … Ich habe schon das erstemal gewußt, wie ich ihn gesehn habe – aber es war ja nichts.
Nach dem Theater. Dann noch zwei Wochen lang. Nein. Ja. Nur Rosen und zweimal Konfekt und den kleinen Löwen aus Speckstein. Nein. Ich ihm meinen Hausschlüssel? Bist wohl …! Ich hab ihm meinen Hausschlüssel doch nicht gegeben! Ich werde doch einem fremden Mann meinen Hausschlüssel nicht geben …! Da bring ich ihn lieber runter. Daddy, ich habe ja für den Mann gar nichts empfunden – und er für mich auch nicht –, das weißt du doch. Weil er eben solch einen harten Mund hatte – und ganz schmale Lippen. Weil er früher Seemann war. Was? Auf dem Wannsee? Der Mann ist zur See gefahren … auf einem riesigen Schiff, ich habe den Namen vergessen, und er kann alle Kommandos, und er hat einen harten Mund. Ganz schmale Lippen. Mensch, der erzählt ja nicht. Küßt aber gut. Daddy, wenn ich mich nicht so runter gefühlt hätte, dann wäre das auch gar nicht passiert … Es ist ja auch eigentlich nichts passiert – das zählt doch nicht. Was? In der Stadt. Nein, nicht bei ihm; wir haben zusammen in der Stadt gegessen. Er hat bezahlt – na, hast du das gesehn! Soll ich vielleicht meine Bekanntschaften finanzieren … na, das ist doch …! Es war überhaupt nichts.
Tätowiert! Der Mann ist doch nicht tätowiert! Der Mann hat eine ganz reine Haut, er hat … Keine Details? Keine Details! Entweder soll ich erzählen, oder ich soll nicht erzählen. Von mir wirst du über den Mann kein Wort hören.
Daddy, hör doch – wenn er nicht Seemannsmaat gewesen wäre oder wie das heißt … Und ich wer dir überhaupt was sagen:
Erstens war überhaupt nichts, und zweitens kennst du den Mann nicht, und drittens weil er Seemann war, und ich hab ihm gar nichts geschenkt, und überhaupt, wie Paul Graetz immer sagt:
Kaum hat man mal, dann ist man gleich – Daddy! Daddy! Laß mal … was ist das hier? Was? Wie? Was ist das für ein Bild? Was ist das für eine Person? Wie? Was? Wo hast du die kennengelernt? Wie? In Luzern? Was? Hast du mit der Frau Ausflüge gemacht? In der Schweiz machen sie immer Ausflüge. Erzähl mir doch nichts … Was? Da war nichts?
Das ist ganz was andres. Na ja, mir gefällt schon manchmal ein Mann. Aber ihr –?
Ihr werft euch eben weg!«
»Gar nichts. Ich habe gar nichts. Ich? Nichts. Nein …
Frag nicht so dumm – man kann ja auch mal nicht guter Laune sein, kann man doch, wie? Ich habe gar nichts.
Nichts. Ach, laß mich. Na, ich denke eben nach. Meinst du, bloß ihr Männer denkt nach? Ich denke nach. Nein, kein Geld – meine Rechnungen sind alle bezahlt. Alle! Ich habe keinen Pfennig Schulden. Was? Keinen Pfennig. Bloß die Apotheke und das Aquarium, das ich mir neulich gekauft habe, und die Schneiderin und bei Kätchen. Sonst nichts. Na ja, und die fünfzig Mark bei Vopelius. Nein, wegen dem Geld ist es auch nicht. Wegen des Geldes! Was du bloß immer mit der Grammatik hast – die Hauptsache ist doch, daß ich Geld habe. Ich habe aber keins.
Ach, der Kerl, der … Na, nichts. Na, dieser Kerl. Der Seemann, von dem ich dir neulich erzählt habe. Er war doch ein bißchen tätowiert wie ein Seemann und sah aus wie ein holsteinischer Bauernjunge. Nein, ich war nie in Holstein – ich denk mir das so. Was mit dem ist? Ach, laß mich.
Natürlich, doch, ja! Seemann ist er. Nein, er war nicht mehr hier. Ich dachte immer, er würde mal kommen. Wieso? Wieso! Weil er mich angepumpt hat! Wieso ist das die Höhe? Das ist gar keine Höhe! Ich pump dich doch auch manchmal an. Aber ich sag wenigstens nicht, daß ichs dir wiedergebe! Nein, nicht viel. Ist ja egal. Ach … ich weine gar nicht. Viel nicht. Einmal fünfzig Mark und einmal achtundsechzig. Na und –?
Na und? Ich hab doch gedacht, er wär zwei Jahre auf See gefahren. Das hat er mir erzählt. Bitte, meine Freunde lügen nicht … wenn die was erzählen, dann ist es wahr, meistens ist es sogar wahr. Die lügen eben nicht alle wie du neulich mit Micky. Hast du die Person wiedergesehn?
Er war gar nicht auf See. Auf dem Land natürlich. Ach, laß mich.
Na, er hat eben gesessen.
Anderthalb Jahre. Ich weiß nicht warum. Wo? Das ist doch egal. In Plötzensee.
Ich weiß nicht, weswegen – laß mich in Ruhe. Es hat mir einer erzählt. Da war ein Mann, der holt sich hier immer alte Kindersachen ab, die geb ich ihm, und er hat für einen Freund gebeten, den haben sie grade entlassen, und da sind wir ins Gespräch gekommen, und da hat er auf einmal den Namen von dem gesagt, von dem Seemann. Und da ist es rausgekommen. Die kannten sich alle zusammen. Anderthalb Jahre. Mir hat er gesagt, er war in Bali. Und dabei war er in Plötzensee.
Ich weiß nicht, warum – laß mich in Frieden! Darauf kommt es auch gar nicht an! Mein Geld …? Ich war gleich auf der Kriminalpolizei. Du, da war aber so ein netter Mann, der mich da empfangen hat, den habe ich gefragt. Ich habs ihm alles erzählt. Sah sehr gut aus, der Mann – ein Kriminalrat oder so. Wie ich rausgehn will, sagt er zu mir: Frau Laßmann, sagt er, Sie haben zu schöne Augen! Das Weiße da drin: ganz blau! Hat er gesagt! Und dann war ich noch mal da, und da hat er mir Gedichte vorgelesen, der Mann macht nämlich Gedichte. Na, meinste, du machst bloß alleine Gedichte?
Sollen sie sich vielleicht vorne reimen – natürlich haben sie sich hinten gereimt! Sehr schöne Gedichte. Und er hat gesagt: Das ist ja glatter Betrug! Glatter Betrug ist das! Vorspiegelung falscher Tatsachen, sagt er. Und er wird dahinterhaken. Und dann hat er mir noch ein Gedicht vorgelesen. Ob ich so zu meinem Geld komme? Daddy, ich werd dir mal was sagen:
Mein Geld will ich gar nicht wiederhaben! Der Kerl ist bei mir gestrichen. Ich, mit einem Seemann? Nie wieder. Ist das eigentlich ein höherer Beamter, ein Kriminalrat?
Und hier ist noch eine Rechnung, die kannst du auch bezahlen. Warum sagst du ahoi? Und ich werde dir mal sagen, woher das alles kommt:
Ich habe viel zuwenig Geld, und viel zuviel Herz. Und bei dir ist es eben umgekehrt. Ahoi –!«
»Setz dich nicht auf meine Tasche. Laß mich mal dahin. Ist das noch Wochenschau? Was? Wie? Das ist noch Wochenschau, was? Also wie ich dir sage: ich würde die Möbel nicht in Holland kaufen. Du kennst das da nicht so, guck mal! ne Feuerwehr! – Und überhaupt: hier in Berlin hab ich meine Quellen, mein Freund Käte sagt auch … Wieso? Ich sage: mein Freund Käte – die ist wien Mann. Sag ich dir. Bloß viel netter.
Guck mal: noch ne Feuerwehr. Warum sind in den Wochenschaun soviel Feuerwehren? Was? Und was kostet überhaupt son Möbeltransport … ich hab mich erkundigt, was das macht, wart mal … ich hab mir das aufgeschrieben. … So! Jetzt ist mein Notizbuch runtergefallen, heb doch mal auf!
Na, laß mich mal … geh mal weg … geh doch mal weg! Aua! … Ich komm ja gar nicht wieder hoch – war hier was inzwischen? Nee – was? Das is ja Zimt, was die da spielen, unter uns gesagt … ich hab mir das aufgeschrieben: vierzehn Pfennig pro … jetzt weiß ich nicht mehr, ob es pro Kilo oder pro Zentner war … aber jedenfalls waren es vierzehn Pfennig.
Das ist doch kein Geld, was? Wie? Wenn du so lang wärst, wie du dumm bist, könntst du aus der Dachrinne saufen. Jetzt wirds hell.
Nettes Kino, was? Warum haben sie das so blau gestrichen? Du, die Käte hat sich ein himmlisches Schlafzimmer machen lassen, auch so blau – na, n bißchen heller als das da und weißer Schleiflack, wunderbar! Kaufst du mir so was? Nein. Siehst du, solchen Pelz will Lottchen haben, so, wie die da hat – nicht die, du Ochse, die kleine Dicke! Na, sie kann ihn nicht tragen – aber solchen Pelz.
Nu wirds dunkel … kaum, daß man mal was lesen will, wirds dunkel. Daddy, ist das der große Film, von dem sie soviel geschrieben haben? Ja? Is er das? Sei mal ruhig, ich muß mal lesen, wer alles mitspielt. Sei jetzt still, ich muß lesen … Pudowkin – kennst du Pudowkin? Wahrscheinlich ein Russe – was?
Du, bei Lützows haben sie jetzt ein russisches Dienstmädchen, die kann kein Wort Deutsch, nur n bißchen Französisch. Komisch, was? Jetzt gehts los. Das kann ich dir sagen: wenn meine Tante mir noch einmal so einen frechen Brief schreibt … weißt du, ich gönn ja keinem Menschen was Böses, aber willst du mir vielleicht sagen, wozu so was auf der Welt … Hübsche Person.
Du, der Film kann aber nicht neu sein, son Hut trägt kein Mensch mehr! War auch gar nicht kleidsam – Lottchen hat nie sonen Hut getragen. Daddy, du mußt mir unbedingt noch eine Tasche kaufen; die du mir fürn Abend gekauft hast, ist ja sehr hübsch … aber nun habe ich für den Tag gar nichts. Nein, die brauche ich fürs Auto. Die blaue? Die ist für den Nachmittag, für den Vormittag fehlt mir eine!
Für die Stadt! Das verstehst du nicht. Na, ich wers dir sagen: also ich hab mir heute eine gekauft. Du kaufst mir ja doch keine. Das Geld darfst du mir zurückgeben. Na, laß man. Ich sag immer: Lieber arm und reich, als jung und alt. Was steht da –?
AUF MÄNNER, DIE LIEBENKANN MAN NICHT BAUEN.
Sag ich doch immer. Daddy, vorgestern abend war ich mit Spannagel zusammen. Er sah ganz gut aus.
Quatsch – mit dem Mann will ich doch gar nichts mehr zu tun haben; du stellst dich auch an – nur, weil ich mit ihm mal verheiratet war –! Er hat übrigens erzählt, er geht nächstens nach China, er will da den Bürgerkrieg studieren. Sehr interessant, ich hab ihm gesagt, er soll man vorsichtig sein; ich finde, wenn einer in den Krieg geht, muß er vorsichtig sein.
Du, das ist mein Typ. Sei mal still … stör einen doch nicht immer, wenn man sich einen Film ansehen will! Du, das ist mein Typ! Sieht beinah aus wie Tilden. Wunderbare Figur, was? Der hat keinen Bauch, wunderbare Figur. Schade, nu is er weg.
Daddy, mit dem Reichsentschädigungsamt hab ich mir das also folgendermaßen ausgedacht: Wenn die die achtzehn Prozent für die Kriegsguthaben bewilligen, zuzüglich der Nachtragsrente für Kinder, verstehst du?, und wenn der Anwalt dann noch durchdrückt, daß die zweite Entschädigungsrate von der ersten so abgezogen wird, daß die Umrechnungsquote bei der Reichsanleihe raufgesetzt wird –: dann kann ich den Ring auslösen!
Du löst ihn mir ja nicht aus. Sage selbst – löst du ihn aus? Du sollst ihn auch gar nicht auslösen. Ich meine bloß so. Aber du löst ihn nicht aus. Guck mal, wo haben sie das aufgenommen? Wahrscheinlich in Frankreich, was? Der Anwalt hat aber gesagt, er kann nicht garantieren, daß der Prozeß noch dieses Jahr zu Ende ist – ich hab ihm gesagt, Peter ist heute zehn Jahre, bis zu seiner Volljährigkeit wart ich noch, aber dann hat meine Geduld ein …
Du lachst! Ich bin eine alleinstehende Frau und muß mir alles allein machen! Na, alles nicht, Ferkel. Hat Karlchen geschrieben? Nicht? Was? Hat er nicht geschrieben? Ich werde ihm mal schreiben: ob er vielleicht seine Bräute so behandelt, wie du mich behandelst.
Karlchen ist eben ein Kavalier. Nein, auch von vorn … laß mir meinen Karlchen! Jakopp ist aber auch sehr nett – überhaupt, ich will dir mal was sagen … wenn deine Freunde … Allmächtiger, was kullert die mit den Augen! Du himmlischer Braten! Warum tut sie denn das? Was? Na, erklär mir das doch mal – wozu gehe ich denn mit einem Mann ins Kino!
Sssst! Was die Leute bloß immer reden, wenn sie im Kino sind! Man versteht ja gar nichts …! Du, warum hat die denn so mit den Augen gekullert, was? Die findest du nett? Na, dein Geschmack … Ich frage mich wirklich manchmal, was du eigentlich an mir hast … Na, ich bin ja dein Irrtum. Das ist mal sicher. Blond bin ich nicht, schöne Beine habe ich auch nicht, sagst du immer – bitte, ich hab sehr gute Beine!
So schöne, wie deine Putti noch allemal! Von Dickchen gar nicht zu reden. Und Musch? Hat Musch vielleicht schöne Beine? Spitze Schuhe hat sie; kein Mensch trägt mehr … Daddy, hast du zu Hause das Licht ausgemacht? Na, denn ist gut. Was steht da?
TRETEN SIE ZURÜCK – NUR ÜBER UNSERE DREILEICHEN GEHT DER WEG!
Daddy, dabei fällt mir ein, ich muß mir mal von der Käte das Rezept für die Rohkostsuppe aufschreiben lassen – wir haben sie neulich bei Mühlbergs gegessen, wunderbar, ganz schwer, wie Krebssuppe also, das hat einen ausgesprochnen Krebsgeschmack, ist aber ganz vegetarisch … Hast du das gesehn? Hast du das gesehn? Wie die das Pferd rumgerissen hat? Doll. Was? Was spielen die da? Krenek? Mag ich gar nicht. Magst du das? Ich war voriges Jahr da mit Hornemann … du, der Hornemann ist jetzt nach Südamerika gegangen … Er schreibt, da tragen die Frauen alle wundervolle Waschseide.
Daddy, du könntest mir eigentlich mal – nein, kauf mir lieber eine Brücke für die Wohnung, weißt du, so eine echte Perserbrücke. Na, Daddy, du kannst nicht sagen, daß ich dich mit Wünschen belästige. Ich möchte mal sehn, was du andern Frauen schenkst … Natürlich kriege ich die Wohnung. Das heißt: der Wirt legt noch Berufung ein, weil wir doch Kette tauschen; also Willachs in der Augsburger Straße geben ihre Wohnung gegen einen Abstand an Bernhardt, und Bernhardt tauscht mit Willer, wenn Marie einverstanden ist, heißt das, sie ist aber nicht einverstanden, weil sie sich scheiden lassen will, sie ist jetzt mit Bromberg, sie wird sich aber nicht scheiden lassen, da wäre sie ja schön dumm, und wenn ich nun mit Josenstein über Hippels weg tausche und der Wirt vorher stirbt und wenn Romel seine Wohnung an mich abgibt –: dann kriege ich die Wohnung.
Laß man: der liebe Gott wird Lottchen schon nicht verlassen. Ich kenne den Mann. Was? Wie? Es ist komisch: Männer verstehn nie, was man ihnen erklärt – Männer verstehn überhaupt …
Aus. Schon aus? Das war alles? Ja, wahrhaftig: die Leute stehen schon auf. Daddy, jetzt sag mir aber mal eins – das hab ich nicht kapiert:
Warum heißt der Film: Die Jungfrau von Orleans –?«
1930
Eine Sommergeschichte
Für IA 47 407
Wir können auch die Trompete blasenund schmettern weithin durch das Land;doch schreiten wir lieber in Maientagen,wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen,still sinnend an des Baches Rand.
Storm
Tucholsky wollte seine damalige Liaison mit Lisa Matthias nicht publik machen, daher widmete er die Geschichte nicht ihr, sondern ihrem Auto. Der Leser beachte das Nummernschild.
1
Ernst Rowohlt VerlagBerlin W 50Passauer Straße 8/9
8. Juni
Lieber Herr Tucholsky,
schönen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir haben Ihren Wunsch notiert. Für heute etwas andres.
Wie Sie wissen, habe ich in der letzten Zeit allerhand politische Bücher verlegt, mit denen Sie sich ja hinlänglich beschäftigt haben. Nun möchte ich doch aber wieder einmal die »schöne Literatur« pflegen. Haben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit einer kleinen Liebesgeschichte? Überlegen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teuer werden, und ich drucke Ihnen für den Anfang zehntausend Stück. Die befreundeten Sortimenter sagen mir jedesmal auf meinen Reisen, wie gern die Leute so etwas lesen. Wie ist es damit?
Sie haben bei uns noch 46 RM gut – wohin sollen wir Ihnen die überweisen?
Mit den besten GrüßenIhr(Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt
10. Juni
Lieber Herr Rowohlt,
Dank für Ihren Brief vom 8. 6.
Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch? Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte.
Die Sache ist nicht leicht. Sie wissen, wie sehr es mir widerstrebt, die Öffentlichkeit mit meinem persönlichen Kram zu behelligen – das fällt also fort. Außerdem betrüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und erlebe daher nichts Romantisches. Und soll ich mir die Geschichte vielleicht ausdenken? Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein. Unsereinem …
Schreibe ich den Leuten nicht ihren Wunschtraum (»Die Gräfin raffte ihre Silber-Robe, würdigte den Grafen keines Blickes und fiel die Schloßtreppe hinunter«), dann bleibt nur noch das Propplem über die Ehe als Zimmer-Gymnastik, die »menschliche Einstellung« und all das Zeug, das wir nicht mögen. Woher nehmen und nicht bei Villon stehlen?
Da wir grade von Lyrik sprechen:
Wie kommt es, daß Sie in § 9 unseres Verlagsvertrages 15 % honorarfreie Exemplare berechnen. Soviel Rezensionsexemplare schicken Sie doch niemals in die Welt hinaus! So jagen Sie den sauren Schweiß Ihrer Autoren durch die Gurgel – kein Wunder, daß Sie auf Samt saufen, während unsereiner auf harten Bänken dünnes Bier schluckt. Aber so ist alles.
Daß Sie mir gut sind, wußte ich. Daß Sie mir für 46 RM gut sind, erfreut mein Herz. Bitte wie gewöhnlich an die alte Adresse. Übrigens fahre ich nächste Woche in Urlaub.
Mit vielen schönen GrüßenIhrTucholsky
Ernst Rowohlt VerlagBerlin W 50Passauer Straße 8/9
12. Juni
Lieber Herr Tucholsky,
vielen Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.
Die 15 % honorarfreie Exemplare sind – also das können Sie mir wirklich glauben – meine einzige Verdienstmöglichkeit. Lieber Herr Tucholsky, wenn Sie unsere Bilanz sähen, dann wüßten Sie, daß es ein armer Verleger gar nicht leicht hat. Ohne die 15 % könnte ich überhaupt nicht existieren und würde glatt verhungern. Das werden Sie doch nicht wollen.
Die Sommergeschichte sollten Sie sich durch den Kopf gehen lassen.
Die Leute wollen neben der Politik und dem Aktuellen etwas haben, was sie ihrer Freundin schenken können. Sie glauben gar nicht, wie das fehlt. Ich denke an eine kleine Geschichte, nicht zu umfangreich, etwa 15–16 Bogen, zart im Gefühl, kartoniert, leicht ironisch und mit einem bunten Umschlag. Der Inhalt kann so frei sein, wie Sie wollen.
Ich würde Ihnen vielleicht insofern entgegenkommen, daß ich die honorarfreien Exemplare auf 14 % heruntersetze.
Wie gefällt Ihnen unser neuer Verlagskatalog? Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Urlaub und bin mit vielen Grüßen
Ihr(Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt
15. Juni
Lieber Meister Rowohlt,
auf dem neuen Verlagskatalog hat Sie Gulbransson ganz richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 % honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug – 12 sind auch ganz schön. Denken Sie mal ein bißchen darüber nach und geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12 %.
Ich schreibe diesen Brief schon mit einem Fuß in der Bahn. In einer Stunde fahre ich ab – nach Schweden. Ich will in diesem Urlaub überhaupt nicht arbeiten, sondern ich möchte in die Bäume gucken und mich mal richtig ausruhn.
Wenn ich zurückkomme, wollen wir den Fall noch einmal bebrüten. Nun aber schwenke ich meinen Hut, grüße Sie recht herzlich und wünsche Ihnen einen guten Sommer! Und vergessen Sie nicht: 12 %!
Mit vielen schönen GrüßenIhr getreuerTucholsky
Unterschrieben – zugeklebt – frankiert – es war genau acht Uhr zehn Minuten. Um neun Uhr zwanzig ging der Zug von Berlin nach Kopenhagen. Und nun wollten wir ja wohl die Prinzessin abholen.
2
Sie hatte eine Altstimme und hieß Lydia.
Karlchen und Jakopp aber nannten jede Frau, mit der einer von uns dreien zu tun hatte, »die Prinzessin«, um den betreffenden Prinzgemahl zu ehren – und dies war nun also die Prinzessin; aber keine andre durfte je mehr so genannt werden.
Sie war keine Prinzessin.
Sie war etwas, was alle Schattierungen umfaßt, die nur möglich sind: sie war Sekretärin. Sie war Sekretärin bei einem unförmig dicken Patron; ich hatte ihn einmal gesehn und fand ihn scheußlich, und zwischen ihm und Lydia … nein! Das kommt beinah nur in Romanen vor. Zwischen ihm und Lydia bestand jenes merkwürdige Verhältnis von Zuneigung, nervöser Duldung und Vertrauen auf der einen Seite und Zuneigung, Abneigung und duldender Nervosität auf der andern: sie war seine Sekretärin. Der Mann führte den Titel eines Generalkonsuls und handelte ansonsten mit Seifen. Immer lagen da Pakete im Büro herum, und so hatte der Dicke wenigstens eine Ausrede, wenn seine Hände fettig waren.
Der Generalkonsul hatte ihr in einer Anwandlung fürstlicher Freigebigkeit fünf Wochen Urlaub gewährt; er fuhr nach Abbazia. Gestern abend war er abgefahren – werde ihm der Schlafwagen leicht! Im Büro saßen sein Schwager und für Lydia eine Stellvertreterin. Was gingen mich denn seine Seifen an – Lydia ging mich an.
Da stand sie schon mit den Koffern vor ihrem Haus – »Hallo!«
»Du bischa all do?« sagte die Prinzessin – zur grenzenlosen Verwunderung des Taxichauffeurs, der dieses für Ostchinesisch hielt. Es war aber Missingsch.
Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück. Lydia stammte aus Rostock, und sie beherrschte dieses Idiom in der Vollendung. Es ist kein bäurisches Platt – es ist viel feiner. Das Hochdeutsch darin nimmt sich aus wie Hohn und Karikatur; es ist, wie wenn ein Bauer in Frack und Zylinder aufs Feld ginge und so ackerte. Der Zylinder ischa en finen statschen Haut, över wen dor nich mit grot worn is, denn rutscht hei ümmer werrer aff, dat deit he … Und dann ist da im Platt der ganze Humor dieser Norddeutschen; ihr gutmütiger Spott, wenn es einer gar zu toll treibt, ihr fest zupackender Spaß, wenn sie falschen Glanz wittern, und sie wittern ihn, unfehlbar … diese Sprache konnte Lydia bei Gelegenheit sprechen. Hier war eine Gelegenheit.
»Kann mir gahnich gienug wunnern, dasse den Zeit nich verschlafen hass!« sagte sie und ging mit festen, ruhigen Bewegungen daran, mir und dem Chauffeur zu helfen. Wir packten auf. »Hier, nimm den Dackel!« – Der Dackel war eine fette, bis zur Albernheit lang gezogene Handtasche. Und so pünktlich war sie! Auf ihren Nasenflügeln lag ein Hauch von Puder. Wir fuhren.
»Frau Kremser hat gesagt«, begann Lydia, »ich soll mir meinen Pelz mitnehmen und viele warme Mäntel – denn in Schweden gibt es überhaupt keinen Sommer, hat Frau Kremser gesagt. Da wär immer Winter. Ische woll nich möchlich!« Frau Kremser war die Haushälterin der Prinzessin, Stubenmädchen, Reinmachefrau und Großsiegelbewahrerin. Gegen mich hatte sie noch immer, nach so langer Zeit, ein leise schnüffelndes Mißtrauen – die Frau hatte einen guten Instinkt. »Sag mal … ist es wirklich so kalt da oben?«
»Es ist doch merkwürdig«, sagte ich. »Wenn die Leute in Deutschland an Schweden denken, dann denken sie: Schwedenpunsch, furchtbar kalt, Ivar Kreuger, Zündhölzer, furchtbar kalt, blonde Frauen und furchtbar kalt. So kalt ist es gar nicht.« – »Also wie kalt ist es denn?« – »Alle Frauen sind pedantisch«, sagte ich. – »Außer dir!« sagte Lydia. – »Ich bin keine Frau.« – »Aber pedantisch!« – »Erlaube mal«, sagte ich, »hier liegt ein logischer Fehler vor. Es ist genauestens zu unterscheiden, ob pro primo …« – »Gib mal’n Kuß auf Lydia!« sagte die Dame. Ich tat es, und der Chauffeur nuckelte leicht mit dem Kopf, denn seine Scheibe vorn spiegelte. Und dann hielt das Auto da, wo alle bessern Geschichten anfangen: am Bahnhof.
3
Es ergab sich, daß der Gepäckträger Nr. 47 aus Warnemünde stammte, und der Freude und des Geredes war kein Ende, bis ich diese landsmännische Idylle, der Zeit wegen, unterbrach. »Fährt der Gepäckträger mit? Dann könnt ihr euch ja vielleicht im Zug weiter unterhalten.« – »Olln Döskopp! Heww di man nich so!« sagte die Prinzessin. Und: »Wi hemm noch bannig Tid!« der Gepäckträger. Da schwieg ich überstimmt, und die beiden begannen ein emsiges Palaver darüber, ob Korl Düsig noch am »Strom« wohnte – wissen Sie: Düsig – näää … de Olsch! So, Gott sei Dank, er wohnte noch da! Und hatte wiederum ein Kind hergestellt: der Mann war achtundsiebzig Jahre und wurde von mir, hier an der Gepäckausgabe, außerordentlich beneidet. Es war sein sechzehntes Kind. Aber nun waren es nur noch acht Minuten bis zum Abgang des Zuges, und … »Willst du Zeitungen haben, Lydia?« – Nein, sie wollte keine. Sie hatte sich etwas zum Lesen mitgebracht – wir unterlagen beide nicht dieser merkwürdigen Krankheit, plötzlich auf den Bahnhöfen zwei Pfund bedrucktes Papier zu kaufen, von dem man vorher ziemlich genau weiß: Makulatur. Also kauften wir Zeitungen.
Und dann fuhren wir – allein im Abteil – über Kopenhagen nach Schweden. Vorläufig waren wir noch in der Mark Brandenburg.
»Finnste die Gegend hier, Peter?« sagte die Prinzessin. Wir hatten uns unter anderm auf Peter geeinigt – Gott weiß, warum.
Die Gegend? Es war ein heller, windiger Junitag – recht frisch, und diese Landschaft sah gut aufgeräumt und gereinigt aus – sie wartete auf den Sommer und sagte: Ich bin karg. »Ja …«, sagte ich. »Die Gegend …« – »Du könntest für mein Geld wirklich etwas Gescheiteres von dir geben«, sagte sie. »Zum Beispiel: diese Landschaft ist wie erstarrte Dichtkunst, oder sie erinnert mich an Fiume, nur ist da die Flora katholischer – oder so.« – »Ich bin nicht aus Wien«, sagte ich. »Gott sei Dank«, sagte sie. Und wir fuhren.
Die Prinzessin schlief. Ich denkelte so vor mich hin.
Die Prinzessin behauptete, ich sagte zu jeder von mir geliebten Frau, aber auch zu jeder –: »Wie schön, daß du da bist!« Das war eine pfundsdicke Lüge – manchmal sagte oder dachte ich doch auch: »Wie schön, daß du da bist … und nicht hier!« – aber wenn ich die Lydia so neben mir sitzen sah, da sagte ich es nun wirklich. Warum –?
Natürlich deswegen. In erster Linie …? Ich weiß das nicht. Wir wußten nur dieses: Eines der tiefsten Worte der deutschen Sprache sagt von zwei Leuten, daß sie sich nicht riechen können. Wir konnten es, und das ist, wenn es anhält, schon sehr viel. Sie war mir alles in einem: Geliebte, komische Oper, Mutter und Freund. Was ich ihr war, habe ich nie ergründen können.