Kurz und knapp - Detlef Brettschneider - E-Book

Kurz und knapp E-Book

Detlef Brettschneider

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Beschreibung

Dies ist nun schon das vierte Buch mit Kurzgeschichten, welches der Verfasser seinen geneigten Lesern vorlegt. Eigentlich sollte es nie geschrieben werden, weil sich der Autor lieber anderen Dingen zuwenden wollte. Aber dann kam COVID-19 mit seiner Pandemie und den zugehörigen Beschränkungen. Deshalb hat der Schreiber aus lauter Langeweile einfach weitergeschrieben. Genau wie in den vorangegangenen Büchern, verarbeitet auch diesmal die Fantasie des Verfassers wieder die unterschiedlichsten Themen. Ob Aliens, fiktive Kriminalfälle, Liebe, eine neue Sicht auf Märchen oder einfach nur philosophische Betrachtungen, all das ist in diesem Buch zu finden.

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Seitenzahl: 301

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Inhaltsverzeichnis

Ich muss mal was erklären

Der Wetterballon

Großreinemachen

Die Königstochter

Der Glaube meines Vaters

Angeschossen

Ei mit Curry

Max und Grit

Psychotherapie

Die Hellseherin

Der Zaubertrick

Eric Blumenthal

Kidnapping

Der Planet hinter dem Wurmloch

Der Versicherungsvertreter

Zufall und Wahrscheinlichkeit

Des Kommissars Beinbruch

Hast du Bier mitgebracht?

Es geht um Geld

Mittelhochdeutsch

Das Testament

Das Märchen vom Böckchen

50. Geburtstag

Die Beschaffer

Kabale und eventuell Liebe

Dark matter

Neue Computer

Zwei Steinpilze

Wein oder nicht Wein

Die Blauen

Loch im Kopf

Hendrik, Doris und Phillip

Tochter Carla

Die Bugs

Nico

Sven vs. Eintopf

Euphemismus

Verdacht

Wo bin ich hier überhaupt?

Bunte Briefe

Ätsch!

Über den Autor

Ich muss mal was erklären

Das ist nun schon das vierte Buch mit Kurzgeschichten, welches ich den Freunden der ‚Short Stories‘ vorlege. Geplant waren eigentlich nur drei. Nach den Buchtiteln „Ein paar Kurze“, „Nur kurz“ und „Dreimal kurz“ habe ich diesmal den Titel „Kurz und knapp“ gewählt. Allerdings wird dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dass sich garantiert in allen Büchern kleine Fehler eingeschlichen haben. Damit meine ich nicht die persönliche Auslegung der Grammatik. Sicher weiß ich, dass ein Hauptsatz mindestens aus Subjekt und Prädikat besteht. Trotzdem verwende ich sogenannte Einwortsätze. Außerdem zerhacke ich manche Satzgebilde mit Kommata, wo es eigentlich gar nicht nötig wäre. Das mache ich, damit beim Lesen im Kopf ein gewisser Klang entsteht. Was ich natürlich nicht wollte, und wofür ich mich auch schäme, das sind kleine Schussel-Fehler bei der Rechtschreibung, welche ich aufgrund von Betriebsblindheit auch beim dritten oder vierten Korrekturlesen übersehen habe. Sicher kann man jetzt sagen, dass ich doch mein Manuskript in ein Lektorat geben könnte. Aber Lektoren wollen auch leben und verlangen Honorar, dass ich mir aufgrund meines geringen Einkommens nicht leisten kann. Die Alternative wäre, mit dem Schreiben aufzuhören, aber das würde den Verlust an Kreativität bedeuten, und somit auch einen Verlust an Lebensqualität. Bleibt mir nur, mich bei allen, die einen Fehler entdeckt haben, zu entschuldigen.

Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten von Namen, Orten, Geschehnissen oder sonstigen Dingen, dienen lediglich der jeweiligen Geschichte und entsprechen in keinem Fall der Realität.

Der Wetterballon

Sagen wir mal so, die Arbeiten der Fremdfirma in unserem Betrieb waren fertig. Komplett fertig. Was kann ich denn dafür, dass die Arbeiter eine riesengroße Spindel mit dickem Kupferdraht im Hof stehen ließen, bloß weil die Aufräumarbeiten erst tags darauf beginnen sollten. Und dann habe ich ja auch dafür bezahlt. Also nicht direkt für den Kupferdraht, aber für den gemieteten Transporter. Das Zeug passte einfach nicht in meinen PKW, obwohl ich einen Kombi fahre. Und was diesen Wetterballon angeht, so wusste ich zunächst nicht, was ich mit dem Ding eigentlich anfangen sollte. Aber irgendetwas würde sich schon ergeben. War ja dann auch so. Als ich den Ballon gefunden habe, schien die Sonne ziemlich heftig. Ich habe also in der Tarnkleidung schon ganz schön geschwitzt. Zumal ich mich auf allen Vieren anschleichen musste. Und ich trug ja zusätzlich bei dieser Wärme auch noch einen Hut. Wo hätte ich sonst das Moos und das Strauchwerk anbringen sollen. Die zwei Typen in dem Geländewagen fragen sich bestimmt heute noch, wo ihr Equipment abgeblieben ist. War ja auch noch so eine Flasche Helium dabei, um den Ballon aufzupumpen. Aber wer unbedingt bei seiner Arbeit eine Kaffeepause einlegen will, muss eben währenddessen ein wachsames Auge auf seine Ausrüstung werfen. So gesehen haben die beiden durch mich etwas Wichtiges gelernt. Die Tarnkleidung hat mich übrigens in einer Reisetasche begleitet, als ich meinen Dienst beim Militär beendete. Schließlich hatte sie sich auch über eine lange Zeit an mich gewöhnt. Der Soldat, der das Ausgangstor vor mir durchquerte, wurde übrigens durchsucht, wobei man feststellte, dass er ein Bajonett hinausschmuggeln wollte. Weswegen man ausgerechnet ihn ertappt hat, lag wohl an dem anonymen Anruf. Warum bloß hatte er mir auch von seinem Vorhaben erzählt? Hätte er ja nicht machen müssen. Jedenfalls bin ich bei dem ganzen Trubel gänzlich ohne Durchsuchung davon gekommen. Reines Glück. Übrigens hatte ich ebenfalls bei den neuen Reifen für mein Auto ziemliches Glück. Wenn man schon ein Array mit vielen Reifen einzäunt, dann bitte nicht mit so einem billigen Vorhängeschloss absichern. Jeder weiß doch, dass ein einziger Hammerschlag ausreicht, eine derart dürftige Sperre zu überwinden. Am nächsten Tag war ja dann auch ein stabiles Panzerriegelschloss dort angeschweißt. Geht doch! Und unsere Supermärkte rechnen schon aus Erfahrung mit einer Diebstahlsquote von ungefähr 1,5 Prozent. Warum sollte also gerade ich die Statistiker enttäuschen? Schlussendlich schmeckt Butter ganz genauso, ob man sie nun bezahlt hat oder nicht. Auch meine Freundin bekommt von Zeit zu Zeit ganz gerne ein Schmuckstück geschenkt. Ich frage Sie, warum müssen die Goldschmiede ausgerechnet echten Schmuck so sündhaft teuer machen? Da bleibt einem doch gezwungener Maßen nichts weiter übrig, als die Verkäufer abzulenken. Aber eine Sache will ich hier ein für alle Mal klarstellen, ich nehme nicht nur, nein, ich gebe auch. Neulich erst habe ich einem Bettler zwei Euro in den Hut geworfen. Hätte ich ja nicht tun müssen. Andere haben bloß zwanzig Cent gegeben. Viele gar nichts. Apropos Geld. Wieso sollte ich etwas dafür können, dass mein Nachbar für lange Zeit ins Gefängnis musste, nachdem er mir eine größere Summe an Geldes geliehen hatte. Er, und nur er, hat doch wohl Autos geklaut, nicht ich. Und ich habe seinen Hehler gar nicht gekannt. Auch andere Menschen sind etwas neidisch, das kann man mir also nicht vorwerfen. Außerdem weiß man doch vorher nicht, wen man in der Kneipe trifft. Da kann man auch nicht wissen, dass der zufällig von der Polizei ist. Man unterhält sich halt mit Leuten. Macht ja mein Frisör auch. Der hat mir übrigens erzählt, dass vorigen Monat irgendjemand sein Profi-Werkzeug geklaut hätte. Leute gibt’s, die gibt‘s gar nicht. Außerdem bekommt man auf dem Flohmarkt höchstens zwanzig Euro für so einen Krempel. Lohnt sich ja kaum. Aber ich bin jetzt schon gespannt, was meinem Coiffeur nächsten Monat wieder fehlen wird, wenn ich abermals zum Haareschneiden komme. Vielleicht liegt dann auch zufälligerweise wieder so ein langes Seil vor dem Sportartikelgeschäft. Als Berufskraftfahrer hat man doch wohl aufzupassen, dass nichts vom LKW fällt. Das gilt ganz besonders für eine ziemlich teure Bergsteigerausrüstung. Aber aus Fehlern wird man ja bekanntermaßen klug. Sagt jedenfalls ein altes Sprichwort. Das habe ich in einem dieser Bücher gelesen, welche unsere Buchhandlung in einem Ständer vor der Eingangstür zugänglich macht. Sehr spendabel. Zumal ich vor Kurzem beim Schwarzfahren erwischt worden bin. Da ich kein Geld bei mir hatte, wurden meine Ausweisdaten aufgenommen. Ich fands lustig, ganz besonders weil es nicht mein eigener Ausweis war. Mein Sitznachbar hat sicherlich einen neuen bekommen. Das ist ja heutzutage kein Problem mehr. Es ist doch schon drollig, dass man zufällig einem anderen ähnelt. Bei einer EC-Karte spielt das ja gottseidank keine Rolle. Seit Neuestem sind diese Plastikkarten auch noch NFC-fähig, das heißt, man kann damit kontaktlos bezahlen. Falls eine Karte gestohlen wird, können die Diebe damit kleinere Summen ausgeben, da weder PIN noch Unterschrift fürs Bezahlen erforderlich sind. Mich trifft da keine Schuld, ich habe mir so einen Quatsch nicht ausgedacht. Und wenn ich zufällig ein Motorrad finde, das unabgeschlossen herumsteht, dann sollte das Ding nicht einfach mit so einem billigen Schraubendreher gestartet werden können. Diesen Umstand müsste mal jemand der Industrie begreiflich machen. Selbst wenn ich dann den Feuerstuhl verkaufe, kann ich doch nichts dafür, dass der leichtgläubige Käufer denkt, er würde den Hobel rechtmäßig erwerben. Zugegeben, ich habe beim Verkauf einen Ausweis vorgelegt. Den hatte ich zufällig noch. Im Übrigen sind Papiere bekanntermaßen aus Papier. Und Papier rutscht ganz bequem durch einen Laser-Drucker. Nebenbei gesagt, mit heutigen Druckern kann man keine Geldscheine ausdrucken. Diese modernen Geräte haben da so einen Chip eingebaut, der Zahlungsmittel von den meisten Ländern erkennt, und deren Ausdruck verhindert. Komischerweise gilt das nicht für Motorrad-Zulassungen. Das ist aber wiederum nicht mein Problem, ich habe mir diese Chips nicht ausgedacht. Außerdem war ich ziemlich kulant. Ich habe nämlich vor dem Verkauf die Nummernschilder ausgetauscht. Da wird die Polizei den neuen Besitzer kaum anhalten. So edelmütig bin ich eben. Auch wenn manche Leute das Gegenteil behaupten, ich bin wirklich herzensgut und hilfsbereit. Schließlich habe ich meinen Nachbarn im Gefängnis besucht. Hätte ich ja nicht machen müssen. Ich habe ihm angeboten, dass ich selbstlos auf sein Haus aufpasse, solange er im Knast sitzt. Einfach um Einbrecher fernzuhalten, also mal das Licht ein- und auszuschalten, vielleicht die Rollos abends herunterzulassen sowie morgens hochzuziehen, oder auch den Fernseher hin und wieder zu betätigen. Mein lieber Nachbar war zwar etwas erstaunt, aber trotzdem dankbar dafür. Ich glaube, Sie werden mir an und für sich zustimmen, dass das alles viel einfacher zu händeln ist, wenn man direkt in dem Gebäude wohnt. Dass im Gegensatz zu meinem Haus hier ein Swimmingpool auf mich wartet, kann man als reinen Zufall werten. Und da inzwischen mein eigenes Haus leer steht, ist es doch wohl nur logisch, es zu vermieten. Allerdings habe ich sämtliche gesammelte Gegenstände aus meiner Garage mit in mein neues Domizil genommen. Ich will doch der Neugier meiner Nachmieter keinen Vorschub leisten. Blöderweise habe ich aber nicht mit der Dreistigkeit mancher Leute gerechnet. Eines schönen Tages sitze ich ganz entspannt neben dem Pool, schlürfe genießerisch einen ‚Sparkling Orange‘ und denke an nichts Böses. Da stehen plötzlich zwei finstere Gestalten vor mir, drücken ihre Pistolen gegen meine Nase und verlangen meine Kohle. Nun, wer mich kennt, der weiß, dass ich erworbenes Gut nicht leichtfertig herausrücke. Egal ob es rechtmäßig erworben wurde oder auch nicht. Leider ist aber nur einer der beiden im Swimmingpool gelandet. Inzwischen hat mir der andere mit dem Pistolenknauf eins übergezogen. Wahrscheinlich war ich nicht lange ohnmächtig, aber diese hinterhältigen Burschen haben die Zeit genutzt, um alles zu durchsuchen. Ich kann mir das Folgende nur so erklären, dass der, dem ich die Nase blutig geschlagen hatte, von Rachegefühlen erfüllt gewesen sein muss. Jedenfalls haben die Arschgeigen den Wetterballon prall mit Helium gefüllt und mir das Ding dann mittels mehrerer Lagen Panzerband an die Hüfte montiert. Anschließend befestigten diese Mistkerle das Bergsteigerseil einerseits am Haus und andererseits an meinen Füßen. Ob Sie es glauben oder nicht, aus zwanzig Metern Höhe sieht der Pool nur noch wie eine kleine Pfütze aus. Und als die zwei mit einem stattlich gefüllten Sack das Haus verließen, glichen sie winzigen Ameisen. Darüber musste ich irrsinnig lachen. Wie ich aber das Ganze meinem Nachbarn erklären soll, wenn der wieder aus dem Knast kommt, ist mir zurzeit noch nicht so ganz klar.

Großreinemachen

Zwischen neun und zehn Uhr morgens sitze ich meist in meinem Büro und trinke einen Schluck Bourbon. Für mich ist das Tradition. Man könnte auch sagen Gewohnheit. Als ich eines Tages pünktlich um zehn die Bürotür aufschloss, fiel mir förmlich ein junger Mann in die Arme. Er war recht nervös und fingerte ständig an seinem unmodernen, hellbraunen Cordanzug herum. Nachdem ich ihm Platz angeboten hatte, rutschte er hippelig hin und her: „Haben Sie hier einen Tresor?“ Ich ließ mich langsam auf meinen Stuhl sinken: „Entschuldigung, aber was geht Sie das an?“ Er setzte sich ganz vorn auf die Kante des Besucherstuhls und hob den Zeigefinger: „Ich möchte etwas Wertvolles bei Ihnen hinterlegen“. Ungläubig entgegnete ich: „Sollten Sie das nicht lieber bei einem Notar tun?“ Er grinste: „Hab ich schon. Sozusagen. Aber nicht wirklich“. Jetzt kam ich nicht mehr ganz mit: „Was genau wollen Sie damit andeuten?“ Er lehnte sich zurück und schien langsam ruhiger zu werden: „Also, ich habe hier ein teures Diamant-Collier. Na ja, für mich ist es teuer. Andere Leute haben Schuhe, die genauso viel kosten. Laut Schätzung ist es neuntausend Euro wert. Es hat meiner geschiedenen Frau gehört. Wir haben uns vor zwei Jahren getrennt. Sie hat mir damals die Klunkern wütend vor die Füße geworfen. Und jetzt will sie das Ding auf einmal wiederhaben. Also habe ich heimlich eine Nachbildung aus Glas anfertigen lassen und offiziell bei einem Notar hinterlegt. Falls sie es bei der Gerichtsverhandlung tatsächlich zugesprochen bekommen sollte, dann behaupte ich, dass es schon immer eine Fälschung gewesen sei und ich nie ein echtes Collier gekauft hätte. Dann erhält sie einfach nur diese Glasmurmeln. Aber dafür muss das echte Collier eine Weile von der Bildfläche verschwinden, und da dachte ich an einen vertrauenswürdigen Mann wie Sie. Als Privatdetektiv unterliegen Sie doch der Schweigepflicht, was Ihre Klienten betrifft, oder?“ Ich wurde ärgerlich: „Sie glauben doch nicht etwa, dass ich Sie bei einem Betrug unterstütze? Mal abgesehen davon, dass ich prinzipiell so etwas gar nicht mache, könnte ich auch meine Lizenz verlieren“. Der junge Mann zog eine prall gefüllte Brieftasche aus der Anzugjacke: „Die Bezahlung wäre, sagen wir mal, ziemlich gut!“ Ich sprang ehrlich erzürnt auf: „Stecken Sie ihr Geld ein, nehmen Sie Ihr blödes Collier und dann raus hier, bevor ich Ihnen alles in eine bestimmte Körperöffnung stopfe!“ Er zuckte mit den Schultern, stand auf und steckte die Brieftasche weg: „Hier meine Karte, falls Sie sich es noch überlegen sollten“. Ich sagte nur gepresst: „Raus!“, und der Mensch verließ betont langsam mein Büro, während er mir noch einen vernichtenden Blick zuwarf.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das hat schon meine Mutter zu ihren Lebzeiten immer gesagt. Und ich bin nun mal Filterkaffee gewöhnt. Mir gefällt dieser typische Geschmack nicht, den diese modernen Kaffeeautomaten erzeugen. Logischerweise kaufe ich mir Filtertüten. Letzthin in einem Geschäft, welches durchgehend Billigartikel anbietet. Und nun kommts. Wie fast jeder, falte ich unten und an der Seite die zusammengepressten Ränder des Filters noch einmal um. Bisher war das immer der rechte Rand. Seit Jahren. In der neuen Packung liegen die Filter jedoch so, dass nach dem Herausziehen aus der Schachtel der gewisse Rand links ist. Man glaubt gar nicht, wie schwer ich mich damit tat. Also drehe ich jetzt die Filtertüten nach der Entnahme aus der Packung erst einmal um, damit der Faltvorgang wie immer rechts von statten gehen kann. Ich bin eben auch eines der Gewohnheitstiere. Und als solches hatte ich bisher noch nie, wirklich noch nie, die Gewohnheit, meine Bürotür zu putzen. Man glaubt gar nicht, wieviel Dreck sich an dem Glasteil einer Tür ablagern kann, wenn man das Ding nicht regelmäßig reinigt. Ich tadelte mich selbst bei jedem Abziehen mit der Gummilippe halblaut: „Fauler Hund“. Auch den alten Schreibtisch meines verstorbenen Freundes habe ich seit Jahren wieder mal vom Staub befreit. Erst mit dem Handstaubsauger, dann mit einem Staubwedel und zum Schluss mit einem Lappen. Im Endeffekt tat mir der Rücken etwas weh, aber mein Büro strahlte dafür zum Schluss mit der Sonne um die Wette.

Auch zu Hause habe ich den Putzteufel gegeben. Zusätzlich hatte ich mich durchgerungen, endlich den Teppich aus meiner Küche zu verbannen. Als ich aber feststellte, dass ein gefliester Boden und barfußlaufen nicht zusammenpassen, habe ich das Teil wieder zurück an den angestammten Platz gezerrt. Es ist besser mal einen Teppich zu säubern, als jeden Morgen kalte Füße zu bekommen. Nach dem ganzen Rummel nahm ich mir dann erschöpft vor, so ein Großreinemachen demnächst zu wiederholen. So etwa in fünfundzwanzig bis dreißig Jahren.

Wissen Sie, bei meiner Arbeit hat man nur selten die Gelegenheit dem anderen Geschlecht nahe zu kommen. Entweder sitze ich in meinem Büro herum und warte gelangweilt auf Klienten, oder ich pirsche hinter irgendwelchen zwielichtigen Gestalten her. Meist sind das untreue Ehemänner. Aber manchmal bin ich auch auf der Suche nach ganz anderen Sachen. Letzten Sonntagmittag wollte ich mir Kartoffelbrei zubereiten. Natürlich ist dabei mein Kartoffelstampfer zerbrochen. Sie werden vielleicht sagen, dass man derart robuste Stampfer niemals versehentlich zerlegen kann. Doch, ich kann das. Die Spitze des abgebrochenen Stiels hat mir dann noch aus lauter Bosheit den rechten Handballen etwas aufgeschlitzt. Nicht gerade sehr viel, aber ein Wundpflaster musste trotzdem her. Nun hatte ich aber gerade keine Pflaster-Strips mehr im Haus und musste mir mühevoll ein Stück von einer Meterware absäbeln. Diese Zeit reichte locker aus, um meine Hose voll zu bluten. Man soll ja von Zeit zu Zeit neue Klamotten erwerben, damit der Handel nicht pleite geht. Oder man kauft sich eben einen neuen Kartoffelstampfer. Also fuhr ich mit dem Bus in die Stadtmitte. In unsere Fußgängerzone gibt es einen kleinen, feinen Laden für Haushaltsgeräte. Als ich mir die Auslagen im Schaufenster betrachtete, mit der Absicht eventuell den Preis für einen neuen Stampfer zu erfahren, rannte mich eine junge, hübsche, rothaarige Frau in einem Chiffonkleid fast über den Haufen. Sie hatte mit ihren Augen fest an ihrem Smartphon geklebt und mich einfach übersehen. Das Handy rutschte ihr aus der Hand, und trotz der Tatsache, dass ich um ein Haar totgetrampelt worden wäre, reagierte ich blitzartig und fing das Telefon auf. Lächelnd hielt ich ihr das Smartphon hin, in der Erwartung, dass sie so etwas wie ‚Entschuldigung!‘ oder ‚Vielen Dank!‘ sagen würde. Sie aber rief überschwänglich: „Sie sind ein Held! Wenn ich ihnen etwas Gutes tun kann, sagen Sie es ruhig!“ Ich weiß nicht genau in welcher Region meines Gehirns sich der Satz gebildet hatte, aber er rutschte scheinbar ohne mein Zutun über die Zunge: „Wir könnten zusammen einen Kaffee trinken gehen!“ Sie steckte das Handy ein: „Ich weiß etwas viel Besseres. Ganz in der Nähe ist eine kleine Bar. Der Barkeeper ist eine Sensation. Der mixt die weltbesten Drinks. Mir nach!“ Sie zog mich leicht am Ärmel, und ich Rindvieh folgte ihr wie ein Ochse am Strick. Eigentlich hätte mir da schon klar sein müssen, dass eine junge, hübsche Frau keinen Mann abschleppt, der mindestens zehn Jahre älter und unrasiert ist.

In der Bar sah es aus wie in vielen anderen. Schummriges Licht, ein Tresen mit acht hochbeinigen Hockern, eingefärbte Spiegel an den Wänden und einem Regal mit gefühlt zweihunderttausend verschiedenen Flaschen. Wir schienen die einzigen Besucher zu sein, was mich um diese Uhrzeit nicht besonders verwunderte. Der Barkeeper war etwa dreißig Jahre alt, hatte schwarzes Haar, aber seltsamerweise einen blonden Bart. Nachdem wir auf den Barhockern Platz genommen hatten, fragte der Mensch klischeehaft: „Was solls sein?“ Meine Begleiterin entschied sich für einen ‚Hugo‘. Selbst falls ich hundert Jahre alt werden sollte, würde ich auch dann noch nicht begreifen, wie der Erfinder Roland Gruber seinen Cocktail, in dem ein paar Blätter herumschwimmen, ausgerechnet Hugo nennen musste. Dann wandte sich der Bartträger zu mir: „Und Sie?“ Um einen gebildeten Eindruck zu machen, sagte ich gedehnt: „Ich hätte gern das Lieblingsgetränk von Ernest Miller Hemingway, dass er immer während seines Aufenthalts in Cuba getrunken hat“. Genauso gut hätte ich fragen können: „Wie ist die Quadratwurzel aus 660.969?“ Der Gesichtsausdruck des Kerls wäre garantiert der gleiche gewesen. Also ergänzte ich gnädig: „Das Lieblingsgetränk von Ernest Hemingways war Daiquiri“. Der Mensch nickte und begann sein Werk. Erst 6 cl weißer Rum, dann 2,5 cl frisch gepresster Limettensaft und danach 2 cl Rohrzuckersirup. Anschließen gab dieser Unwissende zu meinem Entsetzen gleich die Eiswürfel in den Cocktail-Shaker. Ein guter Barmann hätte auf jeden Fall vorher erst abgeschmeckt, um die genaue Rum-Note zu ermitteln, und um gegebenenfalls das Gemisch noch etwas korrigieren zu können. Spätestens hier hätte ich argwöhnisch werden müssen. Aber meine Hormone ließen mich lediglich der Hübschen zuprosten. Nach dem zweiten Glas, als ich endlich meine Begleiterin nach ihrem Namen fragen wollte, gingen mir urplötzlich die Lichter aus.

Kennen Sie das? Sie wachen aus tiefem Schlaf auf und wissen nicht so ganz genau, wo Sie sich befinden. Außerdem hatte ich Kopfschmerzen. Das, worauf ich lag, war auf keinen Fall mein Bett. Langsam dämmerte mir, dass ich Opfer von zwei ganz hinterhältigen Giftmischern geworden sein musste. Ich lag zwischen alten Pappkartons in einer abgelegenen Gasse. Ächzend rappelte ich mich hoch und überprüfte meinen Körper, ob noch alles Nötige vorhanden war. Dann trabte ich los, in der Hoffnung, in der Nähe eine Bushaltestelle zu finden. Zu meinem Glück kam ein Taxi um die Ecke, welches unbesetzt war, und auch wirklich auf mein Winken hin anhielt. Fünfzehn Minuten später kam ich vor meinem Büro an. Die Bürotür stand offen, jemand hatte meinen Schreibtisch durchwühlt und mein geliebter Tresor, in dem aber zur Zeit nichts lagerte, war aufgeschweißt worden. Also hatten mich dieses Weib und ihr mixender Komplize nur eine gewisse Zeit abgelenkt, damit jemand in Ruhe mein Büro durchsuchen konnte. Und ich riesiges Rindvieh war den beiden prompt auf den Leim gegangen. Meine Bourbon-Flasche stand aber Gott sei Dank noch im Bücherregal. Ich fand eine geraume Weile Trost durch ihren flüssigen Inhalt, dann machte ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle, um immer noch moralisch angeschlagen nach Hause zu fahren.

Wie hätte es auch anders sein können, die Versicherung weigerte sich meinen zerstörten Tresor zu bezahlen. Da weder im Safe noch im Büro etwas fehlte, galt die ganze Sache nicht als Raub, und gegen mutwillige Zerstörung war ich angeblich nicht versichert. Für mich stand felsenfest, dass diese Durchsuchung dem Collier galt, welches dieser seltsame Kerl im Cordanzug bei mir hatte hinterlegen wollen. Trotzdem wunderte ich mich, dass dieser mittelteure Schmuck eine derartige Verwüstung wert war.

Ich hatte das Büro gerade auf Vordermann gebracht, als das Telefon klingelte. Es war Hartmut: „Kumpel, ich hab dir doch schon oft geholfen. Jetzt könntest du mal was für mich tun!“ Leicht angesäuert antwortete ich: „Kumpel, du hast dir alles aber auch immer königlich bezahlen lassen“. Mein Hassfreund entgegnete: „Diesmal ist auch für dich allerhand drin. Was würdest du verlangen?“ Ich grinste: „Das kommt darauf an, was ich machen muss. Im Übrigen benötige ich einen neuen Safe, so einen kleinen Bürotresor“. Hartmut blieb gelassen: „Den kann ich dir besorgen. Kein Problem. Aber jetzt zur Sache. Ich habe mir da aus einigen Ereignissen etwas zusammengereimt. Man munkelt in bestimmten Kreisen, dass jemand bei dir ein Collier geparkt hat. Und nun höre ich, dass dein Büro ein wenig umgeräumt wurde. Kann ich davon ausgehen, dass das Schmuckstück den Besitzer gewechselt hat?“ Ich verneinte vehement: „Ich hab das Ding damals nicht angenommen. Somit kann mir das gute Stück auch nicht abhanden gekommen sein. Also was genau willst du nun von mir?“ Hartmut schien kurz zu überlegen: „Mein Boss braucht das Collier respektive dessen Besitzer“. Jetzt wurde ich doch stutzig: „Du hast nie was von einem Boss gesagt. Jetzt mal raus mit der Sprache! Für wen oder was arbeitest du eigentlich?“ Hartmuts Antwort klang nicht gerade freundlich: „Das geht dich nichts an. Und glaube mir, du willst das gar nicht wissen! Also, kann ich auf dich zählen?“ Während ich den Hörer zwischen Ohr und Schulter einklemmte, wühlte ich in meiner Schreibtischschublade, bis ich die Karte von diesem Cordanzug-Menschen gefunden hatte: „Hör zu! Wenn du mir sagst, was es mit diesem ominösen Collier auf sich hat, und wenn du mir auch noch den Tresor geliefert hast, dann sage ich dir Name und Adresse des Kerls“. Hartmut überlegte nicht lange: „Morgen komme ich mit zwei Leuten bei dir im Büro vorbei und liefere den Tresor. Ist allerdings ein gebrauchter. Dann erzähle ich dir auch von dem Collier. Einverstanden?“ „Einverstanden!“

Zwei Blaumänner mit einem Hubwagen entfernten rigoros meinen alten, kaputten Tresor und stellten das bleischwere Ding auf den Flur. Und zwar genau vor mein Büro. Anschließend wuchteten sie den neuen Safe in die Lücke, die der alte hinterlassen hatte. Danach verdufteten die beiden auf einen Wink von Hartmut hin, ohne ein Trinkgeld entgegengenommen zu haben. Ich zog die bewusste Visitenkarte aus meiner Tasche und hielt sie Hartmut entgegen: „Versprochen ist versprochen. Jetzt du!“ Er steckte die Karte ein, ohne einen Blick darauf zu werfen: „Ein Stein in dem Collier ist nicht echt“. Ich grinste: „Das ganze Collier ist doch nur ein wertloses Duplikat“. Hartmut schüttelte den Kopf: „Ich meine nicht das Faksimile, das bei dem Notar liegt. Nein, an dem echten ist ein Stein aus hochfestem, gut geschliffenem und poliertem Polycarbonat. Das Ganze sieht ziemlich echt aus, aber unter einem starken Mikroskop kannst du deutlich eine ziemlich große Menge Daten in dem falschen Stein erkennen“. Ich war erstaunt: „Was denn für Daten?“ Die Antwort hätte ich mir eigentlich denken können. Hartmut legte gönnerhaft seine rechte Hand auf meine Schulter: „Das geht dich nichts an. Und glaube mir, du willst das gar nicht wissen!“ „Aber“, fuhr ich fort, „du hast doch am Telefon gesagt, dass diesmal auch für mich allerhand drin ist. Wie stehts also mit Knete, Kohle, Mäuse?“ Hartmut platzierte mir auf die andere Schulter nun auch noch seine linke Hand: „Dein alter Tresor da, weißt du, die Entsorgung kostet für so ein schweres Gerät ein halbes Vermögen. Also die anfallenden Unkosten übernehme selbstverständlich ich. Nichts zu danken! Mach‘s gut, und bis zum nächsten Mal!“

Am Abend saß ich lange an meinem Wohnzimmertisch und unterhielt mich angeregt mit der Flasche Bourbon vor mir. Als dann endlich meine Wohnung ähnlich einem Karussell Fahrt aufnahm, fiel ich ins Bett und träumte von den guten, alten Zeiten, in denen ich auch mal Bargeld zwischen meinen Fingern verspürt hatte.

Die Königstochter

Ich war der Hofmarshall eines angesehenen Königs. Jetzt, da ich fühle, dass meine letzten Tage gekommen sind, will ich mein Gewissen erleichtern. Als erstes möchte ich erwähnen, dass ich gelegentlich etwas in die eigene Tasche gewirtschaftet habe, was normalerweise in die Schatzkammer des Königs gehört hätte. Was soll man aber auch als Hofmarschall machen, schließlich gibt es für diesen Berufszweig keine Rentenversicherung. Ich kenne auch keinen einzigen Kollegen, dem sein Herrscher eine Leibrente zugestanden hätte. Zu meinen Pflichten gehörte die Organisation von Empfängen oder Audienzen des Königs, sowie die Sicherstellung seiner umfangreichen Reisen. Ebenfalls hatte ich die Aufsicht über den königlichen Haushalt, das gesamte Hauswesen, die fürstliche Tafel, die königliche Küche und auch über die Kellerei. Trotzdem musste ich befürchten, vom Hofe verjagt zu werden, wenn ich einst zu alt geworden war, um diese Aufgaben zur Zufriedenheit des Königs zu erledigen. Also zweigte ich hier und da etwas ab. Jedoch immer nur so viel, dass es niemand bemerkte. Soweit zum ersten Teil meiner Beichte.

Als zweites möchte ich die Begebenheiten richtig stellen, die sich um die jüngste Tochter meines Königs rankten. Die Geschichten gingen nämlich in mehreren Variationen um die ganze Welt, jedoch ohne die volle Wahrheit zu enthalten. Angeblich war sie so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich wunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Pustekuchen! Sie hatte verfilztes Haar und eine schiefe Nase. Na gut, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, aber gern habe ich das Mädel nicht gerade betrachtet. Nun soll man ja im Allgemeinen nicht von Äußerlichkeiten auf die Wesensart schließen. Aber in diesem Fall war ihr Charakter genauso schief wie die Nase. Ihre verstorbene Mutter hatte dem Mädchen einst eine goldene Kugel geschenkt. Es war eigentlich nur eine billige Kupferkugel, aber immerhin vergoldet. Um aber dieses Spielzeug nur für sich allein zu haben, und um zu verhindern, dass sich ihre Schwestern eventuell damit ebenfalls vergnügen konnten, lief die egoistische Königstochter immer in den nahegelegenen, dunklen Wald. Dort befand sich unter einer alten Linde ein kühler Brunnen. Das Königskind setzte sich auf dessen Rand, nahm die vergoldete Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder auf. Dieses Spiel hatte sie am liebsten. Hielt sie sich aber im Schloss auf, so nervte sie ihre Schwestern, den König und das Personal mächtig. Dieses und jenes passte ihr nicht, und nie war sie mit einer Sache zufrieden. So gedachte ihr Vater eines Tages, ihr eine Lehre zu erteilen. Er ließ den Hofzauberer kommen, welcher über wahrlich gewaltige Magie verfügte. Dieser schmiedete mit dem König zusammen einen finsteren Plan. Er nahm einen Frosch, brachte ihm das Sprechen bei und setzte ihn heimlich in den gewissen Brunnen. Dann befahl er dem Wind, im rechten Moment kräftig zu blasen. Als die junge Prinzessin das nächste Mal die Kugel in die Luft warf, wurde diese in den Brunnen geweht. Da fing das Königskind an zu weinen. In diesem Moment kam der Frosch nach oben und sagte: „Was hast du, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erweichen möchte. Weißt du, ich kann dir helfen, aber was gibst du mir, wenn ich deine Kugel wieder heraufhole?“ Sie versprach: „Alles, was du willst!“ Und der Wasserpanscher sprach: „Wenn du mich lieb haben willst, und ich darf an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerchen essen, aus deinem Becher trinken, in deinem Bettchen schlafen, so will ich hinunter tauchen und die goldene Kugel herauf holen“. Hinterhältig versprach sie ihm alles, dachte aber nicht im Geringsten daran, es einzuhalten. Nachdem der Frosch ihr die Kugel empor geholt hatte, rannte sie lachend davon. Am Abend dann, als der König mit seinen Töchtern zu Tisch saß, klopfte der Frosch an die Tür und mahnte die Einhaltung des Versprechens an. Der König, der natürlich wusste warum es ging, zwang die Unglückliche dazu, dass der Frosch neben ihr saß, von ihrem Teller aß und aus ihrem Becher trank. Zum guten Schluss musste sie den Glitschigen auch noch mit ins Bett nehmen. Als sich ihr Vater jedoch weit genug entfernt hatte, warf sie den schleimigen Lurch gegen die Wand. Genau das hatte der Magier vorausgesehen. Der verzauberte Frosch verwandelte sich geradewegs in einen wunderschönen Prinzen. Von dessen liebreizendem Aussehen geblendet, heiratete ihn die Königstochter auf der Stelle. Und genau damit enden beharrlich alle Geschichten, welche auf der Welt unter dem Titel ‚Froschkönig‘ im Umlauf sind. Aber im richtigen Leben geht es nach dem Ja-Wort schließlich immer noch etwas weiter. Die Hochzeitsnacht unserer Prinzessin war eher suboptimal. Das können bestimmt alle Frauen nachvollziehen, die schon einmal mit einem Mann geschlafen haben, welcher im Schritt einem Frosch gleicht. Außerdem konnte der Kerl zwar sprechen, hatte aber sonst gar nichts von einem normalen Menschen an sich. Die Königstochter war oft sehr genervt, besonders, wenn er in Gesellschaft vor aller Augen nach Fliegen schnappte. Sein gesamter Wortschatz belief sich im Großen und Ganzen auf: „Was gibst du mir, wenn ich deine Kugel hole?“ Beziehungsweise: „Darf ich an deinem Tisch sitzen, von deinem Teller essen, aus deinem Becher trinken und in deinem Bett schlafen?“ Da kann doch nach einigen Wochen die härteste Ehefrau im Keks etwas weich werden. So kam es, dass die Prinzessin ihren Gemahl eines Tages furchtbar wütend gegen die Wand schubste. Und siehe da, er wurde tatsächlich wieder zu einem Frosch. Auf diese Weise begab es sich, dass die Königstochter ihren Hochmut verlor, aber von Männern für immer die Nase voll hatte. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie wohl heute noch als Single. Das Gleiche gilt möglicherweise auch für den Frosch. Was mich angeht, so habe ich letztlich im Grunde nur noch eine einzige Sache zu beichten. Nämlich, dass ich es war, der die goldene Kugel gegen die kupferne ausgetauscht hat.

Der Glaube meines Vaters

Viele Menschen bewahren ihren Glauben und ziehen Kraft daraus. Manche glauben an Gott, andere an Allah und seinen Propheten Mohammed, wieder andere an die Lehren des Siddhartha Gautama, dem sogenannten historischen Buddha. Manche Religionen begnügen sich mit einem Gott, andere verehren schier unendlich viele Gottheiten. Die alten Griechen kannten neben den Hauptgöttern, welche den Olymp besiedelten, noch jede Menge sonstiger Götter, von dem Flussgott Acheloos bis hin zu Zelos, dem Gott des Eifers. Der bekannteste Hauptgott ist wohl Zeus, der Sohn des Titanenpaares Kronos und Rhea. Aber auch schon bevor Zeus seinen eigenen Vater entmannte und mit seinen Geschwistern den Olymp beanspruchte, gab es sogenannte vorolympische Götter, wie beispielsweise Eros, den Gott der Liebe, oder Eris, die Göttin der Zwietracht und des Streites. Auch in der indischen Mythologie gibt es Haupt- und Nebengötter. Die sogenannten höchsten Götter bilden dabei eine Trimurti: Brahma der Schöpfer, Vishnu der Erhalter und Shiva der Zerstörer. Außerdem zählen ihre Gattinnen Sarasvati, Lakshmi und Parvati zu den Hauptgöttern, und auch ihre Reittiere haben jeweils eine eigene Mythologie. Selbst nichtreligiöse Menschen glauben in der Regel an irgendetwas, zum Beispiel an die Wissenschaft. Wenn bei einem Experiment unter den gleichen Ausgangsbedingungen immer und immer wieder dasselbe Endergebnis erreicht wird, sind viele fest davon überzeugt, eine Regel gefunden zu haben. Wobei mein Physiklehrer stets zu sagen pflegte, was tausendmal geklappt hat, muss nicht unbedingt beim tausendersten Versuch ebenfalls hinhauen. Wissenschaft ist halt nur der aktuelle Stand menschlichen Irrtums. Auch Homöopathie ist etwas, woran man glauben muss. Und nicht umsonst gibt es wohl Placebos, die allein dadurch wirken, dass man an sie glaubt. Auch wenn ein Mann sagt, dass er an überhaupt nichts glaubt, dann stimmt das meist nicht, denn er glaubt in der Regel daran, dass die Kinder, die er großzieht, auch von ihm gezeugt worden sind.

Jetzt habe ich schon eine ganze Weile über den Glauben geschwafelt, und noch nicht einmal Dinge wie das Wirken dämonischer Kräfte angesprochen, also zum Beispiel so etwas, wie Hexerei oder Talismane. Superstition, auch Aberglaube oder Überglaube genannt, wird als Hinweis auf mangelnde theologische Bildung, jedoch auch oft zur Herabwürdigung volkstümlicher oder okkulter Glaubensrichtungen verwendet. Beispiele dafür kennen wir alle. Scherben bringen Glück, bei Schluckauf denkt jemand an dich, Schornsteinfeger bringen Glück, Sternschnuppen erfüllen Wünsche, vierblättriger Klee bringt Glück, Spiegel zerbrechen bedeutet sieben Jahre Pech, unter einer Leiter durchgehen bringt Unglück usw. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Ein ausgedehntes Feld wäre übrigens auch die Astrologie. Sie beruhte bis ins 18. Jahrhundert hinein auf der Annahme, dass es einen physikalischen Zusammenhang zwischen den Positionen und Bewegungen von Planeten oder Sternen und den meisten Ereignissen auf der Erde gibt. So sollen gemäß einer namhaften Illustrierten, die Leute, welche unter dem Sternzeichen Löwe geboren wurden, laut Horoskop zum Showstar berufen sein. Da frage ich mich doch, falls das stimmt, warum es in Deutschland dieses Jahr nicht rund sieben Millionen Showstars gibt. Aber ich will niemanden seinen Glauben nehmen. Es sei denn, dass Menschen glauben, Andersdenkende müssten getötet werden. Wie aber, so frage ich mich, entsteht eigentlich Glaube? Manche sagen, man handelt nach seinen Überzeugungen und sorgt somit dafür, dass nur das Resultat herauskommt, das man sowieso erwartet hat. Das führt im Zusammenhang mit Gefühlen dazu, dass man den Wahrheitsgehalt seiner Überzeugung nicht mehr bezweifelt. Ich hingegen habe eine eigene Theorie. Meiner Meinung nach hat sich der Glaube der Menschen vor Urzeiten schon entwickelt und wurde durch Abschauen, sprich lernen, an die Generationen danach weitergegeben. Denn irgendwann wollte man Erjagtes oder Gesammeltes schließlich auch einmal essen. In diesen Minuten der Konzentration auf die Nahrung hatte man die Umgebung und eventuell anpirschende Säbelzahntiger nicht voll unter Kontrolle. Man musste also zwangsläufig glauben, dass man während einigen kurzen Momenten des Verzehrens seiner Mahlzeit nicht getötet wird. Ansonsten hätte man immer nur in die Runde geblickt und wäre nicht zum Essen gekommen. Die, welche sich so verhielten, verhungerten und konnten sich nicht fortpflanzen. Alle anderen, oder wenigstens die meisten, haben überlebt und diesen speziellen Glauben weitergegeben. Viele werden vielleicht meine Theorie belächeln, ich hingegen glaube daran. Aber lange Rede, kurzer Sinn, warum erzähle ich Ihnen das alles? Nur aus einem einzigen Grund. Ich möchte Ihnen lediglich das Lebensmotto meines Vaters ans Herz legen. Der sagte nämlich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit: „Ich glaube daran, dass acht Pfund Rindfleisch eine fette Brühe ergeben“. Denken Sie mal darüber nach!

Angeschossen

„Mann, ich wurde schon zweimal angeschossen und lebe immer noch“, sagte Schimmler besorgt und legte Kommissar Riemer seine Rechte auf die Schulter. Dieser schob unfreundlich dessen Hand weg: „Zweimal in den