Landser im Weltkrieg 14 - H. Möllmann - E-Book

Landser im Weltkrieg 14 E-Book

H. Möllmann

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Beschreibung

Der vorliegende Band „Gegenschlag” erzählt in romanhafter Form die verzweifelten Gegenangriffe deutscher Kampfgruppen gegen die Übermacht der Roten Armee nach dem Scheitern der Operation „Zitadelle“.

Seien Sie hautnahe dabei, wenn deutsche Landser mit allen Mitteln versuchen die HKL zu halten …

Über die Reihe „Landser im Weltkrieg“

„Landser im Weltkrieg“ erzählt fiktionale Geschichten vor historischem Hintergrund realer Schlachten und Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum stehen die Erlebnisse deutscher Landser fernab der großen Strategien am grünen Tisch.

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Florian Juterschnig

 

Landser im Weltkrieg 14

Gegenschlag – Verzweifelte Gegenangriffe deutscher Kampfgruppen gegen die Rote Armee

 

EK-2 Militär

 

 

Über die Reihe Landser im Weltkrieg

 

Jeder Band dieser Romanreihe erzählt eine fiktionale Geschichte, die vor dem Hintergrund realer Ereignisse und Schlachten im Zweiten Weltkrieg spielt. Im Zentrum der Geschichte steht das Schicksal deutscher Soldaten.

 

Wir lehnen Krieg und Gewalt ab. Kriege im Allgemeinen und der Zweite Weltkrieg im Besonderen haben unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht.

 

Deutsche Soldaten beteiligten sich im Zweiten Weltkrieg an fürchterlichen Verbrechen. Deutsche Soldaten waren aber auch Opfer und Leittragende dieses Konfliktes. Längst nicht jeder ist als glühender Nationalsozialist und Anhänger des Hitler-Regimes in den Kampf gezogen – im Gegenteil hätten Millionen von Deutschen gerne auf die Entbehrungen, den Hunger, die Angst und die seelischen und körperlichen Wunden verzichtet. Sie wünschten sich ein »normales« Leben, einen zivilen Beruf, eine Familie, statt an den Kriegsfronten ums Überleben kämpfen zu müssen. Die Grenzerfahrung des Krieges war für die Erlebnisgeneration epochal und letztlich zog die Mehrheit ihre Motivation aus dem Glauben, durch ihren Einsatz Freunde, Familie und Heimat zu schützen.

 

Prof. Dr. Sönke Neitzel bescheinigt den deutschen Streitkräften in seinem Buch »Deutsche Krieger« einen bemerkenswerten Zusammenhalt, der bis zum Untergang 1945 weitgehend aufrechterhalten werden konnte. Anhänger des Regimes als auch politisch Indifferente und Gegner der NS-Politik wurden im Kampf zu Schicksalsgemeinschaften zusammengeschweißt. Genau diese Schicksalsgemeinschaften nimmt »Landser im Weltkrieg« in den Blick.

 

Bei den Romanen aus dieser Reihe handelt es sich um gut recherchierte Werke der Unterhaltungsliteratur, mit denen wir uns der Lebenswirklichkeit des Landsers an der Front annähern. Auf diese Weise gelingt es uns hoffentlich, die Weltkriegsgeneration besser zu verstehen und aus ihren Fehlern, aber auch aus ihrer Erfahrung zu lernen.

 

Nun wünschen wir Ihnen viel Lesevergnügen mit dem vorliegenden Werk.

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Unser wichtigstes Anliegen ist es, Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis zu bieten.

 

Damit uns dies gelingt, sind wir sehr an Ihrer Meinung interessiert. Haben Sie Anregungen für uns? Verbesserungsvorschläge? Kritik?

 

Schreiben Sie uns gerne: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Heiko und Jill von EK-2 Militär

 

Gegenschlag

 

Franz Florentin hielt die P 38 mit beiden Händen. Gebückt schlich er durch den Schützengraben. Der, die Landschaft peitschende Wind erfasste und verwirbelte den Bodennebel, welcher über die Grabenränder quoll. Florentin kam sich vor wie in die Fantasiewelt eines utopischen Romans versetzt. Nebelwölkchen umwehten ihn, die Wiese jenseits des Grabens lag verborgen unter einem weißen Schleier. Gleiches galt für die russischen Leiber, die bald jeden Quadratmeter im Niemandsland zwischen den beiden Kriegsparteien bedeckten. Die Sowjets hatten ganze Bataillone gegen die dünne deutsche Abwehrlinie ins Feld geschickt. Ein paar 100 Mann, viele verwundet oder krank, hatten mit nicht viel mehr als Repetierern und Pistolen Angriff um Angriff abgeschlagen. Würden die Russen nicht stumpf gegen die deutschen Stellungen anrennen, würden sie Stoßtrupps vorschicken und diese durch gezieltes Feuer decken, auch die dritte Abwehrlinie wäre längst gefallen und die Russen wären noch weiter vorgestoßen. So aber ertönte ein Pfiff, daraufhin setzte sich der nächste für einen Angriff vorgesehenen Verband in Marsch und rannte unter den wütenden Rufen des Kommissars in das deutsche Feuer hinein. Das Kalkül der roten Truppführer musste darauf abzielen, dass den Verteidigern irgendwann die Munition zur Neige gehen würde. Und tatsächlich, dieser Augenblick stand kurz bevor. Die Russen zwangen der deutschen Seite einen Abnutzungskrieg Marke Verdun, Marke Falkenhayn auf. Und sie waren mit ihrem viele Millionen Soldaten zählenden Heer imstande, einen solchen Abnutzungskrieg zu überstehen. Die sowjetischen Soldaten stachen ihre deutschen Pendants zahlenmäßig sieben zu eins aus.

Grässliche Schreie lagen in der Luft, drangen aus dem Nebel. Sie berührten Florentin in seinem Innersten. Auf dem weiten Feld vor der Verteidigungslinie seiner Kompanie lebten Dutzende Rotarmisten noch immer, schwer verwundet lagen sie im Felde und starben sukzessive. Manche brüllten sich die Seele aus dem Leib, andere beteten mit gedämpfter Stimme, wieder andere starben nahezu geräuschlos, allein ein Röcheln oder Stöhnen war von Zeit zu Zeit zu vernehmen. Die weiten Ebenen der westrussischen Steppe gereichten zum Sterbebett für Tausende, und mehr würden hinzukommen. Die Aufklärung hatte soeben gemeldet, dass sich die Sowjets umgruppierten. Die wenigen Überlebenden der geschlagenen Bataillone zogen ab, um hinter der Front mit frisch Gepressten aufgefüllt zu werden. Derweil übernahm das 512. Regiment deren Stellungen und bereitete sich auf den Angriff vor, der vermutlich noch im Laufe der Nacht erfolgen würde.

Vorsichtig stieg Florentin über einen getöteten Kameraden, ein rotes Loch prangte auf der Stirn, rote Sprenkel klebten im strohblonden, zerzausten Haar. Hülsen umgaben den jungen Mann, Hülsen säumten die Erde entlang des gesamten Grabens. Florentin drehte sich zu seinen Kameraden um, wisperte: »Achtung!«. Er wies auf den Toten. Allein es fehlte an Personal, sich all der Leichen anzunehmen.

In der Ferne rumorten die Motoren ungezählter russischer Flugzeuge. Starke Bomber- und Schlachtfliegerformationen, eine jede um die 25 Maschinen stark, flogen von allen Seiten gegen die deutschen Stellungen, um die Deutschen Linien sturmreif zu bombardieren. Ganz vereinzelt kleckerten die wenigen deutschen Flugabwehrgeschütze, die nicht im Erdkampf gebunden waren, in die angreifenden Bomber- und Schlachtfliegerströme hinein. Das Geschehen glich einem Hornissenschwarm, der mit Steinchen beworfen wurde.

Im nahegelegenen Dorf war nach den ersten Bombardements ein Feuer ausgebrochen, das die Innenstadt im Würgegriff hielt. Ganze Häuserzeilen standen lichterloh in Flammen. Die Mannen der Wehrmacht rangen, umzingelt von Feuersbrünsten, erbittert mit den von zwei Seiten in die Stadt eindringenden Rotarmisten. Sie fochten um jedes Haus, um jedes Zimmer, während immer wieder Trupps von den Flammen eingeschlossen wurden und elendig in ihnen zugrunde gingen. Der Widerschein der Brände erhellte im Westen den Himmel, er malte skurrile Leuchtgebilde ins Gewölk.

Florentins Kumpel Paul Vedder – genannt Mervin – sowie der Unteroffizier Richardt nickten und schritten ebenfalls behutsam über den Leichnam hinweg. Im deutschseitigen Hinterland der Gräben ragten ihrer Kronen beraubte, abgerissene, zerfetzte Bäume wie groteske, überdimensionierte und angeknabberte Zahnstocher aus dem Erdreich. Krater verunstalteten das Land. Eiskalter Nebel, der an Milch erinnerte, stieg aus ihnen auf. Die Unterführer integrierten die Trichter als zusätzliche Feuerpositionen in ihre Linien. Arbeitskommandos, bestehend aus Frauen und Heranwachsenden, schufteten schweigend in dem Waldstück hinter den Gräben; beseitigten Schäden, machten Zufahrtsstraßen wieder gangbar. Sollte auch nur ein Schuss fallen, würden sie im Entenmarsch abrücken und sich in vorbereiteten Unterständen verstecken. Hell klangen die Pickel, wenn ihre Spitzen in den steinigen Grund trieben. Emsig Arbeitende ächzten unter der Last von Baumstämmen, die sie fortschleppten. Einer jener Trupps, der einen gefällten Baum transportierte, erschien im Schleier des Nebels als riesenhafte Raupe, die durch den zertrommelten Forst wandelte.

Die drei Soldaten bahnten sich ihren Weg durch das Grabensystem. Holzbalken waren installiert worden, um die Wände zu stützen, querverlaufende Gräben zweigten sich ab, um den Verteidigern Stellungswechsel für Kreuzfeuer zu ermöglichen. Von Zeit zu Zeit tauchten MG-Positionen im Dampf auf; Rondelle aus Sandsäcken waren das, in deren Mitte thronte ein MG. Die Landser, die bei der Schnellfeuerwaffe saßen, badeten in Hülsen. Ferner hatte die Wehrmacht sage und schreibe zwei Panzerabwehrkanonen zur Verfügung gestellt, um diesen Streifen von zwei Kilometern Breite gegen Panzerangriffe zu sichern. Mehr Kriegsmaterial stand schlicht und ergreifend nicht zur Verfügung.

Ein Hiwi, dem seine Uniform drei Nummern zu groß war und der wohl allein aufgrund der Tatsache, dass seine linke Hand aus nur zweieinhalb Fingern bestand, nicht zur Roten Armee einberufen worden war, schlappte in seinen Riesenstiefeln von MG-Nest zu MG-Nest, nahm dieser Stellung Gurte weg und händigte sie jener wieder aus, um auf diese Weise einen Munitionsausgleich durchzuführen. Er sah aus wie ein Kind, das die Uniform des Vaters gefunden hatte; die Ärmel hingen über die Hände hinaus und verhehlten seine Behinderung.

»450 Schuss«, stöhnte Richardt auf, indes folgte sein Blick dem zu einer entfernten Stellung davoneilenden Munitionsträger, bis dieser im Nebel zu einem Schatten und schließlich ganz verschluckt wurde.

»Hä?«, versetzte Vedder keuchend. Seine Augen waren entzündet und stachen wie Erdbeeren aus dem aschfahlen Antlitz hervor. Sie alle hatten seit Kriegsbeginn kein Auge mehr zugetan, kaum einen Bissen zu sich genommen, kaum einen Schluck getrunken.

»450 Schuss pro MG, dann ist Feierabend«, erklärte sich Richardt, während die drei Grenadiere bibbernde Gewehrschützen passierten.

»Und Nachschub ist bis Morgenabend nicht zu bekommen. Noch ein Angriff, dann können die Kameraden hier einpacken.« Richardt sprach mit stark belegtem Organ, das pausenlose Brüllen in den vergangenen 36 Stunden hatte ihn beinahe die Stimme gekostet.

Florentin wusste nicht, ob er, wenn der nächste Angriff anlief, noch vor Ort sein würde, oder bereits wieder an einer anderen Stelle der Front in die Bresche zu springen und Lücken notdürftig zu schließen hatte. Seit Offensivbeginn kurvte seine Grenadiereinheit im gesamten Frontbereich umher und tat, was sie konnte, um dem Gegner Nadelstiche zu versetzen. Mehr war in der Regel nicht drin, eine Handvoll Fahrzeuge vermochte keine Regimenter aufzuhalten. Diese rieben sich an den Linien der Deutschen auf, die geschickt durch MG und schwere Kanonen verstärkt wurden. Doch es würde nicht mehr lange dauern, bis auch die dritte Abwehrlinie aufgegeben werden musste, bis abermals der Befehl zum Ausweichen an die Fronttruppen erging. Dann wären drei von sechs Linien gefallen. Hauptmann Pendler beschwichtigte seine Männer beständig, sprach von einem Ass, das von Manstein im Ärmel haben wollte. Nun, Florentin hoffte, dass sich dieses Ass nicht allzu viel Zeit lassen würde. Der Russe trug seine Angriffe mit einer Gewalt und Intensität vor, wie der junge Gefreite es nicht für möglich gehalten hätte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die schmalen Linien der Deutschen unter den wiederholten Attacken zerbröseln würden. Steter Tropfen höhlt den Stein.

»Angriff! Angriff!«, fauchte Florentin, den die Wut übermannte. »Stellt euch vor, dieser Kampf würde auf unserem Gebiet stattfinden! Würde unser Land zerstören! Wir hocken in diesen Gräben wie Schlachtvieh, das blauäugig den Metzger mit dem Messer anguckt! Angreifen sollten wir! Zurückschlagen!«

Er kam an einer Gruppe einer Nachschubeinheit vorbei, kampfunerfahrene Männer, die sich an ihre Büchsen klammerten, als würden diese sie vor einem Sturz in einen Abgrund bewahren. Sie hockten zusammen wie eine verschworene Sektengemeinschaft, ein blutgetränkter Verband war um den Kopf eines Kämpfers gewickelt, ein anderer trug einen alten Stahlhelm M35. Einige verfügten über ein Koppel mit Munitionstaschen, die meisten standen offen und offenbarten gähnende Leere. Mit diesen Kerlen war kein Angriff zu machen, sie waren kaum mehr in der Lage, ihre Position zu halten. Und die Grenadiere mochte kampfkräftig sein, auf sich gestellt aber war sie zu wenige, um gegen die Soldaten- und Panzermassen des Gegners bestehen zu können.

»Ganze 38 Panzer haben wir noch!«, wütete Florentin weiter. »Die haben uns aufgegeben!«

»Ruhig Blut, Junge«, versuchte Richardt ihn zu beruhigen. »Der Manstein weiß, was er tut. Das wusste er auch schon früher.«

»Der Manstein sollte sich mal ausseinem beschaulichen Hauptquartier hierher bequemen und mit eigenen Augen sehen, wie es um uns bestellt ist! Wenn die Führung uns nicht bald Verstärkungen zuführt, sind wir geliefert!«

»Halt den Ball flach, Franz. Das ist überhaupt das Problem. Du kennst die Großwetterlage nicht, kennst nicht alle Variablen. Aus unserer eingeschränkten Perspektive heraus können wir das gar nicht beurteilen. Hab Vertrauen in unsere Führung … die weiß, was sie tut.«

»Ja? So wie im Großen Krieg? Wo der deutsche Soldat plötzlich von der hochgelobten Führung mit der Kapitulation überrascht wird, obwohl er noch immer tief in Belgien steht?« Es war kül, doch die Aufregung, das Adrenalin und die Wut ließen ihn die Temperaturen, nicht wahrnehmen. Er steigerte sich hinein in seinen Ärger, der Schlafmangel und die Erschöpfung förderten eine ungeahnte Aggressivität in ihm zutage.

»Jetzt mach aber mal einen Punkt!«

»Die verheizen uns!«, gab Florentin fauchend zurück.

Er erreichte eine Stelle, wo ein Artillerievolltreffer den Graben aufgerissen hatte. Eine schmutzige Hand ragte aus der losen Erde auf. Ein Stück weiter dem Graben folgend saßen einige dürre Gestalten beieinander und nuckelten an ihrer Zigarette. Beim Anblick der drei Wehrmachtssoldaten sahen sie auf, und lächelten schwach.

»Sie suchen sicherlich unseren Offizier?«, sagte einer von ihnen und richtete sich halb auf. Er klopfte sich den Schmutz von der Arbeiterhose und trat Florentin gegenüber. Der schluckte seinen Zorn runter, bemühte sich um ein professionelles Auftreten. Abseits, im zerstörten Forst, war ein Verwundetensammelnest eingerichtet worden, ein fürchterliches Wimmern und Schreien drang von dort herüber. Verbrennungsmotoren heulten auf, als sich ein Lkw in Bewegung setzte, der die ersten Unglücklichen abtransportierte.

»Jawohl«, sagte Florentin und nickte dem Junker zu.

»Die Abzweigung hier – etwa 30 Schritt – der Unterstand auf der rechten Seite.«

Der Offizier, der die vor Ort verschanzte Abteilung kommandierte, brütete im schwachen Schein eines Hindenburglichts über Umgebungskarten. Eine kunstvolle geschnitzte Pfeife klemmte ihm zwischen den Lippen. Er trug eine schmutzige Wehrmachtsuniform. Seine rechte Hand fehlte, der Uniformärmel war vernäht.

Tabakduft schlug Florentin entgegen, als er zusammen mit Richardt und Vedder den hölzernen Unterstand betrat. Bodennebel umspielte diesen, dass es aussah, als hätte er sich von der Welt gelöst und schwebte in einer Wolke. Der Offizier blickte aus müden Augen auf, erwiderte den Salut und bot den Kameraden Plätze am Kartentisch an.

Richardt führte die Lagebesprechung, er sagte: »Wir sind mit unseren Männern hier, hier, hier und hier in Position gegangen, feindseitig nicht einsehbar. Einer unserer SPWs mit 2-cm-KWK befindet sich an der linken Flanke. Sollten Sie in Bedrängnis geraten, können Sie uns jederzeit über die bekannte Frequenz erreichen. Der Herr Hauptmann wird dann mit den Kanonenwagen vorpreschen und dem Gegner durch schnelle Vorstöße zusetzen. Wir haben auch einen Panzer zur Verfügung, diesen gedenkt er allerdings ausschließlich gegen gepanzerten Feind einzusetzen.« Richardt runzelte die Stirn. »Wir müssen Munition sparen.«

»Verstehe.«

»Ich muss Ihnen ferner mitteilen, dass die Kompanie hat durchblicken lassen, man werde uns möglicherweise noch binnen der Nacht woandershin abkommandieren. Sollte der Befehl erfolgen, sind Sie wieder auf sich gestellt.«

Der Offizier und offensichtliche Weltkriegsveteran nickte, seine Augen waren glanzlos und offenbarten eine tiefgreifende Erschöpfung.

»Dann sind wir auf uns gestellt …«, wiederholte er apathisch und verlor sich auf einer seiner Karten in den zahlreichen Eintragungen in roter Farbe, die für die erdrückende Übermacht der feindlichen Präsenz standen. Florentin wollte das Kartenwerk lieber nicht zu genau studieren.

»Wie ist die Lage, wenn ich fragen darf?«, wollte Richardt wissen.

»Beschissen, wenn Sie diesen Landserbegriff gestatten«, brummte der Offizier. »Ich habe 180 Mann und 25 Mann Versprengte, um einen Streifen von zwei Kilometern Breite zu verteidigen.« Er sah Richardt in die Augen und lächelte freudlos. »Gnade uns Gott an dem Tage, an dem der Iwan lernt, wie man sich taktisch klug verhält. Wir existieren überhaupt nur noch aus dem Grund, weil wir aus ausgebauten Stellungen heraus agieren und die Russkis uns bei jedem Angriff ein Zielschießen veranstalten lassen. Dennoch kostet mich jeder Ansturm Männer … und kostbare Munition.« Er ließ vernehmlich Luft entweichen. »Ich habe unsere brenzlige Lage dem Kommando in einem Fernschreiben eröffnet, aber sie wissen ja, wie das ist. Es ist brenzlig auf 1.000 Kilometern Front und entsprechend werden sich die Herren erst bewegen, wenn hier nichts mehr zu retten ist.« Die Augen des Offiziers stocherten auf der Lagekarte herum. »Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Haben Sie schon Nachricht von Ihrem Fahrer?«

»Noch nicht, aber es dürfte nicht mehr lange dauern.« Hauptmann Pendler hatte einen seiner zwei verbliebenen Lastwagen losgeschickt, die örtlichen Gutshöfe abzuklappern, um Verpflegung und Trinkwasser für die Landser zu organisieren. Der zweite Laster der Kompanie derweil war derjenige Wagen, der die Verwundeten abtransportierte.

Ein schwaches Lächeln, das Hoffnung versinnbildlichte, huschte über das Antlitz des Offiziers.

»Immerhin soll ein Munitionstrupp auf dem Weg zu mir sein … 15 Mann, die ich behalten darf, und die Mun für das MG-34 sowie Karabiner mitbringen.«

»Wann sollen die Kameraden eintreffen?«

Der Offizier betrachtete missfällig das fast abgebissene Mundstück seiner Pfeife und zuckte mit den Schultern. »Bei Morgengrauen … mit Glück. Die Männer haben sich zu Fuß auf den Weg gemacht.«

Richardt entlockte seinen Fingergelenken Knackgeräusche.

»Solange der Russe die Nacht über die Füße stillhält, haben wir eine Chance. Aber mehr als einen Ansturm werde ich nicht mehr abwehren können …«

»Der Russe wird die Füße nicht stillhalten.«

»Ich weiß »

Sie besprachen noch weitere Dinge von Wichtigkeit. Nach 25 Minuten verabschiedeten sich die drei Grenadiere und traten den Rückweg an. Es war stockdunkel geworden, Florentin sah die eigene Hand nicht mehr vor Augen. Er richtete den Schal, den er trug – ein Geschenk seiner Mutter, die dieser Tage wohl 1.000 Tode aus Sorge um ihn starb. Er setzte sich eine gedankliche Notiz, ihr bei der nächstbesten Gelegenheit schreiben zu wollen. Auch bei seinen beiden älteren Schwestern wollte er sich beizeiten melden. Er hoffte, sie kümmern sich gut um Mutter.

Sie wanderten die Gräben entlang, passierten abermals andere Landser, die, zusammengekauert in Deckungslöchern, Schlaf zu finden versuchten. Hie und da beobachtete ein Alarmposten das Vorgelände. In der Distanz donnerten erneut die Triebwerke russischer Bomberstaffeln. Florentin streckte sich, linste über den Grabenrand hinweg ins Niemandsland. Gerade einmal 1.000 Meter entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite der Wiese, lauerten sie, die Russen, und trachteten ihm und seinen Kameraden nach dem Leben. Die hellen Tränen der Empörung stiegen ihm in die Augen, wenn er daran dachte.

»Willst du wohl den Kopf runternehmen!«, schimpfte Richardt heiser.

Florentin wollte der Aufforderung gerade Folge leisten, da ereigneten sich droben bei den Russen mehrere Blitze. Ehe sein Verstand zu schalten vermochte, krepierten Haubitzengranaten mit einem Mordsgetöse im Stellungssystem der Landser.

»Deckung!«, brüllten Richardt und Vedder durcheinander. Sie warfen sich auf den Bauch, Florentin presste seinen Leib gegen die Grabenwand.

Die russischen Geschütze feuerten Salve um Salve ab. Der Sprengstoff riss tonnenweise Erde aus dem Grund, warf sie auf und ließ sie als harten Regen aus Dreck und Stein in weitem Umkreis herniedergehen. Florentin nahm den Kopf zwischen die Arme, presste die Zähne aufeinander und harrte der Dinge. Er konnte anhand der Vibrationen, die sich aus dem Erdreich auf ihn übertrugen, spüren, wie sich Granate um Granate in den Boden bohrte, dort detonierte und zentnerweise Land umgrub. Der Lärm der Einschläge hämmerte auf sein Trommelfell ein. Der Druck stauchte seine Brust zusammen, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer auf sie einhauen. Die mit Kordit und Rauch geschwängerte Luft füllte seine Lunge und gab ihm das Gefühl, feingemahlene Glassplittern zu atmen. Zusammengekrümmt ertrug er den lebensfeindlichen Beschuss, hustend und gurgelnd.

Die Landser verschwanden in Vertiefungen innerhalb der Gräben. Die MG-Schützen packten mit wenigen Handgriffen ihre Waffen zusammen und zogen sich mit diesen in vorbereitete Mulden zurück. Sogleich fuhr eine Granate in eines der Sandsackrondells ein. Tosend krepierte sie, riss die Säcke entzwei und verteilte den Sand weitläufig. Irgendwo begann jemand mit krächzender Stimme bitterlich zu schreien.

Florentin war nur allzu bewusst, was der Beschuss bedeutete. Die Rote Armee blieb ihrem Angriffsmuster treu: Artillerievorbereitung, fünf bis 30 Minuten, gelegentlich unterstützt durch Tiefflieger- oder Bomberattacken, danach Frontalangriff mit allen zur Verfügung stehenden Rotarmisten, um den Durchbruch zu erzwingen und der Gegenseite unter Einsatz von viel Blut ein paar Kilometer Erde abzuringen

»Wir müssen zum Panzer!«, presste Richardt zwischen zwei Explosionen hervor. Florentin und Vedder nickten.

»Kommt!«

Florentin musste seine Gliedmaßen förmlich zwingen, sich in Bewegung zu setzen. Er folgt Richardt und Vedder, die sich im Schneckentempo den Graben entlangdrückten, während die Kanoniere der Roten ihren Munitionsvorrat über ihnen ausschütteten. Die Ohren taten Florentin weh von der Knallerei. Er erspähte im Flackerschein auflohender Flammen einige Landser, die zitternd und mit maskenhaftem Gesicht den Beschuss über sich ergehen ließen. Auch der Wald hinter den deutschen Stellungen bekam abermals eine böse Abreibung verpasst. Bäume, die bis dato jedem Beschuss gestrotzt hatten, barsten unter Granattreffern. Eine Fichte stürzte knackend um.

»Los doch!«, raunzte Richardt.

Sie erreichten das Ende des Grabens, als die Kanonade abrupt endete.

»Jetzt aber Hackengas geben!«, rief Richardt. Die drei Soldaten eilten durch den Forst, auf jene Stelle zu, wo sie ihren T26-Beutepanzer versteckt hatten. In ihrem Rücken, droben auf der anderen Seite der Freifläche, stiegen rote Leuchtkugel auf, deren künstlicher Schein der Landschaft einen albtraumhaften Anstrich verpasste. Trillerpfeifen tönten schrill. Der Nebel hatte sich zurückgezogen, hatte den Blick auf die vielen Toten freigegeben, die zwischen den Deutschen und den Russen das Niemandsland bedeckten.

Hauptmann Pendler erwartete seine Soldaten bereits. Neben dem schlanken, mit hohem Turm versehen Panzer stehend, winkte er ihnen zu.

»Da sind Sie ja!«, brachte er gehetzt hervor. »Jetzt aber rein mit Ihnen. Alle Wagen halten sich bereit. Eingreifen nur auf meinen Befehl!«

»Jawohl«, japste Richardt, während er, Vedder und Florentin sich gekonnt durch die Luken in den Panzer schwangen. Florentin, der den Tank in einem selbstlosen Einsatz aufgebracht hatte, hatte zwischen dem Fahrer- und dem Richtschützenplatz wählen dürfen und sich für den Fahrerplatz entschieden. Noch immer erregte es ihn, ein solches Stahlungetüm zu bewegen. Er klemmte sich hinter die Hebel und behielt den Anlasser im Blick. Sie verfügten nur noch über Sprit für 30 oder 40 Kilometer, entsprechend durfte er den Motor nur auf Richardts ausdrücklichen Befehl hin starten. Der hatte die Funktion des Kommandanten übernommen, er legte sich das Funkgerät auf den Schoß, um mit Pendler in Verbindung bleiben zu können.

Die Landser luden ihre Leuchtpistolen, Sekunden später marschierten weiße Lichtgebilde, künstlichen Sternen gleich, ins Gewölk über dem Niemandsland empor. Ihr greller, flackernder Schein wanderte am Firmament entlang und gab den Blick auf Hunderte Rotarmisten preis, die auf die deutschen Stellungen ansetzten. Florentin blickte durch den Sehschlitz auf den gegnerischen Ansturm und rieb sich die müden Augen. Das waren 500 Mann, mindestens.

Der Offizier tauchte an Pendlers Seite auf. Da seine Einheit über keine Funkgeräte verfügte, führte er ein Sprachrohr mit sich. Über dieses wies er seine Männer an, zwischendurch traf er Absprachen mit Pendler.

»Wartet auf meinen Befehl, Männer! Lasst sie herankommen!«

Die roten Soldaten näherten sich, stetig und doch quälend langsam. Allmählich definierten sich aus der hundertköpfigen, konturlosen Masse klar erkennbare Soldaten heraus. Sie schritten in loser Formation über die Freifläche, die Waffen in Vorhalte. Sie überstiegen die Leichen ihrer Kameraden und schoben sich in den Schein der deutschen Leuchtmittel hinein.

»Auf meinen Befehl warten!«, schalte die mahnende Stimme des Offiziers über die Stellungen hinweg. Wackelnde Gewehrmündungen waren auf die Russen ausgerichtet.

Es geschah etwas Unerwartetes. Einer der Rotarmisten im Vorfeld fuhr herum und feuerte eine grüne Leuchtkugel ab, daraufhin gingen von ihm wilde Kommandos aus, und dann brach vor den Augen der Deutschen die Hölle los. Florentin wischte sich abermals durchs Gesicht, wollte nicht glauben, was er sah: Rote kämpften gegen Rote! Sie lieferten sich ein Handgemenge, Gewehrschüsse bellten auf, die Unterführer bliesen wütend und verzweifelt in ihre Trillerpfeife. Auf der gegenüberliegenden Seite des Niemandslandes eröffneten Maschinengewehre, die erbarmungslos in die Rotarmisten hineinhackten und zahlreiche von ihnen fällten. Es herrschte ein fürchterliches Tohuwabohu, entsetzliche Schreie tödlich Getroffener waberten über das Schlachtfeld.

Pendler und der Offizier verstanden und schalteten.

»Regenbogen«, sprach der Hauptmann Richardts T-26 mit seinem Decknamen an. »Spreng auf jenseitige Waldkante!«

»Spreng!«, bestätigte Vedder und stopfte eine entsprechende Patrone ins Patronenlager. Elf Sprenggeschosse und drei Panzergranaten bildeten den kümmerlichen Rest ihres Munitionsbestands. Das Schloss schnappte mit einem metallischen Knall zu, und Vedder klemmte sich hinter die Waffe. Dass er laden und schießen musste, verminderte die Effizienz im Kampf, anders jedoch ließ es der Aufbau des Panzers nicht zu.

»Ruhig bleiben«, sagte der Offizier seinen Landsern. »MG, Vorfeld überschießen, jenseitige Waldkante abstreichen! Pak! Waldkante beackern! Haltet auf die Mündungsblitze der russischen MG an!«

Die Angesprochenen zögerten einen Augenblick lang, schienen damit beschäftigt, den Sinn hinter diesem Befehl zu begreifen, dann aber legten sie los. Die MG-34 tackerten und entsendeten glimmende Feuerstöße zur jenseitigen Waldkante. Die Pak-Bedienungen feuerten ebenfalls ihre Kanone ab, droben stiegen Pilze aus Feuer und Erde zwischen den Bäumen empor. Auch Vedder schoss, der Tank erzitterte unter dem Abschuss, der Innenraum füllte sich mit Schmauch, der in den Atemwegen brannte.

»Stellungswechsel vorbereiten!«, rief Richardt.

Endlich, sagte sich Florentin und ließ den Motor zum Leben erwachen. Gleichzeitig schlug drüben die Sprenggranate ein, Baumwipfel schüttelten sich unter der Detonation. Vedder lud die Kanone nach.

»Noch ein Schuss, dann setzen wir uns ab!

---ENDE DER LESEPROBE---