Landespolitik in Baden-Württemberg - Gordon Carmele - E-Book

Landespolitik in Baden-Württemberg E-Book

Gordon Carmele

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Beschreibung

Die Bundesrepublik Deutschland wurde von den Ländern aus gegründet. Bundesländer sind allein deshalb mehr als Verwaltungseinheiten des Bundes, sie haben vielfach Staatsqualität. Sie verfügen über eigene Verfassungen, demokratisch legitimierte Institutionen, sie gestalten viele Politikbereiche und funktionieren oft als Laboratorien für den Staat. Vor diesem Hintergrund ist es ein lohnendes Unterfangen, sich die äußerst erfolgreiche Landespolitik von Baden-Württemberg anzusehen. Gordon Carmele stellt zunächst die Länder im Kontext des deutschen Föderalismus sowie der Europäischen Union dar. Anschließend geht er den politischen Erfolgsgeheimnissen von Baden-Württemberg auf den Grund und stellt das politische System in seinem Entstehungskontext vor. Ein Muss für alle, die sich für Landespolitik und -geschichte interessieren.

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Inhalt

Cover

Titelei

Einführung

I. Die Bundesländer im deutschen Föderalismus

1. Der deutsche Verbundföderalismus

2. Die Beteiligung der Länder auf Bundesebene – der Bundesrat

3.  Die Bundesländer in der Europäischen Union

II. Das Land Baden-Württemberg

1. Gründung und Entwicklung zum Bundesland

1.1. Die Entwicklung der Region nach dem Zweiten Weltkrieg

1.2. Der Start eines neuen Bundeslandes

2. Landespolitik in Baden-Württemberg

2.1. Landesregierung und Verwaltung

2.2. Landtag, Parteiensystem und direkte Demokratie

2.3. Gerichte

3. Die Landesregierungen im historischen Überblick

3.1. Von Reinhold Maier bis Stefan Mappus

3.2. Die grünen Regierungen unter Winfried Kretschmann

Ausblick und Fazit

Literaturverzeichnis

Politik verstehen

Herausgegeben von Siegfried Frech, Philipp Salamon-Menger und Helmar Schöne

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/politik-verstehen

Der Autor

Dr. Gordon Carmele lehrt und forscht an der PH Schwäbisch Gmünd.

Gordon Carmele

Landespolitikin Baden-Württemberg

Verlag W. Kohlhammer

für Ella Maria

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-043770-8

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-043771-5epub:ISBN 978-3-17-043772-2

Einführung

Der Föderalismus offenbart sich schon im Namen der Bundesrepublik Deutschland, er gehört zugleich zu den unabänderlichen Verfassungsprinzipien in Artikel 20 des Grundgesetzes (GG), der seinerseits durch die Ewigkeitsklausel in Artikel 79 (3) GG geschützt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zunächst die Bundesländer von den Alliierten in ihren Besatzungszonen eingerichtet, die dann ihrerseits die Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit vorbereiteten. Es war also nicht der Bund, der die Länder begründete, sondern umgekehrt, die Länder, die dem Bund vorausgingen. Die Bundesländer verfügen über eine eigene Gewaltenteilung zwischen Landesregierung und Landtag, die sich, wie in den parlamentarischen Systemen üblich, eher als Gewaltenverschränkung zeigt. Als vertikale Ebene der Gewaltenteilung ergänzen die Bundesländer die horizontale auf Bundesebene. Sie haben eigene Verfassungen, und ihre Institutionen werden durch Wahlen demokratisch legitimiert. Die Trennung von Aufgaben und Kompetenzen zwischen den verschiedenen Ebenen sowie die Kooperationsfelder werden schon im Grundgesetz benannt. Dadurch fallen nicht wenige Aufgaben und Kompetenzen in die Zuständigkeit der Bundesländer. So können einerseits regionale Lösungen für die Herausforderungen gefunden werden, die in anderen Landesteilen so nicht vorhanden sind, andererseits können die Länder auch bei ähnlichen Voraussetzungen unterschiedliche Lösungswege beschreiten, so dass sich auf dieser Ebene bessere Lösungen in der Praxis abzeichnen können. Das gilt ebenso für das politische Personal auf Landesebene, das diese Bühne auch als Sprungbrett für die Spitzenämter auf Bundesebene nutzen kann. Denn der größte Teil des Personals wird auf der Ebene der Länder beschäftigt, wo sich also der personelle Schwerpunkt der Verwaltung findet. Bei der Gesetzgebung des Bundes bildet der Bundesrat praktisch die zweite Kammer der Legislative, durch die die Länder ihre Interessen in den Entscheidungsprozess mit einbringen können.

Das Bundesland Baden-Württemberg bietet in vielerlei Hinsicht einen interessanten Untersuchungsgegenstand. Sein grüner Ministerpräsident und die inzwischen dritte Landesregierung unter Führung von Bündnis 90/‌Die Grünen machen das Land zu einem deutschlandweiten Unikum. Ministerpräsident Kretschmann erfreut sich nicht nur im eigenen Land, sondern weit darüber hinaus einer außerordentlichen Beliebtheit, und seine Wahlerfolge dokumentieren, dass es den Grünen in Baden-Württemberg gelungen ist, sich jenseits ihrer klassischen Wählerschaft erhebliche Potenziale in bürgerliche und konservative Kreise hinein zu erschließen. Dabei galt Baden-Württemberg lange als Stammland der CDU, deren Spitzenkandidaten zuvor jahrzehntelang die Regierungen führten, zeitweise sogar ohne Koalitionspartner. Inzwischen wurde die CDU in der Wählergunst von den Grünen überholt, sie ist seit 2016 nur noch als Juniorpartner in der Landesregierung vertreten. Seine einzigartige Entstehung macht Baden-Württemberg zu einem jungen Bundesland, zumindest in der Gruppe der Länder der alten Bundesrepublik Deutschland; es feierte 2022 seinen 70. Geburtstag. Zugleich zeichnet der einzig erfolgreiche Zusammenschluss von mehreren Bundesländern in der Geschichte ein Bild der Schwierigkeiten, einerseits durch die anspruchsvollen Vorgaben des Grundgesetzes und andererseits durch Probleme der praktischen Umsetzung. Diese konnten selbst in Baden-Württemberg letztlich erst 1970 mit der Volksabstimmung in Baden überwunden werden. Baden-Württemberg gehört zu den wirtschaftlich erfolgreichen Ländern in der Bundesrepublik und innerhalb des Länderfinanzausgleichs zu den Geberländern. Das Schulsystem und seine Lernenden zeigten sich in verschiedenen Vergleichsstudien oft überdurchschnittlich erfolgreich und das Hochschulsystem ist vielfältig ausgestaltet. Die Hochschulen dienen auch als Ressource für die Wirtschaft des Landes. Die Bedeutung der Automobilunternehmen hat sich auch durch die grünen Landesregierungen nicht verändert. Gleichzeitig bleibt das Land eingebunden in das föderale System, es ist nur eines von sechzehn Bundesländern, weder das größte noch das bevölkerungsreichste, weder das jüngste noch das älteste Bundesland. So scheint es reizvoll und lohnenswert, sich genauer mit diesem Bundesland auseinanderzusetzen, das die Rahmenbedingungen der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich erfolgreich für sich zu nutzen wusste.

Als Verfasser danke ich mit diesem Buch dem Land Baden-Württemberg, dessen Universitätssystem mich einst herziehen ließ und mich gewissermaßen zu seinem Adoptivkind machte. Für die Aufnahme in die Reihe Politik verstehen danke ich dem Herausgeberteam, besonders Herrn Prof. Dr. Helmar Schöne und Herrn Prof. Siegfried Frech für die Kürzungsanregungen sowie dem Lektoratsleiter Herrn Dr. Peter Kritzinger für seinen Einsatz.

I. Die Bundesländer im deutschen Föderalismus

1. Der deutsche Verbundföderalismus

Die Landespolitik nimmt in der öffentlichen Berichterstattung oft nur wenig Raum ein. Sie steht im Schatten des Geschehens vor Ort in der regionalen Berichterstattung einerseits und den Nachrichten auf den nationalen und internationalen Bühnen in der überregionalen Berichterstattung der Zeitungen andererseits. Trotzdem ist gerade diese Ebene der Politik von zentraler Bedeutung für den Alltag der Menschen, denn hier wird über Bildung und Schulen, Hochschulen und Universitäten, die Polizei und innere Sicherheit, Medien und Infrastruktur (auch digitale) sowie die regionale Wirtschaftsförderung entschieden. Diese Bedeutung lässt sich auch im Grundgesetz (GG) erkennen, denn der Föderalismus wird als Verfassungsprinzip in Artikel 20 (1) GG festgeschrieben, der seinerseits durch die Ewigkeitsklausel (Art. 79 (3) GG) geschützt ist. Er ist damit, anders als die meisten anderen Verfassungsbestimmungen, selbst mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nicht veränderbar. Um dieses Verfassungsprinzip abzuschaffen, wäre also eine neue Verfassung erforderlich (Art. 146 GG). Föderalismus bedeutet eine geteilte Souveränität zwischen Bund und Gliedstaaten und steht damit im Gegensatz zum Staatenbund, in dem die Souveränität bei den Gliedstaaten verbleibt, und zum Zentralstaat, in dem das Zentrum über die alleinige Souveränität verfügt. Föderale Staaten können so wirtschaftlich, kulturell, sprachlich, ethnisch oder historisch unterschiedliche Teile integrieren. Dadurch werden die Gewalten bzw. die Macht verteilt und Subsidiarität bzw. regionale Lösungen ermöglicht (vgl. Mannewitz und Rudzio 2022, S. 325). Die föderalen Bestandteile in der Bundesrepublik änderten sich mehrfach, so wurde Baden-Württemberg erst 1952 aus den Vorgängern Baden, Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden gebildet. Das Saarland trat 1957 bei und nach der Wiedervereinigung vollendeten Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und das wiedervereinigte Berlin durch ihren Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes die heutige Bundesrepublik.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Bundesländer der Bundesrepublik nicht nur voraus, sie begründeten die Bundesrepublik Deutschland. Denn »in der Zeit, in der das Grundgesetz erarbeitet wurde, gab es keine deutsche Zentralgewalt« (von Beyme 2017, S. 377). Aus der Perspektive der Alliierten bildete der Föderalismus eine zusätzliche Ebene der Gewaltenteilung und war insofern auch eine Maßnahme gegen eine erneute Zentralisierung der Macht, verbunden mit der Gefahr eines erneuten Missbrauchs. Der Föderalismus lag also sowohl im Interesse der alliierten Militärgouverneure wie auch der deutschen Ministerpräsidenten, die durch die fehlende Gesamtregierung die Machtträger auf deutscher Seite waren. Beide Parteien nahmen entsprechend Einfluss auf die Gestaltung des Grundgesetzes. In Deutschland fanden sich verschiedene föderale Vorläufer, dazu gehören das Alte Reich (bis 1806), der Rheinbund und das Deutsche Reich (ab 1815), die allerdings weitgehend ohne Zentralgewalt auskamen. Der Versuch, in der Paulskirchenverfassung einen Bundesstaat zu gründen, scheiterte. Der Norddeutsche Bund und das Deutsche Kaiserreich ab 1871 waren monarchisch-hegemoniale Bundesstaaten unter der Vormacht Preußens. In der Weimarer Republik setzten sich die zentralisierenden Kräfte durch: »Das System [...] war kein Bundesstaat, sondern ein dezentralisierter Einheitsstaat« (von Beyme 2017, S. 378). Nach der Niederlage der Nationalsozialisten, die einen zentralistischen Einheitsstaat geschaffen hatten, waren nach 1945 die föderalistischen Kräfte in den westlichen Besatzungszonen stark. Es existierte »in der US-Zone seit 1945 ein Länderrat in Stuttgart bestehend aus den Regierungschefs der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Bremen, der einstimmig Gesetze für die Länder dieser Besatzungszone vorbereitete und deren Anwendung koordinierte« (Schmidt 2012, S. 657). Der Hamburger Zonenbeirat der britischen Zone, der sich aus Parteivertretern und Landesministern zusammensetzte, hatte dagegen nur gutachterliche Befugnisse. Nach 1947 gab es einen Exekutivrat mit Sitz in Frankfurt für die britisch-amerikanische Bizone, in dem sich die Ländervertreter trafen und der insofern als Vorläufer des Bundesrates verstanden werden kann (vgl. Mannewitz und Rudzio 2022, S. 29). Er bildete die Vertretung der Länder gegenüber dem parlamentarischen Wirtschaftsrat und dem Verwaltungsrat. Zum Problem für die föderale Ausgestaltung wurden die Besatzungszonen der Alliierten, bei deren Zuschnitt teilweise wenig Rücksicht auf regionale Traditionslinien genommen wurde und neue Einheiten geschaffen wurden. Dazu hält von Beyme (2017) fest: »Nur Bayern und die Hansestädte waren historische Gebilde. Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren reine Kunstprodukte in den Grenzen der Besatzungszonen« (S. 378). Dabei musste selbst Bayern auf die bayrische Pfalz verzichten. Zu den ältesten Bundesländern können darüber hinaus Sachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein gezählt werden und auch Thüringen besteht schon seit über 100 Jahren. Zu den neu zusammengesetzten Bundesländern gehören Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Für einen späteren Zusammenschluss der Länder im Südwesten gab es mit dem alten Artikel 118 sogar einen separaten Artikel im Grundgesetz, der schließlich bei der Gründung von Baden-Württemberg auch genutzt wurde, um die strikteren Regelungen von Artikel 29 zu umgehen. Obwohl die Deutsche Demokratische Republik (DDR) 1990 nicht einwohnerreicher als Nordrhein-Westfalen war, entschied man sich für den Rückgriff auf die alten Länder der sowjetischen Zone, die dann bei der Wiedervereinigung politische Realität wurden. Die Entstehungsgeschichte des Föderalismus führte zu unterschiedlich großen und leistungsfähigen Ländern. Die Fülle der Aufgaben ist vor allem für kleine Bundesländer nur schwer zu leisten.

Als Bundesstaat haben auch die Länder Staatsqualität und die Verfassungsbereiche von Bund und Ländern stehen als eigene Ordnungen nebeneinander. Der Bund und die einzelnen Länder verfügen in ihren Grenzen über die Staatsgewalt. Bund und Länder sind gleichwertig und gleichgewichtig, das führt zu einer Haushaltstrennung von Bund und Ländern mit je eigenem Budgetrecht. Allerdings hat die Bundesgesetzgebung die Möglichkeit, finanzielle Lasten nach unten zu verteilen, damit wird zunächst der finanzielle Handlungsspielraum von Ländern und Gemeinden beschränkt. Dadurch erweitern sich wiederum die Möglichkeiten für den Bund, seine Interessen gegenüber den unteren Ebenen im Tausch gegen finanzielle Zugeständnisse durchzusetzen.

Die Zuständigkeit für Aufgaben impliziert nach Artikel 104a GG auch die Finanzverantwortung, d. h. die Finanzierungskompetenz folgt der Verwaltungs- und nicht der Gesetzgebungskompetenz. Während der Schwerpunkt der zweiten beim Bund liegt, tragen die Länder die Verantwortung für ersteres. Das ermöglicht z. B. die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf den Kita-Platz, dessen Einlösung bzw. Finanzierung dann aber letztlich bei den Gemeinden anfällt und dessen Folgekosten oft im Voraus nur schwer abschätzbar sind. Die Länder und Kommunen tragen dann finanzielle Lasten für Entscheidungen, die sie nicht selbst getroffen haben

Der Föderalismus wird in verschiedenen Staaten unterschiedlich umgesetzt, grundsätzlich können Verbund- und Trennsysteme unterschieden werden. Die USA und die Schweiz folgen dem Modell der Trennsysteme. Der deutsche Verbundföderalismus ist vor allem von Gemeinschaftsaufgaben einerseits und Gemeinschaftssteuern andererseits gekennzeichnet. Dabei werden die verschiedenen politischen Ebenen miteinander verflochten und dazu Akteure unterschiedlicher Ebenen beteiligt. Er setzt damit auf die Kooperation und den Konsens der verschiedenen Ebenen (vgl. Mannewitz und Rudzio 2022, S. 326). Das erschwert die Nachvollziehbarkeit von Verantwortlichkeiten sowohl im Erfolgs- wie auch im Misserfolgsfall. Die Bundesländer stehen damit vor der Herausforderung, ihre Interessen einerseits gegenüber dem Bund und andererseits gegenüber der Europäischen Union zu vertreten. Die Interessen der Bundesländer sind in bestimmten Fällen deckungsgleich, in anderen Fällen sind es spezifische Interessen einzelner Länder, die dann individuell oder als Teilgruppe vertreten werden müssen. Die Zustimmung fällt den Ländern tendenziell leichter, wenn sie mit finanziellen Vorteilen verbunden ist bzw. wenn andere Nachteile dadurch ausgeglichen werden. Besonders finanzschwache Länder sind für diese Lenkung mit dem sogenannten goldenen Zügel durch den Bund anfällig. Dass der Bund über die Hoheit zur Steuergesetzgebung verfügt, gibt ihm die Möglichkeit, seine Interessen auch mit Hilfe dieses Mittels durchzusetzen. Das umgekehrte Prinzip, dass die Länder den Bund finanziell alimentieren, wurde mit der Weimarer Republik abgeschafft. Dafür, dass dieser Schritt mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht rückgängig gemacht wurde, setzte sich insbesondere die SPD nach dem Zweiten Weltkrieg ein.

Abb. 1:Die Finanzbeziehungen im deutschen Mehrebenensystem

Der Gesetzgebungsprozess wird von den Exekutiven dominiert, so liegt schon der Schwerpunkt der Gesetzesinitiativen bei der Bundesregierung, die gleichzeitig über eine eigene Mehrheit im Bundestag verfügt. Im Bundesrat ist dann die Zustimmung der Länderregierungen erforderlich. Durch den Charakter des deutschen Verbundföderalismus sind es dann die Länderverwaltungen, die die Umsetzung der Gesetze überwachen. Diese unterstehen wiederum den Exekutiven der Länder. Durch die unterschiedlichen Konsenserfordernisse müssen Konflikte vor der Entscheidung ausgeräumt werden, das gilt für die Koalitionspartner innerhalb von Landes- und Bundesregierung ebenso wie für die Abstimmung von Bund und Ländern bei der Gesetzgebung des Bundes. Institutionell wird diesem Erfordernis durch die Vorlage von Gesetzesvorhaben beim Bundesrat mit der Möglichkeit zur Stellungnahme noch vor deren Einbringen in den Bundestag Rechnung getragen.

Die Landesverfassungen enthalten teilweise eigene Grundrechtskataloge sowie ergänzende soziale Grundrechte und eigene Staatsziele. Durch das Prinzip, dass Bundesrecht Landesrecht bricht, waren Teile von Landesverfassungen unwirksam. So wurde die Todesstrafe in Hessen erst 2018 aus der Landesverfassung gestrichen. Die Legislaturperiode auf der Landesebene beträgt inzwischen fast überall fünf Jahre, nur in Bremen sind es noch vier (vgl. Mannewitz und Rudzio 2022, S. 331–332). Die Ministerpräsidenten werden in allen Ländern durch den Landtag gewählt, in einigen müssen auch die Regierungen bestätigt werden, in Bremen sogar alle Minister einzeln. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind Misstrauensvoten auch gegen Minister möglich, während in Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hessen und dem Saarland Minister nur mit Zustimmung des Landtags entlassen werden können. Die Funktion des Staatsoberhauptes erfüllt in Baden-Württemberg der Ministerpräsident, in anderen Ländern sind die Funktionen zwischen Ministerpräsident und Landtag verteilt oder liegen, wie in Hamburg und Bremen, beim Senat. Die parlamentarische Funktionsweise des politischen Systems zeigt sich auch auf der Ebene der Länder, d. h. die Regierungen dominieren die Gesetzgebung, während sich die Opposition vor allem auf die Regierungskontrolle konzentriert.

Die Bundesrepublik ermöglicht als föderales System auch das Ausleben von Teilkulturen, die sich etwa in unterschiedlichen Dialekten und auch kulinarischen Unterschieden ausdrücken. Die Flächenländer sind dabei nur in den seltensten Fällen homogene Gebilde, in vielen finden sich Teilkulturen, deren regionale Symbole sich z. B. auch in den Länderwappen wiederfinden. In Bayern ist es der CSU gelungen, sich als die Landespartei Bayerns in Stellung zu bringen und zu halten. Dass ein solcher Status keine Selbstverständlichkeit ist und immer wieder neu verdient werden muss, belegt die CDU in Baden-Württemberg, die bis zur Wahlniederlage von Stefan Mappus 2011 ebenfalls als die Landespartei galt. Bei der Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit zeigt sich eine Scheidelinie zwischen Nord- und Süddeutschland, so ist mit einigen Abweichungen der Norden eher evangelisch und der Süden eher katholisch geprägt, die Grenzen der Teilgebiete gehen auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 zurück. Zwischen Ost und West werden die Unterschiede zwischen der von Konfessionslosigkeit geprägten DDR und den katholischen oder evangelischen Gebieten in den Ländern der alten Bundesrepublik sichtbar. Dabei nutzt ein hoher Katholikenanteil tendenziell der CDU, protestantische Arbeiter dagegen eher der SPD. Strukturelle Mehrheiten entstanden daraus für die CSU in Bayern sowie zeitweise für die CDU in Baden-Württemberg und die SPD in Nordrhein-Westfalen. Die Grünen in Baden-Württemberg und die Alternative für Deutschland (AfD) in den östlichen Bundesländern sorgten in den letzten Jahren für politische Veränderungen. Ein West-Ost-Gefälle gibt es auch bei der Wirtschaftskraft der Länder, ergänzt durch ein Süd-Nord-Gefälle in den alten Bundesländern. Dieses wurde durch den Aufstieg Bayerns und das Zurückfallen Nordrhein-Westfalens verstärkt, Baden-Württemberg konnte seinen Platz in der Spitzengruppe dagegen behaupten.

Die Ebene der Landespolitik besteht nicht losgelöst von den anderen politischen Ebenen; hier werden die Rahmenbedingungen bzw. Gestaltungsräume und Grenzen der Gemeindepolitik geschaffen, was die Unterschiede in den Bundesländern erklärt. So steht den Gemeinden einerseits die Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes (GG) in Artikel 28 (2) zu, andererseits legt das Grundgesetz in Artikel 70 die Verantwortung der Länder für die Gemeindeordnungen fest. Die Gemeinden sind also praktisch Bestandteile der Länder.

Die Bundesländer nehmen über den Bundesrat Einfluss auf die Bundesgesetzgebung. Wenn auch nicht formal, so bildet der Bundesrat doch praktisch die zweite Kammer der deutschen Legislative. Der strukturelle und personelle Schwerpunkt der Verwaltung im föderalen System liegt auf der Ebene der Bundesländer, auf dieser Ebene werden die Bundesgesetze ausgeführt. Viele Gesetze benötigen die Zustimmung des Bundesrates, etwa wenn sie die Verwaltung oder Finanzen der Länder betreffen. Durch die unterschiedlichen parteipolitischen Konstellationen auf Bundes- und Länderebene verstärkt sich der Effekt der Machtverteilung und gleichzeitig erhöht sich das Konsenserfordernis. Zugleich führt der Föderalismus zur »Entlastung der obersten Ebene vom täglichen Entscheidungsdruck« (Wehling 2011, S. 12). So können die Probleme vor Ort gelöst werden und müssen nicht den Umweg über das Zentrum nehmen. In seiner Funktionsweise diente der Bundesrat auch als Vorbild für den Ministerrat in der Europäischen Union. Die Bundesländer haben zum Teil gemeinsame Interessen gegenüber dem Bund, zum Teil unterscheiden sich diese allerdings auch. Das kann an spezifischen regionalen Interessen von Bundesländern, etwa in Abhängigkeit von der geographischen Lage oder Größe, oder an parteipolitischen Präferenzen liegen. Dies kann bei unterschiedlichen oder abweichenden Mehrheiten im Bundesrat gegenüber dem Bundestag der Fall sein, was dann den Oppositionsparteien die Möglichkeit geben kann, den Bundesrat als Veto- oder Blockadeinstrument zu nutzen. Im Vermittlungsausschuss sind dann die Länderregierungen ebenso stark vertreten wie die Fraktionen des Bundestages (je 16 Mitglieder), was den Oppositionsparteien je nach Zusammensetzung der Länderregierungen zu einer Mehrheit verhelfen kann. Da der Vermittlungsausschuss allerdings die Beschlussfassung nur vorbereiten und nicht ersetzen kann, werden Kompromisse zumeist durch die Parteispitzen gefunden. Das sichert die Mehrheiten für die anschließende Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat. Diese Blockademöglichkeit kann den Bundesrat zu einer interessanten Bühne für Regierung und Opposition machen, um den politischen Gegner in der Öffentlichkeit vorzuführen. So kann die Opposition im Fall eigener Mehrheiten das Blockadepotenzial des Bundesrates für sich nutzen und damit die Regierung vor allem bei in der Öffentlichkeit unbeliebten Vorhaben unter Druck setzen. Andererseits kann die Regierung die Opposition durch die Vorlage populärer Vorschläge, die aber für die Opposition unannehmbar sind, vor der Öffentlichkeit bloßstellen.

Mit den Ministerpräsidenten gibt es in den Ländern einen Kreis einflussreicher Persönlichkeiten, aus dem gerne die Kanzlerkandidaten für die Bundesebene rekrutiert werden. Auch andersherum schöpfen die Landesregierungen für Ministerämter aus dem Bund Personal ab, ein Beispiel für diese Praxis ist der Finanzminister von Baden-Württemberg Danyal Bayaz, der zwischen 2017 und 2021 Bundestagsmitglied war. Erfolgreiche Minister aus den Bundesländern sind auch mögliche Kandidaten für die Bundesregierung, wie die Berufung von Boris Pistorius aus Niedersachsen als Bundesverteidigungsminister zeigt. Die Landesebene bietet daher auch eine Möglichkeit der Bewährung für Parteipersonal, um sich für die Bundesebene auszuzeichnen. Das politische Spitzenpersonal kann hier sozialisiert und selektiert werden. Für die Opposition auf der Bundesebene bieten die Länder eine Möglichkeit, die eigene Regierungsfähigkeit nachzuweisen. Typische Profilierungsfelder der Landesregierungen sind eine hohe Wirtschaftskraft zusammen mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit sowie eine niedrige Kriminalitätsrate.

In Artikel 71 GG wird die konkurrierende Gesetzgebung geregelt. In diesen Bereichen können die Länder Gesetze verabschieden, wenn der Bund allerdings eine Regelung schafft, bricht das Recht des Bundes das der Länder. Die Bedürfnisklausel in Artikel 72 (2) GG lässt dies in den meisten Fällen nur zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit zu. Damit werden den Möglichkeiten auch Grenzen gesetzt und eine Rechenschaftspflicht des Bundes geschaffen. Seit der Föderalismusreform I aus dem Jahr 2006 können die Länder bei manchen Themen abweichen. Durch die Übernahme von Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund wird die Gesetzgebungsfunktion der Länder eingeschränkt. Die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Verwaltungen der Länder sichert die Berücksichtigung der Bedingungen vor Ort selbst beim Bundesrecht. »Das Schwergewicht der den Bundesländern vorbehaltenen Kompetenzen liegt [...] in der Funktion der Bundesländer als allgemeiner Exekutive bei der Ausführung von Bundesrecht« (Mannewitz und Rudzio 2022, S. 36). Diese Ausführungskompetenz übernehmen auch die den Ländern nachgeordneten Kommunalverwaltungen. »Je mehr Einwilligungsbefugnisse der Bund behalten will, desto höhere Kostenanteile muss er bei der Gesetzesausführung übernehmen« (Mannewitz und Rudzio 2022, S. 341).

Die Vielzahl der Länder ermöglicht Innovationen und Neuerungen sowie deren Erprobung. Dazu gehört das Schulsystem bzw. die Einführung neuer Schulformen wie der Gesamt- oder Gemeinschaftsschule, neue Lehr- und Bildungspläne, die Etablierung neuer Unterrichtsfächer wie islamischer Religionsunterricht oder das Fach Wirtschaft. Durch Vergleichsstudien, wie die PISA-Studie, können die Leistungen in den verschiedenen Bundesländern verglichen werden, um so erfolgreiche Modelle herauszufiltern. Auch die Gemeindeverfassungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten vereinheitlicht, dabei hatte sich die Süddeutsche Ratsverfassung als richtungsweisend herausgestellt. In anderen Bundesländern wurde dem Vorbild folgend die Stellung des Bürgermeisters durch die Direktwahl gestärkt. Die direktdemokratischen Mechanismen wurden zunächst auf der Gemeindeebene erprobt und auch die Flexibilisierung der Wahlen, etwa durch Kumulieren und Panaschieren, fand zunächst auf der kommunalen Ebene statt. Der Umgang mit den Mittelbehörden (in Baden-Württemberg die Regierungspräsidien) ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, was sich zum einen in deren unterschiedlicher Größe begründet, andererseits gingen auch ähnlich große Bundesländer unterschiedliche Wege bei der Frage, ob diese eher gestärkt oder abgeschafft werden sollen. So gibt es in Sachsen-Anhalt und Thüringen einen dreistufigen Aufbau mit Landesverwaltungsämtern, in Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen gibt es regionale Mittelinstanzen, und in Rheinland-Pfalz haben die Mittelinstanzen einen funktionalen Zuschnitt. In den anderen Bundesländern sind die Verwaltungen nur zweistufig.

Insgesamt zeigt sich in Deutschland allerdings eine klare Tendenz zur Unitarisierung, die Konkurrenz der Länder untereinander ist nur schwach ausgeprägt. Die Chancengleichheit in der Bundesrepublik, unabhängig vom Wohnort, übt einen Druck selbst auf die Bildungssysteme aus, der bis hinein in die Hochschulen wirkt. Mit der Kultusministerkonferenz (KMK) haben die Länder ein Koordinationsorgan geschaffen, das älter als die Bundesrepublik (1948) ist; ihr Sitz ist nach wie vor in Bonn. Als Herausforderung gestaltet sich dabei, dass die Entscheidungen in diesem Organ nur einheitlich getroffen werden können. Vor der Fragmentierung des Parteiensystems konnte unterhalb dieser Ebene noch zwischen A-Ländern (SPD regiert bzw. SPD-geführte Koalition) und B-Ländern (CDU/‌CSU regiert bzw. CDU/‌CSU-geführte Koalition) kooperiert werden. Die KMK ist damit vor allem eine Institution zur Schaffung von Konsens und Kompromissen. Sie verfügt auch über eigenes Personal, das vom Land Berlin beschäftigt wird, dessen Kosten aber von den Ländern gemeinsam getragen werden (vgl. Wehling 2006, S. 11). Zu den Erfolgen dieses Organs gehört die Einigung auf das Gymnasium als Bezeichnung für die höheren Schulformen im Düsseldorfer Abkommen 1955, das Hamburger Abkommen aus dem Jahr 1964, in dem sich die Länder zu Schuljahr und Ferien, Schulpflicht, Abschluss- und Zeugnisanerkennung, Vereinheitlichung von Bezeichnungen im Bildungswesen und bei den Notenstufen verständigten. Eine Rechtschreibreform wurde 1996 nach einem KMK-Beschluss umgesetzt. 1999 begann der Bologna-Prozess, der die Studiengänge und Abschlüsse (Bachelor und Master) standardisierte und mit einem Leistungspunktesystem verband. Gleichzeitig wurde eine größere Toleranz auch bei der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen vereinbart. Über die KMK hinaus existieren Konferenzen der Ministerpräsidenten und Fachministerkonferenzen, wie die der Innenminister, sowie Arbeitskreise zur Koordination der Länder untereinander.

2. Die Beteiligung der Länder auf Bundesebene – der Bundesrat

Der Bundesrat ist nach Artikel 50 GG ein eigenständiges Verfassungsorgan, »durch ihn wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit« (Sturm 2006, S. 25). Er »soll die Interessen der Länder in der Bundesrepublik wahrnehmen« (Pötzsch 2009, S. 86) und ist damit keine Versammlung geachteter Persönlichkeiten wie das britische Oberhaus. Er wirkt innerhalb des politischen Systems, neben Bundesverfassungsgericht und Bundespräsident, als eines der institutionellen Gegengewichte gegenüber der Bundesregierung, mit der über die Regierungsfraktionen gesicherten parlamentarischen Mehrheit im Bundestag. In der Phase der Verfassungsgebung wurden von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes unterschiedliche Konzepte für die föderale Vertretung der Bundesländer diskutiert. Als föderale Vertretung ist zum einen das Senatsmodell aus den USA denkbar, in dem die Staaten unabhängig von ihrer Größe durch jeweils zwei Senatoren vertreten werden. Die andere idealtypische Form stellt die Repräsentation nach Einwohnerzahl dar. Für die Berufung der Repräsentanten kann eine Direktwahl oder die Entsendung durch das Landesparlament oder die Landesregierung unterschieden werden. Im Prozess der Grundgesetzentwicklung wurden vor allem das Senats- und Bundesratsmodell diskutiert. Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee (10.–28. August 1948) hatte das Senatsmodell oder das Bundesratsmodell mit von den Ländern entsandten Vertretern als Alternativen formuliert und damit diesbezüglich keine Vorentscheidung getroffen (vgl. Schmidt 2012, S. 658). Schließlich ging »der bayrische Ministerpräsident Hans Ehard (CDU) [...] mit dem sozialdemokratischen Verfassungspolitiker Walter Menzel aus Nordrhein-Westfalen den bekannten föderalen Verfassungskompromiss ein, wonach die SPD den Bundesrat, Bayern und die CDU/‌CSU den Finanzföderalismus der Sozialdemokraten akzeptierten« (Weichlein 2012, S. 657). Damit tauschten die Länder die Beteiligung an Bundesgesetzen gegen ihre finanzielle Eigenständigkeit ein.

Artikel 51 (2) GG definiert drei Stimmen als Mindestzahl für alle Bundesländer, vier Stimmen erhalten die Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern, fünf Stimmen die Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern. Im Zuge des Stimmenzuwachses im Bundesrat bei der Wiedervereinigung wurde 1990 als weitere Differenzierung in das Grundgesetz aufgenommen, dass Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen erhalten. Das schuf einerseits mathematisch eine etwas unrunde Abstufung zwischen den letzten beiden Stufen (zwei, sechs und sieben Millionen Einwohner), realpolitisch stärkte es Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. 1998 überschritt Hessen die Bevölkerungsschwelle von sechs Millionen Einwohnern und erhielt eine fünfte Stimme im Bundesrat. Die Einigung auf das Wahlverfahren verlief dagegen reibungsloser; die Ministerpräsidenten einigten sich auf das Auswahlrecht der Landesregierungen und schufen sich so zugleich eine bundespolitische Bühne. Der Bundesrat ist international damit die einzige zweite Kammer, die allein aus weisungsgebundenen Vertretern der Gliedstaaten-Regierungen besteht (vgl. Mannewitz und Rudzio 2022, S. 287).

Die Mitglieder des Bundesrates werden von den Landesregierungen ausgewählt. Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen im Bundesrat besitzt. »Die Stimmen eines Landes werden geschlossen abgegeben. Jede Landesregierung legt ihr Stimmverhalten fest« (Pötzsch 2009, S. 86). Das bestimmt Artikel 51 GG, weshalb die Anwesenheit eines Repräsentanten ausreichend ist, der die Stimmen en bloc