La Cucina Romana - Die Trattoria-Küche der Signora Lella (eBook) - Renato Trabalza - E-Book

La Cucina Romana - Die Trattoria-Küche der Signora Lella (eBook) E-Book

Renato Trabalza

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Beschreibung

Die echte römische Cucina povera - Eine Reise in ein vergessenes Rom Sora Lella (römischer Dialekt für Signora Lella) lautete der in ganz Italien bekannte Spitzname von Elena Fabrizi. Durch ihre komödiantischen Filmrollen kannte sie im Italien der 1960er-Jahre jedes Kind. Ihre wahre Leidenschaft war jedoch schon immer das Kochen. So gründete sie auf der Tiberinsel die Trattoria Sora Lella, in der die passionierte Köchin authentische römische Gerichte servierte und die heute von ihren vier Enkeln weitergeführt wird. In diesem Kochbuch präsentieren sie Lellas Rezepteschatz, erzählen liebevolle Anekdoten und nehmen uns mit in ein Rom, das es heute so nicht mehr gibt. - 10 Rezeptkapitel mit traditionellen Zutaten im Mittelpunkt: Lamm, Artischocken, Innereien, Pecorino Romano, Guanciale, Rind, Gemüse, Fisch, Geflügel und Desserts

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www.arsvivendi.com
ISBN 978-3-7472-0591-4
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La Cucina
Romana
Die Trattoria-Küche
der Sora Lella
»Die unsterblichen Rezepte
der Sora Lella.«
Vanity Fair
La CucinaRomana
Die Trattoria-Küche der Sora Lellaars vivendi
Durch ihre komödiantischen Filmrollen kannte Elena Fabrizi alias Sora Lella
(römischer Dialekt für Signora Lella) im Italien der 1960er-Jahre jedes Kind.
Ihre wahre Leidenschaft war jedoch schon immer das Kochen. So gründete
sie auf der Tiberinsel die »Trattoria Sora Lella«, in der ihre vier Enkel auch
heute noch authentische römische Gerichte servieren. In diesem Kochbuch
präsentieren sie Lellas Rezepteschatz, erzählen liebevolle Anekdoten
und nehmen uns mit in ein Rom, das es so nicht mehr gibt.
Sora Lella_Einband_Dt_V03.indd1Sora Lella_Einband_Dt_V03.indd126.03.2414:2626.03.2414:26
La Cucina
Romana
Die Trattoria-Küche
der Sora Lella
La Cucina
Romana
ars vivendi
Renato,Mauro,Simone,ElenaTrabalza
mit Francesca Romana Barberini
Aus dem Italienischen ins Deutsche übertragen
vonClaudia Theis-Passaro
Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen
Originalausgabe(1.Auflage April2024)
© 2024 by ars vivendi verlag GmbH & Co.KG,
Bauhof 1,90556 Cadolzburg
Alle Rechte vorbehalten,insbesondere das des öffentlichenVortrags sowie der
Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen,auch einzelnerTeile.Kein Teil
desWerkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere
Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter
Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet
werden.Für Inhalte vonWebseiten Dritter, auf die in diesemWerk verwiesen wird,
ist stets der jeweiligeAnbieter oder Betreiber verantwortlich,wir übernehmen dafür
keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt derVerlinkung nicht
erkennbar.
www.arsvivendi.com
Deutsche Übersetzung: ClaudiaTheis-Passaro
Lektorat: Dr. Katrin Korch
Korrektorat: Denise Maurer
Satz: ars vivendi
Cover: ars vivendi
eISBN978-3-7472-0592-1
Titel der italienische Originalausgabe:
Annamo bene – la cucina romana di Sora Lella
Copyright © 2022 by Giunti Editore S.p.A.,Firenze-Milano
www.giunti.it
Die kursiv gedrucktenTexte im Abschnitt »Geschichte derTrattoria« in diesem
Band stammen aus dem Buch Il mio amico albero di fico von Aldo Trabalza.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.
Das Gedicht »Le mie ragioni« auf Seite 217 stammt aus dem Buch Stati d’animo
vonAldoTrabalza.Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.
Illustrationen:Simone Montozzi
Fotografie: MarcoVaroli (sofern nicht anders angegeben)
Fotonachweis:
©Archivio Giunti / © MarcoVaroli
Ausnahmen: S.23,24,31,32: Mit freundlicher Genehmigung der FamilieTrabalza
S.17,213: © 2022 Cinecittà Luce / Scala,Firenze
S.14: © ReportersAssociati &Archivi / Mondadori Portfolio
LA CUCINA ROMANA
INHALT
LA NONNA DITUTTI von CarloVerdone.........................................15
DIE GESCHICHTE DERTRATTORIA16
BEVOR ESAN DIE REZEPTE GEHT46
Einige allgemeine Hinweise.........................................................50
Einige Grundrezepte...................................................................51
Sardellensauce für Puntarelle.....................................................51
Unser Pfeffermix........................................................................51
Knoblauchcreme........................................................................51
Kräutersträusschen.....................................................................52
Staudensellerie putzen...............................................................52
Gnocchi.....................................................................................53
MILCHLAMM54
Milchlamm nach Jägerart............................................................59
Milchlamm in Eiersauce .............................................................61
Lammkoteletts mit Zwiebel-Kartoffelpüree..................................62
Lammkeule aus dem Ofen mit Kartoffelpüree..............................63
Panierte Lammkoteletts mit Puntarelle in Sardellensauce...........66
DIE ARTISCHOCKE68
Artischocken auf römischeArt.....................................................73
Artischocken auf jüdischeArt......................................................75
Innereienmit Artischocken.........................................................76
Frittiertes Lammbries mitArtischocken........................................78
Nudeln mit »Allerlei«...................................................................81
DASFÜNFTE VIERTEL82
Lammbries in Marsala................................................................89
Geschmorter Ochsenschwanz......................................................91
Rigatoni mit Sauce vom Geschmorten Ochsenschwanz................94
Fettuccine mit Ragout aus Bries und Speck.................................95
Rigatoni mit Dünndarm vom Milchlamm......................................97
Kutteln auf römischeArt.............................................................99
PECORINO ROMANO100
Ravioli mit Käse,Pfeffer und Minze...........................................105
Nudeln mit Guanciale,Pecorino und Pfeffer...............................109
Puntarelle-Salat mit Rochen und Pecorino................................111
Renatos Gnocchi (mit Zucchine,Guanciale und Pecorino)..........112
SCHWEINEBÄCKCHEN114
Rigatoni mit Frühlingsgemüse...................................................119
Rigatoni alla Carbonara............................................................121
Gnocchi all’amatriciana...........................................................123
»Tanzende« Pfannennudeln......................................................125
Schlaraffenland........................................................................126
FLEISCH128
Geschmorte Rinderbacke mit Romanesco.................................133
Kalbsbrust aus dem Ofen mit Rosmarin-Kartoffelpüree..............135
Rinderrouladen mit Paprikaschoten ..........................................137
Süßsauer geschmorte Beinscheibe mit Zwiebeln .......................138
Fettuccine »Tiberinsel«.............................................................140
Fettuccine mit Rouladensauce.................................................142
Frittierte Fleischbällchen aus Kochfleisch..................................143
Kalbsschnitzel mit Schinken und Salbei....................................145
Fleischbällchen inTomatensauce nach
nonna
Lella...................147
DER GEMÜSEGARTEN148
Auberginen-Parmigiana nachArt von Sora Lella........................153
Puntarelle mit Sardellensauce..................................................155
Römischer Brotsalat mit Casalino-Tomaten................................157
GefüllteTomaten mit Reis........................................................159
Nudel-Bohnen-Eintopf..............................................................160
Nudel-Kartoffel-Eintopf.............................................................161
Glatte und krause Endivie aus der Pfanne.................................163
Marinierte Zucchini...................................................................165
FISCH166
Nudel-Kichererbsen-Suppemit Venusmuscheln.........................171
Renatos Paccheri mit Klippfisch,Miesmuscheln und Pecorino....173
Pasta,Brokkoli und Rochen......................................................177
Sepien inTomate mit Erbsen.....................................................179
Geschmorter Klippfisch.............................................................181
DER HÜHNERSTALL182
Reisbällchen mit Hähnchenfleisch............................................187
Hähnchennach Teufelsart.........................................................188
Kartoffelfrittata all’amatriciana .................................................191
Hähnchen nach römischerArt mit Paprikaschoten.....................193
Zuppa Inglese..........................................................................194
Zabaglione-Eis »Amleto«...........................................................197
Renatos Eiscreme ....................................................................199
SÜSSSPEISEN200
Maritozzi..................................................................................205
Gelato Sora Lella......................................................................207
Schoko-Keks-Wurst.................................................................209
Erdbeersorbet..........................................................................211
Ricottakuchen..........................................................................213
»Le mie ragioni« vonAldoTrabalza..............................................217
Register....................................................................................218
»Sora Lè,jetzt habe ich Fleischeintopf mit
Tomate und Kartoffel gemacht,aber mein
Sohn will es nicht essen,er meint,das
schmeckt ihm nicht.Aber ich hab doch dafür
viel Geld ausgegeben,was soll ich denn jetzt
machen? Ich kann das doch nicht wegwerfen.«
»Hör mal,meine Liebe,meinem Sohn hat das
auch nie geschmeckt,und weißt du,was ich
dann gemacht habe? Ich habe alles durch den
Fleischwolf gedreht und dann Fleischbällchen
inTomatensauce daraus gemacht,so hat er
alles verschlungen.Mach’s so,glaub mir!«
15
E
lena Fabrizi,für alle Römer,aber auch
für alle Italiener Sora Lella,wird immer
eine der eindrücklichsten Persönlichkei-
ten der Ewigen Stadt bleiben.In ihrem Ge-
sicht,ihrer körperlichen Erscheinung,ihrem
bedächtigen und schaukelnden Gang,ihrer
Art zu reden,gespickt mit dialektalen,oft
altmodisch klingendenAusdrücken,ver-
schmolzen alle Elemente einer echten Frau
aus der Mitte desVolkes vergangener Zei-
ten.Ihre Lebensweisheit,ihre Fröhlichkeit,
aber auch ihre Genervtheit,philosophisch
anmutende Resignation,Schlagfertigkeit
und ihr schlitzohriger Blick führten dazu,
dass man sie mit jenen Matronen des alten
Roms,wie sie in Fellinis ersten Filmen so gut
dargestellt wurden,identifizieren konnte.
Warum war sie bei allen so beliebt? Die
Antwort ist einfach: Sie war die nonna,die
alle gernhatten.Sie strahlte Sicherheit aus,
gesunden Menschenverstand und Gebor-
genheit.Eine Großmutter,die dieArmut
kennengelernt hatte und die harteArbeit
hinter einem Gemüsestand auf dem Campo
de’ Fiori,die schlechten Seiten des Lebens
(den Krieg) ebenso wie die schönen (die
ersehnte Eröffnung einerTrattoria). Sora
Lellas Geschick und ihre Kreativität in der
Küche waren sprichwörtlich.Nichts war
trivial,nicht einmal ein Standardgericht wie
cicoria ripassata.Sie hatte immer einAss im
Ärmel,um auch aus den einfachsten Zuta-
ten ein besonderes Gericht zu zaubern.
Während sie mit mir Bianco, Rosso e
Verdoneund Acqua e Sapone drehte (was
ihr den David-di-Donatello-Preis einbrach-
te),entwickelte sich zwischen uns eine
enge Freundschaft.Sie hatte mich zu ihrem
Enkel des Herzens auserkoren,und es war
mir – mindestens einmal in derWoche –
eine Pflicht und einVergnügen, auf ein paar
Worte bei ihr vorbeizuschauen.Ich traf sie
immer entweder draußen vor dem Res-
taurant auf derTiberinsel oder hinter der
Theke in der Küche an,wo sie ihr Gemüse
putzte.Ich ging zu ihr rüber und wir erzähl-
ten uns,was in der vergangenenWoche so
los gewesen war. Ich stellte ihr viele Fragen
über das Rom von früher, die Zeit des Krie-
ges,die vielen Kardinäle,die ihr Restaurant
besuchten,die hohen Trinkgelder, die diese
Würdenträger dem Koch und dem Kellner
hinterließen.
Über ihren BruderAldo,den großen
Schauspieler seiner Zeit,hatte sie,als hin-
gebungsvolle Schwester, immer etwas Nettes
zu sagen.Womit sie ihm jene schroffe und
kritischeArt ihr gegenüber verzeiht.»Er ist
einbrontolone, ein ewiger Nörgler… Aber
man muss das verstehen,große Schauspieler
haben nun mal einen schwierigen Charakter.
Vielleicht ist er auch etwas neidisch…Wer
weiß das schon.Aber man muss ihn einfach
gernhaben,er hat den Menschen so viel ge-
geben.« Und damit war dasThema für sie
abgehakt.Sora Lella war eine wahre Schatz-
truhe historischer Erinnerungen Roms:Vol-
ler poetischer, dramatischer,komischer
Ereignisse,die Jahrzehnte derVerwandlung
unserer Stadt überspannen.
Wir werden sie immer dafür lieben,dass
sie uns die wahre Menschlichkeit und die
großeWürde einer einfachen Frau aus dem
Volk demonstriert hat,und sie wird im-
mer eine der authentischsten Stimmen jenes
Roms besserer Zeiten bleiben.
CarloVerdone (Regisseur und Schauspieler)
LA NONNA DITUTTI
DIE GESCHICHTE
DER TRATTORIA
La storia
della trattoria
Die Geschichte derTrattoria – 19
Von Francesca Romana Barberini –
im Gespräch mit
Renato,Mauro,Simone und Elena Trabalza
und mit Zitaten aus dem Buch von Aldo Trabalza
»Il mio amico albero di fico«
E
s gibt kulinarische Geschichten,die die
Geschichten einer Stadt sind,einer Kul-
tur, einer Epoche (oder mehrerer Epo-
chen,wenn die Geschichte lang ist!). Es sind
Ereignisse,die mit gastronomischem und
unternehmerischemErfindungsreichtumzu
tun haben,Ereignisse,die von der Liebe be-
richten können,von derArbeit und vom
Leben.Abenteuer, die die Notwendigkeit
des Überlebens verbinden mit der Freude
an neuen Ideen,an appetitlich duftenden
Gerichten einer Küche und unerwarteten
Bildern von Film und Fernsehen,desAll-
tags einer römischen Familie und der Ge-
schichte Italiens.Dies ist die Geschichte der
TrattoriaSora Lella, einer Gaststätte (im
wahrsten Sinne desWortes),die derart in
ihrer Umgebung verwurzelt ist,dass sie zu
deren Spiegel und Sprachrohr geworden ist.
Die Geschichte einer Frau und ihrer Familie,
die,anfangs aus der Notwendigkeit heraus,
dann,weil sie das Geschick dazu hatte,die
typisch römische Küche verkörpert hat und
bis heute verkörpert – und dies nicht nur im
Hinblick auf die gebotenen Gerichte,deren
Geschmack undAromen,deren Zutaten
undVerarbeitung, sondern auch in Bezug
auf die gelebte Gastfreundschaft,ihre Bezie-
hung zur Stadt und zu den Menschen,die
hier unterwegs sind.
Dies ist die Geschichte einer ganz nor-
malen römischen Familie,die zum Symbol
wurde für eine bestimmteVorstellung von
Rom.Im wahrsten Sinne des Wortes wür-
de ich sogar sagen.Und offensichtlich ist es
keine Geschichte,bei der es nur um die Kü-
che geht: Die Geschichte hat sehr viel mit
Rom zu tun – da sind die Märkte und der
Schlachthof,der Fluss und die Felder,auf
denen mit den Jahren immer mehr Häuser
entstanden,da ist die Farbe vonTravertin
und der ponentino,die frische,leichte Som-
merbrise,die vom Tyrrhenischen Meer in
die Stadt weht.Und dann der Krieg und der
Wiederaufbau,das Ende eines Jahrhunderts
und der Beginn eines neuen,Kino,Fernse-
hen und Fußball pur, der früheWeg zur Ar-
beit und Sonntagsausflüge,Familienrituale
und schließlichWünsche und Bedürfnisse,
Schwierigkeiten und Hoffnungen.Wir sind
mitten in Rom,im Herzen,an einem Ort,
der selbst uns Römern und Römerinnen zu-
weilen unwirklich erscheint,aber anders als
dieisola che c’è,wie Peter Pans Neverland
auf Italienisch heißt,eine wirkliche und
wahrhaftige Insel ist und alles andere als ein
Nimmerland.
20 – Die Geschichte derTrattoria
Als ich das erste Mal dieTrattoria betrat,
war ich schon eine ganzeWeile im Bereich
der sogenannten enogastronomia tätig,der
Welt der Kulinarik und der Weinkunde,und
kannte jenen Ort,die Tiberinsel,die nicht
nur für uns Römer mythenumwoben ist.Ich
fühlte mich privilegiert,auf eine ganz per-
sönlicheArt und Weise mit dieser Geschich-
te in Berührung gekommen zu sein: Ich hat-
te Mauro,Elena,Renato und Simone, die
Enkelkinder von Sora Lella,in Maiolati
Spontini kennengelernt,einem Ort in der
Region Marken,wo sie ihre Ferien verbrach-
ten.Wir waren uns aufAnhieb sympathisch
und so ist aus der zufälligen Begegnung eine
Freundschaft entstanden,die mir von An-
fang an das Gefühl vermittelte,im Kreis der
Familie zu sein.Ja, denn dies ist besonders
typisch für dieTrattoria Sora Lella,die fami-
liäreAtmosphäre: das Gefühl von paese,das
dich auf derTiberinsel umgibt – dörfliche
Stimmung mitten in der Großstadt.Die Fas-
sade und das Schild,vielen alsTeil ferner ge-
meinsamer Erinnerungen vertraut,die Fotos
an denWänden,die unzählige Geschichten
erzählen und dabei doch nichts anderes sind
als Familienfotos; Fotos,die an den Wän-
den jedes beliebigen Hauses hängen könn-
ten.Die überschaubare Größe der Speiseräu-
me,die durch einen schmalen,fast an eine
Kellertreppe erinnerndenAufgang auf zwei
Stockwerke verteilt sind; die Küchenberei-
che,funktional und doch irgendwie hei-
misch; die schlichte,klassische Einrichtung
mit Spitzendeckchen auf derAnrichte,das
einfache und doch kostbare Geschirr, so wie
früher zu Hause das Sonntagsservice.
Es war gleich so,als wäre ich hier zu Hau-
se,und so erfuhr ich bei vielen von einem
guten GlasWein begleiteten Erzählungen
immer mehr über die Geschichte von
Lella – Sora Lella – und Renato,ihrem
Mann,vonihrem Sohn Aldo (der so hieß
wie Lellas Bruder, ebenfallsAldo – das ist
eine Geschichte der immer wiederkehren-
den Namen …) und ihren vier Kindern,
die heute dieTrattoria sind.Aldo hat das
kulinarische Know-how und die römische
Herzenswärme geerbt und all dies seinen
Kindern weitergegeben.Und er hat alles
in einem Buch festgehalten,Il mio ami-
co albero di fico (Mein Freund der Feigen-
baum),das er 2007geschrieben hat.Dar-
in erzählt er von seinem Leben,dem seiner
Mutter, desVaters, des Onkels,von Rom
und von derTrattoria, und so macht er uns
zu Komplizen all dieser Geschichten und
lässt uns an jener Herzenswärme teilhaben.
Und daher machen wir es jetzt so: Stellt
euch vor, ihr lauft einfach über den Ponte
Fabricio oder den Ponte Cestio auf die
Tiberinsel und nehmt in der frischen, sanften
Sommerbrise des ponentino bei einem schö-
nen Glas Frascati Platz an einem kleinen
Tisch vor der Trattoria.Lassen wir die Zeit
einfach Zeit sein,sie gewährt uns sowieso
keinen Rabatt,und sitzen dort zusammen
mit Simone,Mauro,Renato, Elena und auch
derenVater Aldo und ihrer nonnaLella
mit Renato,ihrem Mann,der kurz vorbei-
kommt,um uns willkommen zu heißen, so-
wieAldo Fabrizi,der uns grüßen lässt. Da
sitzen wir also wie eine große Familie,die
am Sonntag zusammenkommt und sich
unter viel Gelächter und nostalgischenAn-
flügen Geschichten aus derVergangen-
heit erzählt und gemeinsam in die Zukunft
blickt,während Erinnerungen wach werden,
die verloren schienen,und Sehnsüchte,die
bislang geheim geblieben waren.
22 – Die Geschichte derTrattoria
Du wendest dich zu deiner Linken und
siehst,es gibt kein Entkommen. Da ist Lellas
fester Blick,der in Gedanken ganz woan-
ders zu sein scheint,an wer-weiß-was zu-
rückdenkt,so tief in dich hineinschaut, dass
er durch dich hindurch geht.Ein Blick,der
tief in sich ruht und dich deshalb wohlfüh-
len lässt.Ein Blick, jener von nonnaLella,
der Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt,auch
in ihren brummigen Momenten,oder wenn
er, wie jetzt,zwar etwas finster wirkt,gleich-
zeitig aber auch so viel Großzügigkeit und
Aufrichtigkeit ausstrahlt,dass alles richtig
scheint – so sanft,so vertraut.
Jetzt schaut sie dich mit diesem Blick
an,der immer ein aufkommendes Lächeln
zu verstecken scheint.Und vielleicht zeigt
sich das Lächeln in dem Moment,als du sie
fragst:Also, wie war das jetzt,wie hat diese
Geschichte eigentlich angefangen?
»Eh Chicchè,com’è iniziata ’sta storia?
Con me è iniziata,che manco lo sapevo
però che sta storia stava a inizià«,würde
Sora Lella vielleicht antworten.»Tja,wie
hat diese Geschichte angefangen? Mit mir
hat sie angefangen,dabei wusste ich gar
nicht,dass überhaupt eine Geschichte an-
fangen würde.« Es ist schwer zu sagen,
wann Geschichten wirklich beginnen:Wann
finden ihre wichtigsten Momente statt?
Wann werden die Hauptdarsteller gebo-
ren? In diesem Fall beispielsweise war es so,
dass dieTrattoria 1940ihrenAnfang nahm,
aber die Möglichkeit zu einerTrattoria ent-
wickelte Sora Lella,ob bewusst oder un-
bewusst,schon einige Jahre zuvor in ihrer
kleinen heimischen Küche.Aber vielleicht
fängt alles auch noch früher an,mit ihrem
Vater und ihrer Mutter, mit dem Erbe jener
tiefen Beziehung zu denAromen und Gerü-
chen der römischen cucina povera,der ein-
fachen Küche,die keine Schule lehren kann,
sondern nur das echte Leben auf dem Obst-
und Gemüsemarkt,und die Teil von dir
wird,sobald du geboren bist.
Ab hier stehen kursiv
gesetzte
Zeilen für Aldos
Worte aus seinem Buch
»Il mio amico albero di fico«.
In Anführungszeichen
stehen Zitate von Renato,
Mauro, Simone und Elena
aus mit ihnen geführten
Unterhaltungen.
Nonna Lella beim
Strandurlaub an der Adria
Die Geschichte derTrattoria – 23
LELLA
E
lena kommt am 17.Juni 1915in Rom
zurWelt.DerVater,Giuseppe Fabbriz-
zi (früher schrieb sich der Name mit
zwei B und zwei Z),war Fuhrmann mit
Pferd undWagen. Jeden Morgen bei Son-
nenaufgang transportierte er das von den
Händlern des Stadtviertels bestellte Obst
und Gemüse vom Großmarkt auf derVia
Ostiense zum Campo de’ Fiori.Die Mutter,
Angela Petrucci, hatte auf dem Campo de’
Fiori ebenfalls einen Stand.Mamma war die
letzte von sechs Kindern,einem Jungen,das
älteste der Geschwister,und fünf Mädchen.
Zwischen meinem OnkelAldo und meiner
Mutter waren zehn Jahre Altersunterschied.
Die Kindheit von Sora Lella war vonAr-
mut geprägt und keineswegs einfach: Mit
zwei wird sie Halbwaise,nachdem ihrVater
in Folge eines Sturzes während einesTrans-
ports an einer Lungenentzündung erkrankt
und innerhalb wenigerTage stirbt.Elena
hatte keinerlei Erinnerungen an ihrenVa-
ter. Ihr BruderAldo hört mit der Schule auf,
um der Mutter zu helfen und sich um die
Schwestern zu kümmern,vor allem um die
jüngste,für die er so zum Ersatzvater wird.
Aldo wird seiner Schwester immer beiste-
hen,vorsichtig und achtsam,aber auch er-
mutigend,wenn nötig.Er geht arbeiten und
Mammanimmt die kleine Elena mit zum
Markt,wo sie sie in einem leeren Korb un-
terbringt,der normalerweise für die Kar-
toffeln verwendet wird.Und während mei-
ne Mutter im Korb spielte,pries Nonna
Nonna Lella beim
Familienpicknick
mit Tante Gloria
24 – Die Geschichte derTrattoria
Die Geschichte derTrattoria – 25
Angela laut ihre Kartoffeln an: »Che patate ...
Kartoffeln ausViterbo,Leute kommt,
macht Kartoffelgnocchi,denn heute ist
Donnerstag!«
Dann kommen die 40er-Jahre,in denen
Aldo Fabrizi zu einem der größten Schau-
spieler Italiens wird.Er kann sich um die
Mutter und um die Schwester kümmern,
die kurz zuvor zusammen mit Lellas Mann
Renato ihreTätigkeit in der Gastronomie
aufgenommen haben.Er hält beide von
derWelt der Schauspielerei fern,oder bes-
ser gesagt,er versucht es um jeden Preis.
Lella aber ist fasziniert von dieserWelt und
möchte für ihr Leben gern Schauspielerin
werden.Obwohl sie einige Rollen in seinen
Filmen übernimmt,bleibt sie am Ende doch
in der Küche derTrattoria.
Das aber ändert sich,als CarloVerdone sie
dazu ausersieht,die Rolle seiner Großmutter
im Film Bianco,Rosso eVerdone zu über-
nehmen,eine Rolle,die ihr den Filmpreis
Nastro d’Argento als beste Nachwuchs-
darstellerin einbringt,sowie zwei Jahre spä-
ter im Film Acqua e Sapone mitzuwirken,
mit dem sie einen David-di-Donatello-Preis
als beste Nebendarstellerin gewinnt.Ab dem
Zeitpunkt,so erzählt Sohn Aldo,warmei-
ne Mutter nicht mehr nur meine Mutter,
sie wurde von allen die Schwester, dieTan-
te,die Schwiegermutter, die Mutter und vor
allem die nonna,beliebt in ganz Italien, wie
ein kostbaresAllgemeingut, das es zu schüt-
zen galt.Meine Mutter,die sich,dessen bin
ich mir heute bewusst,unauslöschlich in die
Herzen vieler Menschen eingebrannt hat,
erweckte in ihnen denWunsch,Teil unserer
Geschichte zusein.Tag fürTag kamenTou-
risten und machten Fotos vor dem Restau-
rantschild.Eines Tages habe ich ein Pärchen
gefragt: »Warum fotografiert ihr euch hier
vor dem Lokal?« Sie antworteten mir:
»Wenn man nach Rom kommt,macht man
doch Fotos vordem Petersdom,dem Kolos-
seum und eben Sora Lella.«
Das ist es,was die Trattoria zu einem
lebendigen kleinen Museum macht,ein
Erlebnis,mit dem man sich ein Stückchen
der Stadt mit nach Hause nehmen und sich
alsTeil eines Ortes und einer Geschich-
te fühlen kann.Ich glaube, ich übertreibe
nicht,wenn ich behaupte,man war nicht in
Rom,wenn man nicht bei Sora Lella auf der
Tiberinsel eingekehrt ist. Und auf die Spitze
treibe ich es,wenn ich sage: Du bist nicht de
Roma,du bist kein Römer, keine Römerin,
wenn du nicht hin und wieder bei SoraLella
auf derTiberinsel isst.
Aber wir greifen gerade zu weit vor – wie
begann nun diese Geschichte,die wir heu-
te gemeinsam erleben? Es istAldo,der sie
uns erzählt,wie ein Historiker oder Journa-
list ein Ereignis zu Papier bringen möchte,
um dann alles inAnekdoten eines Familien-
tagebuchs aufzulösen.Aldo gehört zu jenen
Menschen,die an einemTisch wiedem un-
seren hier eher still an der Seite sitzen und
darauf achten,dass es allen gutgeht,dass
ihm ja nichts entgeht,was er für dasWohl-
befinden anderer tun könnte – mit einem
offenen Lächeln,voller Selbstvertrauen, vol-
lerWissen über die Dinge,ob hinsichtlich
der Küche oder des Lebens,und voller Liebe
zu seinen Kindern.Ein Mann,der im Rei-
nen mit sich ist,voller Glück und beschei-
denem Stolz auf das,was ihm gelungen ist,
voller Freude,dass das, was er geschaffen
hat,auch nach ihm fortbesteht, und dass er
uns noch heute davon erzählen kann.
Meine Eltern begannen ihre Laufbahn als
Gastwirte im Jahr 1940. MeinVater Renato
arbeitete alsTräger bei der Cooperativa
Trasporto Carni, dem städtischen Schlacht-
hof,meine Mutter Elena Fabrizi half ihrer
Mutter am Gemüsestand.Die beiden lern-
ten sich am Campo de’ Fiori kennen.Mei-
ne Mutter war eine sehr gute Köchin.All die
Dinge,die meinVater auf derArbeit »ab-
schöpfen« konnte,bereitete sie auf leckere
Weise zu.Es warenTeile,die nicht verkauft
wurden,und alleTräger nahmen damals die-
se Schnittreste von Fleisch,Innereien,Bries,
Darm vom Milchkalb oder -lamm,Schwanz
und so weiter mit nach Hause.
Die Geschichte derTrattoria – 27
Der Eigentümer einerTrattoria,in der
meine Eltern öfter zu Gast waren,woll-
te sich aus der Gastronomie zurückziehen.
Er war alt geworden,müde und hatte ge-
sundheitliche Probleme.Pietro,so hieß er,
kannte die Küche meiner Mutter gut,mehr
als einmal war er in ihren Genuss gekom-
men.Wenn sie abends zu ihm essen gingen,
brachte meine Mutter ihm manchmal etwas
Besonderes mit,das sie zu Hause zubereitet
hatte,und Pietro überschüttete sie dafür mit
Komplimenten.
Und so fiel es Pietro nicht schwer, sein
Lokal dem jungen Ehepaar zu überlassen.
Also,alles da: Schwierige Umstände,aus
der Notwendigkeit heraus geborene Krea-
tivität,familiäre Bindung, Freundlichkeit
und Großzügigkeit,Geduld und die Fähig-
keit,Gelegenheiten am Schopfe zu packen,
dazu Intuition undWissen,Menschlichkeit
und Schlichtheit.Und die naturgegebene
und eindeutige Liebe zum Essen,die Freu-
de,Neues auszuprobieren und zu genießen.
Und auch eine Besessenheit,ein fast vor-
greifendes Gefühl dafür, was sich aus dieser
Erfahrung heraus entwickeln könnte.
Sie übernahmen eineTrattoria auf der
Piazza della Cancelleria,genau vor dem
gleichnamigen Palazzo,besser gesagt gegen-
über der Chiesa di San Lorenzo in Damaso,
wo meine Eltern am 21.April 1935geheira-
tet hatten.So entstand 1940das erste Sora
Lella in kulinarischer Hinsicht.
Es sind die Jahre des Krieges: Die Italie-
ner lernen die Lebensmittelkarten kennen,
diecarta annonaria, mit der die Rationie-
rung der für Familien wichtigsten Lebens-
mittel wie Brot,Nudeln,Fette jeglicherArt
und Fleisch durchgesetzt wurde.Und auch
dieautarchia,im Zuge derer die Verwen-
dung nationaler Erzeugnisse wieWeizen
und Reis gefördert und alles verboten wur-
de,was aus demAusland kam,wie Zucker
und Kaffee.Rom erlebt die Deportationen
von Juden,Angst,Armut und Zerstörung
durch Bombardierungen.
Das Lokal lief gut.Obwohl Krieg war,
kamen viele Kunden,darunter viele Freun-
de meinesVaters,die mit ihm zusammen als
trasteverini – Einwohner des Stadtviertels
Trastevere – aufgewachsen waren.
Von der erstenTrattoria sind kaum Spu-
ren erhalten,sie wurde 1946geschlossen,
als es zwischen Elena und Renato immer
mehr kriselte.Elena führte danach eineWei-
le ein Lebensmittelgeschäft in derVia del
Pellegrino.
DasVerhältnis zwischen den Eheleu-
ten bleibt einige Jahre turbulent,schließ-
lich versöhnen sie sich aber wieder und
beschließen in der zweiten Hälfte der 50er-
Jahre,eine neueTrattoria in derVia dei Ba-
lestrari aufzumachen,dann noch eine wei-
tere auf der Piazza dei Campani,im Viertel
San Lorenzo,bis sie im Jahr 1959auf der
TiberinseldieTrattoria dell’Isola überneh-
men.Und so sind wir nun endlich hier an
diesem Ort,so mittendrin und doch irgend-
wie abgelegen,ein Ort vor aller Augen,der
doch immer wieder eine Neuentdeckung zu
sein scheint.
Angekommen bei derTrattoria dell’Isola
trat ich ein,meine Eltern erwarteten mich
schon.Es war fast acht Uhr abends am
18.April 1959und ich sah,dass das Lokal
völlig verwaist war,keine Menschenseele
war dort.Es war Essenszeit,aber abgesehen
von derTrattoria war auch die Insel völ-
lig verlassen.Daheim überkam mich ein
Gefühl großerTrostlosigkeit.Es gab ei-
nen schon etwas älteren Kellner,er war si-
cher über 65,mit kahlem Kopf neben dem
üblichen grauen Haarkranz.Er trug eine
Jacke,die einst weiß gewesen sein musste,
mit gräulichen,durchscheinenden Flecken,
und die Serviette trug er unter derAchsel.
Am auffälligsten an ihm aber waren die rie-
sigen Segelohren.Sie waren so groß,dass er
sich wegen dieser physischen Unzulänglich-
keit,wenn man es so nennen konnte,den
Spitznamen aeroplano (Flugzeug) eingefan-
gen hatte.Und so kam meinVater,nur vier
28 – Die Geschichte derTrattoria
Die Geschichte derTrattoria – 29
Monate nachdem meine Eltern dieses Lo-
kal übernommen hatten,zu dem Schluss,es
so schnell wie möglich wieder aufgeben zu
wollen.
Es liegt keineswegs an einer mangelhaften
Führung des Lokals,im Gegenteil,die Qua-