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Beschreibung

Möchten Sie schnell nachschlagen und das Wissen gleich in die Praxis umsetzen? Dann greifen Sie zu diesem Buch, denn es erläutert Grundlagenwissen der Fußchirurgie, Informationen zu bewährten OP-Standards und wesentliche Neuentwicklungen für den praktischen Arbeitsalltag.

Es werden alle relevanten Bereiche berücksichtigt wie beispielsweise Frakturen, Lähmungen, Arthrose und (kindliche) Fußdeformitäten. Außerdem werden Amputationen und Resektionen beschrieben. Die Fußchirurgie wird instruktiv und leicht praktikabel dargestellt und spricht insbesondere Orthopäden, Fußchirurgen und ambitionierte Physio- und Ergotherapeuten an.

Aktuell und reich bebildert finden Sie hier Auskunft über diagnostische und operative Möglichkeiten bei Verletzungen, Erkrankungen oder Fehlbildungen des Fußes.

Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen auch digital im Wissensportal eRef und in der eRef App zur Verfügung. Zugangscode im Buch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 680

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Kurzgefasste Fußchirurgie

Christina Stukenborg-Colsman, Renée Andrea Fuhrmann

Mona Abbara-Czardybon, Julia Evers, Daniel Frank, Michael Gabel, René Grass, Bernhard Greitemann, Sebastian Lieske, Heinz Lohrer, Sebastian Manegold, Christine Noll, Sabine Ochman, Heino Arnold, Christian Plaaß, Markus Preis, Michael Przemeck, Stefan Rammelt, Martin Ulrich Schuhmann, Gebhard Suger, Falk Thielemann, Hans-Jörg Trnka, Hazibullah Waizy, Christoph Becher, Markus Walther, Bettina Westhoff, Michael Bernateck, Peter Bock, Leif Claaßen, Kiriakos Daniilidis, Jörn Dohle, Leonhard Döderlein

622 Abbildungen

Vorwort

Die chirurgische Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen des Fußes hat in den vergangenen 20 Jahren eine nicht erwartete Entwicklung durchlaufen.

Noch in den 1990er Jahren galt die Resektionsarthroplastik der Zehengelenke bei jedweder Zehendeformität als Behandlungsstandard. Dies führte mittel- und langfristig oft zu unbefriedigenden kosmetischen und funktionellen Ergebnissen. Mit dem Ziel, eine gelenkerhaltende operative Versorgung am Vorfuß durchzuführen, wurde deshalb eine Vielzahl an Osteotomietechniken eingeführt. Mit geringer zeitlicher Verzögerung hat diese Änderung der Behandlungsphilosophie auch die Industrie erreicht und nachfolgend zur Entwicklung spezieller Implantate für die Vorfußchirurgie geführt. In dem Bestreben, mit den neuen Operationstechniken die bestmögliche Vorfußkonfiguration (Stichwort: „metatarsales Alignment“) für den Patienten zu erzielen, wurden komplexe Osteotomien an mehreren Strahlen durchgeführt. Dieses Vorgehen hat sich jedoch langfristig nicht etablieren können und aus heutiger Sicht, mit ausreichendem zeitlichem und emotionalem Abstand, muss konzediert werden, dass nicht alle Behandlungsstrategien medizinisch sinnvoll waren. Die Erfahrungen mit neuen Behandlungsmethoden sind jedoch ein elementarer Bestandteil des ärztlichen Handelns, und nur aufgrund dieser Erkenntnisse sind wir heute in der Lage, eine befundangemessene Behandlungsplanung mit differenzierter Indikationsstellung und medizinisch begründeter Verfahrenswahl durchzuführen.

Am Rückfuß ist es die Endoprothese des oberen Sprunggelenks, die unverändert kontrovers diskutiert wird. Das Design und die Materialeigenschaften der modernen Implantate sind heute für die Standzeit der Endoprothese keine kritischen Faktoren mehr. Vielmehr kommt der Behandlung der periartikulären Weichteile und dem exakten Ausgleich einer vorbestehenden Rückfußdeformität ein maßgeblicher Stellenwert für das Behandlungsergebnis zu. Deshalb muss den Patienten vor der Operation auch anschaulich vermittelt werden, dass es sich um einen komplexen und technisch anspruchsvollen Eingriff handelt, dessen Ergebnis nicht immer mit Sicherheit zu prognostizieren ist.

Insoweit ist es ein Anliegen der Herausgeber dieses Buchs, den aktuellen Stand der Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen darzustellen. In dem vorliegenden Buch kommen ausschließlich Autoren zu Wort, die auf fußchirurgischem Gebiet eine langjährige Expertise aufweisen. Die hier dargestellten Behandlungsrichtlinien sind deshalb in besonderer Weise geeignet, fußchirurgisch tätigen Ärzten als Orientierung für ihre tägliche Arbeit zu dienen.

Unser spezieller Dank gilt allen Autoren, die viel Zeit zum Gelingen dieses Buches geopfert haben und dem Thieme Verlag, der die zum Teil schwierigen Illustrationswünsche der Autoren und die zeitliche Koordination zu meistern hatte.

März 2017

Christina Stukenborg-Colsman

Renée Andrea Fuhrmann

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Allgemein

1.1 Anamnese und klinische Diagnostik

1.1.1 Einführung

1.1.2 Anamnese

1.1.3 Körperliche Untersuchung

1.2 Bildgebende Verfahren

1.2.1 Röntgen

1.2.2 Sonografie

1.2.3 Computertomografie

1.2.4 Magnetresonanztomografie

1.2.5 Szintigrafie

1.2.6 Pedobarografie

1.2.7 Literatur

1.3 Anästhesieverfahren

1.3.1 Lokal- und Regionalanästhesie

1.3.2 Spinal-, Allgemeinanästhesie

1.3.3 Literatur

1.4 Schmerztherapie

1.4.1 Einleitung

1.4.2 Postoperative Schmerztherapie

1.4.3 Analgetika zur postoperativen Schmerztherapie

1.4.4 Patientenkontrollierte Analgesie (PCA), Nervenkatheter

1.4.5 Schmerztherapie bei ambulanten Eingriffen

1.4.6 Literatur

2 Vorfuß

2.1 Hallux valgus

2.1.1 Einleitung

2.1.2 Ätiologie/Pathomechanik

2.1.3 Diagnostik

2.1.4 Konservative Therapie

2.1.5 Operative Therapie

2.1.6 Hallux-valgus-Rezidiv

2.1.7 Literatur

2.2 Hallux rigidus

2.2.1 Ätiologie/Pathomechanik

2.2.2 Diagnostik

2.2.3 Therapie

2.2.4 Literatur

2.3 Kleinzehendeformitäten und Fehlstellungen am fünften Strahl

2.3.1 Einleitung und Definitionen

2.3.2 Pathogenese

2.3.3 Diagnostik

2.3.4 Therapie

2.3.5 Literatur

2.4 Metatarsalgie

2.4.1 Definition

2.4.2 Diagnostik

2.4.3 Konservative Therapie

2.4.4 Operative Therapie

2.4.5 Prognose

2.4.6 Literatur

2.5 Sesambeinkomplex

2.5.1 Charakteristik

2.5.2 Diagnostik

2.5.3 Erkrankungen

2.5.4 Therapie

2.5.5 Literatur

2.6 Minimalinvasive Vorfußchirurgie

2.6.1 Entwicklung der minimalinvasiven Vorfußchirurgie

2.6.2 Indikation und technische Durchführung

2.6.3 Vorbereitung zur Operation

2.6.4 Instrumentarium

2.6.5 Operationsverfahren

2.6.6 Nachbehandlung

2.6.7 Komplikationen

2.6.8 Zusammenfassung

2.6.9 Literatur

3 Mittelfuß

3.1 Lisfranc-Arthrose

3.1.1 Definition

3.1.2 Ätiologie und Pathogenese

3.1.3 Diagnostik

3.1.4 Therapie

3.1.5 Literatur

4 Rückfuß

4.1 Pes planovalgus

4.1.1 Einleitung

4.1.2 Diagnostik

4.1.3 Therapie

4.1.4 Literatur

4.2 Pes excavatus

4.2.1 Einleitung

4.2.2 Klassifikation

4.2.3 Ätiologie, Pathogenese und Pathomechanik

4.2.4 Diagnostik

4.2.5 Operative Therapie

4.2.6 Literatur

4.3 Instabilität des oberen Sprunggelenks

4.3.1 Verletzungen des lateralen Bandapparats

4.3.2 Komplexe Bandläsionen: Deltabandbeteiligung bei ligamentären Sprunggelenksverletzungen

4.3.3 Literatur

4.4 Diagnostik und Therapie von Knorpelschäden am Talus

4.4.1 Einleitung

4.4.2 Ätiologie/Pathomechanik

4.4.3 Symptomatik

4.4.4 Diagnostik

4.4.5 Therapie

4.4.6 Literatur

4.5 Arthrose des oberen Sprunggelenks

4.5.1 Supramalleoläre Korrekturosteotomien

4.5.2 OSG-Prothese

4.5.3 OSG-Arthrodese

4.6 Achillessehnenpathologien

4.6.1 Achillessehnenrupturen (ICD S86.0)

4.6.2 Chronische Achillessehnenschädigungen (ICD M76.6)

4.6.3 Literatur

4.7 Peronealsehnenpathologie

4.7.1 Anatomie und Ätiologie/Pathomechanik

4.7.2 Tendinitis/Tendinopathie, Tenosynovitis, Os-peroneum-Syndrom

4.7.3 Peronealsehnenruptur

4.7.4 Peronealsehnenluxation

4.7.5 Literatur

4.8 Plantarfasziitis

4.8.1 Anatomie und Epidemiologie

4.8.2 Ätiologie und Pathogenese

4.8.3 Diagnostik

4.8.4 Therapie

4.8.5 Literatur

4.9 Kindliche Fußdeformitäten

4.9.1 Fußfehlstellungen

4.9.2 Avaskuläre Osteonekrosen

4.9.3 Akzessorische Fußknochen

4.9.4 Kongenitale Fehlbildungen

4.9.5 Literatur

4.10 Coalitiones

4.10.1 Einleitung

4.10.2 Diagnostik

4.10.3 Therapie

4.10.4 Literatur

5 Nervenkompressionssyndrome

5.1 Morton-Neurom

5.1.1 Einleitung

5.1.2 Anatomie und Lokalisation

5.1.3 Ätiologie

5.1.4 Histomorphologie

5.1.5 Diagnostik

5.1.6 Therapie

5.1.7 Literatur

5.2 Das hintere Tarsaltunnelsyndrom

5.2.1 Anatomie

5.2.2 Pathogenese

5.2.3 Differenzialdiagnosen

5.2.4 Klinische Symptomatik

5.2.5 Diagnostik

5.2.6 Therapie

5.2.7 Literatur

5.3 Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (Morbus Sudeck)

5.3.1 Einleitung

5.3.2 Häufigkeit und Lokalisation

5.3.3 Klinische Symptomatik

5.3.4 Pathogenese

5.3.5 Diagnostik

5.3.6 Therapiekonzepte

5.3.7 Fazit

5.3.8 Literatur

6 Trauma

6.1 Frakturen oberes Sprunggelenk

6.1.1 Anatomie

6.1.2 Unfallmechanismus

6.1.3 Diagnostik

6.1.4 Therapie

6.1.5 Literatur

6.2 Rekonstruktion der tibiofibularen Syndesmose

6.2.1 Anatomie und Biomechanik

6.2.2 Akute Syndesmosenruptur

6.2.3 Chronische Syndesmoseninstabilität

6.2.4 Literatur

6.3 Lisfranc-Verletzungen

6.3.1 Lokalisation und Anatomie

6.3.2 Epidemiologie und Ätiologie

6.3.3 Symptomatik

6.3.4 Diagnostik

6.3.5 Klassifikation

6.3.6 Therapie

6.3.7 Literatur

6.4 Kalkaneusfraktur

6.4.1 Epidemiologie und Unfallmechanismus

6.4.2 Diagnostik

6.4.3 Therapie

6.4.4 Literatur

7 Technische Orthopädie

7.1 Charcot-Fuß

7.1.1 Einleitung

7.1.2 Lokalisation

7.1.3 Diagnostik

7.1.4 Therapie

7.1.5 Literatur

7.2 Amputationen und Resektionen

7.2.1 Epidemiologie

7.2.2 Vorteile von Amputationen im Fußniveau

7.2.3 Indikation und Diagnostik

7.2.4 Chirurgisches Vorgehen

7.2.5 Literatur

7.3 Therapie neurogener Spitzfußdeformitäten

7.3.1 Charakteristik

7.3.2 Ätiologie

7.3.3 Diagnostik

7.3.4 Therapie

7.3.5 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Allgemein

1.1 Anamnese und klinische Diagnostik

Ch. Plaaß

1.1.1 Einführung

Der Fuß und das Sprunggelenk sind als gut sicht- und untersuchbare Strukturen der körperlichen Untersuchung gut zugänglich, sodass durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung häufig eine Diagnose gestellt werden kann.

Merke

Fuß und Sprunggelenk sollten nie isoliert, sondern stets als Teil der Bewegungskette der unteren Extremität betrachtet werden.

1.1.2 Anamnese

Die Anamnese beginnt mit einer freien Schilderung der Beschwerden des Patienten, bevor spezifische Fragen gestellt werden. Es ist dabei sinnvoll, sich als Untersucher eine standardisierte Anamnesetechnik anzugewöhnen, die jedoch für jeden Untersucher unterschiedlich sein kann. Folgende fußspezifischen Punkte sollten zum Abschluss der Anamnese erhoben sein:

Beginn der Beschwerden: auslösendes Ereignis, plötzliches Einsetzen, schleichend

Beschwerdedauer

Art der Beschwerden: Belastungsschmerz, Ruheschmerz, Anlaufschmerz

Beschwerdecharakteristik: brennender Schmerz, dumpfer Schmerz, elektrisierend, oberflächlicher oder tiefer Schmerz

Lokalisation der Beschwerden

Formveränderung des Fußes, vorbestehende Deformitäten

Bestehen Instabilitäten oder Unsicherheit bei Belastung des Fußes? Wann treten diese auf (unebener Grund, Dunkelheit)?

Bestehen weitere Probleme der unteren Extremität oder der Wirbelsäule?

1.1.2.1 Nebenerkrankungen

Da sich am Fuß und Sprunggelenk häufig systemische Erkrankungen manifestieren, müssen diese erfasst werden. Beispiele sind hier: der Charcot-Fuß bei Diabetes mellitus, Hohlfußdeformitäten bei hereditären sensomotorischen Neuropathien (HSMN) oder Lähmungen bei zentralen oder peripheren neurologischen Schädigungen.

Darüber hinaus müssen Nebenerkrankungen und Risikofaktoren der Patienten erfasst werden, da diese die Behandlungsplanung beeinflussen können.

Folgende Nebenerkrankungen und Risikofaktoren sollten in jedem Fall abgefragt werden:

Diabetes mellitus (Typ, Therapieart, Folgeerkrankungen, Langzeitblutzucker)

Durchblutungsstörungen (venös und arteriell)

Nikotinkonsum

trophische Störungen: Nagelwachstumsstörungen, trockene Haut, vermehrte oder verminderte Schweißneigung

neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Parkinson, primäre und sekundäre Polyneuropathie

1.1.2.2 Standardisierte Datenerhebung

Neben der individuellen Anamneseerhebung und Untersuchung erlangen standardisierte Datenerhebungsverfahren zunehmend Bedeutung. Diese können zum einem ressourcenschonend, z.B. bei der Abfrage der Allgemeinerkrankungen, Medikamente und Allergien, eingesetzt werden, aber auch vor dem Hintergrund medizinrechtlicher Auseinandersetzungen helfen.

1.1.3 Körperliche Untersuchung

Merke

Die Untersuchung sollte immer nach dem Schema „Inspektion – Palpation – Manipulation – Funktionsprüfung“ erfolgen.

Der Patient sollte zur Untersuchung zumindest an beiden Beinen entkleidet sein. Es sollten primär Untersuchungsschritte unterlassen werden, die dem Patienten unangenehm sind, um die weitere Untersuchung nicht zu erschweren.

Der im Folgenden beschriebene Ablauf hat sich in der Praxis bewährt.

1.1.3.1 Stand

Da der Fuß sich unter Last verändert, muss die initiale Untersuchung immer im Stehen erfolgen. Die Patienten neigen dazu, bestehende Deformitäten aktiv auszugleichen, daher sollte die Fußform auch in entspannter Position beurteilt werden.

Bei der Untersuchung sollte auf folgende Punkte geachtet werden:

Ober- und Unterschenkel

Beinachse, Deformitäten, Beinlängenunterschiede, Rotationsfehler

Muskelatrophien

Kontrakturen

Weichteilveränderungen

Fuß und Sprunggelenk

allgemein: Schwellungen, Weichteilveränderungen, Narben, Behaarung, Gefäßauffälligkeiten

von posterior:

Achillessehnenverdickungen

Rückfußstellung ▶ Abb. 1.1

„Too many toe sign“ – hierbei wird bei Anblick von posterior auf den Fuß die Anzahl der lateral sichtbaren Zehen gewertet, physiologisch können der Dig. V und die Hälfte des Dig IV gesehen werden ▶ Abb. 1.1

von dorsal:

Mittelfußachse

Zehendeformitäten (transversale Deformitäten)

von medial:

Fußlängsgewölbe

Zehendeformitäten

von lateral: Sehnenkontur am Außenknöchel

von anterior: Zehenfehlstellungen (z.B. Hochstand der Zehen)

Abb. 1.1 Ansicht der Füße von posterior. Hierbei ist auf die Rückfußachse (gestrichelt), mögliche Schwellungen und die Anzahl der zu sehenden Kleinzehen lateral zu achten.

1.1.3.2 Gang

Nach der statischen Inspektion sollte der Patient beim Gehen beurteilt werden, da sich hierbei besonders funktionelle Defizite zeigen.

Tritt der Patient physiologisch mit der Ferse zuerst auf?

Treten Geräusche auf (z.B. „Platschen“ beim Steppergang, „Quatschen“ bei ausgeprägten Plattfüßen)?

Zeigen sich muskuläre Insuffizienzen bzw. Dysbalancen (z.B. Steppergang, neurogene Varus-Fehlstellung)?

1.1.3.3 Funktionsprüfung

Hierzu wird der Patient aufgefordert spezifische Bewegungen durchzuführen.

Hackenstand/-gang

Zehenspitzenstand▶ Abb. 1.2: Dieser kann zunächst beidseits, sollte aber auf jeden Fall auch einseitig untersucht werden, bei Bedarf kann sich der Patient dabei abstützen. Hierbei ist auf Folgendes zu achten:

Stellung der Ferse, diese sollte sich beim Zehenspitzenstand varisieren

Aufrichten des Fußlängsgewölbes

mögliche Muskelungleichheit des Gastroknemikus-Komplexes zwischen beiden Seiten

Unsicherheit im Zehenstand bei möglicher Instabilität

Aufrichten des Fußlängsgewölbes durch passive Dorsalextension der Großzehe (Jack-Test) zur Differenzierung des flexiblem vom fixierten Pes planovalgus.

Korrektur einer peritalaren Instabilität durch Außenrotation des Unterschenkels bei flexibler Deformität

Abb. 1.2 Beim Zehenspitzenstand ist auf die Aufrichtung des Fußlängsgewölbes, die physiologische Rückfußvarisation und das Muskelprofil des M. gastrocnemius zu achten.

1.1.3.4 Untersuchung im Sitzen

Die weitere Untersuchung erfolgt am unbelasteten hängenden Fuß, da hierdurch die muskulären Strukturen, insbesondere der Gastrocnemiuskomplex, entspannt werden ▶ Abb. 1.3. Der Patient sollte leicht erhöht gegenüber vom Untersucher sitzen, da so eine rasche beidseitige Untersuchung und auch eine Beurteilung der Fußsohlen möglich ist. Bei Verdacht auf Rotationsfehler des Beines, kann eine Untersuchung in Bauchlage helfen, diese zu identifizieren.

Abb. 1.3 Die unbelastete Untersuchung sollte am sitzenden Patienten und hängenden Bein erfolgen. Der Patient sitzt hierzu etwas erhöht auf einer Liege. Dies ermöglicht die rasche beidseitige Untersuchung bei entspannter Muskulatur.

1.1.3.5 Beschwielung

Die Beschwielung der Fußsohle kann wichtige Hinweise zu einer länger andauernden Fehlbelastung geben. Vermehrte Beschwielung oder Clavus-Bildung sind Ausdruck einer mechanischen Mehrbelastung in einzelnen Regionen. Die in der Vergangenheit häufig angewandte statische Pedografie ist heutzutage durch die digitale Erfassung als dynamische▶ Pedobarografie ersetzt worden.

Neben der Beschwielung der Fußsohle ist auch auf andere Druckstellen, wie z.B. bei Hallux valgus oder Kleinzehendeformitäten zu achten, und diese sind festzuhalten.

1.1.3.6 Sensibilität

Zur klinischen Untersuchung sollte immer auch eine orientierende Untersuchung der Oberflächensensibilität des Fußes gehören. Obwohl sich die Innervationsgebiete der Nerven, insbesondere am lateralen Fußrand, häufig überlappen, kann die klinische Untersuchung bei einer Gefühlsstörung den betroffenen Nerv identifizieren ( ▶ Abb. 1.4).

Abb. 1.4 Oberflächensensibilität des Fußes entsprechend der nervalen Innervation.

Eine Polyneuropathie äußert sich häufig mit strumpfförmig imponierenden Dys- bzw. Hypästhesien. Mit einfachen Hilfsmitteln wie der Testung der Achillessehnenreflexe, dem 10-g-Semmel-Weinstein-Monofilament und der 128-Hz-Stimmgabel nach Rydel-Seiffer können bereits entsprechende Veränderungen detektiert und der weiteren Diagnostik zugeleitet werden.

1.1.3.7 Trophik und Durchblutung

Bereits bei der initialen Beurteilung des Fußes und Unterschenkels sollte auf die Hautverhältnisse und Trophik geachtet werden. Insbesondere sind hierbei folgende Zeichen zu beachten:

Venöse Insuffizienzen, wie z.B. sichtbare Varicosis, eine Stauungsdermatitis oder abgeheilte Ulzera.

Arterielle Durchblutungsstörungen, wie eine livide Hautverfärbung, auffallend kalte Extremitäten oder eine verzögerte Rekapillarisationszeit (Norm < 2 s). Bei jeder Fußuntersuchung sollten die Pulse der A. dorsalis pedis und A. tibialis palpiert werden und im Zweifelsfall eine Verschlussdruckmessung mit Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ein Wert < 0,9 ist pathologisch) durchgeführt werden.

Neurovaskuläre Störungen, wie z.B. im Rahmen eines Polyneuropathie bei Diabetes mellitus, die durch eine trockene, heiße Haut auffallen können.

Chronische Ödeme.

1.1.3.8 Druckschmerzen

Die Untersuchung kann mit einer vorsichtigen Palpation der anatomischen Strukturen begonnen werden. Hierzu ist eine genaue Kenntnis der Oberflächentopografie essenziell.

Folgende Druckpunkte können in Abhängigkeit vom Krankheitsbild erfasst werden:

lateral ( ▶ Abb. 1.5a):

hohe Fibula (proximales Tibiofibulargelenk und proximale Fibula)

Unterschenkelkompressionstest (sog. Squeeze-Test)

distale Fibula mit:

ventraler Syndesmose

Lig. fibulotalare anterior

Lig. fibulocalcaneare

knöcherner Fibula

subfibulärem Raum

Os trigonum

Sinus tarsi

Peronealsehnen

Peronealsehnen Retinaculum

Sehnenverlauf

Tuberculum peroneale

Os peroneale

Ansatz der Sehne des M. peroneus brevis am Metatarsale V

Kalkaneokuboidalgelenk

Lig. bifurcatum

Tarsometatarsalgelenk IV und V

medial ( ▶ Abb. 1.5b):

medialer Malleolus

Lig. deltoideum

Lig. calcaneonaviculare (Springligament)

Os trignoum

Sehne des M. tibialis posterior

Sehne des M. flexor hallucis longus

Tarsaltunnel

Sehne des M. abductor hallucis

Sehne des M. tibialis anterior

Talonavikulargelenk

Navikulokuneiformegelenk

Tarsometatarsalgelenk I (TMT-I-Gelenk)

Metatarsophalangealgelenk I (MTP-I-Gelenk)

posterior:

Achillessehnenverlauf

Achillessehnenansatz

dorsal ( ▶ Abb. 1.5c):

OSG-Gelenkspalt

Retinaculum extensorum

Sehne des M. extensor digitorum longus

Sehne des M. extensor hallucis longus

Sehne des M. tibialis anterior

Talonavikulargelenk

Navikulokuneiformegelenk

Tarsometatarsalgelenkreihe

Metatarsophalangealgelenke

intermetatarsaler Druckschmerz

plantar:

Beschwielung

Plantarfaszienansatz

Metatarsaleköpfe

intermetatarsaler Raum

Sesambeine MTP I

Abb. 1.5 Eine genaue Kenntnis der topografischen Anatomie ist für die Untersuchung der Sprunggelenksregion essenziell.

Abb. 1.5a Lateral sind folgende Landmarken zu berücksichtigen: 1 proximales Tibiofibulargelenk, 2 Kompressionsschmerz Unterschenkel, 3 ventrale Syndesmose, 4 Lig. fibulotalare anterius, 5 Lig. fibulocalcaneare, 6 Peronealsehnenrinne, 7 Sehne des M. peroneus brevis, 8 Sehne des M. peroneus longus, 9 Tuberculum peroneale, 10 Os trigonum, 11 Sinus tarsi, 12 Lig. bifurcatum, 13 Kalkaneokuboidalgelenk, 14 TMT-Gelenke IV–V, 15 Basis Metatarsale V, 16 Kopf Metatarsale V und Digitus V.

Abb. 1.5b Medial sind folgende Strukturen zu beachten: 1 medialer Malleolus, 2 Deltaband, 3 N. tibialis, 4 Os trigonum, 5 Subtalargelenk, 6 Sehne M. tibialis posterior, 7 Sehne M. flexor hallucis longus, 8 Talonavikulargelenk, 9 Navikulokuneiformegelenk, 10 Sehne M. Tibialis anterior, 11 TMT-I-Gelenk, 12 MTP-I-Gelenk.

Abb. 1.5c Dorsal auf dem Fuß sind folgende Tastpunkte zu beachten: 1 vordere Syndesmose, 2 OSG-Gelenkspalt, 3 Extensoren Retinaculum, 4 Sehne M. tibialis anterior, 5 Sehnen des M. extensor digitorum longus, 6 Sehnen des M. extensor digitorum brevis, 7 Sehne des M. extensor hallucis, 8 Talonavikulargelenk, 9 Navikulokuneiformegelenke I–III, 10 TMT-Gelenke I–V, 11 A. dorsalis pedis, 12 N. peroneus superficialis, 13 N. peroneus profundus, 14 MTP-Gelenke I–V, 15 Interphalangealgelenk Dig. I, 16 proximale und distale Interphalangealgelenke Dig. II–IV

1.1.3.9 Bewegungsumfang aktiv/passiv, Flexibilität der Gelenke

Bei der Untersuchung der Beweglichkeit des Fußes muss dem Untersucher bewusst sein, dass aufgrund der Nähe und komplexen Kopplung der Gelenke die isolierte Betrachtung eines einzelnen Gelenks nur eingeschränkt möglich ist und die Mobilität des Gesamtfußes sich höchst individuell auf die unterschiedlichen Gelenkreihen aufteilt.

Die Bewegung des Fußes wird in verschiedene Raumebenen aufgeteilt.

Rückfuß

Die Dorsalextension und Plantarflexion des Fußes ist eine Kombinationsbewegung des oberen und unteren Sprunggelenks sowie der angrenzenden Gelenkreihen. Bei der Initialbeurteilung wird zunächst die Gesamtbewegung beurteilt, bevor die einzelnen Gelenkreihen auf ihre Beweglichkeit untersucht werden.

Das Bewegungsausmaß sollte mit einem Goniometer erfasst werden. Die Testung der Dorsalextension erfolgt durch leichten Druck unter den Vorfuß. Dies sollte stets mit gebeugtem und gestrecktem Knie erfolgen (sog. Silfverskiold-Test). Auf diese Weise kann differenziert werden, ob einer Bewegungseinschränkung eine selektive Verkürzung des Gastroknemius oder eine andere Ursache zugrunde liegt ( ▶ Abb. 1.6a).

Bei der Testung der Beweglichkeit kann ein anteriores und posteriores OSG-Impingement durch eine forcierte schnelle Flexion/Extension untersucht werden.

Zur isolierten Untersuchung der OSG-Beweglichkeit kann versucht werden den Talus möglichst isoliert zu bewegen. Hierzu wird das Sprunggelenk mit den Händen umfasst, wobei die Daumen auf den Talushals aufgelegt werden ( ▶ Abb. 1.6b).

Abb. 1.6 Klinische Testung der Rückfußbeweglichkeit. Die Bewegung des Rückfußes setzt sich aus der des oberen und unteren Sprunggelenks zusammen.

Abb. 1.6a Zunächst sollten die Flexion und Extension des Fußes beurteilt werden. Dies erfolgt am sitzenden Patienten, wobei dies sowohl bei gebeugtem als auch gestrecktem Knie erfolgen sollte. Hierdurch kann bei eingeschränkter Dorsalextensionsfähigkeit zwischen einer Verkürzung des knieübergreifenden Gastroknemius bzw. der Achillessehne differenziert werden. Bei selektiver Verkürzung des Gastroknemius zeigt sich bei gebeugtem Knie eine Verbesserung der Dorsalextension.

Abb. 1.6b Zur Untersuchung der selektiven Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks in Dorsalextension/Plantarflexion wird der Rückfuß mit beiden Händen umfasst und die Daumen auf den Taluskopf gelegt. Durch das feste Umfassen des Rückfußes kann die Bewegung des oberen Sprunggelenks von der Gesamtbewegung des Rückfußes differenziert werden. Mit dem gleichen Griff kann die Inversion und Eversion des Rückfußes untersucht werden, wobei hier eine genaue Differenzierung zwischen der Bewegung im oberen und unteren Sprunggelenk schwierig ist. Zur Beurteilung pathologischer Veränderungen sollte der Seitenvergleich hinzugezogen werden.

Abb. 1.6c Die Bandstabilität des Sprunggelenkkomplexes sollte in ca. 20° Plantarflexion des Fußes getestet werden, da hierdurch die dorsalen Strukturen entspannt sind. Mit einer Hand wird der distale Unterschenkel und mit der anderen das Sprunggelenk umfasst. Hierbei werden zum einem der Talusvor- und -rückschub getestet, zum anderen die laterale Aufklappbarkeit.

In diesem Untersuchungsschritt kann die Mitbeurteilung der OSG-Stabilität erfolgen. Hierzu wird der Rückfuß mit einer Hand umfasst und mit der anderen die Tibia fixiert. Der Talusvorschub wird in ca. 20° Flexionsstellung des OSG durch einen raschen Zug nach ventral getestet. Das Lig. fibulotalare anterior (LFTA) verläuft in dieser Position in Zugrichtung, und die posterioren Strukturen sind entspannt. Die laterale Aufklappbarkeit wird durch Umfassen des Rückfußes mit beiden Händen und in Inversion und Eversion getestet ( ▶ Abb. 1.6c). Bei beiden Untersuchungen ist der Vergleich zur Gegenseite aufgrund großer interindividueller Schwankungen essenziell. Auch sollte zur Differenzierung von Patienten mit einer erhöhten Mobilität gegenüber solchen mit einer pathologischen Instabilität die Beweglichkeit der übrigen Gelenke mit einbezogen werden. Zur Objektivierung einer allgemeinen Hyperlaxizität kann der Beigthon-Score herangezogen werden.

Die Testung der das Sprunggelenk stabilisierenden Anteile des Lig. deltoideum erfolgt ebenfalls in dieser Position. Hierzu wird der Fuß leicht innenrotiert und in dieser Position der Talusvorschub getestet.

Unteres Sprunggelenk

Zur Untersuchung des unteren Sprunggelenks wird der Kalkaneus umfasst ( ▶ Abb. 1.6b) und eine Inversion- und Eversionsbewegung im unteren Sprunggelenk durchgeführt. Durch den Kontakt zum Talus mit der Innenhand kann zwischen Aufklappbarkeit des OSG und Bewegung im USG differenziert werden.

Chopard-Gelenkreihe

Die Beweglichkeit in der Chopard-Reihe kann bei fixiert gehaltenem Rückfuß untersucht werden. Es können die Dorsalextension und Plantarflexion, die Ab- und Adduktion sowie die Supination und Pronation erfasst werden. Dabei ist insbesondere auf die Mobilität (rigide bzw. flexibel), Instabilitäten und Beschwerden bei der Untersuchung zu achten.

Navikulokuneiform- und Lisfranc-Gelenkreihe

Während das Chopard-Gelenk noch durch Umfassen von Rück- und Mittelfuß isoliert betrachtet werden kann, sind die Bewegungen der Navikulokuneiform- und medialen TMT-Gelenke kaum getrennt zu beurteilen. In der Regel können die Pro- und Supinationsbewegung sowie die horizontale Mobilität des 1. Strahles untersucht werden. Hierzu werden die Metatarsalia II–V mit einer Hand und das Metatarsalia I mit der anderen Hand gefasst ( ▶ Abb. 1.7). Anschließend kann die relative Mobilität getestet werden. Dies sollte in entspannter Position und in Dorsalextension des Fußes durchgeführt werden. Eine Dorsalextendierbarkeit des Metatarsale-I-Kopfs von > 1 cm gegenüber dem lateralen Strahl kann pathologisch sein. Da die TMT-Gelenke II und III physiologisch kaum Bewegung zeigen, ist hier eine Beweglichkeitstestung nicht sinnvoll. Bei der Bewegungstestung ausgelöste Schmerzen können aber Hinweise auf degenerative Veränderungen oder Instabilitäten der Lisfranc-Reihe geben.

Abb. 1.7 Zur Beurteilung der Stabilität des 1. Strahles werden die lateralen Fußstrahlen mit der einen Hand fixiert, während mit der anderen Hand die Mobilität des 1. Strahles in Dorsalextension/Plantarflexion untersucht wird. Der Test sollte sowohl in Neutralstellung als auch bei Dorsalextension im OSG erfolgen, da hierbei die Plantarfaszie stabilisierend wirkt.

Demgegenüber findet in den TMT-Gelenken IV–V nahezu die gesamte Dorsalextension/Plantarflexion der lateralen Säule statt. Dies kann in der klinischen Untersuchung gut untersucht werden.

Metatarsophalangealgelenke (MTP-Gelenke)

Die MTP-Gelenke sind aktiv und passiv hinsichtlich Plantarflexion und Dorsalextension zu untersuchen. Insbesondere ist auf Bewegungseinschränkungen, Kontrakturen aber auch Haut- und Sehnenverkürzungen zu achten. Dazu sollte eine Testung der Seitenbänder und auch der plantaren Strukturen erfolgen. Hierzu verschiebt man die Grundphalanx gegenüber den Köpfen in Neutralstellung nach dorsal (sog. Lachmann-Test; ▶ Abb. 1.8). Weiterhin sind mögliche transversale Deformitäten (Valgus, Varus) und Rotationsfehlstellungen (Supination, Pronation) zu erfassen.

Abb. 1.8 Die Stabilität der plantaren Platte und Seitenbänder der MTP-Gelenke wird im Lachman-Test untersucht. Hierzu wird das Metatarsale mit der einen Hand fixiert, während mit der anderen Hand durch Fassen der Grundphalanx versucht wird, diese nach dorsal und plantar zu bewegen. Hierbei muss auf Schmerzen und Instabilitäten geachtet werden.

Interphalangealgelenke

Die Interphalangealgelenke sollten auf ihre Beweglichkeit in Dorsalextension/Plantarflexion untersucht werden und Fehlstellungen dokumentiert werden. Es müssen hierbei kontrakte von flexiblen Fehlstellungen unterschieden werden. Neben der passiven Beweglichkeit ist auch die aktive zu untersuchen, wobei zwischen der FDL- und FDB-Sehnenfunktion differenziert werden sollte. Für eine differenzierte Beschreibung der Fehlstellung s. Kap. ▶ 2.2.1

1.1.3.10 Fußstellung

Merke

Der Fuß ist stets als eine funktionelle Einheit zu verstehen.

Fehlstellungen des Rückfußes beeinflussen die Vorfußstellung, aber auch Vorfußfehlstellungen können Rückfußfehlstellungen bedingen. So kann eine Instabilität der medialen Säule im Mittelfuß zu einem Verkippen des Rückfußes in den Valgus führen. Andererseits kann ein steilstehender 1. Strahl den Rückfuß in den Varus drücken. Dieser Effekt wird als „forefoot driven hindfoot varus/valgus“ bezeichnet ( ▶ Abb. 1.9a).

Zur Beurteilung muss zunächst die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks untersucht werden. Bei flexiblem unterem Sprunggelenk kann bei neutral gehaltenem Gelenk die relative Stellung des Vorfußes zum Rückfuß beurteilt werden. Im Stehen kann die Stellung durch Unterlage von Keilen hälftig unter den Vorfuß (sog. Coleman-Block-Test; ▶ Abb. 1.9b) korrigiert werden.

Abb. 1.9 Die Beurteilung der Fußstellung erfordert immer die Betrachtung von Vor- und Rückfuß, da diese sich gegenseitig beeinflussen.

Abb. 1.9a Bei einem suppiniert stehenden Vorfuß kommt es im Stand zu einer Valgisationstendenz des Rückfußes.

Abb. 1.9b Durch Unterlage einer Platte unter den medialen oder lateralen Vorfuß im sogenannten Coleman-Block-Test können z.B. ein durch eine Vorfußsupination sekundärer Rückfußvalgus oder auch ein durch einen steilstehenden 1. Strahl bedingter Rückfußvarus demaskiert werden.

1.1.3.11 Sehnenfunktion/-verkürzung

Nach der Testung der passiven Beweglichkeit sollte die aktive Bewegung des Fußes untersucht werden. Zum Teil überlappen sich die Funktionen einzelner Sehnen, sodass eine differenzierte Untersuchung erschwert ist.

Der M. tibialis anterior ist der stärkste Muskel zur Dorsalextension im Sprunggelenk. Die Muskelfunktion kann gut im Stand und Gang untersucht werden. Die Kraft kann durch Dorsalextension gegen Widerstand getestet werden. Bei einer Schwäche oder Ausfall des Muskels kommt es zu einem Steppergang. Bei einer Ruptur ist häufig das Sehnenende auf Höhe des Extensorenretinakulums zu tasten, dementsprechend ist auf eine Konturänderung des ventralen Sprunggelenkbereichs zu achten.

Die Funktion des M. tibialis posterior ist lageabhängig. In Neutralstellung des Sprunggelenks, führt er zu einer Supination, Adduktion und Flexion des Fußes. Die isolierte Testung ist erschwert, da seine Funktion sich in Teilen mit der des M. tibialis anterior (Adduktion) überschneidet. Die Adduktionskomponente kann in leichter Plantarflexion oder durch die Rückführung in Neutralstellung aus Pronationsstellung gegen Widerstand untersucht werden.

Der M. flexor hallucis longus zieht direkt auf die Endphalanx der Großzehe, sodass durch Flexion im IP-Gelenk bei neutralem OSG und MTP-Gelenk dieser getestet werden kann. Zusätzlich gibt der Muskel in > 90% der Patienten Verbindungsfasern zur Sehne des M. flexor digitorum longus ab, sodass die Kleinzehen mitbewegt werden.

Die Sehnen des M. flexor digitorum longus wirken gemeinsam auf die 4 Kleinzehen, sodass eine getrennte Beugung dieser nicht möglich ist. Die Sehnen des M. flexor digitorum brevis setzen an den Mittelphalangen an und führen hier zur Flexion. Eine Besonderheit ist, dass keine aktive Flexorensehne an den Grundphalangen der Zehen ansetzt und somit eine Plantarflexion hier v.a. über die Bodenreaktionskräfte, aber auch die intrinsische Fußmuskulatur erfolgt.

Die kräftigsten Pronatoren des Fußes sind der M. peroneus longus und brevis. Die Untersuchung erfolgt durch die Pronation gegen Widerstand. Eine Differenzierung zwischen M. peroneus longus und brevis ist klinisch schwierig. Hinweisgebend auf eine Pathologie des M. peroneus longus kann eine schmerzhafte oder eingeschränkte Plantarflexion des 1. Strahles sein, da dieser an der Basis des Metatarsale I inseriert.

1.2 Bildgebende Verfahren

M. Walther

1.2.1 Röntgen

Das konventionelle Röntgen ist unverändert die Basisdiagnostik in der Behandlung von Erkrankungen an Fuß und Sprunggelenk. Normalerweise werden die Aufnahmen an Fuß und Sprunggelenk belastet durchgeführt. Ausnahmen sind nur die akute Verletzung oder auch postoperativ, wenn eine Belastung nicht möglich ist. Aber auch nach einem Trauma kann die Beurteilbarkeit der Bilder wesentlich besser sein, wenn der Fuß ohne Lastaufnahme aufgestellt wird.

Standardröntgenaufnahmen

Fuß d.–p. im Stehen ( ▶ Abb. 1.10)

Fuß seitlich belastet ( ▶ Abb. 1.11)

Fuß 45° schräg (Pronation; ▶ Abb. 1.12)

Fuß 45° schräg (Supination; ▶ Abb. 1.13)

Sesambeinaufnahme ( ▶ Abb. 1.14)

Sprunggelenk a.–p. belastet ( ▶ Abb. 1.15)

Sprunggelenk seitlich belastet ( ▶ Abb. 1.16)

Saltzmann-Aufnahme ( ▶ Abb. 1.17)

Kalkaneus seitlich ( ▶ Abb. 1.18)

Kalkaneus axial ( ▶ Abb. 1.19)

Broden-Aufnahme ( ▶ Abb. 1.20)

Abb. 1.10 Fuß d.–p. belastet. Dies ist eine Standardaufnahme zur Planung von Osteotomien am Fuß, zusammen mit der seitlichen belasteten Aufnahme. Beurteilt werden u.a. der Winkel zwischen Metatarsale I und II (a: Intermetatarsalwinkel, Norm < 9°), der Winkel zwischen Metatarsale I und der Grundphalanx der Großzehe (b: Hallux-valgus-Winkel, Norm < 15°) sowie der Winkel zwischen der Achse der Grundphalanx und dem Endglied (c: Interphalangealwinkel, Norm < 5°).

Abb. 1.11 Fuß seitlich unter Belastung. Die Aufnahme dient zur Beurteilung des Längsgewölbes und der Achsverhältnisse der medialen Säule anhand der Talusachse (a), der Kalkaneusachse (b) und der Metatarsale-I-Achse (c).

Abb. 1.12 Fuß schräg in 45° Pronation. In dieser Projektion sind Sinus tarsi, die TMT-Gelenke III–V und Koalitionen zwischen Navikulare und Kalkaneus zu erkennen.

Abb. 1.13 Fuß schräg 45° Supination. Projektion zur Beurteilung des TMT-I-Gelenks.

Abb. 1.14 Sesambeinaufnahme. Die axiale Aufnahme erlaubt die Beurteilung der Position der Sesambeine sowie Aussagen zu degenerativen Veränderungen.

Abb. 1.15 Sprunggelenk a.–p. in 20° Innenrotation. Der sogenannte Mortise View zeigt die Konfiguration des oberen Sprunggelenks und die Syndesmosengabel.

Abb. 1.16 Sprunggelenk seitlich. Die seitliche Aufnahme des Sprunggelenks dient zur Beurteilung von ventralen osteophytären Anbauten (hier mit Eichkugel zur Planung einer OSG-Prothese). Die Modifikation in Innen- und Außenrotation hilft Pathologien im Randbereich zu erkennen.

Abb. 1.17 Saltzmann-Rückfußaufnahme. Die Saltzmann-Rückfußaufnahme erlaubt die Beurteilung der Rückfußachse. Physiologisch steht der Kalkaneus in Verlängerung der Tibiaachse, bzw. in 2–5° Varus. Das Bild zeigt eine ausgeprägte Valgusfehlstellung. Wird der Fuß bei der Aufnahme nicht exakt ausgerichtet, ist die Beurteilung erschwert.

Abb. 1.18 Kalkaneus seitlich. Diese Aufnahme bietet sich neben der Traumadiagnostik zur Beurteilung von Insertionstendinopathien des Kalkaneus an. Die Aufnahme kann ergänzend in 30° Innen- und Außenrotation angefertigt werden, um Knochenkanten in den Randbereichen des Kalkaneus darzustellen.

Abb. 1.19 Kalkaneus axial. Abbildung des Kalkaneus in seiner gesamten Länge. Die Aufnahme ermöglicht die Beurteilung von Pathologien im Randbereich des Kalkaneus. Die Einstellung wird häufig auch intraoperativ verwendet, um bei Osteotomien des Kalkaneus die Stellung und die Lage des Osteosynthesematerials zu kontrollieren.

Abb. 1.20 Broden-Aufnahme. Die Broden-Aufnahme wird zur Beurteilung der hinteren Facette des Subtalargelenks durchgeführt. Um die verschiedenen Bereiche der dorsalen Facette darzustellen, wird die Aufnahme mit unterschiedlicher Röhrenkippung angefertigt.

1.2.2 Sonografie

1.2.2.1 Technische Grundprinzipien

Am Fuß werden Linearschallköpfe mit einer Frequenz von 7,5 MHz oder mehr verwendet. Ist eine plane Auflage des Schallkopfs nicht möglich, empfiehlt sich der Einsatz einer Vorlaufstrecke. Die Dopplersonografie erlaubt die Darstellung von Gefäßen und Blutfluss, mit der Powerdopplersonografie ist die Darstellung des Blutflusses auf kapillarer Ebene möglich.

Indikationen zur Sonografie

Pathologien der Achillessehne und des Achillessehnenansatzes ( ▶ Abb. 1.21)

Instabilität der Peronealsehnen

Kapsel-Band-Verletzungen

Läsionen der Syndesmose ( ▶ Abb. 1.22)

Raumforderungen der Weichteile

Thrombosen der plantaren Fußvenen

Entzündliche Gelenkerkrankungen

Abb. 1.21 Achillessehnenansatz mit Verkalkungen. Die Darstellung der Achillessehne und des Sehnenansatzes ist eine Domäne der Sonografie. Neben der Primärdiagnostik bietet sich die Verlaufskontrolle bei operativer und konservativer Therapie an.

1.2.2.2 Sehnen

Sehnen sind durch eine homogene, fibrilläre Binnenstruktur gekennzeichnet. Die Sehnenscheide enthält eine geringe Menge von Flüssigkeit, die als dünnes, echofreies Band die Sehne umschließt. Bei entzündlichen Veränderungen findet sich vermehrt Flüssigkeit im Bereich der Sehnenscheide. Im Querschnitt besitzt die Sehne einen echofreien Hof.

Kennzeichnend für Veränderungen des Sehnengewebes sind Kaliberschwankungen, Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche bzw. eine Konturunterbrechung. Die Binnenstruktur der Sehne ist stark vom Einfallswinkel des Schalles abhängig, was zu echoreicher oder auch echoarmer Darstellung führen kann. Bei der Interpretation von Änderungen in der Binnenstruktur ist daher größte Vorsicht geboten.

1.2.2.3 Kapsel-Band-Apparat

Verletzungen des Kapsel-Band-Apparats am Sprunggelenk, der Syndesmose ( ▶ Abb. 1.22) oder den MTP-Gelenken werden mit hochfrequenten Schallköpfen (12 MHz) dargestellt. Der Ultraschall erlaubt als einziges bildgebendes Verfahren die dynamische Darstellung von Bändern und Gelenken. Hilfreich ist dies zur Beurteilung der Aufklappbarkeit des Sprunggelenks bei Instabilitäten oder der Translation der Fibula bei Läsionen der Syndesmose.

Auch bei der Darstellung kleinster Knorpelveränderungen ist der Ultraschall ähnlich sensitiv wie die Kernspintomografie, wodurch sich ein breites Einsatzgebiet bei entzündlichen Gelenkerkrankungen ergibt.

Abb. 1.22 Darstellung der Syndesmose. Im Gegensatz zur statischen Aufnahme der MRT und Röntgenaufnahme, erlaubt die Sonografie die dynamische Darstellung der Pathologie. Unter Stress in Pronation-Abduktion kann eine Aufweitung der Syndesmose (auch im Vergleich zur gesunden Seite) dargestellt werden. Hier zeigt sich eine vergrößerte Distanz zwischen Tibia (a) und Fibula (b).

1.2.3 Computertomografie

1.2.3.1 Technische Grundprinzipien

Die Computertomografie (CT) bietet die höchste Auflösung zur Darstellung von Knochenpathologien. Die CT wird in ihrer Aussagekraft weniger von Metallen beeinflusst als die Kernspintomografie. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der 3D-Rekonstruktion, was insbesondere zur Beurteilung von Frakturen hilfreich ist. Inzwischen sind CT-Systeme zur intraoperativen Anwendung verfügbar, welche bereits während der Operation eine genauere Kontrolle der Reposition und der Schraubenlage ermöglichen, als dies mit dem klassischen Bildverstärker möglich ist. Diese sehr teuren Geräte sind bisher im Vergütungssystem nicht abgebildet und werden an Fuß und Sprunggelenk vor allem im Rahmen von wissenschaftlichen Studien eingesetzt.

Eine Erweiterung der Indikationsstellung ergab sich in den letzten Jahren durch das PET-CT und SPECT. Hier werden die Bildinformationen der Szintigrafie mit der Detailauflösung des Computertomogramms zusammengeführt. Bisher sind diese teuren und wenig verfügbaren Verfahren Spezialfragestellungen vorbehalten und haben noch keinen Eingang in die Routinediagnostik an Fuß und Sprunggelenk gefunden.

Indikationen zur Computertomografie

Trauma, inkl. der postoperativen Kontrolle der Reposition und der Lage des Osteosynthesematerials

Stressfrakturen

bei osteochondralen Läsionen zur Beurteilung des Knochendefekts

Tumoren

Osteomyelitis

unklare postoperative Beschwerden

1.2.3.2 Trauma

Bei der Beurteilung komplexer Frakturen bietet das CT eine gute Darstellung von Gelenkflächen und der Stellung der Fragmente und Gelenke zueinander ( ▶ Abb. 1.23, ▶ Abb. 1.24). Für die Planung der operativen Versorgung ist die 3D-Rekonstruktion ein wichtiges Hilfsmittel. Postoperativ können die Qualität der Reposition sowie die korrekte Lage des Osteosynthesematerials überprüft werden.

Abb. 1.23 Die CT-Untersuchung des Kalkaneus ist die Standardbildgebung zur Beurteilung von Kalkaneusfrakturen. Neuere Klassifikationen basieren vor allem auf der CT-Bildgebung.

Abb. 1.24 Knöcherne Verletzungen im Bereich der Syndesmose lassen sich gut mit der CT darstellen. Auch die Kontrolle der Reposition der Syndesmose nach Sprunggelenkfrakturen ist eine Domäne der CT.

1.2.3.3 Stressfrakturen

Kleinste Fissuren im Knochen entgehen regelmäßig der konventionellen Röntgenaufnahme. Mit der CT können Stressfrakturen früher und exakter dargestellt werden als mit konventionellen Röntgenaufnahmen. Bei dieser Fragestellung ist aber abzuwägen, ob nicht eine Kernspintomografie die sinnvollere Aufnahme ist, da hier ein wesentlich breiteres Spektrum an Differenzialdiagnosen in die Beurteilung einbezogen werden kann.

1.2.3.4 Tumoren

Bei Tumoren mit Knochenbeteiligung können mit der CT das Ausmaß der Läsion und die Knochenstabilität exakt beurteilt werden. Ebenso möglich ist die Abschätzung bereits vorhandener Knochenbrüche.

1.2.3.5 Osteomyelitis

Bei der Beurteilung einer Osteomyelitis ist das MRT das aussagekräftigste bildgebende Verfahren. Speziell kleinere Sequester, kleinere Gaseinschlüsse, Fistelgänge wie auch komplexe knöcherne Veränderungen sind aber aufgrund der höheren Auflösung Indikationen für die CT.

1.2.3.6 Unklare postoperative Beschwerden

Bei unklaren postoperativen Schmerzzuständen können die knöcherne Überbauung von Osteotomien und Frakturen, Pseudoarthrosen, eine verzögerte Knochenheilung, aber auch Metallüberstand zuverlässig erkannt werden ( ▶ Abb. 1.25).

Abb. 1.25 Diskrete knöcherne Veränderungen wie Osteophyten oder Ossikel lassen sich mit der CT besser darstellen als mit der MRT (hier osteophytäre Anbauten vor allem im Bereich des medialen Malleolus).

1.2.4 Magnetresonanztomografie

Die Kernspintomografie (Synonym: Magnetresonanztomografie – MRT) bietet mit der neusten Gerätegeneration und in Verbindung mit Mehrkanalspulen eine hohe Ortsauflösung mit gutem Gewebekontrast. Die Gabe von Kontrastmittel erlaubt die Darstellung auch sehr diskreter Veränderungen. Qualität und diagnostischer Wert sind stark von der adäquaten Schnittführung in Verbindung mit einer korrekten Lagerung des Patienten abhängig, was wiederum eine exakte Fragestellung des Klinikers voraussetzt.

Indikationen zur Magnetresonanztomografie

Trauma von Sprunggelenk und Mittelfuß

Erkrankungen von Sehnen, Bändern und Gelenkkapsel

Stressfrakturen

Infektionen

Knochenödeme und Knochennekrose

osteochondrale Läsionen und Knorpelschäden

Frühdiagnose einer entzündlichen Gelenkerkrankung

diabetische Neuroarthropathie (DNOA)

Tumoren

Erkrankungen der Nerven

1.2.4.1 Trauma von Sprunggelenk und Mittelfuß

Bei unklaren oder anhaltenden Beschwerden nach Trauma kann mit der MRT das Ausmaß der Verletzung umfassender beurteilt werden, als mit konventionellen Röntgenaufnahmen. Dies betrifft insbesondere Läsionen des Lisfranc-Gelenks, der Syndesmose ( ▶ Abb. 1.26), der Peronealsehne und der Tibialis-posterior-Sehne sowie des Kapsel-Band-Apparats.

Abb. 1.26 Ruptur der Syndesmose. Die T2-gewichtete Aufnahme zeigt eine Unterbrechung der vorderen Syndesmosenfasern sowie Flüssigkeit zwischen dem Innenknöchel und dem Talus.

1.2.4.2 Erkrankungen von Sehnen, Bändern und der Gelenkkapsel

Strukturelle Veränderungen von Sehnen und Bändern lassen sich mit der MRT darstellen ( ▶ Abb. 1.27). Aussagen zur mechanischen Festigkeit sind aber nur eingeschränkt möglich. Dies betrifft regelmäßig die Insuffizienz der Tibialis-posterior-Sehne, bei der im MRT-Befund eine durchgängige Sehne beschrieben wird, klinisch jedoch eine hochgradige mechanische Insuffizienz gefunden wird ( ▶ Abb. 1.28).

Abb. 1.27 Außenbandruptur. Die Unterbrechung und Signalveränderung im Lig. talofibulare anterius (Pfeil) ist gut erkennbar.

Abb. 1.28 Tibialis-posterior-Insuffizienz. Eine Signalveränderung in der verdickten Tibialis-posterior-Sehne ist das MRT-Korrelat der Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz. Eine vollständige Ruptur ist nicht immer vorhanden.

1.2.4.3 Stressfrakturen

Die akute Mikro-, Stress- oder Insuffizienzfraktur entgeht regelmäßig der konventionellen Röntgenaufnahme. Aufgrund der umfassenden Abbildung auch möglicher anderer Schmerzursachen ist die MRT der CT überlegen. Bereits überlastungsbedingte Knochenödeme können dargestellt werden, selbst wenn keine sichtbare Unterbrechung von Knochenstrukturen vorliegt.

1.2.4.4 Infektionen

Bei Osteomyelitiden und Weichteilabszessen kann mit der MRT die Ausdehnung der Entzündung bzw. deren Abgrenzung zum gesunden Gewebe sehr genau dargestellt werden. Probleme bereitet immer wieder die Abgrenzung der diabetischen Neuroarthropathie gegenüber Infekten. Der Ausfall des Fettmarksignals ist der wichtigste Indikator für eine Osteomyelitis.

1.2.4.5 Knochenödem und Knochennekrose

Knochenödeme und Knochennekrosen können Ursache anhaltender Beschwerden im Bereich Fuß und Sprunggelenk sein und sind mit keinem anderen Verfahren darstellbar. Zu unterscheiden sind Knochenödeme aufgrund von Trauma und Überlastung, bei Ischämie, Tumor oder Entzündung beziehungsweise das Knochenmarködem als eigenständige Erkrankung ▶ [10].

1.2.4.6 Knorpelschäden und osteochondrale Läsionen

Für Knorpel- und osteochondrale Läsionen ist das MRT die aussagekräftigste Bildgebung. Neben Ausdehnung und Vitalität kann die Aktivierung der Prozesse anhand des Begleitödems beurteilt werden. Auch im Vorfeld der Deformitätenkorrektur kann der Knorpelzustand präoperativ eingeschätzt werden.

1.2.4.7 Frühdiagnose einer entzündlichen Gelenkerkrankung

Bevor Zeichen einer entzündlichen Gelenkerkrankung im konventionellen Röntgenbild sichtbar werden, sind diese Veränderungen im MRT darstellbar. Bei unklarer Symptomatik ist die MRT ein wichtiges Verfahren, um die laborchemische Diagnostik zu ergänzen.

1.2.4.8 Diabetische Neuroarthropathie (DNOAP)

Bereits im Stadium 0 der DNOAP (Prodromalstadium) zeigt das MRT Weichteilödeme, Gelenkerguss, Gelenksubluxationen, Infraktionen und intraossäre Ödeme. Im Stadium I nach Eichenholtz (Destruktion, Fragmentation) nehmen die Ödeme zu. Das Stadium II (Sinterung) ist gekennzeichnet durch ein rückläufiges Knochenödem bei progredienter Deformation und Instabilität. In Stadium III (Konsolidierung) sind Ödem und Erguss weiter rückläufig, Residualbefunde lassen sich aber anhaltend nachweisen.

1.2.4.9 Tumoren

Zeichen maligner Raumforderungen sind eine unscharfe Abgrenzung, die Infiltration des umliegenden Gewebes, die Ummauerung von Gefäßen und Nerven sowie eine Destruktion knöcherner Strukturen. Allerdings ist mithilfe der MRT keine exakte Differenzierung zwischen malignen und benignen Tumoren möglich.

1.2.4.10 Erkrankungen der Nerven

Kennzeichnend für Nervenschäden sind Denervationsödeme in den abhängigen Muskeln sowie im weiteren Verlauf die fettige Degeneration. Morphologische Veränderungen wie das Morton-Neurom sind ebenfalls darstellbar. Allerdings findet sich nicht immer eine Auftreibung des Nervs; regelmäßig besteht nur eine Fibrosierung in Verbindung mit fibrovaskulärem Reizgewebe. Die beste Abbildung eines Morton-Neuroms gelingt in Bauchlage mit maximal plantar flektiertem Fuß.

1.2.5 Szintigrafie

Die Skelettszintigrafie wird als 3-Phasen-Szintigrafie durchgeführt. Nach Injektion von 99mTc-markiertem Diphosphonatkomplex (Technetium) werden in der 1. Phase der arteriellen Anflutung Bilder in schneller Sequenz mithilfe der Gammakamera angefertigt. Ca. 3–15 min nach der Injektion wird die lokale Blutfülle szintigrafisch erfasst (venöse oder auch Weichteilphase). Die 3. Phase ca. 2–3 h nach Injektion erlaubt Aussagen zum Osteoblastenstoffwechsel (Mineralisationsphase) als Zeichen der Reaktion des Knochens auf Läsionen.

Indikationen zur 3-Phasen-Skelettszintigrafie

Frakturen, insbesondere Stressfrakturen

Arthrose und Arthritis

Entzündungsdiagnostik

Ist durch die 3-Phasen-Skelettszintigrafie keine eindeutige Unterscheidung zwischen Osteitis und nichtentzündlichen Erkrankungen möglich, kann die Aussagekraft durch eine Entzündungsszintigrafie verbessert werden. Hierbei werden monoklonale Antikörper bzw. deren Fragmente eingesetzt, die sich an Granulozyten im Blut anheften.

Die Szintigrafie hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Bei der Mehrzahl der Fragestellungen bietet die MRT mit Kontrastmittel eine bessere Aussagekraft, bei fehlender Strahlenbelastung und besserer Verfügbarkeit. Die Diagnostik der Lockerung von Endoprothesen ist noch eine Domäne der Szintigrafie, wobei auch bei diesen Fragestellungen neue MRT-Sequenzen mit Metallunterdrückung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

1.2.6 Pedobarografie

Die Pedobarografie liefert Informationen zur Belastung des Fußes und zur mechanischen Funktion ( ▶ Abb. 1.29). Die lokale Druckbelastung wird in N/cm2 angegeben, wobei Werte > 600 N/cm2 häufig mit Beschwerden vergesellschaftet sind. Weitere Informationen sind die Ganglinie und der Verlauf des Körperschwerpunkts. Insbesondere bei der orthopädietechnischen Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus und Neuropathie wird die Druckverteilungsmessung heute zum sicheren Ausschluss von plantaren Druckspitzen gefordert.

Unverändert problematisch ist die standardisierte Interpretation der Bilder. Bei einer gestörten plantaren Druckverteilung können Areale mit hohen plantaren Drücken ins Auge stechen. Teilweise wird das betroffene Areal vom Patienten aber schmerzbedingt entlastet, sodass die Pedobarografie im Sinne einer Schonhaltung verändert ist, die Ursache auf den Bildern aber nicht erkennbar wird.

Abb. 1.29 Pedobarografie bei einem Patienten mit Pes planovalgus links bei Tibialis-posterior-Sehneninsuffizienz. Im Gegensatz zum rechten Fuß lässt sich links das Längsgewölbe kaum abgrenzen.

1.2.7 Literatur

[1] Christman RA. Foot and Ankle Radiology. St. Louis: Churchill Livingstone; 2003

[2] Coughlin MJ, Saltzman CL, Mann RA. Mann's Surgery of the Foot and Ankle. 9. Aufl. Philadelphia: Mosby; 2013

[3] Flechtenmacher J, Sabo D. Praktische Röntgendiagnostik Orthopädie und Unfallchirurgie: Indikation, Einstelltechnik, Strahlenschutz. Stuttgart: Thieme; 2014

[4] Fuhrmann RA, Layher F, Wetzel WD. Radiographic changes in forefoot geometry with weightbearing. Foot Ankle Int 2003; 24: 326–331

[5] Gaulrapp H, Binder C. Aufbaukurs Sonografie der Bewegungsorgane: Entsprechend der Richtlinien der DEGUM und KBV. 2. Aufl. Amsterdam: Urban & Fischer/Elsevier; 2014

[6] Gaulrapp H, Binder C. Grundkurs Sonografie der Bewegungsorgane: Aktualisierte Standardschnitte und Richtlinien entsprechend der DEGUM. 2. Aufl. Amsterdam: Urban & Fischer/Elsevier; 2014

[7] Maestro M, Bess J, Ragusa M et al. Forefoot morphotype study and planning method for forefoot osteotomy. Foot Ankle Clin North Am 2003; 8: 695–710

[8] Nathan M, Mohan H, Vijayanathan S et al. The role of 99mTc-diphosphonate bone SPECT/CT in the ankle and foot. Nucl Med Commun 2012; 33: 799–807

[9] Orlin MN, McPoil TG. Plantar pressure assessment. Phys Ther 2000; 80: 399–409

[10] Stäbler A, Szeimies U, Walther M. Bildgebende Diagnostik des Fußes. Stuttgart: Thieme; 2012

1.3 Anästhesieverfahren

M. Przemeck

Kleinere Eingriffe v.a. am Vorfuß werden oft in Infiltrationsanästhesie oder lokalen Nervenblockaden durchgeführt. Für komplexe, langdauernde Eingriffe, bei denen eine Blutsperre oder Blutleere angelegt werden muss oder eine Knochenentnahme aus den Beckenkämmen geplant ist, empfiehlt sich eine Spinal- oder Allgemeinanästhesie. Im Hinblick auf die postoperative Schmerztherapie ist auch bei Spinal- und Allgemeinanästhesie häufig eine Kombination mit einer peripheren Blockade – ggf. als Katheterverfahren – sinnvoll. Hierzu gehören auch Wundrandinfiltrationen beim Hautverschluss.

1.3.1 Lokal- und Regionalanästhesie

Eingriffe am Sprunggelenk und Fuß sind prädestiniert für regionale Anästhesieverfahren. Bei der Frage, welche dieser Verfahren noch vom Operateur durchgeführt werden und bei welchen die Unterstützung durch einen Anästhesisten erforderlich ist, orientiert man sich am anästhesiologischen Facharztstandard: Schmerzausschaltung, ggf. notwendige Sedierung und Überwachung der Vitalparameter, die Beherrschung von Komplikationen z.B. aufgrund von Lokalanästhetikatoxizität und eventuell erforderliche Wechsel und Ergänzungen der Betäubungsverfahren müssen gewährleistet sein ▶ [14].

Auch nach alleiniger Gabe von Lokalanästhetika (LA) muss der Patient mindestens 45 min überwacht werden, d.h. in der Praxis oder Ambulanz bleiben. Werden mehr als 25% der zulässigen LA-Maximaldosis verwendet, sollten ein intravenöser Zugang gelegt und eine Herz-Kreislauf-Überwachung mit EKG und Blutdruckmessung durchgeführt werden ▶ [11].

Infiltrationen und Blockaden einzelner Nerven können in der Regel vom Operateur durchgeführt werden. Werden hohe LA-Dosen verwendet, ist eine sorgfältige perioperative Überwachung notwendig, die von einem Arzt allein nicht mehr gewährleistet werden kann. Entsprechendes gilt für Spinal- und Epiduralanästhesien.

1.3.1.1 Aufklärung und Dokumentation

Über eine Regionalanästhesie muss aufgeklärt werden, der Patient muss in sie einwilligen und sie ist sorgfältig zu dokumentieren.

Merke

Typische, aufklärungspflichtige Komplikationen der Regionalanästhesie:

Nervenverletzung mit der Folge (ggf. dauerhafter) Schmerzen, Parästhesien und Lähmungen

LA-Toxizität (s.u.)

Sturzrisiko bei anhaltender motorischer Blockade (Schmerzkatheter)

Infektion (besonders bei Schmerzkatheter)

Merke

Inhalt der Dokumentation bei einer Regionalanästhesie:

Medikament

Konzentration

Volumen

Ort der Injektion

Parästhesien

blutige Aspiration

1.3.1.2 Hygiene

Alle Punktionen erfolgen unter aseptischen Bedingungen nach sorgfältiger Hautdesinfektion. Die Einwirkzeiten des Desinfektionsmittels müssen genau beachtet werden. Nervenkatheter werden unter sterilen Kautelen mit Lochtuch, Mundschutz, sterilen Handschuhen und Kittel gelegt ▶ [16].

1.3.1.3 Lokalanästhetika

Alle heute klinisch verwendeten LA gehören zur Amid-Gruppe. Sie weisen im Gegensatz zu denen der Ester-Gruppe eine geringere allergische Potenz auf und sind chemisch stabiler. Grundsätzliches Wirkprinzip aller LA (einschließlich ihrer Ursubstanz Cocain) ist die Blockade des schnellen Natriumeinstroms zu Beginn des Aktionspotenzials durch spezifische Bindung an Natriumkanäle. LA können nur in ihrer ungeladenen Form an den Wirkort, das Innere eines Axons, diffundieren. Im sauren Milieu liegen sie zu einem größeren Anteil protoniert (als Kation) vor, was die schlechtere Wirkung in entzündetem (saurem) Gewebe erklärt. Einen Überblick über häufig verwendete LA gibt ▶ Tab. 1.1.

Tab. 1.1

 Lokalanästhetika für periphere Nervenblockaden und Infiltrationen am Fuß.

Substanz

Konzentration*

Wirkeintritt**

Wirkdauer**

empfohlene Maximaldosis***

Lidocain (z.B. Xylocain)

2% (20 mg/ml)

5–15 min

1–2 h

300 mg

Prilocain (z.B. Xylonest)

1% (10 mg/ml)

5–15 min

1,5–3 h

600 mg

Mepivacain

2% (20 mg/ml)

5–20 min

1,5–3 h

300–400 mg

Bupivacain (z.B. Carbostesin)

0,5% (5 mg/ml)

20–40 min

4–8 h

150 mg

Ropivacain (z.B. Naropin)

0,75% (7,5 mg/ml)

10–30 min

5–8 h

200–300 mg

Die Angaben beziehen sich auf Einzelinjektionen in wenig durchblutetes Gewebe und sind den Herstellerinformationen entnommen.

* Von allen Präparaten sind auch andere Konzentrationen erhältlich, die aber z.T. keine Zulassung für die hier besprochenen Indikationen haben.

** Ungefähre Angaben nach eigenen Erfahrungen. Deutliche Variabilität in Abhängig von der Lokalisation und der Injektionstechnik. Konzentrationsänderungen (Verdünnungen bis auf 50% der Ausgangskonzentration) haben relativ geringen Einfluss auf den Wirkungseintritt, wohl aber auf die Blockadeintensität und -dauer. Mit höheren Injektionsvolumina kann eine schnellere Anschlagzeit erreicht werden.

*** Ohne Zusatz von Vasokonstriktoren wie Adrenalin, das bei peripheren Blockaden auch nicht empfohlen wird. Werden LA-Kombinationen verabreicht, reduzieren sich die Maximaldosen proportional.

Praxis

Die Gewebsazidose bei einer Entzündung oder Infektion breitet sich häufig weit über das entzündete Areal aus, sodass hier ein ausreichend großer Abstand zur Injektion des LA eingehalten werden muss.

Lokalanästhetikatoxizität

Die Toxizität der LA erklärt sich durch ihre Wirkungsweise: Auch am ZNS und am myokardialen Reizleitungssystem werden Natriumkanäle blockiert. Häufig berichten die Patienten zunächst über einen metallischen Geschmack und periorale Dysästhesien, die dann über Bewusstseinsstörungen und Bewusstlosigkeit zu anhaltenden generalisierten Krampfanfällen fortschreiten können. Besonders gefürchtet sind die kardialen Effekte: Eine LA-Intoxikation kann dort über komplexe Arrhythmien zum Herzstillstand führen. Durch die dabei entstehende intrazelluläre Azidose bleiben die LA-Moleküle im Reizleitungssystem „gefangen“ und verhindern erfolgreiche Reanimationsmaßnahmen.

Zu den häufigsten Ursachen gehören unbeabsichtigte intravasale Injektionen, Überdosierungen und unerwartet schnelle Resorption. Bei der Injektion von LA muss daher wiederholt unter Drehen der Kanüle in mehreren Ebenen aspiriert werden, um eine intravasale Fehllage auszuschließen. Weiter sollte der Patient während und nach der Injektion gut beobachtet werden (Verbalkontakt), um die Prodromi einer Intoxikation rechtzeitig zu erkennen. Die Dosisobergrenzen sind unter Berücksichtigung des zu betäubenden Areals zu beachten.

Wird eine Intoxikation vermutet, ist die LA-Gabe sofort zu beenden. Sofern noch nicht vorhanden, erhält der Patient einen venösen Zugang und ein EKG-, Blutdruck- und Pulsoxymetrie-Monitoring sowie Sauerstoff. Benzodiazepine wie Midazolam (2–5 mg) erhöhen die zerebrale Krampfschwelle und können so Krampfanfälle unterdrücken. Bei einem Herzstillstand werden Reanimationsmaßnahmen nach den einschlägigen Leitlinien ▶ [17] durchgeführt.

Zusatzinfo

Nach validen tierexperimentellen, durch zahlreiche Fallberichte unterstützten Untersuchungen lässt sich durch die Infusion einer Fettemulsion (Intralipid 20%, 1,5–8 mg/kgKG) die Erfolgsrate von Wiederbelebungsmaßnahmen deutlich verbessern (Lipid-Rescue-Konzept) ▶ [19], ▶ [20].

Eine besondere Form der Toxizität findet sich bei Prilocain, das bei höheren Dosierungen über seinen Metaboliten O-Toluidin zu einer klinisch relevanten Methämoglobin-(Met-Hb-)Bildung führen kann. Met-Hb nimmt nicht mehr am Sauerstofftransport teil und reduziert so die Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Klinisch relevant wird ein Met-Hb-Anteil ab 10–15%, der bei hohen Prilocain-Gesamtdosen und rascher Resorption durchaus erreicht werden kann. Die Patienten fallen durch ein gräulich-zyanotisches Hautkolorit und Luftnot auf. Bei vorbestehender Anämie kann die Zyanose schwach ausgeprägt sein oder fehlen. Bei Intoxikationszeichen sind 2 mg/kgKG Toluidinblau ein effektives Antidiot (Kontraindikationen beachten!). Die Pulsoximetrie ist bei einer Methämoglobinämie nicht zuverlässig ▶ [12].

1.3.1.4 Leitungsblock nach Oberst

Der Leitungsblock nach Oberst wird meist bei Verletzungen im Bereich der Finger verwendet, kann aber auch an den Zehen (Großzehe) erfolgreich eingesetzt werden. Von der dorsalen Zehenseite aus wird links und rechts der proximalen Phalanx punktiert und jeweils 1 ml eines LA unter der dorsalen und plantaren Haut injiziert und so die 4 den Zeh versorgenden Nerven (Nn. hallucis) betäubt.

Praxis

Bei geschickter Punktionstechnik – nach dem ersten Einstich zunächst Betäubung der beiden ipsilateralen Nerven, dann subkutanes Kippen um 90° in Richtung auf den kontralateralen, ventral gelegenen Nerv und erst danach Eingehen über einen bereits betäubten Quadranten – kann der Injektionsschmerz minimiert werden ▶ [18].

Geeignet ist dieses Verfahren für kleine Eingriffe an der distalen Phalanx wie Nagelextraktionen, Versorgung kleiner, nichtinfizierter Wunden und Materialentfernungen.

1.3.1.5 Periphere Nervenblockaden am Fuß

Der Fuß wird von 5 Nerven innerviert, von denen 4 aus dem N. ischiadicus stammen: N. tibialis, N. suralis, N. fibularis superficialis, N. fibularis profundus. Der 5., N. saphenus, entstammt dem N. femoralis. ▶ Tab. 1.2 gibt einen Überblick über die Versorgungsgebiete und die in der Literatur verwendeten Synonyme.

Tab. 1.2

 Nervenversorgung des Fußes.

Name

Synonyme

Ursprung

sensible Versorgung ▶ [13]

N. tibialis

engl. auch: N. tibialis posterior

N. ischiadicus

vordere und mediale Fußsohle

N. suralis

N. saphenus externus

N. ischiadicus

laterale Ferse und Fußrand

N. fibularis superficialis

N. peronaeus superficialis

N. ischiadicus

Fußrücken

N. fibularis profundus

N. peronaeus profundusengl. auch: N. tibialis anterior

N. ischiadicus

„Sandalenlücke“: lat. D1, med. D2

N. saphenus

N. femoralis

med. Ferse und Fußrand, z.T. bis Großzehe (variabel)

Die Nn. saphenus, suralis und fibularis superficialis verlaufen am distalen Unterschenkel lateral bzw. medial der Tibia auf der Fascia cruris im subkutanen Fettgewebe. Der N. fibularis profundus verläuft auf dem Fußrücken zwischen der A. dorsalis pedis und der Sehne des M. flexor hallucis longus. Der N. tibialis folgt im Bereich des Malleolus medialis der A. tibialis posterior ( ▶ [13]; ▶ Abb. 1.30).

Alle diese Nerven können ggf. separat oder in Kombination betäubt werden. In der Praxis wird für Eingriffe am Vorfuß häufig ein vollständiger „Fußblock“ – die Blockade aller genannten Nerven – durchgeführt. Dieses Verfahren ist sicher und hat eine relativ hohe Erfolgsquote, wenn ausreichend hohe Volumina an LA verwendet und ihre Anschlagzeiten großzügig bemessen werden.

Praxis

Es kann je nach Technik und Erfahrung bis zu 45 min dauern, bis sich eine ausreichende Blockade eingestellt hat. Günstig ist es daher, ein kurz- und ein langwirksames LA zu kombinieren und den Fußblock bereits frühzeitig anzulegen. Wenn ausreichend Überwachungskapazität (z.B. Aufwachraum) besteht, kann in der Zwischenzeit ein anderer Eingriff durchgeführt werden.

Praxis

Das Anlegen des Fußblocks ist für den Patienten unangenehm. Wird mit der proximaleren Blockade von N. saphenus, suralis und fibularis superficialis („Ringwall“) begonnen, sind die nachfolgenden distaleren Injektionen weniger schmerzhaft.

Bei Eingriffen, bei denen eine pneumatische Unterschenkelblutsperre benötigt wird, ist ein Fußblock allein nicht ausreichend.

Nn. saphenus, suralis und fibularis superficialis

Aufgrund ihrer subkutanen Lage werden sie gemeinsam durch eine subkutane Infiltration dicht oberhalb des Innen- und Außenknöchels infiltriert. Man geht von der Tibiavorderkante beiderseits nach dorsal bis kurz vor die Achillessehne („Ringwall“, ▶ Abb. 1.31). Benötigtes Volumen: 15–20 ml, z.B. je 7,5–10 ml Prilocain 1% und Ropivacain 0,75%.

Praxis

Eine lange, dünne Kanüle (27 G, 40–50 mm, „Dentalkanüle“) ermöglicht eine gleichmäßige Infiltration über die gesamte Strecke und verringert die Zahl der notwendigen Einstiche. Mit der langen Kanüle entstehen hohe Injektionsdrücke, sodass eine Spritze mit Luer-Lock-Konus empfehlenswert ist.

N. fibularis profundus

Dieser Nerv kann leicht am Fußrücken zwischen A. dorsalis pedis und der Sehne des M. extensor hallucis longus erreicht werden ( ▶ Abb. 1.32). Die Betäubung erfolgt durch subkutane, perivaskuläre Injektion von 5–8 ml LA, z.B. je 2,5–4 ml Prilocain 1% und Ropivacain 0,75%.

N. tibialis

Dorsal des Innenknöchels kann die A. tibialis posterior getastet werden. Der Nerv verläuft zwischen Arterie und Achillessehne. Betäubung mit 7–10 ml LA (z.B. Prilocain 1% und Ropivacain 0,75% in gleichem Verhältnis) subkutan unter sorgfältiger Aspirationskontrolle. Bei Parästhesien wird die Kanüle um 1 cm zurückgezogen bzw. der Winkel etwas verändert ( ▶ Abb. 1.33).

Cave

Vorsicht vor intravasaler Injektion bei Infiltrationen am N. fibularis profundus und N. tibialis! Sorgfältige Aspirationskontrolle!

1.3.1.6 Leitungsanästhesie

Distale N.-ischiadicus-Blockade

Eine gute Alternative zum „Fußblock“ ist die Blockierung des N. ischiadicus am distalen Oberschenkel. Da 4 der 5 Nerven des Fußes aus dem N. ischiadicus entspringen, erreicht man bereits mit einer Punktion eine ausreichende Schmerzausschaltung z.B. für Eingriffe am medialen Vorfuß. Wenn auch das Versorgungsgebiet des N. saphenus (Ferse, Fußaußenseite) mit erreicht werden soll, kann dieser im Kniebereich einfach separat betäubt werden. Mit einem distalen Ischiadikusblock, ggf. zusammen mit einer Blockade des N. saphenus am Knie, wird eine Unterschenkelblutspeere bzw. -leere toleriert. Nachteil dieses Verfahrens ist der größere technische Aufwand.

Der N. ischiadicus teilt sich in seinem Verlauf am Oberschenkel in seine beiden Anteile N. fibularis und tibialis; der Ort der anatomischen Teilung ist dabei sehr variabel und kann schon weit proximal liegen. Etwa bis zu ihrem Eintritt in die Fossa poplitea sind die beiden Äste noch von einer gemeinsamen bindegewebigen Hülle umgeben, sodass eine Injektion noch beide Anteile erreicht.

Der N. ischiadicus verläuft in der Tiefe des Oberschenkels zwischen den medialen Adduktoren und den lateralen Flexoren und muss daher mit einem Nervenstimulator oder sonografisch lokalisiert werden. Der Patient liegt dazu auf dem Rücken, ein Kissen unterstützt den Unterschenkel, das Knie ist gestreckt, das Bein 0° rotiert, der Fuß frei beweglich und nicht zugedeckt. Mit einer Stimulationskanüle wird nach Lokalanästhesie etwa 10 cm oberhalb der Patellaoberkante von lateral zwischen dem langen Kopf des M. biceps femoris und M. vastus lateralis eingegangen, Stichrichtung 30° kranial und 20° dorsal ( ▶ Abb. 1.34). Eine Reizantwort als Dorsal- (N. fibularis) oder Plantarflexion (N. tibialis) in ca. 5–8 cm Tiefe zeigt die Nadelposition in unmittelbarer Nervennähe an.

Abb. 1.34 Distale N.-ischiadicus-Blockade. Laterale Punktionstechnik zur Katheteranlage mit sterilem Lochtuch.

Alternativ kann die Punktion von dorsal erfolgen: In Seitenlage und bei gestrecktem Knie wird mit der Kanüle 10 cm proximal der Kniebeugefalte unmittelbar medial der Sehne des M. biceps femoris eingegangen und mit 30–45° Neigung nach kranial vorgeschoben, bis in etwa 5–8 cm Tiefe der Nerv erreicht wird ▶ [15].

Zur Einzelblockade werden 30 ml LA verwendet (z.B. Mepivacain 1%); diese Lokalisation eignet sich aber auch hervorragend für eine kontinuierlichen Blockade mit Katheter.

Der N. ischiadicus lässt sich sonografisch sehr gut darstellen, daher wird die Lokalisation mit Nervenstimulator zunehmend verlassen. Die darunter benötigten LA-Volumina sind deutlich kleiner.

N. saphenus

Der N. saphenus als sensibler Endast des N. femoralis tritt am Knie medial der Patella an die Oberfläche. Zur Blockade tastet man in Rückenlage die Tuberositas tibiae und infiltriert in Richtung auf das Caput mediale des M. gastrocnemius. Auch hier ist eine lange, dünne Kanüle wie beim Ringwall des Fußblocks hilfreich. Es werden 5–10 ml LA benötigt. Eine intravasale Injektion (V. saphena magna) ist möglich, daher sorgfältige Aspirationskontrolle ▶ [15]!

1.3.1.7 Ergänzende Sedierung

In vielen Fällen ist eine ergänzende Sedierung vom Patienten oder Operateur gewünscht. Grundsätzlich kann sie eine unzureichend wirkende Lokal- oder Regionalanästhesie nicht kompensieren; sie hilft aber, ängstliche Patienten zu beruhigen und möglicherweise noch vorhandene Restwahrnehmungen oder leichten Schmerz etwa beim Hautschnitt zu tolerieren. Sedativa-Kombinationen sollten vermieden werden, wenn kein Anästhesist zur Verfügung steht, weil sie oft zu unerwarteten synergistischen Effekten, z.B. klinisch relevanter Atemdepression, führen.

In vielen Fällen hilft bereits eine orale Prämedikation, z.B. 0,1 mg/kgKG Midazolam. Vor Anlage einer peripheren Blockade können 0,025–0,05 mg/kgKG Midazolam oder auch 0,05 mg Piritramid i.v. gegeben werden. Dosen über 5 mg Midazolam oder 7,5 mg Piritramid sind bei Eingriffen in Regionalanästhesie dagegen selten sinnvoll. Eine regelrechte Analgosedierung, z.B. mit Ketamin oder Propofol, sollte nicht ohne Anästhesieunterstützung erfolgen. Bei ambulanten Eingriffen ist an den verlängerten postoperativen Überwachungsbedarf zu denken.

1.3.2 Spinal-, Allgemeinanästhesie

Komplexe Eingriffe an Fuß oder Sprunggelenk werden häufig in Spinal- oder Allgemeinanästhesie durchgeführt. Die Kombination mit einer Lokal- oder Regionalanästhesie zur postoperativen Schmerztherapie ist in der überwiegenden Zahl der Fälle sinnvoll.

Merke

Indikationen für Spinal- oder Allgemeinanästhesie:

geplante OP-Dauer über 2 h

Oberschenkelblutsperre

OP-Schritte oberhalb des Knies (z.B. Knochenentnahme aus dem Beckenkamm)

Ablehnung einer Regionalanästhesie durch den Patienten (dann Allgemeinanästhesie)

1.3.3 Literatur

[11] Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Lokalanästhetika: Bei Anwendung in der Praxis beachten! Dtsch Arztebl 1985; 82: 101–101

[12] Graf BM, Niesel HC. Pharmakologie der Lokalanästhestika. In: Niesel HC, Van Aken H, Hrsg. Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Schmerztherapie. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2010: 34–103

[13] Jankovic D. Regionalblockaden & Infiltrationstherapie. Berlin: ABW; 2008, 367–371

[14] Klose R, Hempel V, Wulf H et al. Zur Frage der Durchführung von Regionalanästhesien durch Operateure. Anästh Intensivmed 1996; 37: 412–413

[15] Meier G, Büttner J. Kompendium der peripheren Blockaden. Müchen: Arcis; 2006

[16] Morin AM, Kerwat KM, Büttner J et al. Hygieneempfehlungen für die Anlage und weiterführende Versorgung von Regionalanästhesie-Verfahren. Anästh Intensivmed 2006; 47: 372–379

[17] Nolan JP, Soar J, Zideman DA et al. Kurzdarstellung. Sektion 1 der Leitlinien zur Reanimation 2010 des European Resuscitation Council. Notfall Rettungsmed 2010; 13: 515–522

[18] Striebel HW. Die Anästhesie. Stuttgart: Schattauer; 2003: 391

[19] Weinberg G. Lipid emulsion infusion. Resuscitation for local anesthetic and other drug overdose. Anesthesiology 2012; 117: 180–187

[20] Weinberg G. LipidRescue Resuscitation.www.lipidrescue.org

1.4 Schmerztherapie

M. Przemeck

1.4.1 Einleitung

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über Möglichkeiten und Ziele der akuten postoperativen Schmerztherapie.

Viele Eingriffe am Fuß und Sprunggelenk gehen mit erheblichen postoperativen Schmerzen einher. Bei Operationen am Vorfuß haben sie ihr Maximum oft in den ersten 24 h, klingen nach 48 h aber deutlich ab. Operationen am Rückfuß und am Sprunggelenk können dagegen länger anhaltende Schmerzen verursachen, die auch die Mobilisierung beeinträchtigen.

Häufig leiden die Patienten bereits vorab unter starken, z.T. bewegungsabhängigen Beschwerden und nehmen regelmäßig Analgetika ein. Dies ist bei der Planung der postoperativen Analgesie zu berücksichtigen. Andererseits können Polyneuropathien, wie sie z.B. beim „Charcot-Fuß“ häufig sind, und andere Erkrankungen des peripheren Nervensystems auch zu relativ schmerzarmen postoperativen Verläufen führen.

1.4.2 Postoperative Schmerztherapie

Zu den allgemeinen analgetischen Maßnahmen gehört der Verzicht auf Wunddrainagen, konsequente Hochlagerung des operierten Fußes und sorgfältige Verbandkontrolle. Gerade zu eng gewickelte Wundverbände können den Wundschmerz verstärken, weil der operierte Bereich nicht ausreichend Platz zum Schwellen hat. Eine lokale Ischämie ist sehr schmerzhaft und mit Analgetika oft nicht adäquat zu bekämpfen.

Eine intraoperativ begonnene Regionalanästhesie kann sehr elegant zur postoperativen Schmerztherapie genutzt bzw. als solche fortgeführt werden. Eine Kombination eines schnell anschlagenden und eines lang wirkenden LA etwa beim „Fußblock“ kann daher sinnvoll sein. Andere Regionalblockaden, wie die am N. ischiadicus, sollten als Katheterverfahren durchgeführt werden, wenn mit stärkeren und länger anhaltenden postoperativen Schmerzen gerechnet wird und die postoperative Versorgung des „Schmerzkatheters“ sichergestellt ist. Wunden, in deren Bereich keine Regionalanästhesie durchgeführt wurde, können bei der Hautnaht lokal infiltriert werden. Auch intraoperativ gegebenes Dexamethason (0,05–0,1 mg/kgKG i.v.) hat einen signifikanten coanalgetischen Effekt ▶ [31].

1.4.2.1 Schmerzmessung

Eine systematische postoperative Schmerztherapie erfordert – analog zur Blutdruckeinstellung – eine regelmäßige Messung der Schmerzstärke. Am häufigsten wird die 11-stufige „Numeric Rating Scale“ (NRS) verwendet, bei der Stufe 0 völlige Schmerzlosigkeit und Stufe 10 ein absolut unerträglicher Schmerz bedeuten. Alternativen sind verschiedene visuelle Schmerzskalen, die das Schmerzniveau meist ebenfalls in dezimalen Werten ermitteln. Bei Kindern unter ca. 10 Jahren und kognitiv eingeschränkten Patienten müssen Piktogramme oder Fremdbeurteilungsskalen eingesetzt werden.

In der postoperativen Akutschmerztherapie gilt ein NRS-Wert von 3 oder niedriger in Ruhe als akzeptabel. Für den Patienten bedeutet dies: Trotz ggf. nicht vollständig verschwundener Beschwerden kann er sich entspannen und schlafen.

Schmerzmessungen sollten routinemäßig mindestens 3-mal täglich erfolgen, solange eine Schmerztherapie erforderlich ist. Sie können im stationären Rahmen bei der Vitalzeichenkontrolle von den Pflegekräften durchgeführt und zusammen mit den Schmerzstärken bei akuten Beschwerden in der Stationskurve dokumentiert werden.

Die Schmerzmessung ermöglicht es, Interventionsgrenzen festzulegen, z.B. indem bei einer Ruhe-NRS über 3 ein vorab festgelegtes schnell wirksames Analgetikum („Rescue“) angeboten wird. Eine quantitative Schmerzdokumentation erinnert auch an das rechtzeitige Reduzieren und Absetzen eines Analgetikaregimes ▶ [29].

1.4.2.2 Therapieschemata

Bei kleinen, wenig traumatisierenden Eingriffen kann eine Bedarfsmedikation angeordnet werden. Nichtopioidanalgetika (NOPA) wie Ibuprofen und Diclofenac sowie Metamizol sind hier besonders geeignet. Alternativ kommen hier mittelstarke Opioide, z.B. Tramadol, infrage, insbesondere bei Patienten, die mit den Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe vertraut sind.

Auf die Dosierung ist besonders zu achten: Die meisten NOPA haben eine relativ geringe therapeutische Breite. Einerseits sollte daher „dicht an der Dosisobergrenze“ therapiert werden, weil sie sonst keine ausreichende Wirkung entfalten. Andererseits muss die Höchstdosis beachtet werden, weil bei Überschreiten Nebenwirkungen und toxische Effekte stark zunehmen, ohne dass sich die analgetische Wirkung wesentlich verstärkt. Sinnvoll ist daher, eine Einzelgabe in ausreichender Dosis anzuordnen und gleichzeitig die Einnahmefrequenz zu begrenzen: z.B. Ibuprofen 600 mg bei Bedarf, nicht öfter als alle 8 h.

Viele Eingriffe am Fuß verursachen regelmäßig stärkere bis sehr starke postoperative Schmerzen; hierzu können bereits Materialentfernungen gehören. Diese Fälle sollten in den ersten postoperativen Tagen nicht „nach Bedarf“, sondern nach festen Zeitintervallen behandelt werden. Bewährt hat sich in diesen Fällen ein zweistufiges Eskalationsschema mit „Rescue“-Option bei Schmerzspitzen ( ▶ Abb. 1.35; ▶ [23], ▶ [30]).

Abb. 1.35 Beispiel für ein medikamentöses Eskalationsschema (DIAKOVERE Annastift, Hannover). Stufe 1: Die genannten Substanzen haben z.T. keine pharmazeutische Zulassung für die Indikation „postoperativer akuter Schmerz“. Stufe 2: Oxycodon-Dosis wird um jeweils 10 mg erhöht, wenn 3-mal hintereinander innerhalb von 24 h eine Rescue-Medikation angefordert wird. Deeskalation entsprechend.

Anhand der erwarteten Schmerzintensität und patientenspezifischer Besonderheiten (z.B. chronische Schmerzen in der Vorgeschichte, Analgetikaeinnahme, formulierte Erwartungen, bestehendes Risiko der Chronifizierung) legt der Arzt zunächst die Stufe des Eskalationsschemas fest, mit dem die postoperative Schmerztherapie begonnen wird. Bei zu erwartenden mittelstarken postoperativen Schmerzen oder gleichzeitiger Durchführung einer Regionalanästhesiemethode wird dies in der Fußchirurgie oft Stufe 1 des Eskalationsschemas sein.

Die Medikamente der Stufen 1 und 2 dieses Schemas werden in festen Zeitintervallen gegeben. Das „Rescue“-Analgetikum wird bei Schmerzstärken ab NRS-Stufe 4 gegeben, was eine regelmäßige Schmerzmessung voraussetzt. Bei mehrfacher Anforderung des „Rescue“-Präparats in kurzen Intervallen sollte Stufe 2 des Schemas, also ein starkes Opioid, ergänzend verordnet werden.

Die Deeskalation dieses Schemas erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Wenn also 24 h lang keine oder nur geringe Schmerzintensitäten aufgetreten sind und kein „Rescue“-Medikament notwendig war, wird von Stufe 2 auf Stufe 1 übergegangen und das langwirksame Opioid abgesetzt. Auch der Übergang von Stufe 1 auf eine reine Bedarfsmedikation erfolgt entsprechend und sollte nicht vergessen werden!

1.4.2.3 Applikationswege

Grundsätzlich sollten Analgetika nur so lange parenteral verabreicht werden, bis der Patient in der Lage ist, klare Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Auch für die Akuttherapie gibt es geeignete oral verabreichbare Medikamente, die einen ähnlich schnellen Wirkeintritt haben wie eine Injektion s.c. oder gar i.m. Bei starker postoperativer Übelkeit, die trotz Gabe geeigneter Antiemetika fortbesteht, sollte das parenterale Intervall verlängert bzw. auf ein regionales Analgesieverfahren ausgewichen werden.

1.4.3 Analgetika zur postoperativen Schmerztherapie

1.4.3.1 Nichtopioidanalgetika (NOPA)

NOPA sind ein wesentliches Element der postoperativen Schmerztherapie, aber es gibt nicht bei allen relevanten Substanzgruppen klinisch einsetzbare parenterale Darreichungsformen. Daher sollte bereits bei der Anästhesieführung darauf Einfluss genommen werden, dass die Patienten frühzeitig wieder Flüssigkeit und Nahrung zu sich nehmen können.

Die meisten NOPA wirken mit Opioiden synergistisch, haben also einen opioidsparenden Effekt. Nur für Paracetamol konnte dies nicht gezeigt werden.

Merke

Die meisten NOPA haben einen ähnlichen Wirkmechanismus. Die Kombination von NSAR ist daher meist sinnlos. Die Kombination von NSAR mit Paracetamol kann im Einzelfall wirksam sein, es sollte dann aber auch immer die Indikation für ein starkes Opioid geprüft werden.

Bei allen Präparaten sind gravierende Nebenwirkungen und Kontraindikationen, insbesondere bei Gebrauch über mehr als nur einige Tage, zu beachten. Das ideale NOPA, das für alle Patienten und Operationen „funktioniert“, gibt es nicht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich vielmehr, dass es häufig um ein differenzierendes Abwägen der Wirkungen, erwünschten und unerwünschten Nebenwirkungen und Kontraindikationen den einzelnen Substanzen geht ▶ [25].

Paracetamol

Paracetamol kann oral, intravenös und rektal verabreicht werden. Es wirkt u.a. am Hinterhorn des Rückenmarks, indem es dort nozizeptive Afferenzen moduliert und eine zentrale Prostaglandinsynthese hemmt. Paracetamol zählt zu den am häufigsten verwendeten Analgetika weltweit. Die empfohlene Tageshöchstdosis liegt bei 60 mg/kgKG in 4 Einzeldosen (normalgewichtiger Erwachsener: 4 × 1 g), wobei die therapeutische Breite bemerkenswert gering ist: Bereits bei 2- bis 3-facher Überdosierung kann es zu irreversiblen Leberzellnekrosen mit letalem Verlauf kommen. Als Monosubstanz ist es in seiner analgetischen Potenz anderen NOPA unterlegen ▶ [32]