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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 36
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Paul Heyse
L’Arrabbiata
Die Eigensinnige
Paul Heyse
L’Arrabbiata
Die Eigensinnige
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962811-70-9
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(1853)
Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Über dem Vesuv lagerte eine breite graue Nebelschicht, die sich nach Neapel hinüberdehnte und die kleinen Städte an jenem Küstenstrich verdunkelte. Das Meer lag still. An der Marine1 aber, die unter dem hohen Sorrentiner Felsenufer in einer engen Bucht angelegt ist, rührten sich schon Fischer mit ihren Weibern, die Kähne mit Netzen, die zum Fischen über Nacht draußen gelegen hatten, an großen Tauen ans Land zu ziehen. Andere rüsteten ihre Barken, richteten die Segel zu und schleppten Ruder und Segelstangen aus den großen vergitterten Gewölben vor, die tief in den Felsen hineingebaut über Nacht das Schiffgerät bewahren. Man sah keinen müßig gehen; denn auch die Alten, die keine Fahrt mehr machen, reihten sich in die große Kette derer ein, die an den Netzen zogen, und hie und da stand ein Mütterchen mit der Spindel auf einem der flachen Dächer, oder machte sich mit den Enkeln zu schaffen, während die Tochter dem Manne half.
Siehst du, Rachela, da ist unser Padre Curato, sagte eine Alte zu einem kleinen Ding von zehn Jahren, das neben ihr sein Spindelchen schwang. Eben steigt er ins Schiff. Der Antonino soll ihn nach Capri hinüberfahren. Maria Santissima, was sieht der ehrwürdige Herr noch verschlafen aus! – Und damit winkte sie mit der Hand einem kleinen freundlichen Padre zu, der unten sich eben zurechtgesetzt hatte in der Barke, nachdem er seinen schwarzen Rock sorgfältig aufgehoben und über die Holzbank gebreitet hatte. Die andern am Strand hielten mit der Arbeit ein, um ihren Pfarrer abfahren zu sehen, der nach rechts und links freundlich nickte und grüßte.
Warum muss er denn nach Capri, Großmutter? fragte das Kind. Haben die Leute dort keinen Pfarrer, dass sie unsern borgen müssen?
Sei nicht so einfältig, sagte die Alte. Genug haben sie da und die schönsten Kirchen und sogar einen Einsiedler, wie wir ihn nicht haben. Aber da ist eine vornehme Signora, die hat lange hier in Sorrent gewohnt und war sehr krank, dass der Padre oft zu ihr musste mit dem Hochwürdigsten, wenn sie dachten, sie übersteht keine Nacht mehr. Nun, die heilige Jungfrau hat ihr beigestanden, dass sie wieder frisch und gesund worden ist und hat alle Tage im Meere baden können. Als sie von hier fort ist, nach Capri hinüber, hat sie noch einen schönen Haufen Dukaten an die Kirche geschenkt und an das arme Volk, und hat nicht fort wollen, sagen sie, ehe der Padre nicht versprochen hat, sie drüben zu besuchen, dass sie ihm beichten kann. Denn es ist erstaunlich, was sie auf ihn hält. Und wir können uns segnen, dass wir ihn zum Pfarrer haben, der Gaben hat wie ein Erzbischof und dem die hohen Herrschaften nachfragen. Die Madonna sei mit ihm! – Und damit winkte sie zum Schiffchen hinunter, das eben abstoßen wollte.
Werden wir klares Wetter haben, mein Sohn? fragte der kleine Priester und sah bedenklich nach Neapel hinüber.
Die Sonne ist noch nicht heraus, erwiderte der Bursch. Mit dem bisschen Nebel wird sie schon fertig werden.
So fahr zu, dass wir vor der Hitze ankommen.
Antonino griff eben zu dem langen Ruder, um die Barke ins Freie zu treiben, als er plötzlich innehielt und nach der Höhe des steilen Weges hinaufsah, der von dem Städtchen Sorrent zur Marine hinabführt.
Eine schlanke Mädchengestalt ward oben sichtbar, die eilig die Steine hinabschritt und mit einem Tuch winkte. Sie trug ein Bündelchen unterm Arm, und ihr Aufzug war dürftig genug. Doch hatte sie eine fast vornehme, nur etwas wilde Art, den Kopf in den Nacken zu werfen und die schwarze Flechte, die sie vorn über der Stirn umgeschlungen trug, stand ihr wie ein Diadem.
Worauf warten wir? fragte der Pfarrer.